Papyrus Chester Beatty XVI
Übersetzung und Kommentar
Recto
[Rto. 1,1] [Anfang des Spruches zum]1 Vollziehen der Reinigung, die Thoth, der Herr der Gottesworte, für die Götterneunheit ausgeführt2 hat [--- als] täglichen [Bedarf], als das, was gesagt wird:3 (oder: Anfang des Spruches ..., den Thot ... kreiert hat ...)
1 Ergänzung am Satzanfang nach pTurin CGT 54050 mit Roccati 2011, 91.1–2. Auf pChester Beatty XVI fehlt der Anfang des Titels vor j:jri̯. Gardiner 1935 II, Taf. 71, der am Satzanfang aufgrund der noch fehlenden Parallele nur rʾ ergänzte, ergänzte danach noch die Genitiv-Nisbe, also rʾ n. Die Genitivnisbe ist von Roccati 2011, 91.1 nicht angegeben, kann aber vielleicht ebenfalls ergänzt werden.
2 jri̯.n: Das Bezugswort des jri̯.n ist unsicher. Ist es die Reinigung, die Thot vollzieht? Oder ist es der (hier nur ergänzte, aber in der Parallele pTurin CGT 54050 erhaltene) Spruch, der von Thot kreiert wird?
3 Der genaue Umfang des Rubrums ist unbekannt.
O NN, den NN geboren hat, zu dir bin ich gekommen!4
Ich bin Thot, geliebt [---] Gott [---] Atum ist/als sein leiblicher Sohn.
Ich will deinen Mund öffnen (und) will deine Lippe(n) auftun.
Ich will alles Übel [vertreiben]5.
[---]6
4 Die Parallele auf pTurin CGT 54050, Rto. 1,2 weicht in der Formulierung etwas ab, vgl. Übersetzung und Kommentar im.
5 Schon Gardiner 1935 I, 127 ergänzte die Lücke zu „I [remove] all evils“. Die Parallele pTurin CGT 54050, Rto. 1,4 fährt nach sp.t=k mit dr fort, bevor der Papyrus dort abbricht. Auch wenn dort nach dr nicht ḏw.w nb gestanden haben kann (s. den Kommentar zur Stelle), wäre dr in pChester Beatty XVI eine geeignete Ergänzung, die zudem die Lücke gut ausfüllen würde.
6 Auf pTurin CGT 54050, Rto. 1,3 stand wohl: ꜥb(.w) n [Ḏḥw.tj ꜥb.w=k ꜥb.w=k] ꜥb.w n Stẖ ṯs-pẖr: „Die Reinigung des [Thot ist deine Reinigung, deine Reinigung] ist die Reinigung des Seth, und umgekehrt.“, s. den Kommentar.
Seine Reinigung ist (die Reinigung des) Seth.
Die Reinigung des Seth ist seine Reinigung.
Thot [räucher]t für ihn.
[----] räuchert [Rto. 1,5] [----].7
Seth [räuch]ert für ihn.
7 An der Abbruchkante des Papyrus ist am oberen Zeilenrand noch ein kleiner Tintenrest erhalten, der zu der Fahne von nṯr passen würde. Ob man ergänzen könnte: „[Er räuchert für Thot]“? In der Textsynopse bei Roccati 2011, 91.5–92.6 ist dieser Passus unterschlagen. S. dazu und zu der abweichenden Formulierung von pTurin CGT 54050, Rto. 1,4.
Er ist gereinigt durch das Wasser von Jenem [---] Horizont(berg)e des [Himmels(?) ---]8 Abendbarke (???)9.
Er ist gereinigt [mit dem Wasser von] Diesem, das aus Elephantine herauskommt, das aus der (Quell-)Öffnung von [Elephantine]10 herauskommt [(und) zum] Großen [Grünen (Meer)11 (fließt)] (???).
[Er]12 ist gereinigt durch das göttliche Wasser, das aus den beiden tiefen Quelllöchern13 herauskommt.
