Ostrakon British Museum EA 5639
Übersetzung und Kommentar
Opferspruch aus einer Totenliturgie
[1] [Ein Fortgehender geht fort mit] seinem [Ka. Ein Dritter/Vierter (?) (geht fort) mit] seinem ⸢Ka⸣.1
Du mögest/sollst [deinen Mund zur] [zꜣ]r.t-Pflanze hin öffnen! (oder: Öffne ⸢dir⸣ [deinen Mund zur [zꜣ]r.t-Pflanze hin!)
Sperre [ihn] dir auf [zur ḫzꜣy.t]-Pflanze!
Öffne dir deinen Mund zur/zum [Zwiebel/Knoblauch, der] aus dem Garten[beet kommt]2, zur šzp.t-Melone, die [Ptah hat wa]chsen lassen3, [zur šmšm.t-Pflanze], [5] wegen der Re das Frühstück (oder: den Mundgeruch) gemacht hat.
Man möge dir zuteilen [Gär]ten mit šꜣw.t-Pflanzen (Koriander?) mit einem Anteil (?) (oder: am Damm?) der šmšm.t-Pflanze.4
Daraufhin wird man für dich zwei Hölzer aus der Erde (? oder: zwei Bäume des Landes?)5 auf dem Gipfel der Elysischen [Felder]6 herbeieilen lassen (?).
Daraufhin wirst [du] am Ufer des [Flusses sitzen].
Dein jb-Herz wird mit dem Wasser zufrieden sein,7 [dein jb-Herz wird] mit [der Reinigung (?)] zufrieden sein.8
1 Eine vollständige Rekonstruktion des Textanfangs ist nicht möglich. Die Textparallelen sind nicht einheitlich. Der Text geht auf PT Spruch 25 (K. Sethe, Die altaegyptischen Pyramidentexte nach den Papierabdrücken und Photographien des Berliner Museums neu herausgegeben und erläutert. Erster Band. Text, erste Hälfte. Spruch 1–468 (Pyr. 1–905) (Leipzig 1908), 17a-c) zurück: „Ein Gehender ist mit seinem Ka gegangen. Horus ist mit seinem Ka gegangen. (...). Auch du bist mit deinem Ka gegangen.“ Mit „in der Gesellschaft von“ statt „zusammen mit“ finden sich dieselben Phrasen in PT Spruch 447 (Sethe 1908, 826a–b) und in Sargtextspruch 821 (CT VII, 22.f–h). In jüngeren Versionen ist „Gegangen ist ‚Zweimal‘ [=der Gehende/Gegangene] zu seinem Ka“ geschrieben (z.B. N. de Garis Davies, The Tomb of Rekh-mi-Rēꜥ at Thebes, Publications of the Metropolitan Museum of Art. Egyptian Expedition 10–11 (New York 1943), Vol. 2, Taf. 78, Kol. 6). Danach folgen eine dritte und vierte Wiederholung (N. de Garis Davies, Tomb of Ḳen-Amūn at Thebes, Publications of the Metropolitan Museum of Art. Egyptian Expedition (New York 1930), Taf. 55.B). Im Grab des Amenemhab ist die Stelle sehr beschädigt (unzuverlässig bei P. Virey, Sept tombeaux thébains de la XVIIIe Dynastie, Mémoires publiés par les membres de la Mission archéologique française au Caire 5 (Paris 1889), 283; vgl. Kollationierung Sethe in DZA 50.112.430). Im Grab des Neferhotep ist sie laut älteren Abschriften als „Gegangen ist ‚Zweimal‘ zu seinem Ka, seine Vierte zu seinem Ka“ zu lesen (DZA 50.137.490 nach Abklatsch Leipzig; R. Hari, La tombe thébaine du père divin Neferhotep (TT 50) (Genève 1985), Taf. 34, Z. 126–127 und Synopse S. 48). Bei Rechmire ist diese Textpassage in einen Libations- und Räucherungsspruch eingebunden (de Garis Davies 1943, Taf. 78, Z. 1; siehe Assmann 2005, 89, 93-95 und 144), bei Neferhotep in einen Spruch zum Umbinden eines Kranzes (Hari 1985, Taf. 34, Z. 125), bei Qenamun ist der Opferkontext unklar (de Garis Davies 1943, 55: Southwest Pillar, North Side). Der Text steht ebenfalls auf Papyrus British Museum EA 10819, Frame 2, Kol. 1.4 am Anfang eines Erfrischungsspruchs mit Brot.
2 Ergänzt nach den Versionen von Papyrus British Museum EA 10819, Amenemhab und Qenamun, sowie nach Neferhotep.
3 Ergänzt nach den Versionen von Papyrus British Museum EA 10819, Qenamun und Neferhotep.
4 Auf Papyrus British Museum EA 10819, Frame 2, Kol. 1.6 steht: „Mögen dir Gärten und šꜣw.t-Pflanzen des Dammes (?) und šmšm.t-Pflanzen gerichtlich zugeteilt werden.“ Im Grab des Amenemhab steht gemäß der Kollationierung von Sethe (DZA 22.287.460) „Gärten mit [...] mit šmšm.t-Pflanzen und Schilf“, so auch im Grab des Qenamun. Im Grab des Neferhotep weicht DZA 50.137.500 „Möge dir zugewiesen werden ein Feld mit šꜣw.t-Pflanzen ... Mögest du abschneiden Schilf (...)“ von der Abschrift von Hoskins ( in Hari 1985) und von der Rekonstruktion von Hari 1985 ab.
