Horusstele des Osorkon Brooklyn Museum 57.21.2

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Nordamerika » U.S.A. » (Städte A-Ch) » Brooklyn (NY) » The Brooklyn Museum

Inventarnummer: 57.21.2

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Anonyme Schenkung aus dem Jahr 1957.

Herkunft
(unbekannt)

Nichts ist über die Herkunft bekannt, aber die Tatsache, dass eine Horusstele aus der Zeit von Osorkon I. mit der gleichen Textüberlieferung in Atfih gefunden worden ist, könnte zu der Vermutung führen, dass auch diese Horusstele vielleicht aus der Gegend von Atfih stammen könnte.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie » Osorkon I. Sechemcheperre

Die Datierung beruht auf einer vorhandenen Königskartusche „Osorkon“ im Text sowie auf textgeschichtlichen, stemmatischen Überlegungen. Jacquet-Gordon 1965/1966, 54 benutzt den Königsnamen „Osorkon“ in der letzten Zeile der Inschrift, um zu behaupten, dass die Stele „was originally made for one of the four kings named Osorkon of Dynasties XXII and XXIII (between 950 and 730 B.C.). Es gab mehrere Könige mit dem Namen Osorkon in der 22. und 23. Dynastie und die Schreibung ist nicht ausführlich genug, um den betreffenden König zu bestimmen. Außerdem ist die Inschriftzeile unvollständig und zunächst nur unsicher zu ergänzen. Vielleicht ist der König tatsächlich Subjekt oder Objekt des Satzes, vielleicht ist der Name auch Teil einer genealogischen Angabe (so Gutekunst 1995, 253, Anm. 590) oder sogar Teil eines Gebäude- oder Siedlungsnamens. Mutmaßlich ist das Objekt zeitgenössisch mit den Osorkons der 22.–23. Dynastie (ca. 925–715 v. Chr.), es könnte natürlich auch etwas jünger sein, sofern der Name in einer Geneaologie oder einem Gebäudenamen verwendet wäre. Gutekunst (1995, 249 und 253) vermerkt, dass die Textvarianten von Horusstelenspruch B auf der Brooklyner Stele 57.21.2 zu sehr von einer eindeutig identifizierten Gruppe von „frühen“ Textvertretern aus der 19./20. Dynastie und der 22.–23. Dynastie abweichen, um dazugerechnet werden zu können. Er schließt nicht aus, dass diese Stele erst ganz ans Ende der Dritten Zwischenzeit (Ende seiner textgeschichtlichen „Frühphase“) oder sogar schon in seine textgeschichtliche „Mittelphase“, d.h. in die 25. oder 26. Dynastie gehört. Sternberg-el Hotabi (1999, I, 79 Anm. 50) möchte hingegen eine Datierung in die 22.–23. Dynastie beibehalten, weil die Textvarianten von Horusstelenspruch B auch nicht der textgeschichtlichen „Mittelphase“ zugerechnet werden können, so dass sie von einer eigenständigen, nur hier belegten Textvariante für die 22.–23. Dynastie ausgeht. Sie ordnet diese nur teilweise erhaltene Horusstele in ihre typologische „Frühphase II (21.–25. Dynastie)“ in ihrem „Stelentypus II (‚unterägyptischer‘ Typus)“ ein. Eine von El-Tonnsy im Jahr 2012 publizierte Horusstele aus Atfih ist einwandfrei in die Zeit Osorkons I. datiert und zeigt die gleichen Textvarianten wie auf der Horusstele von Brooklyn. Außerdem erlaubt diese Horusstele die unsicheren Lesungen der Osorkon-Zeile zu beseitigen, sodass vieles dafür spricht, dass die Brooklyner Stele ebenfalls in die Zeit Osorkons I. zu datieren ist.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen hat zum Ziel, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, der Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen werde das Gesicht umgedreht werden bzw. ihnen drohe die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden beschützt (Re, Sachmet, Heka, Thoth). Diese Vierergruppe möge dafür sorgen, dass der, der auf dem Wasser ist, wohlbehalten sei und dass auch König Osorkon wohlbehalten sei. An dieser Stelle hört die Inschrift auf. In längeren Textversionen identifiziert der Zauberer sich anschließend mit Chnum und befiehlt dem Angreifer zurückzuweichen, sonst werde er zerstückelt werden. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in der ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden sei und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen habe.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Horusstelen der Dritten Zwischenzeit sind sowohl als Grabbeigaben überliefert als auch im Tempelkontext belegt.