8 [___] ꜣḫ.tj n.t [___]: Dafür schlägt Gardiner 1935 I, 127 als Ergänzung vor: „[on?] the horizon of [heaven?]“.
9 (m)sk.tt: Der Vorschlag ist ganz unsicher: Auf pChester Beatty XVI sind nur noch ein Schiff und der Falke auf Standarte erhalten, außerdem davor an der Abbruchkante noch zwei Zeichenreste, die Gardiner 1935 II, Taf. 71 fragend als t und Z4 wiedergibt. In Gardiner 1935 I, 127 übersetzt er „bark (?)“, erwägt aber in Anm. 3: „Or perhaps mẖnty ‚the Ferryman‘.“ Auch auf pTurin CGT 54050 ist das Wort teilweise zerstört. Die erhaltenen Zeichen transliteriert Roccati 2011, 22 und 92.8 als Schilfblatt, Barke über k-Korb und weitere Barke. Das kleine hieratische Zeichen vor der zweiten Barke hat er übersehen. Während pChester Beatty XVI nach diesen Wortresten einen syntaktischen Einschnitt hat und mit jw=f wꜥb fortfährt, stehen auf pTurin CGT 54050 noch Zeichen, die Roccati als n über Sonnenscheibe und Falke auf Standarte transliteriert und auf S. 161 mit „che Ra percorre navigando“ übersetzt. Ob er an so etwas wie [ḏꜣi̯].n Rꜥ dachte? Erst dann folgt dort der syntaktische Einschnitt, erkennbar am noch erhaltenen Verspunkt.
Das, was Roccati als n + Sonnenscheibe und Falke auf Standarte transliteriert, dürfte aber eher t + Ei + Schlange, also das Wortende einer weiblichen Gottheit, sein, vgl. etwa die Schreibungen dieser Gruppe in den Namen von Isis und Nephthys in Rto. 6,10–11. Während das Zeichen davor in pTurin CGT 54050 auch ein Stern sein könnte, spricht die Form auf pChester Beatty XVI tatsächlich für das Schiff, so dass eine Schiffsbezeichnung vorliegen muss, die vergöttlicht sein kann. Zu den weiteren Zeichenformen von pTurin CGT 54050, Recto 1,5 s. den Kommentar zur Stelle. Das Zeichen, das Roccati als weiteres Schiff über k-Korb transliteriert hat, sieht diesem sicheren Schiff aber nur bedingt ähnlich. Könnte es eher der Mopp mit der Lesung sk sein, so dass man an die (m)sk.tt-Barke denken könnte? Diese kann vergöttlicht sein, und zwar sowohl mit männlichem (passend zu pChester Beatty XVI) als auch mit weiblichem (passend zu pTurin CGT 54050) Götterklassifikator, s. DZA 24.394.260. Vgl. zur Form dieses Zeichens und dem Rest des Wortes in pTurin CGT 54050, Recto 1,5 den Kommentar zur Stelle.
10 rʾ n [ꜣbw]: Ergänzung nach der Parallele pTurin CGT 54050, Rto. 1, 5–6, Roccati 2011, 92.9. Gardiner 1935 I, der die Parallele noch nicht kannte, hatte das rʾ n [---] des pChester Beatty XVI mit „from the mouth of ...“ übersetzt. Üblicherweise wird mit rʾ eine Fluss- oder Kanalmündung bezeichnet, Wb 2, 391.1. Hier dagegen scheint damit das mythische Quellloch des Nils bei Elephantine gemeint zu sein.
