Ostrakon Chicago ISACM 16974

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Ostrakon Chicago OIM E 16974 Ostrakon Nelson 8
Digitaler Katalog

https://isac-idb.uchicago.edu/

Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon wurde am 1. Juni 1936 von Mitgliedern des Epigraphic Surveys für die Sammlung des damaligen Oriental Institute in Chicago angekauft (Accession 2112), s. Muhs/Scalf 2024, 340 [19].

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon wurde am 1. Juni 1936 von Mitgliedern des Epigraphic Surveys angekauft (Accession 2112), s. Muhs/Scalf 2024, 340 [19]. Angaben zum Ankaufsort und zur Herkunft sind nicht angegeben. Das Team des Epigraphic Surveys arbeitet in erster Linie in Medinet Habu und wohnt im Chicago House in Luxor. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass Ankäufe in dieser Gegend getätigt wurden. Die Tatsache, dass es sich um ein Ostrakon aus weißem Kalkstein handelt, spricht ebenfalls für eine Herkunft aus Theben-West. Die Thematik der weisen Frau verweist auf eine Herkunft aus Deir el Medineh.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Das Ostrakon wird von Nassar aufgrund paläographischer Merkmale sowie der inhaltlichen Nähe zum Ostrakon Letellier in die späte 19. Dynastie datiert, s. Nassar 2019, 41.

Inhalt

Die kurze Notiz gibt die Angaben einer weisen Frau wieder, die diese bei einer Konsultation gesprochen hat. Da Elemente zur Strukturierung des Textes benutzt werden, die wir aus Briefen kennen, könnte es sich auch um einen Brief handeln. Der Text ist sehr fragmentarisch und daher schwer einzuordnen. 

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Notiz vermerkt das Ergebnis einer Konsultation einer weisen Frau.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Das Ostrakon aus weißem Kalkstein ist auf der linken Seite abgebrochen. Das erhaltene Fragment ist 14 cm breit, 9,3 cm hoch und 3,5 cm dick. Das Ostrakon ist auf dem Recto mit insgesamt 5 Zeilen beschriftet. Auf dem Verso befinden sich vier Zeilen. Das Ostrakon wurde zur Beschriftung des Verso horizontal gedreht, so dass die erste Zeile des Verso hinter der letzten Zeile des Recto liegt. Das Verso ist ein Palimpsest. Die ursprüngliche Beschriftung wurde nur grob entfernt und die Oberfläche schlecht geglättet.

Schrift
Hieratisch » Neuhieratisch

Der Text ist in einem recht schnell ausgeführt wirkenden Neuhieratisch geschrieben.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Der Text ist neuägyptisch geschrieben. Dies wird durch den Gebrauch des Präsens I deutlich.

Bearbeitungsgeschichte

J. Černý hat in einem seiner Notebooks eine Transliteration des Textes angefertigt (Notebook no. 107, 30). M.A. Nassar hat im Jahr 2019 eine Publikation des Ostrakons vorgelegt (2019, 41–48). Darüber hinaus findet das Ostrakon in weiteren Arbeiten Erwähnung (Toivari-Viitala 2001, 229; Neunert 2010, 108–109; Gabler 2018, 410–411; Austin 2024, 148–151).

Editionen

- M.A. Nassar. The Wise Woman and the Healing Practice (O. OIM 16974). In: Journal of Ancient Egyptian Interconnections 24, 2019, 41–48.

Literatur zu den Metadaten

- Austin 2024: A.E. Austin. Healthmaking in Ancient Egypt. The Social Determinants of Health at Deir el-Medina. CHANE 138. Leiden 2024.

- Gabler 2018: K. Gabler. Who’s who around Deir el Medina: Untersuchungen zur Organisation, Prosopographie und Entwicklung des Versorgungspersonals für die Arbeitersiedlung und das Tal der Könige. EU 31, Leuven 2018.

- Muhs/Scalf 2024: Muhs, Brian P. and Scalf, Foy D. New Kingdom Hieratic Manuscripts in the Oriental Institute Museum (Chicago). In: A. Fanciulli, K. Gabler, J. Izak, M. Landrino, A. Loprieno, M. Müller und R. Pietri (Crossing Boundaries) [Hrsg.]. New Kingdom Hieratic Collections from Around the World. Volume 1. Aegyptiaca Leodiensia 13. Liège, 2024, 340 [19].

- Nassar 2019: M.A. Nassar. The Wise Woman and the Healing Practice (O.OIM 16974), in: Journal of Ancient Egyptian Interconnections 24, 2019, 41–48.

- Neunert 2010: G. Neunert. Mein Grab, mein Esel, mein Platz in der Gesellschaft: Prestige im Alten Ägypten am Beispiel Deir el-Medine. Berlin 2010.

- Toivari-Viitala 2001: J. Toivari-Viitala. Women at Deir el-Medina. A Study of the status and roles of the female inhabitants in the workmen’s community during the Ramesside Period. EU 15. Leiden 2001.

