Innensarg des Mezehti, S1C
Übersetzung und Kommentar
CT 265
[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 149–152 (Spruch 1 = CT 265)]
Überschrift
[136] Nicht [gefressen werden].
1. Strophe
[137] So wahr der Große lebt, der ausgestattet ist, der inmitten des Himmel ist!
Wenn die Bugseile verschnürt sind für den Großen, der in der Stadt/in Nut1 ist, sollen sie die großen Kas, die inmitten des Horizonts sind, umwinden.
[...] Horus, der inmitten der weißen Krone ist.
2. Strophe
Damit ich passieren kann, bin ich gekommen!
Meine Ba-Macht ist zum Himmel (gerichtet), die Furcht vor mir ist zum Himmel (gerichtet)!
Mein Gemetzel ist inmitten der Zimmerleute2!
Damit ich gerechtfertigt werde, bin ich gekommen!
[138] Mein Ka soll sich an meinem Leib festmachen!
3. Strophe
Der, der gestern entschwand, Thot, ist der, der die Seile an euren Kas festmacht!
Dieses Auge des [Osiris] ist es, das die Seile am Ka des Re befestigt, der inmitten seines Feldes ist.
4. Strophe
Ich bin die Galle des Bösen, des Herrn der nꜥ.w-Schlangen!
Ich werde müde, wenn Re müde wird.
[O Rerek], [139] Beauftragter des Schu, Bote der Bastet.3
Ich soll nicht den Schlächtern gegeben werden, und die Behenu-Schlangen sollen mich nicht fressen!
5. Strophe
O Lasso, Docht4, handle doch im Gotteszelt des Anubis!
[_]5
[_]6
6. Strophe
Da [ich von re]inen Dingen esse,7 gehöre ich doch zu beiden Gesellinnen8!
Willst du denn gegen mich kommen?
[140] Rufe und weiche doch zurück!
[Tu] nicht [...] mich!
7. Strophe
Auf dein Gesicht, Löwe, komm ⟨mit (?)⟩ deinen „Schwingen“.9
Ich bin der, der selbst kommt!
Ich werde nicht gefressen werden wegen [aller ...], der auf seinem Gesicht (liegend) frisst, der mit leerem Bauch, der von den Fꜣk.w und den Skks lebt!
1 Ob nʾ.t evtl. eine Homophonie für den Götternamen Nw.t ist?
2 Zu den fnḫ.ww vgl. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band III. p – nbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 114 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 191 und J. Leclant, T.P. Pépi Ier, VII: Une nouvelle mention des fnḫf dans les textes des pyramides, in: Studien zur altägyptischen Kultur, 1984, 455–460. Die fnḫ.ww spielen auch beim Minfest eine Rolle, vgl. H. Gauthier, Les fêtes du dieu Min, Recherches d’archéologie, de philologie et d’histoire 2 (Le Caire 1931).
3 Diese Stelle wird von den Bearbeitern unterschiedlich wiedergegeben:
- Faulkner 1977, 12: „O snake, the movements of Shu are what Bastet opened up...“ fasst wp.t als substantivierte Relativform in prädikativer Funktion auf.
- Barguet 1986, 320: „O Rerek, d’emarcheur de Chou, messager de Bastet...“.
- Carrier 2004a, 913: „Ó serpent-rérek, les mouvements de Chou sont ceux qu’apprécie Bastet“.
4 Barguet 1986, 223, und Carrier 2004b, 632, übersetzen beide ꜥḫm mit „zerstören“, wohingegen R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume I Spells 1–354 (Warminster 1973), 202, bei der Grundbedeutung „löschen“ bleibt. Nun führt R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 170 {5925}, ein weiteres Wort ꜥḫm, das er mit „Docht“ wiedergibt. Aufgrund des Materials, das in beiden Fällen aus Pflanzenfasern besteht, kann „Docht“ m.E. gut als Apposition zu spḥ.w „Lasso“ angesehen werden.
5 Aufgrund des fehlenden Verbums und des unzureichenden Textzusammenhangs verzichte ich auf eine Übersetzung des Verses, den auch alle anderen Bearbeiter auslassen. Ich weiche bei der Versgliederung von der Einteilung bei de Buck 1947 ab, da mir der vorhandene Text für einen einzigen Vers zu lang erscheint.
