Papyrus Deir el-Medineh 42
Übersetzung und Kommentar
Amulett gegen Hautentzündung
[1] [Schriftstück] gegen eine schlimme srf-Entzündung1:
Sei(d) gegrüßt2, ihr Herren der Ewigkeit, [hoch an] ... (?)3!
Steig(t) hinab und r[ichtet auf] (oder: b[elebt]) (?)4 den, der todkrank5 ist!
Die (ihr) 〈als〉6 Vögel zum Himmel auffliegt, 〈um〉 den 〈auf〉zustellen (?)7, der im Westen ist: Veranlasst, dass der, der im Westen ist, herauskommt, um ... (?)!9
Worte 〈zu sprechen〉 [über:] (?) (Freiraum für Vignetten?)10
1 srf: Papyrus Chester Beatty VII und die Amulettpapyri gegen dieses Leiden, wie pDeM 42 oder pStrasbourg BNU hiérat. 69, schreiben ein maskulines srf, und im Amulettpapyrus pDeM 36 steht zudem der maskuline Artikel davor: pꜣ srf. Auch die Adjektive zeigen keine Femininendung. Im pChester Beatty VII folgt dem Spruch gegen srf ein solcher gegen rmn.t. Das erinnert an die Oracular Amuletic Decrees der 3. Zwischenzeit, in denen einem srf(.t) ebenfalls oft rmn.t folgt (vgl. dazu die Zusammenstellung bei J. F. Quack, Tabuisierte und ausgegrenzte Kranke nach dem „Buch vom Tempel“, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.), Papyrus Ebers und die antike Heilkunde. Akten der Tagung vom 15.–16.3.2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 63–80, hier: 78), so dass wohl in beiden Fällen dieselbe Gruppe von Krankheiten/Krankheitsphänomenen vorliegt; J. F. Quack, Beiträge zu einigen religiösen und magischen Texten, in: M. Collier – S. Snape (Hrsg.), Ramesside Studies in Honour of K. A. Kitchen (Bolton 2011), 413–416, hier: 415, geht davon aus, dass srf und rmn.t Hautkrankheiten bezeichnen. Erwähnenswert ist, dass in den Oracular Amuletic Decrees mitunter eine t-Endung steht: srf.t, s. dazu U. Luft, Ein Amulett gegen Ausschlag (srf.t), in: Anon. (Hrsg.), Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Berliner Ägyptischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin. Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung 8 (Berlin 1974), 173–179, hier: 175–176, Kommentar b. Diese strukturelle Parallele ist interessant für die Frage, ob maskulines srf und feminines srf.t dasselbe Krankheitsphänomen bezeichnen oder nicht. So unterscheidet B. Ebbell, Alt-ägyptische Bezeichnungen für Krankheiten und Symptome, Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo. II. Hist.-Filos. Klasse 1938 (Oslo 1938), 15 beide nicht, auch J. P. Allen, The Art of Medicine in Ancient Egypt (New York, New Haven, London 2005), 115 hat „fever“ für feminines srf.t, und umgekehrt geht Quack in den genannten Aufsätzen davon aus, dass das srf(.t) der Oracular Amuletic Decrees mit dem srf der Amulettpapyri und dem srf(.t) im Buch vom Tempel identisch ist und eine Hautkrankheit bezeichnet, wohingegen meist zwischen beiden Termini unterschieden wird.
2 ḥr=k: So auch auf der Parallele pChester Beatty VII. Auf der Parallele pBM EA 10732, Z. 1 steht dagegen das zu erwartende ḥr=tn: "Seid gegrüßt (...)".
3 qꜣi̯.y ḫnw: Das letzte Wort ist nicht sicher zu identifizieren, da die Klassifikatoren weder hier noch auf pChester Beatty VII klar zu lesen sind. pBM EA 10732 schreibt ḫꜣj tn (= ḫyi̯ tn) ḏ... (?): „erhaben seid ihr ... (?)“, s. S. Donnat, Le papyrus-amulette British Museum EA 10732 et le billet modèle P. Chester Beatty VII, verso 7, in: Journal of Egyptian Archaeology 105, 2019, 243–257, hier: 244 und 247. Ob in pChester Beatty VII und pDeM 42 das Wort ḫn.w: „Kapelle“ vorliegt, auch wenn der Klassifikator definitiv kein Hausgrundriss ist? Jedenfalls ist qꜣi̯ als Angabe zu Gebäuden gut belegt. P. Eschweiler, Bildzauber im alten Ägypten. Die Verwendung von Bildern und Gegenständen in magischen Handlungen nach den Texten des Mittleren und Neuen Reiches, Orbis Biblicus et Orientalis 137 (Freiburg/Göttingen 1994), 38 vermutet eher „Aussprüche“, also ḫn.w, Wb 3, 289.1–14. In dem Fall müsste aber qꜣi̯ als „laut“ zu verstehen sein. Laut J. F. Quack, Bemerkungen zum Amulettpapyrus pBM EA 10732 und seinen Parallelen, in: Göttinger Miszellen 261, 2020, 155–164, hier: 157 wiederum „handelt es sich bei dem fraglichen Zeichen [nicht ganz sicher, ob er die Form von pChester Beatty VII oder die von pDeM 42 meint, L. P.] um eine etwas unsaubere Form des Fischhinterteils“ Extended Library K23, und er vermutet in dem ḫnw das Wort „Rückenfinne“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/117800, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 3.7.2023)). Er verweist dafür auf J. F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348 (Leiden 1971), 113–114, Anm. 136 sowie seine Habilitationsschrift zu den Dekanen – die von Borghouts angeführten Belege sind jedoch anders geschrieben und die Habilitationsschrift ist noch nicht publiziert, so dass bislang keine in diesem Sinne „saubere“ Form zum Vergleich zur Verfügung steht.
