whj „Diarrhoe (?)“
whj: Eine selten genannte Krankheitserscheinung, die neben dem allgemeinen Klassifikator Gardiner Sign-list Aa2, dem „schlechten Paket“, im Rezept H 19 mit den drei Wasserlinien geschrieben ist, also vielleicht etwas Flüssiges bezeichnet. H 19 verschreibt gekochtes (psi̯) Rinderblut dagegen. Das davorstehende Rezept H 18 ist eines gegen Ausscheiden von Blut, woraus H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 202 folgert, dass whj mit Blut verbunden sei. In pLansing, 10,1–2 wird es dadurch verursacht, dass der Betroffene zu wenig Trinkwasser zur Verfügung hat, das zudem faulig und salzig ist (A. H. Gardiner, Late-Egyptian Miscellanies, Bibliotheca Aegyptiaca 7 (Bruxelles 1937), 108, R. A. Caminos, Late-Egyptian Miscellanies, Brown Egyptological Studies 1 (London 1954), 401).
H. Joachim, Papyros Ebers. Das älteste Buch über Heilkunde (Berlin 1890), 62 schlägt für whj m ḥs, sicher basierend auf dem Verb whi̯: „entgehen, entkommen, verfehlen“, eine Übersetzung als „Mangel an Excrementen“, d.h. Verstopfung, vor. Dieselbe Interpretation findet sich bei V. Loret, Le ricin et ses emplois médicinaux dans l’ancienne Égypte, in: Revue de médecine 22, 1902, 687–698, hier 696: „lorsque l’on a une absence de selles“ und bei W.R. Dawson, Studies in Medical History. (a) The Origin of the Herbal. (b) Castor-Oil in Antiquity, in: Aegyptus 10, 1929, 49–72, hier 53: „a person who is constipated“. Auch G. Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne de l’époque pharaonique (Paris 1956), 135 hält diese Interpretation zumindest noch für möglich.
B. Ebbell, Die ägyptischen Krankheitsnamen, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 59, 1924, 55–59, 144–149, hier 148 vergleicht das Rezept H 19 dagegen mit Dioskurides, De mat. med. II 79, wo gebratenes Blut verschiedener Tiere gegen Dysenterie und „Bauchflüsse“ verschrieben wird. Obwohl unter den Tieren, deren Blut laut Dioskurides helfen soll, kein Rind genannt wird, hält Ebbell die Ähnlichkeiten für ausreichend, in whj eine Bezeichnung von Diarrhoe oder Dysenterie zu sehen. In B. Ebbell, The Papyrus Ebers. The Greatest Egyptian Medical Document (Copenhagen, London 1937), 59 entscheidet er sich dann für das weniger spezifische „looseness in his excrements (diarrhea)“. Dem schließt sich W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36 (Leiden 1999), 594 an: „Durchfall im Kot“.
H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Übersetzung der medizinischen Texte, Grundriß der Medizin der alten Ägypter IV.1 (Berlin 1958), 307, Lefebvre, a.a.O., 135 und T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995), 290 übersetzen whj dagegen nicht. Wenn man whj als Diarrhoe versteht, wäre noch zu klären, wie in Eb 251b der präpositionale Anschluss m ḥs zu interpretieren ist. „Durchfall im Kot“, wie Ebbell und Westendorf vorschlagen, ist jedenfalls anzweifelbar, denn der „Durchfall“ wäre eine Erscheinungsform des Kots, aber wäre kaum etwas „im“ Kot. Sollte es ein „m of predication“ sein: „Durchfall als Kot“?
Dr. Lutz Popko