6 Auch bei diesem Vers fehlt der Kontext. Daher verzichte ich auf eine Übersetzung, gebe aber im Folgenden die der anderen Bearbeiter wieder:
- R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume I Spells 1–354 (Warminster 1973), 202: „[...] ... the toes of your doubles for the Bull, who is in your midst.“
- Barguet 1986, 224: „Puisses-tu ... les orteils (?) de tes kas au toreau qui est en toi, qui mange ... se purefie“.
- Carrier 2004, 632: „[...] l’orteil de tes kas au toreau qui est en toi, qui mange ... se purefie“.
Barguet und Carrier rechnen den nächsten Vers noch zu dieser Strophe. Faulkner lässt dagegen einen neuen Satz beginnen. Ich schließe mich ihm trotz einiger Bedenken an.
7 Für die Ergänzungen von R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume I Spells 1–354 (Warminster 1973), S. 202: „[I] eat [bread and drink (?)] pure water.“ ist der von de Buck zugemessene Raum äußerst knapp, daher die oben vorgeschlagene verkürzte Variante, die sich an CT 703, VI 334g orientiert. Selbst dafür ist der Platz nur unter der Annahme einer kürzeren Schreibvariante ausreichend.
8 Ich folge hier der Lesung von Carrier 2004, 234, und Barguet 1986, 224. Die beiden Gesellinnen sind nach B. Backes, Von nun an sollt ihr Rḥ.tı͗ heißen: die „Beiden Kolleginnen“ von Sais, in: Göttinger Miszellen, 2001, 23–28, hier: 26, nicht unbedingt identisch mit Isis und Nephthys, aber wohl mit der Webkunst verbunden.
9 Ich nehme eine Auslassung der Präposition m nach an, da der Satz sonst nicht sinnvoll ist. Carrier 2004, 234, übersetzt ohne nähere Erläuterung „Leg deine Schwingen ab!“. ḏnḥ.w muss sich hier auf die Vorderläufe des Löwen beziehen.
CT 586
[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 169–173 (Spruch 14 = CT 586)]
Überschrift
Den Rerek vertreiben, das Krokodil vertreiben [mithilfe von] Zauber:
1. Strophe
Zurück, Schwarzgesichtiger!
Du hast mich doch nicht gebissen1, indem du „ach“-wirksam gegen mich wärst: Ich bin einer, der sich in seinem Leib befindet, weil ich in das Innere meines Leibes gelegt bin!
2. Strophe
Ich bin einer, der naschend sucht,2 ein Bedürftiger!
Gegen mich hast du doch nicht gehandelt, denn dieser Aker hat mich nicht angegriffen!
3. Strophe
Kessel, du bist ein Kessel!
Du kochtest auf dem Kohlenbecken.
(Aber) eine Beschwerde3 über dich ist in der Unterwelt!
4. Strophe
Bewacher meines Mundes/Spruches, die Wasserrinnen sollen nicht ihre Genossen überschwemmen!4
5. Strophe
Gegrüßt seist du, Re, der sich in seiner nws-Krone befindet.
Gehe zur Ratsversammlung, damit du deine Ahnen zählen kannst, die Bewacher dessen, der die Kas zerstört!
Lapislazuliäugiger, der die Augen erfrischt!
Mit schmerzhafter Rage, der, dessen Ba-Macht nicht abgewehrt werden kann!
Wecke die Große, die müde war, und die, die die Kas zerstören, erblickt hatte, indem ihre Köpfe zerstört und ihre Gesichter [verängstigt waren]!
6. Strophe
O du Blindgesichtiger auf seinem Gesicht!
Nimm doch deinen Arm, und lege ihn auf diesen ⟨deinen⟩ Schwertarm!
Der, der die Kas zerstört: Er darf Re in seiner nws-Krone nicht einschließen (?)5.
Existenzlose (?) in ihren Kapellen:6 Ich bin ihre r.wt, der Vater, der (Ur)alte, der Wache, das Wasser, das unbedeckt ist: Ihre Schlangen sind vernichtet.
Dieser dein Schwertarm ist im Bereich des Atum, nachdem du deine Waffen ergriffen hast mit deiner Hand.7
7. Strophe
Prozessiere gegen Re, dann prozessiert Re gegen8 mich und gegen dich.