4 s___ mḥr: Das einzige zwischen s und mḥr fehlende Zeichen transliteriert Koenig 1982, 293 fragend als Schiffsmast, woraus sich die Lesung sꜥḥꜥ: "aufrichten" ergäbe. Da der Schiffsmast in der unmittelbar darauffolgenden Zeile aber etwas anders aussieht, fragt sich, ob das Zeichen vielleicht auch ein unsauber geschriebenes Henkelkreuz sein könnte, was die Lesung sꜥnḫ: "beleben" ergibt. Theoretisch ließe sich auch eine Lesung sḫm: „sich etw. bemächtigen“ denken, vgl. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III. bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie, 2 (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. 449.
5 mḥr.tw: Syntaktischer Anschluss unklar, da die Lesung des Vorherigen nicht sicher ist. Für die Verbindung „einen Kranken beleben“ s. immerhin Wb 4, 46.12; die Endung tw passt zugegebenermaßen nicht zu einem Partizip. Das Wort ist mit dem Ersatzzeichen für den gebundenen Feind, Gardiner Sign-list Z6, klassifiziert. Derselbe Klassifikator kommt bei mḥr auch auf der Abwesenheitsliste auf oAshmolean HO 563 aus Deir el-Medinah vor, s. S. E. Hudson, Three New Deir el-Medina Absence Lists in the Ashmolean Museum, Oxford, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 142 (1), 2015, 45–54, hier: 46–47 (Hinweis Fischer-Elfert). Hudson liest auf Vorschlag von Fischer-Elfert (s. S. 46, Anm. 8) mḥr m(w)t: „ill (then) dead“; d.h. sie erwägt, dass die dort als abwesend genannte Person so schwer krank ist, dass sie später gestorben sei.
6 nꜣ pwy.w 〈m〉: Koenig 1982, 293 schlägt die Lesung ḥtp.w vor, aber die Zeichenreste auf der Parallele pChester Beatty VII passen nicht gut zu hieratischen Standardschreibungen von ḥtp, ließen sich aber zur Schreibung von pDeM 42 ergänzen, so dass zumindest auf beiden Papyri dasselbe Wort gestanden hat. J. F. Quack, Bemerkungen zum Amulettpapyrus pBM EA 10732 und seinen Parallelen, in: Göttinger Miszellen 261, 2020, 155–164, hier: 158 möchte eher nꜣ lesen und vermutet darin zusammen mit dem tw des vorangegangenen mwt.tw eine Verlesung aus dem ḥr mw der Parallele pBM EA 10732. In dem pwy von pChester Beatty VII und pDeM 42 sieht er eine Schreibvariante des pꜣi̯.y von pBM EA 10732. Dort steht (mit Quacks Ergänzung) pꜣi̯.yw 〈m〉 ꜣpd.w: „die 〈als〉 Vögel auffliegen”. Auch in pDeM 42 wird die Präposition ausgefallen sein (dort als Haplographie nach Zeilenwechsel?), weil die Lücke kaum lang genug ist, um neben ꜣpd.w auch noch m aufzunehmen.
7 〈r ḏi̯.t〉 ꜥḥꜥ: Ergänzung nach der Parallele pBM EA 10732, Zeile 2, s. S. Donnat, Le papyrus-amulette British Museum EA 10732 et le billet modèle P. Chester Beatty VII, verso 7, in: Journal of Egyptian Archaeology 105, 2019, 243–257, hier: 244 und 247.
8 n.tj (ḥr) jmn.t: In pBM EA 10732 soll, abweichend dazu, „der im Osten ist“ (n.tj ḥr jꜣb.j) herauskommen.
9 Das Satzende möchte J. F. Quack, Bemerkungen zum Amulettpapyrus pBM EA 10732 und seinen Parallelen, in: Göttinger Miszellen 261, 2020, 155–164, hier: 159 als j (=r) ꜥq lesen. Da aber seine vergleichbare Lesung in pBM EA 10732, Zeile 3 unsicher ist (vgl. den zugehörigen Kommentar im TLA), ist der darauf aufbauende Vorschlag für pDeM 42 noch unsicherer.
10 Die Parallelen pChester Beatty VII, vso. 7 und pBM EA 10732 fahren noch mit einer Götterbedrohung und einer Rezitationsanweisung fort, derzufolge der Spruch als Amulett um den Hals getragen wird. Die letzten erhaltenen Wortreste könnten nach J. F. Quack, Bemerkungen zum Amulettpapyrus pBM EA 10732 und seinen Parallelen, in: Göttinger Miszellen 261, 2020, 155–164, hier: 159 vielleicht der Rest der typischen Nachschrift ḏd-mdw (..): "Worte zu sprechen (...)"sein. Da am rechten Rand des Amuletts ca. zwei Schreibquadrate fehlen, könnte unter Umständen noch ein weiteres, kurzes Wort gestanden haben, vielleicht die Präposition ḥr. Von jedem weiteren Text müssten aber noch Reste erhalten sein, so dass diese vierte Zeile, sofern es sie überhaupt gab, nur aus diesem einen Wort bestanden haben könnte. Die Parallelen weisen Vignetten auf, die auf pDeM 42 fehlen. Unter Zeile 3 befindet sich aber ein Freiraum, der ungefähr so viel Platz einnimmt wie die drei Zeilen selbst. Möglicherweise war er für Vignetten vorgesehen, die aber nicht mehr aufgeschrieben/aufgemalt worden sind.