Der Ortsname ꜣbw käme in diesem Satz zweimal vor, wenn man beide Versionen tatsächlich parallelisieren kann. In pChester Beatty XVI ist der erste Beleg (teilweise) erhalten und der zweite zerstört, in pTurin CGT 54050 wäre umgekehrt der erste Beleg zerstört und der zweite (teilweise) erhalten. Der Beleg des pChester Beatty XVI ist mit dem Ortsklassifikator geschrieben, muss aber davor – heute zerstört – noch andere Klassifikatoren gehabt haben. Der Beleg von pTurin CGT 54050 steht im Zeilenumbruch von Rto. 1,5 zu 1,6. Roccati gibt die Schreibung als wieder und versieht die letzten beiden Zeichen, die teilweise zerstört sind, mit Fragezeichen. Das, was er als t+Ersatzstrich gelesen hat, ist aber vielleicht nur eine w-Schleife mit langem Abstrich, und der Eindruck, dass es zwei Zeichen sind, kommt nur durch eine abgeplatzte Papyrusfaser zustande. Der Klassifikator am Beginn der neuen Zeile kann nicht identifiziert werden: Die Zeichenreste scheinen nicht zu Roccatis Ortsklassifikator zu passen, aber auch zu keiner anderen üblichen Klassifizierung von Elephantine.
11 wꜣḏ-wr: Roccati 2011 liest in pTurin CGT 54050 sw (mit Fragezeichen), gefolgt von den Resten der Gruppe wr + r. Auf pChester Beatty XVI sind nur Reste der Gruppe wr + r erhalten sowie danach ein senkrechter Zeichenrest, der zu einem Schilfblatt gehören könnte. Roccatis sw ist nach dem Turiner Foto jedoch eher die Ligatur wꜣḏ (vgl. bspw. mit dem sw von Rto. 2,9), so dass es verführerisch ist, zu wꜣḏ-wr zu ergänzen. Dieses wird in ramessidischen Papyri oft mit Schilfblatt nach wr geschrieben, so dass die Schreibung wr + Schilfblatt(?) des pChester Beatty XVI ebenfalls dazu passen könnte. Auf dem Turiner Papyrus ist vor Roccatis Binse bzw. dem hier vorgeschlagenen wꜣḏ in der unteren Zeilenhälfte ein waagerechter Strich erhalten, der weder zu Roccatis Binse noch zu dem hier stattdessen vorgeschlagenen wꜣḏ gehört und vielleicht ein n ist. Damit könnte man ein elliptisches pri̯ m ON (pri̯) n ON ergänzen, auch wenn in Verbindung mit einem Ortsnamen eher die Präposition r zu erwarten ist als n (s. Wb 1, 519.4–5). Auf pChester Beatty XVI wäre nach dem Ortsnamen ꜣbw dagegen eventuell noch etwas mehr Platz für ein Verb, so dass dort nicht zwangsläufig ebenfalls eine Ellipse vorlag, sondern pri̯ m ON pri̯/... n ON ausgeschrieben gewesen sein könnte.
12 Ergänzung nach Gardiner 1935 II, Taf. 71. Nach der hier vorgeschlagenen Ergänzung des vorigen Satzes würde dieser Satz contra Gardiner und Roccati 2011 direkt daran anschließen.
13 ṯpḥ.t(j) wr.tj: Unter dem t von wr.t scheint der Rest der doppelten diagonalen Linie, Gardiner Z4, zu stehen, weswegen Gardiner 1935 I, 127 davon ausgeht, dass der Dual „die beiden Quelllöcher“ vorliegt und nicht nur der Singular. Das Substantiv selbst zeigt keine Dualendung. Zu wr.t hier als „tief“ und nicht, der Standardbedeutung nach, als „groß“, s. vielleicht W. Schenkel, Die Farben aus der Sicht der alten Ägypter, in: P. Dils – L. Popko (Hrsg.), Zwischen Philologie und Lexikographie des Ägyptisch-Koptischen. Akten der Leipziger Abschlusstagung des Akademienprojekts „Altägyptisches Wörterbuch“, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-Historische Klasse 84 (3). (Leipzig 2016), 164–185, hier: 166–167: Dort spricht sich Schenkel dafür aus, dass wr gelegentlich eine semantische Intensivierung ausdrückt. Ein Quellloch oder eine Höhle, aus der Wasser hervorquillt, ist zwar nichts, was man per se intensivieren kann, aber wenn man Schenkels Gedanken weiterführt und das Charakteristikum eines Quellloches intensiviert, wird man wohl eher an ein „tiefes“ als an ein „großes“ Loch denken dürfen. „Tiefes Wasser“ ist dagegen mw mḏ, etwa in der Lehre des Ani.
