Stele Louvre E 20904

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Stele Musée Guimet C 72 Stele Musée Guimet Inv. 3405
Aufbewahrungsort
Europa » Frankreich » (Städte M-P) » Paris » Musée du Louvre

Inventarnummer: E 20904

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Die Stele wurde von Seymour de Ricci in Ägypten erworben (vielleicht im Jahr 1905: Galliano 2012, 262) und erreichte das Musée Guimet (des Arts asiatiques) in Paris im März 1908 (Moret 1909, 139, Anm. 1). Sie wird das erste Mal im Katalog von 1909 vermerkt und bekam wie alle Stelen im Katalog eine C-Nummer. Die Inventarnummer kann 3405 gewesen sein (diese Nummer bei PM VIII). Ab 1947 wurden die ägyptischen Stücke des Musée Guimet in den Louvre gebracht, wo die Stele im Jahr 1948 die Inventarnummer E 20904 bekam.

Herkunft
(unbekannt)

Die erwähnten Göttinnen Hathor, Herrin der Sykomore, Sachmet sowie Sedjemetnebet (?) lassen vermuten, dass die Stele aus dem Bereich Memphis-Heliopolis stammen könnte (Cauville 1989, 53).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit

Wird von Moret 1909, 141 in die 20. Dynastie datiert, aber stilistisch gehört die Stele laut Cauville (1989, 53) eher in die Dritte Zwischenzeit. Fischer-Elfert 2014, 34 versieht diese Datierung in der Dritten Zwischenzeit mit einem Fragezeichen. Der Name der Mutter des Stelenbesitzers ist von einem Typus, der erst ab der Mitte der 21. Dynastie vorkommt (Jansen-Winkeln 2016, 193), was eine frühere Datierung ausschließt. Die Thematik des Bösen Blicks ist ebenfalls erst ab dem 1. Jt. v. Chr. eindeutig belegt (Rizzo 2005, 306), wobei diese Stele die früheste erhaltene Quelle ist. Auch sprachlich ist eine frühere Datierung unwahrscheinlich.

Textsorte
Rezitation(en) » Ritual/Liturgie
Inhalt

Der Text fängt mit der traditionellen Opferformel für den Verstorbenen Harsiesis, Sohn von Padi und Tascheretnahebu an, wobei in der zugehörigen Bitte die Göttin Hathor für den Ka des Verstorbenen Leben, Gesundheit und Kraft geben möge. Anschließend ist der Text an entscheidenden Stellen zerstört. Zweimal werden eine Göttin sowie der Böse Blick genannt. Möglicherweise haben wir hier anderswo unbekannte Bitten, in denen die Göttin Sachmet gebeten wird, den Bösen Blick abzuwenden, und eine weitere Göttin, den Bösen Blick wegzuziehen oder auszureißen.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Obwohl mit einer Totenopferformel versehen, passt das Bildmotiv der Stele nicht für eine Grabstele. Das Motiv einer tiergestaltigen Gottheit, die von einem Wedel oder Fächer geschützt wird, wird mit den Themenkomplexen der Persönlichen Frömmigkeit und des Tierkultes in Verbindung gebracht. Vielleicht ist dies eine Votivstele aus einem Hathorheiligtum zugunsten eines Verstorbenen namens Harsiese, der vom Bösen Blick befallen war.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele
Technische Daten

27x21,5 cm (Höhe x Breite). Oben abgerundete Stele mit einem Bildfeld und einem Textfeld. Die linke untere Ecke ist schräg weggebrochen, was einen Verlust von fast dem halben unteren Textfeld zur Folge hat. Eingeschnittenes Relief. Im Bildfeld verehrt ein Mann in langem Schurz und mit kahlem Schädel (rechts) eine Kuh (links). Beide sind anonym. Die Kuh hat eine Sonnenscheibe zwischen den Hörnern, einen Siegelring oder eine Amulettrolle (?) um den Hals und einen Wedel hinter sich. Zwischen dem Mann und der Kuh steht ein Opfertisch. Unter der Darstellung ist ein hieroglyphischer Text in 5 Zeilen.

Schrift
Hieroglyphen

Hieroglyphen mäßiger Qualität und teilweise unsicherer Lesung.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Der Text fängt mit mittelägyptischen Formulierungen an, aber in Z. 4 und möglicherweise auch 5 finden sich neuägyptische Konstruktionen.

Bearbeitungsgeschichte

Die Stele wurde zunächst von Moret 1909 in Foto bekanntgemacht, der auf die Redewendung „mauvais œil“ hinweist. Spiegelberg 1924, 153 und Schott 1931, 109 versuchen eine Übersetzung der halb zerstörten und nicht leicht lesbaren Z. 3–5. Cauville 1989 publizierte ein neues Foto mit einer anderen Beleuchtung, eine Abschrift des hieroglyphischen Textes und eine vollständige Übersetzung, die von der von Spiegelberg und Schott abweicht.

