Ostrakon London UC 31942

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
LDUCE-UC31942 Ostrakon Ram 1
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » Petrie Museum of Egyptian Archaeology

Inventarnummer: UC 31942

Digitaler Katalog
Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Ramesseum

Das Ostrakon wurde zusammen mit anderen literarischen Ostraka während J. E. Quibells Grabungen 1895–1896 im Ramesseum in den Räumen südöstlich des Tempels gefunden (Spiegelberg 1898, Introduction). Der literarische Inhalt all der dort gefundenen Ostraka führte Spiegelberg zu der Annahme, dass sich dort eine Schreiberschule befand. (Für die Frage nach deren Verhältnis zur Tempelbibliothek und/oder dem Lebenshaus vgl. die zusammenfassenden Ausführungen von Burkard 1980, 102–104.)

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Das Abfassungsdatum wird in der Laufzeit der Schreiberschule, d.h. der 19.–21. Dynastie (Burkard 1980, 104), liegen. Der Text ist in einem ramessidenzeitlichen Hieratisch geschrieben. Die beiden Papyrusparallelen stammen aus der 20. Dynastie, die beiden Parallelen auf den Ostraka aus Deir el-Medineh lassen sich noch nicht genauer datieren.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Das Ostrakon enthält eine mythische Episode, die sich dank der Parallelen auf Papyrus Chester Beatty VII, Papyrus Turin CGT 54076/002, Ostrakon Deir el-Medineh 1591 und 1592 inhaltlich als Episode aus der Vergewaltigung der Göttin Anat durch Seth und funktional als sogenannte Historiola einer magischen Beschwörung identifizieren lässt. Das heißt, hier wird die mythische Episode von der Vergewaltigung der Anat durch Seth angerissen, für die sie sich revanchierte, indem sie ihrerseits Seth vergiftete (Spiel mit dem Wort mtw.t, das „Gift“ wie auch „Same“ heißen kann). Damit wird angedeutet, dass die Vergiftung durch eine negative, in dem Fall göttliche, Entität letzten Endes wirkungslos bleibt bzw. sogar auf diese zurückgeworfen wird. Wie bei einer Historiola üblich, wird dann dieses Geschehen auf den akuten Anwendungsfall übertragen, um so die Heilung durch den Mythos zu unterstützen. Im vorliegenden Beispiel zeigt v.a. die Parallele des Papyrus Chester Beatty VII, dass diese Historiola konkret im Kontext von Skorpionstichen steht. Inwiefern die Abweichungen des Ostrakons ab der dritten Zeile diese inhaltliche Deutung beeinflussen, ist aufgrund der Zerstörungen unklar.

Auf der Rückseite des Ostrakons befinden sich Zeichnungen, s. van Dijk 1986, 33 und 47, Anm. 10. Aber ob sie einen Bezug zum Text der Vorderseite haben oder nicht, d.h. ob sie eine Vignette zum magischen Spruch darstellen, kann erst nach deren Publikation beantwortet werden.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Text wurde auf ein Ostrakon geschrieben, handelt sich also weder um eine Sammelhandschrift noch um ein typisches Amulett, das eher aus einem Papyrusblatt bestehen würde. Es stellt sich hier wie für Texte auf ganzen Tonschalen die Frage, ob das Objekt irgendwie in der Nähe eines Betroffenen abgelegt oder angebracht wurde (das Ostrakon Leipzig ÄMUL 5251 weist bspw. ein Loch zur Aufhängung(?) auf), oder ob die Beschriftung vielleicht dafür gedacht war, abgewaschen und bei der Behandlung getrunken zu werden, s. Quack 2022, 140.

Wenn dieses Ostrakon tatsächlich aus einer Schreiberschule stammt, wäre aber natürlich auch ein Schulkontext denkbar.

Material
Künstliche Materialien » Keramik
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die Tonscherbe misst 23,55 × 25,3 × 0,65 cm (H×B×T) und ist auf der Außenseite beschriftet.

Schrift
Hieratisch
Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Der äußerst stark fragmentierte Zustand gibt nur wenig Hinweise auf die verwendete Sprachstufe. Die Parallelen werden als mittel- bis neuägyptisch eingestuft. Der Textausschnitt des Ostrakons enthält zweimal das neuägyptische Possessivpronomen pꜣy=f und einmal den Artikel tꜣ, wobei die letztere Artikelreihe schon im späteren Mittelägyptisch vorkommt. Das Satzparadigma jw=f ḥr sḏm der ersten Zeile ließe sich mittelägyptisch wie auch neuägyptisch erklären, wobei tendenziell vielleicht eher ein neuägyptischer Narrativ vorliegt.