[---]
[---]
[Rto. 1,10] [---] den Mund öffnen (?) [---]
[---] reinigen [m]ich (?) im Wasser von [---]
[---] (Ort) „Roter/s [___]“14 in [---]15
14 [___]-dšr[.t]: Mit dem Stadtzeichen klassifiziert und daher ein Ortsname. Vom vorherigen Wortteil sind auf pTurin CGT 54050, Rto. 1,9 drei Wasserlinien, das Kanalzeichen und der Füllstrich erhalten, es muss demzufolge eine Gewässerbezeichnung sein. Ob einer der Ortsnamen š-dšr: „Roter See“ u.ä. (H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques IV (Le Caire 1927), 129) vorliegt? Dafür wäre š aber äußerst ausführlich klassifiziert.
15 Unter dem Zeilenrest ist der untere Kolumnenrand erkennbar. Es handelt sich also um die letzte Zeile der Kolumne.
[Rto. 3,1] [---] [wie Re] sich selbst vor [den vier Feinden gerettet hat] [---]16
16 Aktuell sind zusammen mit den Hauptfragmenten von pChester Beatty XVI noch fünf weitere kleinere Fragmente eingerahmt, die Gardiner 1935 II, Taf. 71 nicht mit transliteriert hat, s. Website British Museum. Auf vier dieser Fragmente sind noch rote Wort- bzw. Zeichenreste erhalten. Von diesen vier wiederum dürften drei zur ersten Zeile einer Kolumne gehören, weil über ihnen relativ viel Platz, also wohl der obere Kolumnenrand, erkennbar ist. Auf dem vierten Fragment mit roten Zeichenresten sind dagegen an der oberen und unteren Abbruchkante noch schwarze Zeichenreste vorhanden; es muss also zu einer anderen Zeile als die anderen gehören. Auf dem vollständigsten der Fragmente vom oberen Kolumnenrand sind die Worte ḏs=f m-ꜥ erhalten. Diese Wortfolge findet sich auf der Parallele pTurin CGT 54050 nur an einer Stelle, nämlich in Rto. 2,9–11 in dem etwas längeren Satz: jw=j (r) sḥri̯ (j)ḫ.t nb(.t) bjn(.t) ḏw.t n.tj jyi̯ r hꜣi̯.y r mn msi̯.n mn.t mj nḥm sw Rꜥ m-ꜥ ḫft.j.w=f mj nḥm sw H̱nm.w m-ꜥ Sbk mj nḥm sw Ḥr.w m-ꜥ Stẖ mj nḥm sw Ḏḥw.tj m-ꜥ Bꜣbꜣ mj [nḥm] sw Rꜥ ḏs=f m-ꜥ pꜣ 4 [ḫft.j.w] j:jri̯.w m Ḥw.t-wr.t ḥ[nꜥ] ⸢pꜣ⸣ ḫft(.j) n.tj ⟨m⟩ mḥ.t(j) Wnw: „Ich werde jede üble und schlimme Sache verscheuchen, die gekommen ist, um NN, den NN geboren hat, zu befallen, wie Re sich vor seinen Feinden gerettet hat, wie Chnum sich vor Sobek gerettet hat, wie Horus sich vor Seth gerettet hat, wie Thot sich vor Baba gerettet hat, wie Re sich selbst vor den vier [Feind]en gerettet hat, was in Hutweret passiert ist (wörtl.: getan wurde), und (vor) dem Feind, der ⟨im⟩ Norden von Hermopolis ist.“; hier konkret gegen Ende: mj [nḥm] sw Rꜥ ḏs=f m-ꜥ pꜣ 4 [ḫft.j.w]: „wie Re sich selbst vor den vier [Feind]en gerettet hat“. Da dieser Satz auf pTurin CGT 54050 am Ende von Kolumne 2 steht, das fragliche Fragment von pChester Beatty XVI aber die erste Zeile einer Kolumne bildet, ist dieses Fragment vermutlich als Rto. 3,1 zu zählen.
