Papyrus Berlin P 15749

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Deutschland » (Städte A-G) » Berlin » Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Inventarnummer: P 15749

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde 1967 aus der Sammlung des Papyrusrestaurators Hugo Ibscher (1874–1943) durch die damaligen Staatlichen Museen von Ost-Berlin angekauft (Luft 1974, 173). Wie Ibscher an den Papyrus gelangte, ist unbekannt. Vermutlich erwarb er ihn mit zahlreichen anderen Papyri während eines seiner Arbeitsaufenthalte 1937 und 1938 in Kairo im Antikenhandel (Müller 1967, 99). Die Papyrussammlung Ibscher umfasste 195 Blätter und war 1962 durch den Sohn Rolf Ibscher an die Staatlichen Museen verkauft worden (Müller 1967, 99), vermutlich wurde das noch zusammengefaltete Amulett dabei übersehen.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Da der Papyrus im Antikenhandel angekauft wurde, ist die Provenienz im Prinzip unbekannt. Materialtechnisch gesehen gehört das Papyrusblatt von der Qualität her zu Papyri aus Theben (Krutzsch, in: Fischer-Elfert 2015, 31).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Aufgrund der Grammatik sowie Ortho- und v.a. Paläographie datiert Luft 1974, 175 den Papyrus „in die ausgehende Ramessidenzeit“. Fischer-Elfert (2015, 134) bestätigt den paläographischen Eindruck einer Urkunden-Handschrift der Felderverwaltung der späten Ramessidenzeit. Diese Felderverwaltungstexte (Papyri Louvre AF 6345-6347, Grundbuch, Prachov und Reinhardt) stammen zwar schon aus der Zeit Ramses' XI. und der 21. Dynastie, der paläographische Gesamteindruck und der Personenname gehören allerdings vermutlich noch in die zweite Hälfte der 20. Dynastie.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Text ist eine Beschwörung gegen eine srf(.t) genannte Hautkrankheit. Dazu wird zunächst eine Göttin mit der Bezeichnung „die Große“ und dem Namen „Nebet-hetepet“ angerufen, der verschiedene Epitheta beigefügt werden. Danach folgt eine Rede des Re, in der er diese Göttin darum bittet, sich an der Brust der Patientin namens Taneferet, Tochter der Isis, niederzulassen, um sie zu schützen.

Die Anrufung an die Göttin und die Rede des Re haben eine Parallele in Papyrus Chester Beatty VIII, Vso 10.1–8, wie Posener (1976) festgestellt hat, einem Ritual zur Besänftigung der Löwengöttin Sachmet, das auch durch mehrere Textversionen in Edfu, Philae und Elkab belegt ist (Synopsen bei Vandier 1966; Derchain 1971, 16*-19*; Goyon 2006, 34-39). Derselbe Auszug wird in einem weiteren Papyrusamulett in Heidelberg verwendet (Papyrus Heidelberg hierat. 3a-b: Fischer-Elfert 2015, 220–221).