Online-Ressourcen

https://isac-idb.uchicago.edu/id/8cacf814-404a-4859-8ba1-eae327be9fdd (Zugriff 16.10.2025)

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Ostrakon Chicago ISACM 16974

[rto 1] Wie folgt: Ich (m.)1 ging zu der weisen Fra⸢u⸣ ⸢wegen⸣2 [...]. Sie sagte zu mir (f.)3: „Nehmen/Nimm (?) […(?)…]4 der […] Mutter. Ich komme5 zu meinen6 beiden Kindern. (?) […] männlich (?)7“. So sagte sie zu mir (f.).8 Sie sagte zu mir (f.) über das andere Mädchen […] [rto 5] hier (?): „Die hq-Krankheit (?) des Gottes […]“. [vso 1]9 Etwas anderes: Sage nicht, was dieser Mensch wünscht (?). Taweret ist (?) gegen mich (f.) (?) (bzw. für mich ?) [...] Schicksal (?), um für dich (?) zu nehmen (?) […]. Befrage nicht mein (?) Herz bei […]“.

1 Ich (m.) (tw =j): Nassar (in: JAEI 24, 2019, 41–43) liest hier den sitzenden Mann (A1), doch sehe ich noch einen kleinen Punkt unter dem Zeichen, der teilweise durch den ausladenden Strich des Henkelkorbs (V31A) überdeckt wird. Im weiteren Textverlauf ist das Suffix in der Regel eine sitzende Frau (B1).

2 ⸢wegen⸣ (⸢ḥr⸣): Direkt vor der Kante erkenne ich recht eindeutig einen Strich (Z1). Die Zeichenreste davor passen sehr gut zu ḥr (vgl. Zeile 2). Der Grund für die Konsultation einer weisen Frau ist zumindest auf dem oLetellier ebenfalls mit der Präposition ḥr angeschlossen (Zeile 1: Letellier, in: Livre du centenaire, 128).

3  zu mir (f.) (n=j): Auch hier liest Nassar (in: JAEI 24, 2019, 41–43) den sitzenden Mann (A1). Doch hier sehe ich deutlich noch einen Strich über dem Zeichen, was für die sitzende Frau (B1) spricht.

4 Nehmen/Nimm (?) […(?)…] (ṯꜣy ___): Die Stelle ist unklar. ṯꜣy ist inklusive der Klassifikatorengruppe „Finger über schlagendem Arm“ gut zu lesen. Unterhalb dieser Gruppe sehe ich noch einen Punkt, den ich nicht sicher einordnen kann. Dann folgt eine Gruppe, die Nassar (in: JAEI 24, 2019, 41) als ḏi̯.t=j deutet. Dahinter sind allerdings ganz gut drei kleine Striche untereinander zu erkennen, die Nassar nicht transliteriert hat. Es könnte sich um einen Pluralklassifikator (Z3) handeln. Nassar (in: JAEI 24, 2019, 41–43) liest die gesamte Stelle ṯꜣy=j ḏi.t=j „I take, I give“. Wir befinden uns nun aber in der direkten Rede einer Frau (j(w)=s ḥr ḏd n=j) und Nassar transliteriert das Suffix mit dem sitzenden Mann (A1), was inhaltlich nicht passt. Ich kann die gesamte Gruppe nach der Klassifikatorengruppe „Finger über schlagendem Arm“ nicht eindeutig einordnen. Die Gruppe könnte man mit Nassar als „schlagenden Arm über t-Brot“, also ḏi̯.t auffassen, aber eindeutig ist es nicht. Mir erscheint es eher so, als ob hier eventuell ṯꜣy noch weiter klassifiziert sein könnte, da auf dem Verso die Zeichenspuren bei ṯꜣy am Ende von Zeile 3 ganz ähnlich aussehen. Allerdings ist dort das Ende des Wortes nicht erhalten.

5 Ich komme (tw=j (ḥr) spr r): Lesung nach Nassar (in: JAEI 24, 2019, 41–43). Ich bin nicht überzeugt von der Lesung, da spr sehr verkürzt geschrieben ist und die Gruppe eher wie n=j aussieht (vgl. Černý, in: Notebook no. 107, 30). Mit der Lesung n=j ergibt sich allerdings kein guter Sinn. Da ich keine andere sinnvolle Alternative bieten kann, bleibe ich bei dem Vorschlag von Nassar.

6 meinen (pꜣy =⸢j⸣): Das Suffixpronomen ist beschädigt, sodass man nicht erkennen kann, ob es sich um A1 oder B1 handelt. Raum für einen zusätzlichen Strich wäre vorhanden.

7 männlich (?) ([⸮ꜥḥꜣ.w?]tj): Lesung nach einem Vorschlag von H.-W. Fischer-Elfert (Email vom 19.09.2025). Inhaltlich würde es gut zu dem im Folgenden genannten Mädchen der beiden oben genannten Kinder passen.

8 So sagte sie zu mir (f.) (j.n=s n=j): Gegen Nassar (in: JAEI 24, 2019, 41–43), der j.n=sn „So sagten sie“ liest, was mir inhaltlich und paläographisch weniger gut zu passen scheint.

9 Verso: Man kann deutlich erkennen, dass es sich bei dem Verso um ein Palimpsest handelt. Die ursprüngliche Beschriftung ist nur grob und unvollständig abgetragen worden. Auch wurde die Oberfläche nicht gut geglättet. Es ist zum Teil schwierig zu unterscheiden, ob es sich um die alte oder die neue Beschriftung handelt.