Papyrus Deir el-Medineh 44

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
pDeM 44
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: DeM 44

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde am 7. Februar 1951 während der durch das Institut Franҫais d’Archéologie Orientale in Deir el-Medineh durchgeführten Grabungen entdeckt (Koenig 1999, 259) und später nach Kairo ins Institut gebracht.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Amulett wurde in Grab 1444 auf der Nordflanke des Hügels von Qurnet Murai gefunden (Bruyère 1953, 112–115 und Tf. 20–21 mit Gesamtplan auf Tf. 20; Koenig 1999, 259). Das Felsgrab 1444 ist eines von sieben Gräbern auf der oberen von zwei Ebenen der Hügelflanke, die im Januar–Februar 1951 durch das IFAO ausgegraben wurden. Der Eigentümer des Grabes ist nicht bekannt. Das Amulett fand sich auf dem Boden eines 1,18 m tiefen Schachts in der vorderen von zwei Kammern (Bruyère 1953, 112, 114). Die Gräber auf der Nordflanke des Hügels von Gurnet Murai werden der Siedlung von Deir el-Medineh zugeordnet, aber die Eigentümerin des Amuletts, Ta-idi-amun, kann nicht unter den Bewohnern von Deir el-Medineh nachgewiesen werden.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Aufgrund der Paläographie ist der Papyrus laut Koenig ans Ende der Ramessidenzeit, d.h. in die 20. Dynastie, zu datieren (Koenig 1999, 260). Der Personenname Ta-idi-amun erlaubt eine noch etwas genauere Eingrenzung, denn diese Namensbildung ist erst ab der Zeit Ramses' V. im Papyrus Wilbour belegt, während ansonsten die Namensbildung Pa-di-GN/Ta-di-GN erst ab der mittleren 21. Dynastie erscheint (Jansen-Winkeln 2016, 194). Der Papyrus wird daher sicherlich nicht älter als die Zeit Ramses' V. sein. Auch der Name des Vaters Charu/Chel ist mehrfach in der mittleren 20. Dynastie belegt (vgl. die Belege bei Gabler 2018, 632, 640, 740).

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Text nennt im ersten Satz sowohl seine Schutzfunktion als auch seine angebliche  Herkunft: Die Vorlage wurde nach eigener Aussage „im Archiv von Hermopolis“ gefunden. Ähnliche Ortsvermerke erscheinen auch in anderen Texten und sollen damit die Wirksamkeit des Zaubers erhöhen. Es ist eine Version des Rituals „Schutz des Leibes“ mit Formulierungen nach dem Muster „Mein Schutz ist der Schutz des X“ (Z. 2–6), die nach den üblichen Anfangsversen andere Varianten einbaut (vgl. für den Texttyp Ghattas 1968, 66–77; Altenmüller, 1979, 7–12). Der Schutz ist bestimmt für die Frau Ta-idi-amun, Tochter des „Ausländers“ (namens) Charu/Chel (etymologisch: „der Syrer“). Im nächsten Abschnitt beschuldigt die Ich-Person (d.h. der Magier) den Angreifer, gegen Entitäten aus der Osirismythologie verstoßen zu haben (der Angreifer frisst das Horusauge), und schützt sich anschließend vor dieser ungeheuren Aussage dadurch, dass er die Aussage als vom Angreifer selbst geäußert nennt (Z. 7–13) (zur sogenannten rituellen Verleumdung siehe Manisali 2007; zur Nicht-Identifikationsformel siehe Raffel 2019). So kann der Magier Osiris auf seine Seite bringen bzw. sich mit ihm identifizieren, um gegen den Angreifer vorzugehen (Z. 14–16). Eine zweite rituelle Verleumdung, diesmal betreffs eines Reliquiars aus Akazienholz unter dem Schutz des Horus von Letopolis, sowie eine zweite Nicht-Identifikationsformel schließen den Text ab (Z. 16–19). Es ist unklar, ob der Amuletttext nur generell den Körper unversehrt erhalten, oder ob auch ein konkretes Problem abgewehrt werden soll. In Z. 16 ist vielleicht die Rede davon, dass der Dämon nicht gegen die Flanke oder Körperseite vorgehen soll, aber dies ist möglicherweise eine moderne Fehllesung.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Papyrus diente in seiner zusammengerollten Form als Amulett zum Schutz vor bösen Mächten, die Ta-idi-amun, Tochter des „Ausländers“ Charu/Chel (d.h. „Syrer“), heimsuchen könnten.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Papyrus wurde im zusammengefalteten Zustand gefunden, indem er in der Mitte einer 55 cm langen Schnur aus Leinen befestigt war. Diese Schnur war auf einer Seite mit vier, auf der anderen mit neun Knoten versehen (die Schnur besteht dort aus zwei Strängen, jeweils mit vier Knoten, die beim neunten Knoten zusammengeknüpft sind). Entfaltet wurde das Päckchen noch am 7. Februar 1951 von Bruyère (Koenig 1999, 259). Der Papyrus war zunächst 17 Mal in seiner Länge von unten nach oben gefaltet und anschließend (nun in stangenhafter Form) von jeder Seite je zwei Mal nach innen. Zuletzt wurde der Papyrus nochmals in der Mitte gefaltet und gegenüber des Knickes fest verschnürt. Am Ende der Faltungsprozedur maß das Päckchen 3,9 × 1,4 cm (Breite × Höhe) (Bruyère 1953, 114 und Fig. 17 [unten] auf S. 72; Koenig 1999, 259; zur Faltung vgl. auch Faltpäckchen Typ III, Sonderform, von Krutzsch (2008, 83 und Tf. 20) wodurch bewirkt werden sollte, dass weder der Zauber aus dem Papyrus entweichen noch etwas in ihn eindringen konnte (Krutzsch 2008, 71)).