Unterhalb des Textes befindet sich eine komplexe Vignette, die in drei Abschnitte aufgeteilt werden kann. Zunächst erscheinen sieben Götter (von rechts nach links: Re(-Harachte), Atum, Schu, Tefnut (?), Unut (?), Isis, Nephthys) (Fischer-Elfert 2015, 138, der die Identifizierungen von Luft 1974, 173 korrigiert). Unter diesen ist ein Mann dargestellt, der ein Nilpferd speert, und daneben befindet sich ein auf dem Rücken liegendes Krokodil. Hinter diesen beiden Gruppen sind zwei Udjat-Augen und zwei Uräen abgebildet. Auf der Rückseite des Papyrus findet sich eine löwenköpfige Göttin mit Sonnenscheibe auf dem Kopf an der Stelle, die nach der Faltung sichtbar blieb.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Papyrus diente in seiner zusammengefalteten Form als Amulett zum Schutze vor bzw. der Heilung von einer srf.t genannten Hautkrankheit, das für Taneferet, Tochter der Isis, angefertigt wurde. Die Nutzung des Possessivsuffixes =f (d.h. maskulin) in der letzten Zeile des Textes deutet darauf hin, dass dieser Zauber – genau wie medizinische Rezepte allgemein – wohl ursprünglich für einen Mann als Nutznießer geschrieben war.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Papyrus ist im zusammengefalteten Zustand angekauft worden. Dabei hatte er die Maße 3,3 × 2 cm (Höhe × Breite), war zwölf Mal gefaltet, mit einem Bastfaden verschnürt und mit einem unbedruckten Tonsiegel, das sich direkt auf einer Zeichnung einer löwenköpfigen Göttin mit Sonnenscheibe (sicherlich Sachmet) befand, versehen. 1969 wurde er von U. Luft aufgerollt (heutige Maße: 21,8 × 10,7 cm, Höhe × Breite) (Luft 1974, 173, mit Photo in zusammengerolltem Zustand auf Tf. 24b). Für die Falttechnik siehe Krutzsch (in: Fischer-Elfert 2015, 21 und 30–31).

Der Papyrus weist zumindest in der ersten Zeile Spuren eines Palimpsests auf (Luft 1974, 175; Fischer-Elfert 2015, 136).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist „in einer gut lesbaren Kursive“ geschrieben, allerdings wurden die letzten Zeilen wesentlich flüchtiger angefertigt als die vorangehenden. Vereinzelt sind die Zeichenformen „eigenwillig und unausgeglichen“ (Luft 1974, 175). Der Duktus passt in die späte Ramessidenzeit und enthält Kursiven, denen man bei den Urkundenschreibern begegnet (Fischer-Elfert 2015, 134).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Die Sprache ist Mittelägyptisch, die vereinzelt mit neuägyptischen orthographischen Merkmalen durchsetzt ist: bei der Schreibung des Status pronominalis von weiblichen Substantiven mit .tw (Luft 1974, 175), beim Imperativ mit Femininmarkierung und bei der Schreibung des femininen Suffixpronomens 3. P. Sg. als =sst.

Bearbeitungsgeschichte

Die Erstedition mit Photographie, hieroglyphischer Transliteration, Beschreibung, Übersetzung und Kommentierung erfolgte durch U. Luft, der den Papyrus auch ausgerollt hatte (Luft 1974). Verbesserte Lesungsvorschläge stammen von Posener 1976, 148 und Koenig 1981, 34–35, beide auf der Grundlage einer Textparallele in Papyrus Chester Beatty VIII. Eine neue, gründliche Edition mit weiteren Lesekorrekturen liefert Fischer-Elfert (2015).

Editionen

- Luft 1974: U. Luft, Ein Amulett gegen Ausschlag (srf.t), in: Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.), Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Berliner Ägyptischen Museums, Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung 8 (Berlin 1974), 173–179 und Taf. 24. [*P, T,Ü,K]

- Fischer-Elfert 2015: Hans.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München. Mit einem Beitrag von Myriam Krutzsch (Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2), Berlin 2015, 133-140 (Nr. 7) mit Tf. VII auf S. 139. [*P,*K,*T,*U,*Ü,*K]

Literatur zu den Metadaten

- Derchain 1971: Ph. Derchain, Elkab I. Les monuments religieux à l’entrée de l’Ouadi Hellal, Bruxelles 1971, hier: 58-59 und 16*-19*. [H,Ü in synoptischer Form der Textparallelen]

- Goyon 2006: J.-Cl. Goyon, Le rituel du sḥtp Sḫmt au changement du cycle annuel. Bibliothèque d'Étude 141. Le Caire 2006, hier: 34-39. [H,Ü der Textparallelen]

- Koenig 1981: Y. Koenig, Les effrois de Keniherkhepeshef (Papyrus Deir el-Médineh 40), in: Revue d’Égyptologie 33, 1981, 29–37, hier: 34–35. [T,Ü von Z. 4-6]