Bearbeitungsgeschichte

Der Text ist von Spiegelberg 1898, Taf. 1 und 1a in Faksimile und hieroglyphischer Umschrift publiziert worden. Gardiner 1935, 62 mit Anm. 8 gab in seiner Bearbeitung der Parallele auf Papyrus Chester Beatty VII eine leicht verbesserte hieroglyphische Umschrift der ersten beiden Zeilen, die aber nur auf dem publizierten Faksimile und nicht auf dem Original beruht. Ein Foto (der Vorderseite) ist bislang nur bei Barbotin 2016, 179 und auf der Website des Petrie Museums publiziert. Davon abgesehen wird das Ostrakon auch in Bearbeitungen der Parallelen bzw. in Studien zu diesem magischen Spruch und/oder zu Anat berücksichtigt, meist aber nur am Rande, und meist nur die beiden ersten Zeilen, weil der Rest von den Parallelen abweicht. Zu den ausführlicheren Referenzen gehören Roccati 1972, und Schneider 2004, 620–621.

Editionen

- Barbotin 2016: C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles/Gand 2016), 179.

- Spiegelberg 1898: W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 18956, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898), Taf. 1 und 1a.

- Schneider 2004: T. Schneider, Texte über den syrischen Wettergott aus Ägypten, in: Ugarit-Forschungen 35, 2004, 605627, hier: 620621.

Literatur zu den Metadaten

- Barbotin 2016: C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles/Gand 2016), 179.

- Burkard 1980: G. Burkard, Bibliotheken im alten Ägypten. Überlegungen zur Methodik ihres Nachweises und Übersicht zum Stand der Forschung, in: Bibliothek: Forschung und Praxis 4 (2), 1980, 79–115.

- Gardiner 1935: A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935).

- Quack 2022: J. F. Quack, Altägyptische Amulette und ihre Handhabung, Orientalische Religionen in der Antike 31 (Tübingen 2022).

- Roccati 1972: A. Roccati, Une légende égyptienne d’Anat, in: Revue d’égyptologie 24, 1972, 152–159.

- Schneider 2004: T. Schneider, Texte über den syrischen Wettergott aus Ägypten, in: Ugarit-Forschungen 35, 2004, 605–627.

- Spiegelberg 1898: W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895–6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898).

- van Dijk 1986: J. van Dijk, ꜤAnath, Seth and the seed of Prēꜥ, in: F. Leemhuis, et al. (Hrsg.), Scripta signa vocis. Studies about Scripts, Scriptures, Scribes, and Languages in the Near East, Presented to J. H. Hospers by his Pupils, Colleagues, and Friends (Groningen 1986), 31–51.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Lutz Popko
Autoren (Metadaten)
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Historiola aus einem magischen Spruch gegen Gift1

[1, rto.] Er besprang sie, wie ein Stier bespringt. Er penetrierte2 sie, wie ein [Widder]3 penetriert. [---] hielt ihren Kopf und (?) ihr(e) Auge(n) nieder4.
Der [---]5 liegt/legte6 sich auf sein(?)7 B[ett, weil er krank war]. (?) [Und (o.ä.)] er stieg herab und trennte Renenutet8, die Herrin9 von … (?) [von ---].
[---] geschrieben am Himmel, während er/es unter seinen zwei Gesichtern ist, fürchtend (?) [---]
[---] … [5] ein anderes auf den Flügel (???) [---]
[---] …10 [---]
[---] …11 [---]
[---] … [---]

1 Zu den bislang unpublizierten Zeichnungen s. die kurze Bemerkung von J. van Dijk, ꜤAnath, Seth and the seed of Prēꜥ, in: F. Leemhuis, et al. (Hrsg.), Scripta signa vocis. Studies about Scripts, Scriptures, Scribes, and Languages in the Near East, Presented to J. H. Hospers by his Pupils, Colleagues, and Friends (Groningen 1986), 31-51, hier 33 und 47, Anm. 10.