Auf dem verbliebenen fünften Fragment sind die Reste von drei Zeilen erhalten; alle Zeichen(reste) sind schwarz. Auch dieses Fragment gehört mit großer Wahrscheinlichkeit an den oberen Kolumenrand. Identifizierbar ist nur das Wort ꜥ.wj: „die beiden Arme“ in der dritten Zeile. In der Parallele pTurin CGT 54050 ist, soweit erhalten, dieses Wort nicht im Dual vorhanden, so dass eine Zuordnung des Fragments von pChester Beatty XVI zu einer bestimmten Kolumne oder Zeile nicht möglich ist. Vermutlich hat das Wort im Turiner Papyrus in einer der Lücken gestanden.
Verso
Text 1: Fragmente
[---]1
1 Aktuell sind zusammen mit den Hauptfragmenten von pChester Beatty XVI noch fünf weitere kleinere Fragmente eingerahmt, die Gardiner 1935 II, Taf. 71 nicht mit transliteriert hat, s. Website British Museum. Die vier, die auf dem Recto rote Zeichen- und Wortreste tragen (s. den Kommentar dort), haben auch auf dem Verso Zeichenreste, die allerdings nicht identifizierbar sind. Gemäß den Vorschlägen zur Vorderseite müssen die drei mittleren Fragmente zum oberen Rand des Papyrus gehören und vor den Hauptfragmenten mit den Verso-Texten, die hier als Nr. 2–4 gezählt werden, lokalisiert werden.
Das ganz rechte Fragment ist bis auf eine winzige schwarze Linie, die vielleicht zu einem Zeichen gehört, unbeschriftet.
Text 2: Gemüselieferung
[Vso. 1] [Gebracht von den] 6(?) Gärtnern für die „rechte Seite“ (scil.: des Arbeitertrupps am Königsgrab)2: Ge[müse]3, 6100 [Bünd]el, (für) einen jeden 140 (Bündel),4 bis zum [x. Monat] der Schemu-Jahreszeit, wohingegen(?) ihnen (d.h. den Arbeitern) die Rationen, die [Pharao, LHG, ihnen] (zu) geben (versprochen?) [hat], nicht gegeben wurden.5
2 tꜣ rj(.t) wnm.j(t): Die Arbeiter, die die Gräber im Tal der Könige aus dem Felsen schlugen und dekorierten, waren in Trupps für die rechte Seite des Grabes und die linke Seite des Grabes geteilt. „Die rechte Seite“ bezieht sich auf einen dieser Arbeitertrupps, die hier als Adressaten einer Gemüselieferung erscheinen. Mit Verweis auf „Pap[yrus] Tur[in] [W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Taf.] 36,14“ = A. H. Gardiner, Ramesside Administrative Documents (Oxford 1948), 49,8, wo 6 kꜣr.yw wnm.j 6 smḥ.j dmḏ 12: „6 Gärtner der rechten (Seite), 6 Gärtner der linken, macht zusammen 12“ erwähnt werden, vermutet Gardiner auch auf pChester Beatty XVI, dass hier ein Genitiv vorliegt (Gardiner 1935 I, 128: „gardeners of the right side“). Denkbar ist aber auch, dass das n hier die Präposition und nicht die Genitiv-Nisbe ist, was aus dem Trupp der „rechten Seite“ auch satzsyntaktisch den Empfänger der Lieferung macht (vgl. Gabler 2018, 271).