Editionen

- Cauville 1990: S. Cauville,  La chapelle de Thot-Ibis à Dendera édifiée sous Ptolémée Ier par Hor, scribe d’Amon-Rê, in: Le Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 89, 1990, 43–66, hier: 53 und Taf. VII.

- Moret 1909: A. Moret, Catalogue du Musée Guimet. Galerie égyptienne: Stèles, Bas-reliefs, Monuments divers, Annales du Musée Guimet 32 (Paris 1909), 141 (Nr. C 72) und Taf. LXIV (Nr. 72).

Literatur zu den Metadaten

- Etienne 2000: M. Etienne, Heka. Magie et envoûtement dans l’Égypte ancienne, Les dossiers du musée du Louvre: Exposition-dossier du département des Antiquités égyptiennes 57 (Paris 2000), 62 und 109 (Nr. 181).

- Fischer-Elfert 2014: H.-W. Fischer-Elfert, Ein Spruch gegen den Bösen Blick in Meroe: Anmerkungen zur Bronzeschale Boston MFA 24.900 aus Grab S 155 der Südnekropole, in: Orientalia 83/1, 2014 (= E. M. Ciampini – F. Contardi – G. Rosati (Hrsg.), Ex amicitia... Egyptological Studies offered to Alessandro Roccati by some of his colleagues), 31–49, hier: 34.

- Galliano 2012: G. Galliano (Hrsg.), Émile Guimet et l‘Égypte antique: Un jour, j’achetai une momie (Paris/Lyon 2012).

-Jansen-Winkeln 2016: K. Jansen-Winkeln, Zum Wandel der Personennamen von der Ramessidenzeit zur Spätzeit, in: H. Franzmeier – T. Rehren – R. Schulz (Hrsg.), Mit archäologischen Schichten Geschichte schreiben. Festschrift für Edgar B. Pusch zum 70. Geburtstag (= Forschungen in der Ramses-Stadt 10) (Hildesheim 2016), 191199.

- Málek 2012: J. Málek et al., Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Statues, Reliefs and Paintings VIII. Objects of Provenance Not Known. Part 4. Stelae: Dynasty XVIII to the Roman Period, 803-044-050 to 803-099-900 (Oxford 2012) (= PM VIII), 357 (Nr. 803-063-250).

- Rizzo 2005: J. Rizzo, Bjn: de mal en pis, in: Le Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 105, 2005, 295320.

- Schott 1931: S. Schott, Ein Amulett gegen den bösen blick, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 67, 1931, 106–110, hier: 109 mit Anm. 9.

- Spiegelberg 1924: W. Spiegelberg, Der böse Blick im altägyptischen Glauben, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 59, 1924, 149–154, hier: 153.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Totenopferformel

[1] Ein königliches Totenopfer für Hathor, die Herrin der Sykomore.
Möge sie geben Wohlsein (?)1, Leben, Gesundheit und Stärke für [den Ka des ...2] Harsiesis, des Gerechtfertigten, des Sohnes des Padi/Petês, des Gerechtfertigten, dessen Mutter Tascheretnah[ebu, die Gerechtfertigte, ist.[Ein königliches Totenopfer für (?)] Sachmet. Möge sie abwehren3 den Bösen Blick an (?) [... ...]
...] der Sedjemetnebet/Die,-die-alles-hört4, die sie bauen/bilden (?) werden5 [... ... ...]
... ... ] [5] den Bösen Blick ausreißen6 [... ... ...].

1 Die erste Gabe ist unklar. Cauville 1989, 53 übersetzt mit „force, vie, santé“. Sie denkt sicherlich an die gängige Formel „vie, santé, force“ oder „v.s.f.“ .
2 Der Verehrer der Hathorkuh scheint einen kahlen Schädel zu haben, vielleicht ist daher ein Priestertitel zu ergänzen.
3 Spiegelberg 1924, 153, Anm. 5 liest zunächst „auflösen“, erwägt dann auch eine fehlerhafte Schreibung von „abwehren“, das aus Spruchtiteln bekannt ist.
4 Lesung gemäß Cauville 1989, 53. 
5 Spiegelberg 1924, 153 hat hier noch gelesen: „alle welche [Böses] reden [gegen ...]“. Schott 1931, 109 scheint zu erkennen: „Sachmet, die den bösen Blick gegen alle Menschen, die in übler und unheilvoller Weise sprechen, entfesseln soll.“
6 Spiegelberg 1924, 153 hat hier noch „er soll geben, daß das böse Auge wütend sei“ gelesen.