Ausgerollt hat der Papyrus die Maße 21,5 × 22,58 cm (Breite × Höhe) (22,5 × 23 cm laut Bruyère 1953, 114) und ist einseitig auf dem papyrologischen Verso (!) mit 19 Zeilen schwarzer Tinte beschriftet. Die ersten elf Zeilen sind ca. ein Viertel kürzer als die restlichen, da hier am rechten Rand, d.h. am Zeilenanfang, eine Vignette angebracht wurde (zur Vignette siehe Koenig 1999, 276–279; dasselbe Motiv ohne Uroboros auf pLouvre E 32308: Koenig 2004, 322). Diese hat eine rechteckige Form mit abgerundeten Ecken und wird von einem Uroboros begrenzt. In ihm befinden sich im oberen Bereich links die Nilpferdgöttin Weret (Thoeris?, anderswo auch Isis und Ipet genannt) und vor ihr (d.h. rechts) ein König (?) mit Doppelkrone, der ein Krokodil am Kopf hält und auf dessen Schwanz steht. Dies sind Darstellungen von Sternbildern am Nordhimmel, die Seth in der Gestalt eines Rinderschenkels (unser Großer Wagen) davon abhalten, Orion-Osiris am Südhimmel anzugreifen (Neugebauer & Parker 1969, 183–194; Koenig 2004, 311–313). Die Identität des Königs (?) ist umstritten (vermutlich nicht Orion?), das Krokodil wird manchmal Hetepredui genannt (Neugebauer & Parker 1969, 184, 194). Darunter ist ein etwas dicklich wirkender Mensch mit erhobenen Armen (eine Art Strichmännchen mit einem Kreis als Torso; „Le bonhomme-tétard“ nach Koenig 1999, 279; vgl. Koenig 2004, 312) gezeichnet, der laut Koenig ikonographisch vielleicht von einem stilisierten sꜣ-Zeichen (Gardiner-Liste V 17) abgeleitet wurde, das anderweitig an dieser Stelle steht bzw. auf das sich Thoeris stützt. Über dem Kopf des Königs (?) stehen drei Fleischzeichen, über dem Kopf der Thoeris eine unklare Gruppe.