3 sm.w ist eine sehr allgemeine Bezeichnung für Pflanzen mit einem variablen Bedeutungsspektrum: Es kann den Bäumen gegenübergestellt sein und damit nicht-verholzte Pflanzen bezeichnen; es kann Viehfutter bezeichnen; es kommt sowohl in wilder wie auch in kultivierter Form vor; es kann Gemüse oder selten auch ein Fruchtlieferant sein. Es handelt sich um keinen botanisch eindeutig klassifizierbaren Terminus; die deutsche ägyptologische Grundübersetzung „Kraut“ meint das Kraut im weitesten und ursprünglichen Sinne der nutzbaren Pflanzen, die eben nicht Unkraut sind. Gabler 2018, 277–278 überlegt, ob sich der Begriff speziell im Kontext der Lieferungen der kꜣrj.w an die Arbeiter vom Tal der Könige eingrenzen lässt, kommt aber zu einem negativen Ergebnis. Dass das Produkt hier in ḫrš gemessen wird, hilft bei der Eingrenzung wenig weiter. Denn weder ist ḫrš eine in Größe und Beschaffenheit eingrenzbare Einheit noch lassen die Kontexte weitergehende Schlüsse zu: In den meisten Belegen dient es als Einheit von sm.w und wꜣḏ: „Grünzeug“; zweimal, in pWestcar 9,20–21 und auf oDeM 203, Z. 1 (J. Černý, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deir el Médineh. Tome III (nos 190 à 241), Documents de fouilles de l’Institut français d’archéologie orientale 5 (Le Caire 1937), Taf. 4), als Einheit von jꜣq.t („Lauch“?); auf der Stele des Nektanebos (DZA 28.085.660) als Einheit von jdḥ: „Papyrus“(?); auf oDeM 10103, Z. 4 als Einheit für die sꜣr.t-Pflanze (P. Grandet, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deîr el-Médînéh. Tome X. Nos 10001–10123. Documents de fouilles de l’Institut français d’archéologie orientale 46 (Le Caire 2006), 203); und einmal als Einheit von ḥḏ.w: „Zwiebeln/Knoblauch“ (DZA 28.085.400).
4 6100 wꜥ nb 140: Gardiner 1935 I, 128 vermutet, dass „140“ die tägliche Lieferung eines der 6 Gärtner meint, so dass die Zahl 6100 in etwa der Summe der Lieferungen einer ganzen (modernen) Woche entspräche (140 Bündel × 6 Gärtner × 7 Tage = 5880 Bündel; zu Fehlern in ägyptischen Abrechnungen, was die Differenz von 5880 zu 6100 erklären würde, s. Gabler 2018, 271, Anm. 1128). Es fragt sich aber, warum ausgerechnet auf einen 7-Tage-Zeitraum Bezug genommen worden sein sollte. Denn die ägyptische Woche umfasste 10 Tage, nicht 7. Daher sollten auch alternative Erklärungen in Betracht gezogen werden: Die Summe 6100 geteilt durch 140 ergibt jedenfalls rund 43. Sollte das vielleicht die Anzahl der Arbeiter im Trupp der „rechten Seite“ sein? Der Papyrus wird paläographisch in die 20. Dynastie datiert (Gardiner 1935 I, 127). Das in der dritten Notiz erhaltene Regierungsjahr 5 schränkt die Datierung auf die Regierungszeiten Ramses’ III., IV., VI. oder VII. ein, s. diese Möglichkeiten bei Gabler 2018, 273. Implizit schränkt Gardiner die Datierung weiter ein, indem er auf S. 128 mit Anm. 4 die von ihm gelesenen „6 Gärtner der rechten Seite“ mit den „6 Gärtnern der rechten Seite“ des Turiner Streikpapyrus aus der Zeit Ramses’ III. vergleicht (A. H. Gardiner, Ramesside Administrative Documents (Oxford 1948), 49,8), s.o. Ferner vermutet er in dem in der nächsten Notiz genannten Nechu-em-mut einen gleichnamigen Arbeiter der rechten Seite „under one of the later Ramessides“ (S. 129). In der mittleren und späten 20. Dynastie war die Gesamtzahl der Arbeiter am Königsgrab diversen Schwankungen ausgesetzt, bis hin zu der oft referierten Maximalzahl von 120, die eigentlich noch von den 129 Mann des oDeM 378 übertroffen wird; s. zu den Zahlen J. Černý, A Community of Workmen at Thebes in the Ramesside Period, 2. Auflage, Bibliothèque d’étude 50 (Le Caire 2001), 101–108 und den kurzen Überblick in B. G. Davies, Life within the Five Walls. A Handbook to Deir el-Medina (Wallasey 2018), 413. Sollte man pChester Beatty XVI als Hinweis auf eine Phase sehen können, in der es 43 + 43 = 86 Arbeiter gab?
