Papyrus Louvre N 3233b

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Frankreich » (Städte M-P) » Paris » Musée du Louvre

Inventarnummer: N 3233b

Erwerbsgeschichte

Über die Erwerbungsgeschichte ist nur bekannt, dass der Papyrus zusammen mit einem weiteren Anfang des 19. Jahrhunderts in den Louvre gelangte. Dort bekam er die Inventarnummer N 3233b, der andere erhielt dieselbe Nummer, aber den Buchstaben a (Gasse 2016, 168).

Herkunft
(unbekannt)

Da die Erwerbungsgeschichte unbekannt ist, kann auch über die Provenienz keine Aussage gemacht werden. Zumindest ein Teil des Textes findet sich auch auf Papyrus Deir el-Medineh 37, der ungefähr in die gleiche Zeit datiert wie der hier zu besprechende (vgl. Koenig 1979, 103). Daher könnte vielleicht N 3233b ebenfalls aus Deir el-Medineh stammen.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 25. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Goyon datiert den Papyrus aufgrund der Paläographie in die saitisch-persische Zeit, genauer am Ende des 5. bzw. Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. (Goyon 1977, 48–49). Koenig weist darauf hin, dass einige Zeichen eine hohe Ähnlichkeit mit denen des Papyrus Brooklyn 47.218.3 haben, der laut der Internetseite des Brooklyn Museum auf den „October 4, 651 B.C.E.“ datiert (https://www.brooklynmuseum.org/opencollection/objects/60645, geöffnet am 01.10.2024). Der Stil und das Layout der Papyri N 3233a und b gehören nach Étienne – Pagés-Camagna 2013, 76 in die 25. und 26. Dynastie (ca. 722–525 v. Chr.).

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Text des Papyrus enthält einen Zauberspruch, der Teos (Ḏd-Ḥr), Sohn der Schep-n-Sopdet (Šp-n-Spd.t) schützen soll und für heutige Leser eher kryptisch wirkt. Zunächst werden „die, die Schrecken verbreiten und den Tod erschaffen“ angerufen. Diese werden daraufhin mittels verschiedener Götter und Drohungen gebannt und dazu aufgefordert, sich dem Amulettträger nicht zu nähern. Laut Goyon wird in diesem ersten Textteil auf die Gefahr durch die Epagomenentage, die besonders gefährlich wegen Seuchen und ähnlichem Unheil waren, angespielt. Der zweite Teil nennt einen Fisch des Re und es wird von Feuer berichtet, das gegen verschiedene Gräber züngelt. Goyon interpretierte diesen Spruch als einen Zauber gegen die Bisse bzw. Stiche von giftigen Schlangen und Skorpionen; Koenig schlägt dagegen vor, dass er gegen das Wirken eines gefährlichen Toten gerichtet ist (Goyon 1977, 49–52; Koenig 1979, 104–117).

Beide Gefahren sollen durch dieses Amulett gebannt werden. Die ganz linke Figur, bestehend aus einem Schakalkopf mit Beinen, steht vermutlich in Verbindung zu dem die Epagomenen abwehrenden Inhalt des Spruches (Goyon 1977, 52). So kann sie zum einen als eine Darstellung des Gottes Re-Atum und gleichzeitig als die eines der im Spruch genannten Wanderdämonen interpretiert werden (Liptay 2011, 151–152).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Laut Goyon 1977, 49 handelte es sich beim Träger des Amuletts um ein Kind, da ansonsten eher ein präziser Titel sowie der Name des Vaters anstatt der Mutter zu erwarten wäre. Wie dem auch sei, so sollte das Amulett ursprünglich Teos, Sohn der Schep-n-Sopdet vor den darin genannten Gefahren auf magische Weise schützen.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Papyrus hat heute die Maße 25 × 5 cm (Länge × Höhe) und war entgegen Goyons Interpretation nicht zusammenhängend mit N Louvre 3233b. Er war ursprünglich gefaltet (nicht gerollt, wie Goyon angibt), wie man an den Faltkanten erkennen kann. Aus konservatorischen Gründen wurde er auf Karton geklebt. Der Papyrus ist von dunkelgelber Färbung, die allerdings besonders an den Rändern (vielleicht der Konservierung geschuldet (?)) eine leichte Bräunung angenommen hat. Nur eine Seite ist mit vier Zeilen beschriftet, an deren Ende „une figure de génie bizarre“, bestehend aus Beinen mit einem Schakalkopf, steht. Vermutlich wurde der Papyrus gefaltet als die Farbe noch nicht ganz getrocknet war, sodass einige Bereiche des Schriftfeldes etwas schwächer wirken und es besonders auf der Schwarz-Weiß-Photographie bei Goyon 1977 so wirkt, als wäre auch Rot genutzt worden (Goyon 1977, 45–46; Gasse 2016, 168 und 170). Entgegen Goyons Vermutung (Goyon 1977, 46) kann er jedoch nicht von der rechten Seite aus gefaltet worden sein, da auf der linken ein Abdruck der direkt daneben befindlichen Figur eindeutig zu erkennen ist. Bis auf kleinere Beschädigungen im Textfeld und dem Bild, die wohl auf die Faltung zurück zu führen sind, sowie kleinere Marginalen an den Rändern ist der Papyrus gut erhalten (vgl. die Abb. bei Gasse 2016, 170).