Material
Nicht Organisch » Stein » Marmor
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

7,8+x x 8,8 x 5,4 cm (Höhe x Breite x Dicke). Untere Hälfte oder unteres Drittel eines Horuscippus von mittelmäßiger Qualität. der laut Homepage aus Marmor bzw. laut Jaquet-Gordon 1965/1966, 54, Anm. 2 aus “hard, crystalline green stone, possibly a marble” besteht. Nimmt man Horusstele Brüssel E 8660 als Vergleichsobjekt – Sternberg-el Hotabi 1999, I, 77–79 setzt beide in den gleichen Typus –, wären ca. 2/5 erhalten und man bekäme eine ursprüngliche Höhe von ca. 19 bis 20 cm. Erhalten sind die Unterschenkel und Füße eines frontal dargestellten, nackten Horuskindes. Es steht auf den Köpfen von zwei Krokodilen, die einander zugewandt sind, und hält einen Löwen in der linken, eine Oryxantilope in der rechten Hand. Die übrigen Tiere, die er einst hielt, fehlen heute, ebenso die Oberschenkel und der Oberkörper des Kindgottes sowie der Beskopf. Die Stele ist seitlich vollständig. Es gibt keine seitliche Einrahmung: Falls das Kind einmal von einem Nefertemsymbol und einem Falken auf einem Papyrusstängel flankiert gewesen ist, dann nur als kleine Reliefdarstellungen zu beiden Seiten des Oberkörpers. Der Sockel sowie die Schmalseiten sind unbeschriftet. Auf der Rückseite sind die unteren 6 Zeilen eines hieroglyphischen Textes erhalten.

Schrift
Hieroglyphen

Grob eingraviert.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Publiziert von Jacquet-Gordon im Jahr 1965/66 in Foto und mit Facsimile der Inschrift, die nicht eigens übersetzt wurde. Die Stele ist nicht bei K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit II: Die 22.–24. Dynastie (Wiesbaden 2007) aufgenommen worden. Gutekunst 1995 hat die Inschrift für seine textgeschichtliche Untersuchung des sog. Horusstelentextes B teilweise ausgewertet, jedoch nicht übersetzt. Sternberg-el Hotabi 1999 hat die Stele in ihrer typologischen Studie der Horusstelen einbezogen.

Editionen
Literatur zu den Metadaten

- El-Tonssy 2012: M. A. El-Tonssy, A Horus Cippus from Atfih, in: Annales du Service des Antiquités de l'Égypte 86, 2012, 157–177.

- Gutekunst 1995: W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 249, 253, 333.

Sternberg-el Hotabi 1999: H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Bd. I: Textband, 75, 78–79, 85–86; Bd. II: Materialsammlung, 72.

Eine ausführliche Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Rückseite

Horusstelentext B = Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[Oh alter Mann, der sich zu seiner Zeit verjüngt, (oh) nḫḫ-Greis, der seine (kräftige) Jugendlichkeit durchführt, mögest du veranlassen, dass Thoth zu mir auf meine Stimme hin kommt, damit er für mich das Wildgesicht (Neha-her) vertreibt.
Osiris ist auf dem Wasser. Das Horusauge ist bei ihm. Der große Flügelskarabäus ist in seiner Faust.
Wenn man dem, der auf dem Wasser ist, zu nahe tritt, dann tritt man dem weinenden/verfinsterten (?) Horusauge ebenso zu nahe.
Euer Maul wurde verschlossen, (oh ihr) Wasserbewohner;][x+1] Euer Schlund ist/sei [blockiert], (oh ihr) Wasserbewohner (Krokodile) und Nilpferde (?), [bis Osiris2] passiert ist.
Osiris hat sich aufgerichtet3, um die Neunheit, die Herren von Babylon, zu betrachten.
(Oh ihr) Herren der geheimen (?)4 Unterwelt: steht bereit5, damit Nehaher bestraft wird6!
Euer Maul wurde von Re verschlossen. Euer Schlund wurde von Sachmet blockiert. Euer Gesicht wurde von Heka geblendet.
[Euer Voranschreiten] [x+5] wurde [von Thoth] behindert7.
(Oh ihr) Vierergruppe von großen Göttern, die meinen Schutz auf dem Wasser (und auf dem) Land bereiten8, möge der, der auf dem Wasser ist, [wohlbehalten (?)9] hervorkommen.
[... ... ...], möge der Sohn des Re Osorkon-geliebt-von-Amun10 wo[hlbehalten] hervorkommen11.