2 ꜥmq
Das Verb kommt (1) nur in den verschiedenen Parallelversionen dieses Satzes vor und ist meist mit dem Phallus, auf dem Londoner Ostrakon dagegen mit dem schlagenden Mann klassifiziert. Es bezeichnet eine sexuelle Handlung des Seth gegenüber Anat (s. unten).
(2) Ein weiteres, gleichradikaliges Verb steht in pChester Beatty VII rto. 8,4, ist aber mit dem Kreuz (Gardiner Sign-list Z9) und dem schlagenden Arm klassifiziert (Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 20.03.2024), s. schon A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 61, Anm. 3). Es bezeichnet eine Handlung eines Skorpions(?).
Die Identität beider Verben wird unterschiedlich gewertet: Gardiner, a.a.O., 61 mit Anm. 3 und 62 mit Anm. 9 verweist zwar von einer Stelle auf die andere, schien sich aber über die Identität unsicher. A. M. Blackman, Review: Gardiner, Alan H. 1935. Chester Beatty gift, 2 vols. Hieratic Papyri in the British Museum 3. London: Trustees of the British Museum, in: Journal of Egyptian Archaeology 22, 1936, 103106, hier: 105; D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 1. 1977 (Paris 1980), 77.0646 und S. Schreiber, „Keusch wie kaum ein anderes Volk“? Einige Anmerkungen zum Sexual-Vokabular der alten Ägypter, in: U. Claudi – D. Mendel (Hrsg.), Ägypten im Afro-Orientalischen Kontext. Aufsätze zur Archäologie, Geschichte und Sprache eines unbegrenzten Raumes. Gedenkschrift Peter Behrens (Köln 1991), 315335 hielten es für dasselbe Verb. Dagegen erwähnt J. E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 6970, Nr. 75 diesen Beleg nicht.
Zu den Unterschieden zwischen (1) und (2) zählt neben der Klassifikation auch die Syntax, denn das Verb ist zwar in beiden Fällen das Verb transitiv, aber in (1) ist das grammatische direkte Objekt die Göttin (Affiziertes Objekt) und in (2) der Stachel (Instrument).
(3) Meeks und Behrens nennen schließlich noch einen weiteren Beleg in É. Chassinat, Le temple d’Edfou. Tome quatrième, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 21 (Le Caire 1929), 34, 7–8, wo sie eine Handlung von nḥb.wt: „Lotosknospen“ beschreiben. Diesen Beleg hat A.-P. Zivie, Hermopolis et le nome de l’ibis. Recherches sur la province du dieu Thot en Basse Égypte I. Introduction et inventaire chronologique des sources, Bibliothèque d’étude 66 (1) (Le Caire 1975), 197 für einen Schreibfehler bzw. genauer eine Schreibvariante von tbg: „cueillir“ erklärt, einer Interpretation, der Meeks, a.a.O. eher ablehnend gegenübersteht, während D. Kurth, Edfou IV. Seite 1201, Die Inschriften des Tempels von Edfu: Abteilung I Übersetzungen 5 (Hützel 2021), 61 (mit Anm. 7) ihr folgt.
(4) Demotische oder koptische Derivate sind bislang nicht bekannt. Einen Zusammenhang mit koptisch ⲱⲙⲕ: „verschlingen, verschlucken“ schließen Gardiner, a.a.O., 61, Anm. 3, Meeks, a.a.O. sowie W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 202 explizit aus.
Die Bedeutung des Verbs ergibt sich in erster Linie aus der Beleggruppe (1), wo ein sexueller Akt des Seth gegenüber Anat vorliegt, der mit dem eines Widders oder eines Stieres verglichen wird. Dieser allgemeine Kontext, die Parallelisierung mit dem Verb pꜣy: „bespringen“ im vorherigen Satz und der Phallusklassifikator lassen an eine Bedeutung wie „bespringen, penetrieren“ o.ä. denken. Im Prinzip vermittelt der Vergleich mit Widder und Stier eine Stellung a tergo – wenn Schreiber, a.a.O., 332 aufgrund der expliziten Erwähnung von pḥ=s: „ihr Hintern“ auf diese Stellung verweist, meint sie genau genommen Analverkehr, doch dieser aber hier wohl nicht gemeint ist, da pḥ=s in einem anderen Zusammenhang steht, s. Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 20.03.2024). Eine Annäherung an eine passende Übersetzung ist schwierig: In welches Sprachregister der Begriff gehört – literarisch, religiös, „zoologisch“, umgangssprachlich, …(?) –, lässt sich dieser vereinzelten Passage nicht entnehmen. Und auch die Wertung des Begriffes – positiv, negativ oder völlig neutral – bleibt unklar, denn „einerseits wurden der Gott Seth – und somit seine Handlungen – von den alten Ägyptern eher negativ betrachtet, andererseits ist die Gleichsetzung der Potenz des Gottes mit der eines Stieres oder Widders durchaus positiv verstanden worden und gehört zu den Epitheta von Fruchtbarkeitsgöttern“ (Schreiber, a.a.O., 333). Gardiner, a.a.O., 62 verwendete für beide Begriffe in dieser Passage Termini aus der zoologischen Fachsprache: „to leap“ für das pꜣy des vorherigen Satzes und „to cover“ für das ꜥmq des hiesigen Satzes. Auch A. Roccati, Une légende égyptienne d’Anat, in: Revue d’égyptologie 24, 1972, 152–159, hier: 156 verwendet für ꜥmq einen zoologischen Terminus, den G. Andreu – S. Cauville, Vocabulaire absent du Wörterbuch (II), in: Revue d’égyptologie 30, 1978, 10–21, hier: 6 übernehmen, nämlich „saillir“. Das Verb pꜣy übersetzt Roccati dagegen mit „monter“ und nicht etwa mit „couvrir“. Wenn dagegen Meeks mit Verweis auf Andreu – Cauville eine ganz allgemeine Bedeutung „s’accoupler, s’unir“ angibt, dann sicherlich nur deswegen, weil er (1), (2) und (3) als dasselbe Verb versteht und eine Bedeutung braucht, die auch (3) – Meeks: „rassembler, monter en bouquet (?)“ – einschließt.
Das Verb (2) kommt in einem zerstörten Kontext vor, scheint aber eine Aktion des Skorpions mit seinem Stachel zu erwähnen. Sollten (1) und (2) zusammengehören, wird man als gemeinsame Bedeutung eher in Richtung „stoßen, penetrieren“ als „bespringen“ denken können. So schlägt bereits Blackman, a.a.O., 105 „to prod, to poke“ vor, weil das in beiden Kontexten des pChester Beatty VII gut passen würde. Auch Schreiber, a.a.O., 333 hielt die Bedeutung „stoßen“ für passend. Barbotin 2016, 179 entschied sich für „pénétrer“.
R. Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.). Die Sprache der Pharaonen (Marburger Edition), Kulturgeschichte der Antiken Welt 64, 4. Auflage (Mainz am Rhein 2006), 153, der (1) und (2) als verschiedene Lemmata aufgenommen hat, gibt für (1) die Bedeutung „Gewalt antun (sexuell), decken (Tier)“ und für (2) „stoßen“.
Aufgrund der wenigen Belege lassen sich keine sicheren Aussagen zur Etymologie treffen. Hoch, a.a.O., der nur (1) bespricht, vergleicht das Verb mit der semitischen Wurzel ḥbq: „to embrace; to make love“, markiert den Vorschlag aber mit der Plausibilitäts-Kategorie „[3]“, d.h. „questionable“ (a.a.O., 14). Auch Roccati, a.a.O., 158 vermutet einen „origine cananéenne“. Dagegen hält Schreiber, a.a.O., 333 eine solche Wortherkunft für unsicher (ohne Gründe). J. F. Quack, Rez. zu: Hoch, James E. 1994. Semitic words in Egyptian texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period. Princeton, NJ: Princeton University Press, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 146, 1996, 507–514, hier: 509 hält in seiner Rezension zu Hoch die semitischen Ableitungen ebenfalls für „unbefriedigend“ und begründet dies mit der fehlenden Gruppenschreibung. Er denkt vielmehr an eine echt ägyptische Wurzel. Auch D. Meeks, Les emprunts égyptiens aux langues sémitiques durant le Nouvel Empire et la Troisième Période Intermédiaire: les aléas du comparatisme, in: Bibliotheca Orientalis 54 (1–2), 1997, 32–61, hier: 38 zweifelt aufgrund der von ihm vorgeschlagenen Bedeutung „pénétrer“ die Zuverlässigkeit von Hochs Ableitungsvorschlag an.
Dagegen greift Schneider 2004, 621 mit Anm. 63 erneut die Idee einer semitischen Wurzel auf, vermutet aber eher ꜥmq: „tief sein“, weswegen er das Verb hier als „tief eindringen“ übersetzt.

