Papyrus Leiden I 358

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Inventarnummer: AMS 59c
Aufbewahrungsort
Europa » Niederlande » Leiden » Rijksmuseum van Oudheden

Inventarnummer: I 358

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus gehörte zu der Sammlung von Giovanni Anastasi, die 1828 in Leghorn durch Vermittlung von Colonel J.-E. Humbert für den niederländischen Staat angekauft wurde. Im Januar 1829 traf er mit den anderen 5674 Objekten in den Niederlanden ein (Klasens 1975, 20).

Anastasi selbst gelangte vermutlich durch B. Piccinini, der für ihn Objekte in Oberägypten sammelte, in den Besitz des Papyrus. Falls dies stimmt – wofür es aufgrund der Nennung des Hohepriesters des Amun von Theben gute Gründe gibt –, dann wurde der Papyrus irgendwann zwischen 1814 und 1826, der Zeit, in der Piccinini in Oberägypten tätig war, entdeckt. Ab da befand er sich im Besitz von Anastasi (Klasens 1975, 22–23).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Scheich Abd-el-Gurna » Asasif

Die Herkunft ist nicht gesichert, kann aber über den Besitzer, den Hoheprieser Harmachis, Sohn des Schabaka (25. Dynastie), eingegrenzt werden, s. Klasens 1975, 22–23: In der Grabungssaison 1918/19 wurden während der Grabungen des Metropolitan Museum of Art unter A. Lansing im Asasif in Theben-West in der Nähe der Gräber des Pabesa (TT 279) und des Padiamenophis (TT 33) in einer Balsamierungsnische zwei Särge, die Equipment für das Begräbnis des Harmachis und seines Sohnes und Nachfolgers Horchebi enthielten, gefunden. Sofern das Amulett im (noch nicht entdeckten) Grab des Harmachis niedergelegt worden war, ist als Herkunftsort Theben bzw. das Asasif wahrscheinlich. In diesem Falle wurde das Objekt wahrscheinlich zwischen 1814 und 1826 von Anastasis Agenten Piccinini oder einem seiner Leute entdeckt und in die Sammlung Anastasis verbracht, von wo es 1827 nach Leghorn als Teil des Konvoluts transportiert wurde, das 1828 verkauft wurde (siehe bei Verbleib).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 25. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 25. Dynastie

Das Papyrusamulett wurde für den Hohepriester des Amun und Königssohn Horemachet angefertigt. Dieser war der Sohn des kuschitischen Pharaos Schabaka (ca. 722–707 v.Chr.), sodass er am Ende des 8. und der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. gelebt haben muss. Seine genaue Amtszeit ist umstritten, entsprechend reichen die Angaben in der Literatur von 704 bis 660 v.Chr. (Klasens 1975, 22 – hierbei ist zu berücksichtigen, dass bis 2013/15 Schabaka als Vorgänger und nicht als Nachfolger des Schebitku galt und die Regierungszeiten beider Könige vertauscht zu denken sind). Das Amulett wird also sehr wahrscheinlich irgendwann in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. oder kurz davor entstanden sein.

Textsorte
Rezitation(en)
Inhalt

Im ersten Satz wird der Nutznießer des Amuletts genannt: der Hohepriester des Amun und Königssohn Horemachet (Ḥr-m-ꜣḫ.t). Im Folgenden werden mehrere Gefahren aufgezählt, auf die er treffen könnte. Dabei handelt es sich um nicht näher bestimmte Entitäten (vermutlich gefährliche Wiedergänger). Danach folgen Gründe, warum diese nichts gegen den Amulettbesitzer ausrichten können. So wird dieser beispielsweise als „Stier, der die Farbe/den Charakter umkehrt/wechselt“, oder der, der die „Ruhe bis zur Ewigkeit befiehlt“ beschrieben. Es folgt nochmals die Aufforderung an die potentiellen Malefikanten, sich nicht Horemachet zu nähern. Zuletzt wird nochmals das geschützte Wesen des Amulettträgers angesprochen, wozu auch göttliche Qualifikationen dienen (Klasens 1975, 25).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Papyrus diente in seiner zusammengerollten Form als Amulett zum Schutz vor den darin genannten Übeln, die Horemachet befallen könnten.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Das Papyrusblatt hat die Maße 24,5 × 3,4 cm (Länge × Höhe) und war ursprünglich eingerollt und verschnürt; das dazugehörige Band ist noch vorhanden. Der rechteckige Papyrus ist einseitig beschrieben, mit vier langen Zeilen und einer fünften kurzen. Er ist vollständig erhalten und in gutem Zustand.