Der Erhaltungszustand ist sehr gut; es sind nur wenige kleinere Lücken, v.a. in der zweiten bis vierten Zeile, vorhanden (Koenig 1999, 260).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist sehr schnell ausgeführt worden und in der Folge sehr kursiv. Vereinzelt treten Fehler und Abkürzungen auf. Zudem sind die Zeichen häufig sehr stark reduziert geschrieben. Koenig spricht von einem schlampig und ohne Sorgfalt geschriebenen Dokument (Koenig 1999, 260).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Die Grammatik entspricht teilweise dem Mittelägyptischen, vor allem im ersten Teil des Textes mit den vielen Nominalsätzen. Dieser Teil des Textes hat mittelägyptische Vorläufer in den Papyri Ramesseum X und XVI (Ende 12./Anfang 13. Dynastie) sowie in den Zaubersprüchen für Mutter und Kind (frühe 18. Dynastie). Die Verleumdungen und Nicht-Identifikationsformeln sind eindeutig später redigiert und verzeichnen viele neuägyptische Phänomene (wie z.B. das Personalpronomen tw=j in Zeile 14, die Partizipbildungen mit j-Augment wie j:ḏd und j:wḥm, die Relativformbildung mit j-Augment im Namen Tꜣ-j:ḏi̯-Jmn, die Auslassung der Präposition ḥr vor dem Infinitiv des Präsens-I nach ntj). Zudem weist die Orthographie oft deutlich neuägyptische Züge auf, z.B. im Status Pronominalis von Substantiven, in der y-Endung von Infinitiven, in der Graphie m für die Partikel jn und in der Graphie mntf für das absolute Personalpronomen 3. Pers. Sg.

Bearbeitungsgeschichte

Die Erstedition erfolgte durch Koenig 1999. Zuvor wurde der Papyrus bereits kurz von Bruyère in seinem Bericht zu den Grabungen des Institut Franҫais d’Archéologie Orientale von 1948–1951 erwähnt (Bruyère 1953, 114–115 mit Zeichnung des zusammengefalteten Objekts ebd., 72, Fig. 17 (unten)). Eine jüngere deutsche Übersetzung findet sich in DigitalHeka.

Editionen

- Koenig 1999: Y. Koenig, Le contre-envoûtement de Ta-i.di-Imen. Pap. Deir el-Médineh 44, in: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 99, 1999, 259–281. [*P,*T,*Ü,*K]

Literatur zu den Metadaten

- Altenmüller 1979: Hartwig Altenmüller, Ein Zauberspruch zum „Schutz des Leibes“, in: Göttinger Miszellen 33, 1979, 7–12.

- Bruyère 1953: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el Médineh (années 1948 à 1951), Fouilles de l‘Institut Franҫais d’Archéologie Orientale 26 (Le Caire 1953), 72–74 (mit Fig. 17 unten) und 114–115 [K zum Fundort und Beschreibung].

- Gabler 2018: Kathrin Gabler, Who’s who around Deir el-Medina. Untersuchungen zur Organisation, Prosopographie und Entwicklung des Versorgungspersonals für die Arbeitersiedlung und das Tal der Könige. Egyptologische Uitgaven 31, Leiden 2018. [K]

- Ghattas 1968: Francis Abdel-Malek Ghattas, Das Buch Mk.t-ḥꜥw „Schutz des Leibes“, Göttingen 1968 (Diss.).

- Krutzsch 2008: M. Krutzsch, Falttechniken an altägyptischen Handschriften, in: J. Graf – M. Krutzsch, Ägypten lesbar machen – die klassische Konservierung/Restaurierung von Papyri und neuere Verfahren. Beiträge des 1. Internationalen Workshops der Papyrusrestauratoren. Leipzig, 7.–9. September 2006, Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete. Beiheft 24 (Berlin/New York 2008), 71–83 und Taf. 19–25. [K zur Falttechnik, der Papyrus wird nicht erwähnt]

- Jansen-Winkeln 2016: Karl Jansen-Winkeln, Zum Wandel der Personennamen von der Ramessidenzeit zur Spätzeit, in: H. Franzmeier, Th. Rehren und R. Schulz (Hrsg.), Mit archäologischen Schichten Geschichte schreiben. Festschrift für Edgar B. Pusch zum 70. Geburtstag. Forschungen in der Ramses-Stadt 10, Hildesheim 2016, 189–199 (hier 194). [K]

- Koenig 2004: Yvan Koenig, Le papyrus de Moutemheb, in: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 104, 2004, 291–326.