3 Ergänzungsvorschlag auf Basis der Parallelen, v.a. Ostrakon DeM 1591. Auf Papyrus Chester Beatty VII könnte die Reihenfolge der Tiere vertauscht gewesen sein, da dort rhnj schon im vorigen Satz genannt wird. Die Ergänzung bedürfte natürlich einer Überprüfung am Original. W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895-6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898), Taf. 1a lässt in der hieroglyphischen Transkription des Ostrakons diese Zeichenreste völlig aus. A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 62, Anm. 8, gefolgt von A. Roccati, Une légende égyptienne d’Anat, in: Revue d’égyptologie 24, 1972, 152–159, hier: 156, gibt ein zerstörtes Wort an.
C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles, Gand 2016), 179 übersetzt diesen Satz mit: „(…) et la pénétrat vigoreusement (2) en train de chasser (…)“, scheint also das letzte Wort der Zeile ausgelassen und die folgende Zeile direkt angeschlossen zu haben.

4 dr kann hier kaum die Bedeutung „beseitigen, vertreiben“ haben, die im Zusammenhang mit Krankheiten und ähnlichen negativen Erscheinungen die naheliegende ist. Möglicherweise liegt hier eine Bedeutung vor, die der von Assmann vorgeschlagenen Grundbedeutung „niederhalten“ (J. Assmann, Wort und Text. Entwurf einer semantischen Textanalyse, in: Göttinger Miszellen 6, 1973, 9–32, hier: 14) nähersteht. Eine genaue Interpretation der Stelle wird jedoch durch die Zerstörung des Satzanfangs erschwert. Die wenigen Spuren, die bei W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895-6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898), Taf. 1 zu sehen sind, reichen für einen Rekonstruktionsvorschlag nicht aus. Wenn dr hier richtig übersetzt ist, könnte man vermuten, dass hier noch ein Teil des Vergewaltigungsvorgangs beschrieben ist und die in den vorigen Sätzen bereits durch den Tiervergleich implizierte Stellung a tergo weiter untermauert.
Der Satz fehlt in den Parallelen. Man könnte aber die Hypothese aufstellen, dass das hiermit gezeichnete Bild im vollständigen Plot der Historiola den Aufhänger dafür bildete, dass in der Version des pChester Beatty VII der personifizierte „Giftsame“, dann vielleicht als konkrete Reaktion, just an Stirn und Augenbrauen des Seth sprang (Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 20.03.2024)).

5 pꜣ ⸢⸮___?⸣: W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895-6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898), Taf. 1a dachte an pꜣ-wn: „denn“, gefolgt von einem tlw. zerstörten Götternamen. Von Letzterem ist noch der Klassifikator, der Falke auf Standarte, erkennbar, den Spiegelberg, den früheren Transkriptionsgepflogenheiten folgend, als sitzenden Gott transkribierte (vgl. A. Erman, Neuaegyptische Grammatik, 2. Auflage (Leipzig 1933), § 39). Zumindest in der Lesung pꜣ-wn dürfte ihm wohl C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles, Gand 2016), 179 gefolgt sein, wenn er übersetzt: „(…) étant donné qu’elle était couchée sur leur […]“. Ein Pronomen der 3. Person Singular lässt sich aber in den Zeichenresten nicht erkennen.
Schneiders Vorschlag „Der Schwarze schläft auf ihrem […]“ (T. Schneider, Texte über den syrischen Wettergott aus Ägypten, in: Ugarit-Forschungen 35, 2004, 605-627, hier 621) basiert wohl auf der Lesung bei A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 62, Anm. 8.
Wenn die hier vorgeschlagene Rekonstruktion des Satzendes korrekt ist, muss in jedem Falle eine Bezeichnung des Seth vorliegen.

6 Es ist unsicher, ob vom „Schlafen“ oder vom reinen „Liegen“ die Rede ist.

7 Die hier vorgeschlagene Phrase (abweichend von der Lesung bei Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895-6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898) und A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935)) als „ihr“ (3. Person Plural)) basiert auf Papyrus Chester Beatty VII vso. 1,7–8, s. , in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 20.03.2024). Hier wäre dann gegenüber Papyrus Chester Beatty VII der Satz ausgefallen, dass „Giftsame“ an die Stirn des Seth gesprungen wäre.

8 Mit C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles, Gand 2016), 179 vielleicht eher so zu lesen als „Neith“, wie A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 62, Anm. 8 vermutet.

9 Das Wort nach nb: „Herrin“ ist nicht zu identifizieren. Ein Ortsname liegt nahe, und A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 62, Anm. 8 denkt an Sais, wobei seine Lesung sicherlich auch die die Lesung des Götternamens zuvor als Neith beeinflusst ist.

10 W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895-6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898), Taf. 1a und C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles, Gand 2016), 179 haben einen Teil der Zeichenreste als ḥbs: „bekleiden“ gelesen, aber diese Lesung erscheint fraglich.

11 W. Spiegelberg, Hieratic Ostraca and Papyri Found by J. E. Quibell in the Ramesseum, 1895-6, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2*] (Sonderband) (London 1898), Taf. 1a und C. Barbotin, Seth et Ânat, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Khâemouaset, le prince archéologue. Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II (Arles, Gand 2016), 179 haben die Zeichenreste als nb ḥr mḥ: „toute, en train d’emplir“ gelesen, aber diese Lesung scheint fraglich.