Die Entrollung fand wohl zusammen mit anderen Amulettpapyri (I 353-355 und I 357) im Jahr 1840 durch C. Leemans statt, siehe Klasens 1975, 21 mit Fn. 7 und Leemans 1840, 115–116. Zur Konservierung wurde der Papyrus auf Papier geklebt und unter Glas versiegelt (Klasens 1975, 20, 23 und Taf. 7; Website RO).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist relativ klein und sauber. Nach Klasens 1975, 22 ist sie ein „unique example of a cursive hieratic“ aus der Kuschitenzeit. Allerdings hat die Hand große Ähnlichkeit mit der des Papyrus Deir el-Medineh 38 (was Klasens aufgrund der späteren Publikation noch nicht wissen konnte), Koenig 1979, 118. Der Text ist durchgängig schwarz (Klasens 1975, Taf. 7).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

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Bearbeitungsgeschichte

Die Ersterwähnung des Papyrus fand im „Catalogue original de la collection d'antiquités égyptiennes d’Anastasy“ statt. Dort trug er (zusammen mit neun weiteren Papyri) die Nummer MP 59 (Klasens 1975, 21). Nach der Ankunft in Leiden wurde er zunächst im zusammengefalteten Zustand von C. Leemans 1840, 116 kurz beschrieben und zu einem unbekannten Zeitpunkt danach aufgefaltet und verglast. Dies muss vor 1861 geschehen sein, da ein Faksimile der Inschrift in diesem Jahr in den Monumens égyptiens zusammen mit einer kurzen Beschreibung von Chabas publiziert wurde (Klasens 1975, 23).

Die Erstedition stammt von Klasens 1975 mit Beschreibung, Transliteration, Übersetzung, Kommentar und Photographie. Korrekturvorschläge zur Lesung stammen von Koenig 1979, 118–119.

Editionen

- Klasens 1975: A. Klasens, An Amuletic Papyrus of the 25th Dynasty, in: Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 56, 1975, 20–28 und Taf. 7.1.

Literatur zu den Metadaten

- Koenig 1979: Y. Koenig, Un revenant inconvenant ? (Papyrus Deir el-Medineh 37), in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 79, 103–109 und Taf. 38–39, hier: 118–119 und Taf. 39.

 

- Leemans 1840: C. Leemans, Description raisonnée des monumens égyptiens du Musée d’antiquiteés des Pays-Bas, à Leide (Leide 1840), 116 (I. 356–359).

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Marc Brose
Autoren (Metadaten)
Dr. Marc Brose

Übersetzung und Kommentar

Amulett zum Schutz gegen diverse Dämonen1


[1]Oh du, der mit dem Lasso fängt, du wirst nicht den Ersten Priester des Amun, den Königssohn Harmachis, mit dem Lasso fangen! Oh du, der angreift, du wirst ihn nicht angreifen! Oh du, der raubt, du wirst ihn nicht berauben! Oh du, der das Herz herausreißt, du wirst [2]sein Herz nicht herausreißen! Oh du, der mächtig ist, du wirst keine Macht erlangen über seine Glieder.
Er ist der Leichnam ohne Kopf, die ehrwürdige Mumie ohne Gesicht. Er ist der Stier, dessen Hautfarbe sich ins Gegenteil verkehrt, der [3]ewig schweigende Mann,2 der Tjekem jedes Tages, der große Preisende.3
Du sollst nicht gegen ihn kommen, du sollst keine Macht über Glieder von ihm erlangen! Du wirst nicht irgendetwas Böses (oder) Schlechtes gegen ihn unternehmen!
Er wird (es = die feindliche Bedrohung) nicht erleben! [4]Er ist die Gewebe des Geb, die (sicher) eingepackt sind in ein Hundefell, das ruht im Hause des Flusses von Koptos. Amun-Re, der Herr der Throne der Beiden Länder, Vorderster von Karnak, ist der Schutz seines Körpers. Er ist [5]derjenige, der in Heliopolis ist.

1 Dieser Text hat mehrere Parallelen, die im Wortlaut weitgehend, aber nicht vollkommen identisch sind: pDeM 38 (ed. Y. Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 118-119, pl. XXXIX, fig. 2; inkl. Synopse mit pDeM 38); pHannover KM 1976.60a1 (ed. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, ÄOP 2, Berlin/München/Boston 2015, 180-190); oBerlin 12622 (ed. Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 331-337).

2 Diese Lesung folgt Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 118 mit fig. 2, anhand des Paralleltextes pDeM 38. Durch den Zeilenwechsel bedingt wurde das Wort außerdem zweimal geschrieben.

3 Der Paralleltext pHannover KM 1976.60a Z. 5 hat hier twꜣ wr stehen, was entweder nur eine graphische Variante darstellt, oder tatsächlich eine textliche Variante "der große Arme", was im Satzkontext ebenfalls Sinn machen würde.

4 Klasens, Amuletic Papyrus, 24 transliteriert statt der Zeichen V30 (nb) und W12 (ns.t) das Zeichen F36 (smꜣ), und liest daher Jmn-Rꜥ smꜣ tꜣ.wj „Amūn-Rē‘, who unites the Two Lands“. Die Richtigstellung erfolgte durch Koenig, in: BIFAO 79, 1979, 119 mit fig. 2.