8. Strophe
Ältester, der den schlägt, der seine Kas abschneidet, der den schlägt, der seine Kas zerstört, mit dieser deiner Stärke, dieser deiner Kraft und mit dieser deiner Wirkmacht!
9. Strophe
Re, der seinen Ka aussendet, darf nicht fallen, ich darf nicht fallen, wenn ich meinen Ka aussende!
Ich bin Atum, der ausgestattet ist mit seinen Waffen!
10. Strophe
Ich entriss die Macht dessen, der seine Kas zerstört!
Bin ich schwach, ist Re schwach!
Stehe ich still, steht Re still!
Ich bin der „Meine nws-Krone ist in meiner Hand“.
Halt ein!
1 Die Übersetzungen bei Faulkner 1977, 188, („for you have not been named“), Barguet 1986, 320, („On ne t’a certes pas nommé“) und Carrier 2004a, 1376, („(car) (c’est pas moi qui ai prononcé [ton nom])“) verwenden alle die übertragene Bedeutung des Wortes dm, die aber m.E. des Objektes rn bedarf, das hier nicht steht. Zudem scheint mir die Grundbedeutung des Verbes „stechen, beißen“ wesentlich besser in den Kontext eines Anti-Schlangenzaubers zu passen.
2 Wörtl. „den Mund führen“ als Ausdruck des Nahrungsverzehrs (Wb 5, 513.17). Sein Vorkommen in einem Schlangenspruch lässt zudem an das Züngeln der Schlange denken.
3 ṯry.t: Wird mit dem verehrenden Mann (A30) determiniert und ist zweimal in den Sargtexten (CT I, 173c [Spruch 40] und VI, 206f [Spruch 586]) belegt. Es gibt drei verschiedene Interpretationen bzw. Übersetzungen: (1) „Beschwerde, Vorbehalt (o.ä.)“; (2) „Unreinheit, Verfehlung (o.ä.)“; (3) „ehrfürchtiger Respekt (o.ä.)“. Es stellt sich die Frage, ob ṯry.t eine jüngere Schreibung der Wurzel twr: „zurückweisen, abweisen“ (Wb 5, 252.10–13) oder twr: „pietätvoll behandeln, respektieren“ (Wb 5, 252.14–17) ist, die beide auf dieselbe Wurzel twri̯: „auf Distanz halten“ (W. Schenkel, Die Endungen des Prospektivs und des Subjunktivs (śč̣m=f, śč̣m.w=f, śč̣m.y=f) nach Befunden der Sargtexte. Mit einem Anhang zum prospektiven Partizip śč̣m.t(ı͗)=f(ı͗), in: Lingua Aegyptia 7, 2000, 27–112, hier: 87) zurückgehen könnten. R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume II Spells 355–787 (Warminster 1977), 188 übersetzt CT VI, 206f mit „a complaint against you“ und verweist auf CT I, 173c (Spruch 40) für dasselbe Substantiv. D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 2. 1978, 2. Auflage (Paris 1998), 78.4702 listet ein Lemma ṯrjt: „plainte, grief“ nach R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume II Spells 355–787 (Warminster 1977), 188 auf, für das er keine Wb-Referenz angibt. Meeks verweist noch auf R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 306: dort findet sich die Übersetzung „complaint(?)“ mit Verweis auf CT I, 173c. R. van der Molen, A Hieroglyphic Dictionary of Egyptian Coffin Texts, Probleme der Ägyptologie 15 (Leiden/Boston/Köln 2000), 765 listet beide CT-Belege ebenfalls unter demselben Substantiv ṯry.t, aber er liefert als Übersetzung: „evil, sin, uncleanness“ mit Verweis auf Wb 5, 317.12 (try.t im Neuen Reich, mit „schlechtem Vogel“ als Determinativ) und 317.10–11 (tr: späte Quellen, mit „schlechtem Vogel“ als Determinativ) und auf E. Hornung, Das Buch von den Pforten des Jenseits. Nach den Versionen des Neuen Reiches. Teil II: Übersetzung und Kommentar, Ægyptiaca Helvetica (Genève 1984), 50, Anm. 2 (dort ṯryt