1 Text nach der Horusstele von Atfih+Louvre E 16264 aus der Zeit von Osorkon I. (El-Tonssy 2012).

2 Sicherlich dieselbe Formulierung auf einer Horusstele von Atfih+Louvre E 16264 aus der Zeit von Osorkon I. (El-Tonssy 2012, Taf. II), wo sich zbi̯: "(weg)gehen" teilweise und „Osiris“ ganz erhalten haben.

3 Nur diese Horusstele hat eindeutig „Osiris“ im Satz (s. Gutekunst 1995, 184–187). Die übliche Formulierung lautet: „Re begibt sich hinauf zu seiner Barke, um .. zu betrachten.“ Auf einer Horusstele von Atfih+Louvre E 16264 aus der Zeit von Osorkon I. (El-Tonssy 2012, Taf. II) steht vielleicht jr.t „Auge“, das sicherlich ein Fehler für „Osiris“ ist.

4 So sicherlich auch auf einer Horusstele von Atfih+Louvre E 16264 aus der Zeit von Osorkon I. (El-Tonssy 2012, Taf. V).

5 Die übliche Formulierung lautet: „Die Herren der Unterwelt stehen bereit, dich zu bestrafen.“ wobei ꜥḥꜥ : "stehen; aufstehen" als Aktivität der Herren der Unterwelt gedacht ist. Gutekunst 1995, 115 und 189 listet keine Textvarianten mit j vor ꜥḥꜥ. Ist j „oh“ eine Umdeutung von prothetischem j: (so auf der Horusstele von Atfih+Louvre E 16264) und liegt ein Imperativ vor? Oder ist hier Nehaher gemeint, der bereitsteht, um Osiris auf dem Wasser anzugreifen? Dann könnte übersetzt werden: „Oh (du), der bereitstehst, du bist bestraft, (oh) Wildgesicht (Nehaher)!“

6 Die hier vorliegende Textvariante wird von Gutekunst nicht gelistet, findet sich allerdings auf der Horusstele von Atfih+Louvre E 16264.

7 ⸮s[ḥ]mi̯?: Gutekunst 1995, 117–118, 194–199 listet nur "Abschneiden der Zunge durch Thoth", aber das noch erhaltene Verb ist keinesfalls šꜥd: "schneiden; abtrennen". Gutekunst 1995, 197, Anm. 490 denkt an zꜣu̯: "bewachen; schützen; sich hüten", aber dann würde Thoth in der Auflistung der vier Götter fehlen. Die Kombination: "Euer Gesicht wurde von Heka geblendet. Euer Voranschreiten wurde von Thoth behindert." findet sich auf einer Horusstele von Atfih+Louvre E 16264 aus der Zeit von Osorkon I. (El-Tonssy 2012, Taf. II) und auf Horusstele London UC 16547 (H. M. Stewart, Egyptian stelae, reliefs and paintings from the Petrie collection. Part 3: The Late Period (Warminster 1983), Taf. 20; aus der Ramessidenzeit oder der 3. Zwischenzeit).

8 Gutekunst 1995, 201 liest unseren Text anders.

9 Die Ergänzung passt zur gängigen Phrase nach der Nennung der vier Götter (Gutekunst 1995, 118–119; Gutekunst 1995, 204 ergänzt wie wir) und würde hier inhaltlich einen Sinn ergeben, auch wenn der Satz mit den vier Göttern anders lautet.

10 Der Sohn-des-Re/Geburtsname-Name kann nicht einem spezifischen König Osorkon zugewiesen werden. Gutekunst 1995, 253, Anm. 590 kann sich den Namen als Teil einer Genealogie oder Filiationsangabe vorstellen, aber das ist bei unserer Rekonstruktion der Inschrift nicht möglich.

11 Falls hier nicht das Substantiv pr: „Haus, Domäne“ vorliegt, ist vielleicht an eine missratene Schreibung von pri̯: "herauskommen; herausgehen" zu denken, was sich mit einer Rekonstruktion des Satzendes als "wohlbehalten" verbinden ließe.