5 Im Grab des Qenamun steht „Hölzer der Erde / des Landes“, ebenso im Grab des Amenemhab gemäß der Kollationierung von Sethe (DZA 22.287.460). Was hiermit gemeint ist, ist unklar, vielleicht Pfosten auf dem höchsten Punkt des Feldes?
6 Ergänzt nach der Version im Grab des Amenemhat gemäß der Kollationierung von Sethe (DZA 22.287.460). Im Grab des Qenamun steht nur „Gipfel von Iaru“. Auf Papyrus British Museum EA 10819, Frame 2, Kol. 1.7 steht „Dir werden zugewiesen zwei Körper (?) des Landes auf dem Gipfel der Elysischen Felder.“ Vgl. bei Neferhotep laut DZA 50.137.500 „Mögest du abschneiden Schilf, zwei Körper (?), für (?) die Erde auf dem Gipfel der Elysischen Felder.“
7 Vgl. Neferhotep, Z. 132–-133 und DZA 50.137.500: „Dann wird dein Herz mit dem verjüngenden Wasser zufrieden sein.“ Im Grab des Rechmire (de Garis Davis 1943, Taf. 86, Z. 9) steht stattdessen „Dein Herz möge sich mit dem erneuernden Wasser waschen.“
8 Vgl. Neferhotep, Z. 133 und DZA 50.137.500: „Möge dein Herz mit der Reinigung zufrieden sein“ (zerstört bei Amenemhab und bei Qenamun). Auf Papyrus British Museum EA 10819 steht „Möge dein Herz mit der Erfrischung/Libation zufrieden sein.“
[10] Die Überschwemmung möge ins [Innere deines Bauches] fließen.
Dann/Daraufhin wird [dein] Durst gelöscht werden.
Der Rindervorderschenkel [werde abgeschlagen/abgeschnitten] als deine Nahrung (Var: für deinen Ka)1 und ḥꜣtj-Herz[en für deine Mumie/edle Gestalt], so wie das, [15] was für jeden Gott und jede Göttin getan wird. [Sie] sind [rein]2 als (?) deine Speisen (oder: für deinen Ka).
Daraufhin wirst du in das Haus der jb-Herzen eintreten, (und) in die Gebäude, die mit den ḥꜣtj-Herzen gefüllt sind.3
Mögest du das Deinige nehmen und mögest du es an seinen Platz stellen, ohne dass Du vor ihm zurückweichst (oder: ihm verloren gehst).4
Vier bj.t-Brote (?)5, die Nahrung6 des Re am frühen Morgen; Wasser gießen (?).
[20] Osiris, den Herrn der Beiden Länder, aufwecken.7
Worte zu sprechen [am (?)] Festtag (?).8
1 Ist hier mit dem Brotdeterminativ geschrieben, als ob man „als deine Nahrung“ lesen muss. Bei Rechmire und Neferhotep steht einfach „für deinen Ka“.
2 Vgl. Neferhotep, Z. 137 und DZA 50.137.500. Die Lesung „rufen“ bei Demarée passt nicht zu den Spuren und das Determinativ würde fehlen.
3 Textparallele im Grab des Neferhotep (Hari 1985, Taf. 34, Z. 137–139 und DZA 22.802.980). Siehe auch Totenbuch des Qenna (J. van Dijk, Entering the House of Hearts: An Addition to Chapter 151 in the Book of the Dead of Qenna, in: Oudheidkundige Mededelingen vit het Rijksmuseum van Oudheden 75, 1995, 8–9) sowie das Grab des Baki (TT 298) (B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el Médineh (1927), Fouilles de l'Institut français d'archéologie orientale 5/2, Le Caire 1928, 88–89, 92–93: hier 92–93 mit Abb. 61 („bande ouest“) = KRI I, 370.16–371.1). Im Grab des Meryneith in Saqqara ist nur das letzte Wort des Satzes erhalten.
4 Textparallele im Grab des Neferhotep (DZA 50.137.510), im Totenbuch des Qenna, im Grab des Baki (TT 298) und im Grab des Meryneith, Z. 13 (Variation).
5 Assmann 2005, 135 und DZA 50.137.510 übersetzen die Stelle bei Neferhotep als „Du gehst deiner bj.t-Brote nicht verlustig.“
6 Eine Parallele für die letzten Zeilen des Ostrakons gibt es nur noch auf Papyrus British Museum EA 10819, allerdings findet sich dort nicht das Substantiv „Nahrung“, sondern das Verb „eintreten“.
7 Die ganze Stelle lautet auf Papyrus British Museum EA 10819, Frame 2, Kol. 1.11–12 ein wenig anders: „Mögest du es an seinen Platz stellen, ohne dass du von den vier bj.t-Broten zurückweichst, nachdem Re am frühen Morgen eingetreten ist. Mit Wasser begießen. Den Osiris NN aufwecken.“
8 Es ist eigentlich kein Platz da, um einen Personennamen in der Lücke am Ende von Z. 20 zu ergänzen. Im Grab des Neferhotep (Z. 125) wird vor dem Spruchtitel das Festdatum des IV. ꜣḫ.t 25 erwähnt, d.h. das osirianische Fest des 25. Choiak. Die am Anfang des Spruchs genannten Pflanzen spielen eine Rolle beim Sokarfest.