- Müller 1967: W. Müller, Die Papyri der Sammlung Ibscher, in: Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.), Forschungen und Berichte. Band 8. Archäologische Beiträge (Berlin 1967), 99–104 und Taf. 31.2. [K: zur Papyrussammlung von H. Ibscher]

- Posener 1976: G. Posener, Notes de Transcription, in: Revue d’Égyptologie 28, 1976, 146–148, hier: 148. [K: Hinweis auf die Textparallele]

- Vandier 1966: J. Vandier, Quatre variantes ptolémaïques d’un hymne ramesside, in: ZÄS 93, 1966, 132–143 [H,Ü in synoptischer Form der Textparallelen]

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Dr. Katharina Stegbauer

Übersetzung und Kommentar

Amuletttext zum Schutz gegen eine Hautkrankheit

Amulettrolle der 〈Abwehr gegen die〉 srf.t-Hauterkrankung, welche sich an jeglichem Körperteil von (der Frau) Taneferet, geboren von (der Frau) Isis, befindet: O Große, Herrin beider Länder, die das Böse 〈vom〉 Herrn des Schreines vertreibt,1 Allherr〈in〉 unter den Göttern, die den Räuber vertreibt, die den Zornigen ...?... abwehrt,2 (...), Herrin des Schreckens 〈unter〉 der Neunheit,3 deren Zorn/Miasma4 unter der Menschheit ist, der ihr Vater Re seine Herrschaft verliehen hat über seine Horizonte, über seinen Thron, sein Königtum im Himmel und (auf) der Erde, um über sie (ihren) Frieden zu machen in diesem 〈ihrem〉 Namen "Herrin der Besänftigung". "Komme in Frieden!", sprach Re, "Großes Auge!" "Willkommen in Frieden!" "Komme in Frieden zu (Frau) Ta{meset}neferet, geboren von (der Frau) Isis! Schütze 〈du〉 sie auf jenem Kopf dessen, aus dem 〈du〉 hervorkamst! Lasse dich doch an seiner (sic!) Brust nieder, so dass 〈dein Herz beim Behüten von ihm (sic?)〉 zufrieden ist!

1 ḫsf ḏw.w 〈ḥr〉 nb kꜣr: Die Präposition steht in den Parallelhandschriften.

2 ḫsf nšn.j ...?...: Derchain (S. 58) übersetzt mit „(qui) éloigne le rebelle“, während Goyon (S. 34) „qui chasse la fureur“ hat (ähnlich Koenig, S. 35: „qui chasse toute rage“). Weil im pBerlin P 15749 bei nšn.j ein Gottesdeterminativ steht, wird in dieser Handschrift eine Personenbezeichnung vorliegen (vgl. allerdings Koenig, in: RdE 33, 1981, 36, der nšn.j mit Gottesdeterminativ als „fureur divine“ deutet). Aber in pChester Beatty VIII, Vso 10.2 steht nšn=w: „ihre Wut“. Die Zeichengruppe zwischen nšn.j und nb.t nr.w ist bislang nicht identifiziert. Fischer-Elfert erwägt eine Lesung als Pausenzeichen oder als Abkürzung von qn: „stark“ (s. Fischer-Elfert, 137 und 224). Luft (S. 174 und 175) setzt sie um als Hügel + schlagenden Arm (N29:D40) und übersetzt „Mächtig ist der Herr des Schreckens“. D.h. er scheint q(n) nb nr.w als Adjektivalsatz zu lesen, was in Anbetracht der Parallelversionen nicht möglich ist.

3
nb.t nrw 〈m-ḫt〉 psḏ.t: Die Präposition steht in den Parallelhandschriften.

4
jꜣd.t=s: Derchain (S. 58) übersetzt mit „dont le fléau se répand dans les Deux Pays tout entiers“ und erkennt in jꜣd.t das Wort jꜣd.t-rnp.t; ähnlich Goyon (S. 34) „(quand) ses pestilences envahissent le Double Pays et les humains“.