Papyrus Kahun London UC 32271B
Übersetzung und Kommentar
Recto: Beschwörungen
[x+1] ...] "Ich habe sie (?) gefesselt auf (?)1 dem Boden (?) [... / ...] "ich habe gefesselt für euch (?) [......] mich (?) gegen jegliche Sache."
Ein Mann möge diesen Spruch sagen, (damit) er seinen Schutz [bereitet], (während) er vorbeizieht im Innern des / innerhalb von ...?...
"Ich bin der, der im geschlossenen/geblendeten2 Udjat-Auge ist; ich bin sein (d.h. des Auges) Schutz."3
Ein Mann möge diesen Spruch sagen, (indem) er ein Auge macht (d.h. malt) auf seiner Hand mit [x+5] (gelbem?) Ocker, nachdem er seinen Namen festgesetzt hat in seiner (des Auges?) Kammer (?)4 in Schrift. Daraufhin muss er es (das Auge?) [...]. Das bedeutet seine Rettung aus dem See (?) [...
[...]
[...] [kleines Fragment x+1] ...] ⸢...⸣.
"[Ich (?)] bezwinge [... ... ...] ⸢...⸣"
Ein Mann möge [diesen] Spruch sagen, [...
1 wnp: Für die Bedeutung "fesseln", die mit dem Determinativ der Schnur (Gardiner V1) vereinbar ist, siehe Meeks, Mythe et légendes du Delta, 116, Anm. 364 (Belege in Urk. VI und im Papyrus du Delta). Meeks verweist darauf, dass in Urk. VI, 77.4–5 Mittelägyptisch (Égyptien de tradition) wnp in der Neuägyptischen Version durch snḥ: "binden, festbinden, fesseln" wiedergegeben wird. Collier & Quirke, 69 übersetzen mit "to pluck", was auf Meeks, ALex 78.0983 zurückgeht, ein in Wb 2 fehlendes Lemma wnpi̯: "arracher (le lin)". Es findet sich bei einer Darstellung der Flachsernte in der AR-Mastaba des Achethotep im Louvre: Chr. Ziegler, Le mastaba d'Akhethetep. Une chapelle funéraire de l'Ancien Empire, Paris 1993, 126 (2. Reg.) und 146; Chr. Ziegler (Hg.), Le mastaba d'Akhethetep (Fouilles du Louvre à Saqqara, 1), Louvain/Paris 2007, 102 und Fig. 37. Die Übersetzung "(Flachs) ausreißen" geht auf einen Vorschlag von Vandier, Manuel VI, 77 für die betreffende Szene zurück.
2 ꜥẖn (jüngere Schreibungen ꜥḫn und ꜥšn): Wb 1, 226.14: "die Augen schliessen"; Meeks, ALex 78.0798: "fermer les yeux"; Van der Molen, Dictionary of Coffin Texts, 79: "close eyes"; Wilson, Ptol. Lex., 179: "to shut"; nicht bei Faulkner, CDME. Abweichende Übersetzungen bei Collier & Quirke, 69: "blinded" und Hannig, HWB 171: "*blinzeln" {5947} (als unsichere Bedeutung markiert); Carrier, Textes des sarcophages, II, 1113 und 1121: "cligner" = "blinzeln; zusammenkneifen" (zu CT V, 369g und 384g). Brugsch, Hierogl.-dem. Wb 1, 1867, 217–218 hat neben "die Augen schließen" auch "schlafen" als Bedeutung vorgeschlagen (Suppl. 5, 1880, 280: (nur noch) "schließen").