- Manisali 2007: Alexander Manisali, Ergänzendes zur Kontinuität der Technik der rituellen Verleumdung als διαβολή in den magischen Papyri aus römischer Zeit, in: Göttinger Miszellen 214, 2007, 85–90.

- Neugebauer & Parker 1969: O. Neugebauer und Richard A. Parker, Egyptian Astronomical Texts. III. Decans, Planets, Constellations and Zodiacs. Brown Egyptological Studies VI, Providence 1969.

- Raffel 2019: Jana Raffel, „Egal was, ich war’s nicht!“ Zur Nicht-Identifikationsformel in Zusammenhang mit der Götterbedrohung, in: M. Brose u.a. (Hrsg.), En détail. Philologie und Archäologie im Diskurs, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde. Beihefte 7/2, Berlin/Boston 2019, 947–964 (pDeM 44 wird 949, Anm. 13 genannt).

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils
Mitwirkende (Metadaten)
Billy Böhm, M.A.

Übersetzung und Kommentar

Papyrus Deir el-Medineh 44

[1] Buch des Schutzes des Leibes der Toeris, Abschrift, die gefunden wurde im Archiv von Hermopolis, ganz und geschützt: Mein Schutz ist der Schutz des Himmels, mein Schutz ist der Schutz der Erde, mein Schutz ist der Schutz des Feuers im gesunden Auge! Sein Schutz ist mein Schutz, sein Schutz ist mein Schutz. Die [...] Schutz der Erde. Mein Schutz ist sein Schutz, der Schutz der Überschwemmung des Nils beim Fluten der Kanäle! Ihr Schutz ist der Schutz des [5] Himmels, der Schutz der Erde! Mein Schutz ist der Schutz der Flut, ihr Schutz ist mein Schutz! Der Schutz des Himmels ist der Schutz der Tadiamun, geboren dem Ausländer "Syrer", der Schutz des Himmels ist ihr Schutz. Er ( = der Himmel) übt Schutz aus für ihn/wegen ihm, der vom Zauber an seinem Ort befreit wird, wenn ein Feind angreift, der in den Mund eintritt und aus der Nase herauskommt, wobei er "den ohne Müdigkeit" vertreibt.

Verschluckst du das Horusauge mit deinem Mund? Kommst du, um zu veranlassen, dass der Feind (sie) erkennen kann, Jener, der Untote, die Untote, Widersacher, Widersacherin, der gekommen ist, um Tadiamun zu befallen, [10] geboren dem Ausländer "Syrer", nachts und tags und zu einem beliebigen Zeitpunkt im Jahr oder an seinen Epagomenen, indem er gegen den großen Osiris, den Herrn von Hermopolis, lästerte, die vornehme Mumie, die Flamme ohne Gesicht, indem er belastete mit/durch Gravieren (?)? Das bin nicht ich, der es gesagt hat, das bin nicht ich, der es wiederholt hat. Der Zauber, der gekommen ist, um Tadiamun zu befallen, ist es, der es gesagt hat, er ist es, der es wiederholt hat. Er hat die Gestalt des Osiris verraten, damit ihm die Götterneunheit diene. Kennt Osiris denn nicht seinen Namen? Bleib doch stehen, o Feind, wende dich um! Wohin willst du denn? Ich kenne dich und ich kenne deinen Namen! Du sollst meinen Namen wissen, [15] denn du bist tot. Ich aber bin Mechit-weret, die Herrin der Zauber, ich bin Seth, groß an Kraft, ich bin Horus, der Schreckensmächtige, der Oberste des Geheimnisses der Neunheit. Mein Name ist gegen dich! Du wirst nicht die Seite befallen in der Nacht, am Tage oder zu einem beliebigen Zeitpunkt. Du hast dieses Reliquiar aus Akazienholz verraten, das unter Horus, dem Herrn von Letopolis, ist, das sind die Faust, die Augen, der Kopf des Osiris! He, das habe nicht ich gesagt, das bin nicht ich, der es wiederholt hat, sondern dieser Zauber, der kommt, um Tadiamun zu befallen, ist es, der es gesagt hat, er ist es, der es wiederholt hat. Bleib stehen, du Feind, wende dich um! Wohin willst du denn?