5 Ergänzungen nach Gardiner 1935 II, Taf. 71. Zu der Emendation der Negation s. J. Winand, Études de néo-égyptien. 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992), 320, Anm. 56 (ein Bsp. aus K. A. Kitchen, Ramesside Inscriptions. Historical and Biographical. VI (Oxford 1983), 164.2) und 330–331 mit Anm. 72.
Text 3: Notiz bezüglich Nechu-em-mut
[Dass es sich hierbei um eine separate Notiz und nicht um die Fortsetzung der ersten Notiz handelt, ergibt sich daraus, dass die Zeilen 4–6 weiter eingerückt sind als die Zeilen 1–3, s. Gardiner 1935 I, 128.]
[---] der/dem/den Nekropolenarbeiter Nechu-em-mut [Vso. 5] hin zur [Stadt (d.h. Theben)](?): 150 (Leute) mit ihren Beteuerungen.6
6 Zu den Ergänzungen s. Gardiner 1935 II, Taf. 71. Den Anfang ergänzt er in Gardiner 1935 I, 129 zu „[Those brought by?]“, was ihn an die Beschreibung einer großen Menschentraube von 150 Personen mit Nechu-em-mut als ihrem Anführer erinnert, die ihre Angelegenheit welcher Art auch immer dem Bürgermeister von Theben vorlegen wollen. Gardiners Ergänzung des Anfangs wäre allerdings nur möglich, wenn Vso. 4 schon weiter rechts begann als Vso. 5–6. Denn wenn Vso. 4 auf derselben Höhe begann wie Vso. 5–6, wäre die Zeile nicht lang genug gewesen, um so ergänzt zu werden.
Text 4: Gemüselieferung
[Der Text beginnt fast unmittelbar nach dem Ende der vorigen Notiz, ist aber etwas kleiner geschrieben (so Gardiner 1935 I, 128) und gegenüber Vso. 6 etwas nach unten versetzt, weswegen Gardiner die beiden Zeilen als Vso. 7 und 8 zählt und nicht als Fortsetzung von Vso. 6, gefolgt von Vso.7.]
Regierungs[jah]r 5, Monat 2:7 aus der Hand [des Gärtners ---: Gemüs]e, [x] Bündel [---]8
7 Die Datierung des Papyrus in die 20. Dynastie vorausgesetzt, kann sich das Regierungsjahr 5 nur auf Ramses III., IV., VI. oder VII. beziehen, Gabler 2018, 273.
8 Zur Transliteration und den Ergänzungen s. Gardiner 1935 II, Taf. 71. Dort hatte er hinter dem in der Lesung fraglichen m-ḏr.t noch das Wort kꜣr.jw: „Gärtner“ ergänzt, was sich hauptsächlich aus der Erwähnung des Gemüsebündels in der folgenden Zeile ergibt. In Gardiner 1935 I, 129 hat er das Memorandum als „delivery of a single ‚gardener‘“ spezifiziert, das Wort „Gärtner“ selbst in der Übersetzung aber weggelassen.