Das Verb impliziert ein Verschließen der Augen, wodurch Dunkelheit entsteht. Als Antonyme funktionieren die Verben wn: "öffnen", auch zš: "öffnen" und rs: "wachen" (Clère, Porte d'Évergète, Tf 2B: pꜣ nb rs bw.t ꜥḫn m nṯr[.tj]: "der Herr des Überwachens, (dessen) Abscheu das Schlafen/Blind-sein (?) in/mit den beiden Augen(?) ist"). Das Verb kann sowohl in Kombination mit einem Substantiv für "Auge" (transitiv) als auch ohne Objekt (absolut) verwendet werden. Wenn der Sonnengott seine Augen schließt, entsteht die Dunkelheit (pTurin Cat. 1993, Isis und Re = pCGT 54051 Recto, 4.8; Roccati, Magica Taurinensia, 70 und 142 [263–264]: jnk wn jr.tj=f(j) ḫpr ḥḏḏw.t / ꜥḫn jr.tj=fj ḫpr kkw: "Ich bin der, der seine Augen öffnet und die Helligkeit entsteht, der seine Augen schließt und die Dunkelheit entsteht."; Metternichstele, 83: wn=f jr.t=f ḫpr šww / ꜥḫn=f s(j) ḫpr kkw: "Wenn er sein Auge öffnet, entsteht das Licht; wenn er es schließt, entsteht die Dunkelheit.") oder wird es Nacht (Tb. 64: Lapp, Die prt-m-hrw-Sprüche (Tb 2, 64–72), Totenbuchtexte 7, Basel 2011, 32–34: ꜥḫn jr.tj m mšrw s:nw tm m wšꜣ: "der die Augen am Abend schließt, so dass das Erblicken lassen (?) aufgehört hat (?) in der tiefen Finsternis / so dass das Ganze dahingeht (?) in der tiefen Finsternis."). Dieses Verschließen kann negativ empfunden werden, denn Dämonen können einem die Augen absichtlich verschließen (pBudapest 51.1961, Kol. 2.6 und 2.7). Auch beim Udjatauge ist für ꜥẖm von einem unerwünschten Zustand auszugehen. Im Grab des Iymiseba (TT 65; 20. Dyn.) wird ꜥẖn ohne Objekt verwendet: ḫpr šzp ḏi̯=f sw m ḥr.t / ꜥḫ{m}⟨n⟩=sn n ḥtp=f m ꜥnḫ.t: "Das Licht entsteht, wenn er sich am Himmel zeigt; sie (d.h. die Menschen) erblinden (?) bei seinem Untergang im Totenreich/Westen." (DZA 21.978.310). Aus dieser Stelle leitete Hannig vermutlich die unsichere Bedeutung "blinzeln" ab: ꜥẖn=sn n ḥtp=f: "sie schauen blinzelnd auf seinen Untergang (der Sonne)" {5948}.
3 jnk jm.j wḏꜣ.t ⟨m⟩ ꜥẖn.t / jw=j m mk.t=s: Diese zwei Sätze stehen in Totenbuch Kap. 42: Lapp, Die Feindabwehrsprüche (Tb 31–37, 39–42) (Totenbuchtexte 10), Basel 2017, 232.d–235.c. Im Totenbuch steht wḏꜣ.t m ꜥẖn.t mit Präposition: "das Udjatauge als etwas, das geblendet ist".
4 jz.t=s: Lesung unsicher. Collier & Quirke, 69 transkribieren jt=s (?) und übersetzen "its pupil (?)", aber ein solches Wort ist unbekannt.
Verso: literarischer Text
[x+1] ...] grünen/gedeihen (?)1 ... ... indem ich geliebt bin.Mir wurden Sachen gegeben.
Mir werde Süßes/Anmut2 gegeben, mir werde Beliebtheit gegeben durch die Pförtner des Hauses, durch diejenigen, die Lotosblumen verschlucken3.
Möge [x+5] meine [Beliebtheit]4 sich nun ausbreiten im Leib von jedermann. [kleines Fragment x+1] ...] Wasser ausbreiten/aufteilen [...
1 wꜣḫ: Die Schreibung mit der Buchrolle als Determinativ ist nicht üblich (MR-Belege bei Van der Molen, Hieroglyphic Dictionary, 84).
2 bnj.t: Das Determinativ des "schlechten Pakets" ist unerwartet, aber die Kombination von bnj.t und mrw.t ist mehrfach belegt (siehe DZA-Belege s.v. bnj.t).
3 ꜥm: Collier & Quirke, 51 übersetzen mit "the consumers of lotus-plants" und paraphrasieren mit "lotus-eaters", aber ꜥm ist nicht das normale Verb für "Nahrung essen", das ist wnm.
4 zš mrw.t: Lesung und Ergänzung nach Collier & Quirke, 50–51. Sie sind sich der Lesung zš nicht sicher und sie übersetzen mit "to surpass(?)". Die Kombination zš mrw.t ist nicht gängig. Siehe mr(w.t) zš.tj m ẖ.t=sn in Tb. 182 (DZA 28.674.470). Sie findet sich auch in der göttlichen Gegengabe von ptolemäischen Ritualszenen (E VII, 68.9; vielleicht E VIII, 33.16; weitere Belege bei Wilson, Ptol. Lex., 922).