Schrift
Hieratisch

Für die Beschriftung des Papyrus wurde Schwarz genutzt. Die Linienführung ist „ferme et net“ und zeugt laut Goyon von einem fähigen Schreiber (Goyon 1977, 46).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Die Sprache ist nach Koenig 1979, 104, der eine teilweise Parallele des hier aufgeschriebenen Spruches publiziert hat, „classique“, ohne Anzeichen einer „langue vulgaire“.

Bearbeitungsgeschichte

Die Erstedition des Papyrus mit Photographie, Beschreibung, Übersetzung und Kommentierung legte 1977 Goyon vor. Dieser hielt Papyrus Louvre N 3233a und b für einen Papyrus, der aus konservatorischen Gründen in zwei Einheiten getrennt wurde (Goyon 1977, 45). Kleinere Korrekturen bzw. Verbesserungen zur Lesung des zweiten Spruchteils stammen von Koenig 1979 in seiner Edition des Papyrus Deir el-Medineh 37 (einer Textparallele) sowie von Quack 2011, 416. Die Besprechung der linken Figur erfolgte im Kontext weiterer Belege für diese bei Liptay 2011. Nennungen des Papyrus mit kurzen Beschreibungen erfolgten in den Pariser Katalogen von Étienne 2000, 54 und 107 (Nr. 130, mit Bild) und 2013 durch Étienne – Pagés-Camagna, 76, die in Fußnote 17 auf die offensichtliche Nicht-Zusammengehörigkeit verwiesen, was bereits ein „simple examen à la binoculaire“ zeigt. Gasse 2016 publizierte eine farbige Abbildung, eine neue Übersetzung und eine kurze Beschreibung des Papyrus. Außerdem führte sie weiter aus, dass die Nummern N 3233a und b unmöglich ein einziger Papyrus sein können, da es sich zum einen um verschiedene Papyrusqualitäten handelt und zum anderen die „marques de pliures“, d.h. die Faltungen, an unterschiedlichen Stellen sind (Gasse 2016, 168 und 170).

Editionen

- Goyon 1977: J.-C. Goyon, Un phylactère tardif : Le papyrus 3233 A et B du Musée du Louvre, in: Bulletin de l’Institut Francais d’Archéologie Orientale 77, 1977, 45–54, Taf. 15.

Literatur zu den Metadaten

- Étienne 2000: M. Étienne, Heka. Magie et envoûtement dans l’Égypte ancienne (Paris 2000), 54 und 107 (Nr. 130).

 

- Étienne – Pagés-Camagna 2013: M. Étienne – S. Pagés-Camagna, Illustrer un papyrus, in: G. Andreu-Lanoë (Hrsg.), L’art du contour. Le dessin dans l’Égypte ancienne (Paris 2013), 74–79, hier 76 mit Anm. 17.

 

- Gasse 2016: A. Gasse, C.43 et C.44. Deux papyrus talismans, in: L. B. Rizzo – A. Gasse – F. Servajean, À l’école des scribes. Les écritures de l’Égypte ancienne (Milano 2016), 168–171, hier: 169.

 

- Koenig 1979: Y. Koenig, Un revenant inconvenant ? (Papyrus Deir el-Medineh 37), in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 79, 103–119 und Taf. 38–39, hier: 104–105.

 

- Liptay 2011: É. Liptay, From Middle Kingdom apotropaia to Netherworld Books, in: E. Bechtold – A. Gulyás – A. Hasznos (Hrsg.), From Illahun to Djeme. Papers Presented in Honour of Ulrich Luft, BAR International Series 2311 (Oxford 2011), 149–155, hier: 151–152.

 

- Quack 2011: J. F. Quack, Beiträge zu einigen religiösen und magischen Texten, in: M. Collier – S. Snape (Hrsg.) Ramesside Studies in Honour of K. A. Kitchen (Bolton 2011), 413–416, hier 416.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Marc Brose
Mitwirkende
Dr. Peter Dils; Dr. Lutz Popko
Autoren (Metadaten)
Dr. Marc Brose
Mitwirkende (Metadaten)
Dr. Peter Dils; Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Amulett zum Schutz (von Neugeborenen?)