als Gegensatz von mꜣꜥ.t). Hornung übersetzt mit „das Unreine“ als Gegensatz zu mꜣꜥ.t, aber „eine präzise Bedeutung läßt sich nicht fassen“ (Hornung verweist noch auf pLeiden I 347 für einen weiteren Beleg, aber ohne genaue Stellenangabe). Barguet 1986, 321 übersetzt ṯry.t einmal in Spruch 586 mit „la crainte respectueuse“, aber das andere Mal in Spruch 40 (S. 181) mit „charge contre moi“. Bei Carrier 2004, 87 und Carrier 2004a, 1376 findet sich für beide Sprüche „une plainte contre moi/toi“. In CT I, 173c ist der Kontext nn mtry=j / nn ṯry.t=j / nn jzf.t=j / nn ẖꜣb=j / nn ḏꜣ.t=j / nn ḫft.j=j / nn srḫw=j / nn mꜣꜥ-ḫrw=j jḫ.t r=f / nn ḥwi̯.n=j sḏb r=f ḏw: „es gibt kein Zeugnis / keinen Zeugen gegen mich, es gibt keine Beschwerde (?) gegen mich, es gibt kein Unrecht meinerseits, es gibt kein krummes Geschäft meinerseits, es gibt keinen (negativen) Rest meinerseits, es gibt nicht meinen Feind, es gibt keinen, der mich beschuldigt, ich habe keine Sache gegen ihn gerechtfertigt, ich habe keinen bösen Anschlag gegen ihn verübt.“ An dieser Stelle macht die Übersetzung „crainte respectueuse“ keinen Sinn und scheint „Beschwerde, Vorbehalt o.ä.“ besser. Für den Zusammenhang von jzf.t und ṯry.t vgl. noch pBM EA 9997+10309, Kol. 6.4: nn jzf.t=f nn try.t=f nn hꜣb=f [...]; hier würde „Unreinheit, Verfehlung“ ebenfalls passen. Die Übersetzung „Beschwerde“ wird von R. Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II. Mittleres Reich und Zweite Zwischenzeit. Teil 2, Kulturgeschichte der antiken Welt 112 (Mainz am Rhein 2006), 2748 s.v. ṯry.t {38155} übernommen.
4 Ich folge Barguet 1986, 320, und fasse jmj mḥ.w als negierten Subjunktiv auf. Der Sinn bleibt aber dunkel. Ob man in den tꜣḥ.wt eine Anspielung auf das Gift (mtw.t) sehen darf, das die Gefäße (mt.jw) (als sein „Genosse“ wegen des lautlichen Anklangs) nicht überschwemmen soll? Dann läge ein Sinnspiel (S. Morenz, Religion und Geschichte des alten Ägypten. Gesammelte Aufsätze (Weimar 1975), 329) bzw. ein (doppelt) komplexes Wortspiel (S. L. Lippert, Komplexe Wortspiele in der Demotischen Chronik und im Mythus vom Sonnenauge, in: Enchoria 27, 2001, 88–100) vor. Allerdings kann maximal von einer Homöophonie (= Klangähnlichkeit) ausgegangen werden, da die Tonvokale von mt.jw (kopt. als ⲙⲟⲩⲧ erhalten) und mtw.t (kopt. ⲙⲁⲧⲟⲩ) ungleich gewesen sein dürften.
5 Das Verbum ss Var. jss kommt nach Faulkner 1977, 189, und R. van der Molen, A Hieroglyphic Dictionary of Egyptian Coffin Texts, Probleme der Ägyptologie 15 (Leiden/Boston/Köln 2000), 545, in PT 219, § 173, PT 251, § 271, PT 369, § 643 vor. Faulkner führt als Grundbedeutung „to do harm to“ an und möchte es hier mit „punish“ übersetzen. R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 823 {30317}, gibt „*einschließen“ (* markiert unsicher) als Bedeutung an. Evtl. ist aber auch zu ṯsj zu emendieren.
6 Dieser Satz(teil) ist unklar. Evtl. kann man als Verschreibung für ḫm () ansehen. Carrier 2004a, 1377, emendiert hier zu sbj, während Faulkner 1977 und Barguet 1986 die Stelle auslassen.
7 Faulkner 1977, 189, übersetzt den Satz imperativisch.
8 mdw ḥr NN „prozessieren gegen“ ist ein Terminus aus der Gerichtssprache (Hinweis Fischer-Elfert). Allerdings entgeht mir in diesem Zusammenhang der Sinn der Verse.