Oh (ihr), die Gemetzel anrichtet, (ihr), die Seuchen1 erschafft: möget ihr euch fernhalten von Djedhor, 〈den〉 die Schepensopdet 〈geboren hat〉! Er ist jener große Gott inmitten von Hutmesqet, der aus dem Nun hervorgekommen ist, so dass er sich ausbreite im Zorn/als Wütender, (und dass) er (gesund) herauskomme aus der Seuche.2 Horus, Horus!3 Das wꜣḏ-Amulett der Sachmet sei um das Fleisch des Djedhor, den die Schepensopdet geboren hat, indem es vollendet sei für das Leben.4 (Du), der die Glieder des Djedhor, den die Schepensopdet geboren hat, erschaudern lässt, der attackiert den Barsch des Re:5 Feuer soll gegen dein Grab kommen.6 (Du), der ihn angreift, Feuer soll gegen deinen Ba hervorkommen.7 Wenn du deinen Giftsamen nicht von ihm entfernst, so werde ich dich aus (der Riege) der Ach-Verklärten entfernen/ausstoßen (o.ä.) (lit.: separieren).

#Hinter dem Text, über gesamte Höhe: Schakalskopf mit Perücke auf laufenden Beinchen#9

1 Diese Lesung wurde von J.F. Quack, in: FS Kitchen, 416 vorgeschlagen und danach von Gasse, in: À l’école des scribes, 169 übernommen; sie verbessert die alte Lesung von Goyon, Un phylactère tardif, Pl. XV, der mwt las und mit „trépas“ übersetzte, obgleich die Schreibung mit „schlechtem Vogel“ (G37) und Pluralstrichen als Determinativ sehr ungewöhnlich wäre (was Quack nicht notierte).

2 Siehe oben den Kommentar zum gleichen Wort in Z.1.

3 Dieser Satz, der sich in zahlreihen Zaubersprüchen auf Papyri und auch auf Tempelwänden der griechisch-römischen Zeit wiederfindet, stellt eine Art „Refrain“ für Zaubersprüche verschiedener Art, v.a. von Sprüchen zum Schutz von Neugeborenen, dar. Vgl. die Belegzusammenstellungen bei J.-C. Goyon, in: BIFAO 74, 1974, 77-83 (inkl. pLouvre 3233b) und N. Flessa, (Gott) schütze das Fleisch des Pharao, Untersuchungen zum magischen Handbuch pWien AEG 8426, Corpus Papyrorum Raineri 27, Leipzig 2006, 128-129.

4 Zu dieser Übersetzung vgl. Flessa, (Gott) schütze das Fleisch, 32 (s. vorigen Kommentar) mit Kommentar S. 36-37, wobei er die Formel als Finalsatz übersetzt: „dass es vollständig sei für das Leben“.

5 Die Übersetzung dieses Satzes orientiert sich an Goyon, Un phylactère tardif, 50, der die Verbalform von ḏdf und ḫmi̯ als Partizipien interpretierte. Anders Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 106, der sḏm=f-Formen ansetzt: „Le corps de Ḏd-Ḥr de Šꜣp-n-Spdt tremble. Le chromis de Rê a été attaqué.“ Anm.: A. Gasse, in: À l’école des scribes, 168, hat Koenigs Übersetzung wortwörtlich übernommen.

6 Zum Wortlaut dieses und des folgenden Satzes gibt es eine fast exakte Parallele, pDeir el-Medineh 37 (ed. Y. Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 103-117, dort auch mit Synopse der Textzeugen).

7 Siehe den Kommentar zum vorangehenden Satz. Hier setzt auch Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 106 am Anfang ein Partizip an: „(Ô) celui qui 〈se〉 répand en lui.“

8 Die Interpretation < tꜣš und die Ergänzung des Suffixpronomens 1.Sg. folgen Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 106 mit 113 Anm. i; da eine Drohung vorliegt, ist es notwendig, dass der Drohende sich selbst in der 1.Ps. nennt. Goyon, Un phylactère tardif, 51 mit Anm. 1 nahm dagegen einen Imperativ tš tw an und übersetzte den Satz: „Si tu ne retires pas ton venin de lui, sois coupé en morceaux par devants les esprits-Akhou!“

9 Der Schakalskopf auf laufenden Beinchen entspricht motivisch der Hieroglyphe Grimal/Hallof/van der Plaas, Hieroglyphica, Nr. F78 bzw. Kurth, Einführung in das Ptolemäische I, S. 176, Nr. 89. Die hier dargestellte Entität könnte daher den Namen Wsr(.w) getragen haben, vgl. zur Schreibung schon Wb 1, 360, unter den Variantenschreibungen des Verbs wsr. Laut LGG II, 570c ist Wsr als Bezeichnung für Anubis, Osiris, Horus, Harpokrates, Chons sowie einen anonymen Schutzgott belegt. Goyon, in: BIFAO 77, 52 und Liptay, in: Fs Luft, 151-152 vermuten in der Vignette von pLouvre N 3233 B konkret Re-Atum.