Ostrakon Deir el-Medineh 1591

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Inventarnummer: oIFAO 2052 oIFAO Sequestre 310 und 317
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2052

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) in Deir el-Medineh, die vor 1952 stattgefunden haben (im Januar 1952 wurde die Grabung des IFAO durch die ägyptische Regierung gestoppt und erst 1970 wieder aufgenommen: Černý 1970, VI; Gobeil 2017, 319, 320). Das Ostrakon wurde mit vielen anderen zu Studiumszwecken nach Kairo ins IFAO transportiert, wo es sich heute noch befindet. Infolge der Suezkrise von 1956 wurde das IFAO unter Sequester gestellt. Die Räume mit den Ostraka wurden von den ägyptischen Behörden versiegelt und in den Jahren 1968–1970 durch die ägyptische Altertümerbehörde inventarisiert (Sauneron, in: Černý 1970, vi; Gasse 1990, ix mit Anm. 9). Die beiden Scherben unseres Ostrakons bekamen die Sequester-Nummern 310 und 317. Nachdem die Sammlung im Jahr 1970 wieder zugänglich geworden war, fing Georges Posener zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einer neuen Inventarisierung der ihn interessierenden literarischen Ostraka an, die er bis Nr. 2780 durchführte (Gasse 1990, x).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon wurde in Deir el-Medineh gefunden. G. Posener macht keine weiteren Angaben zum genauen Fundort (Posener 1978, 76).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

G. Posener datiert alle von ihm im ersten Band publizierten Ostraka in die Zeit von der Mitte der 19. bis zur Mitte der 20. Dynastie (Posener 1938, VI), was vielleicht zu eng gesehen ist. Aus der Identifizierung der erwähnten Personen auf den nicht-literarischen Ostraka aus Deir el-Medineh geht hervor, dass sie vom Ende der 18. (nur wenige) bis zum Ende der 20. Dynastie stammen. A. Gasse datiert aufgrund der Paläographie und des Fehlens weiterer Indizien für eine genauere Eingrenzung alle von ihr publizierten Ostraka in die Zeit von der 19. bis zur 20. Dynastie (Gasse 1990, x). Vielleicht erlaubt eine zukünftige eingehendere Untersuchung der Paläographie eine Eingrenzung innerhalb der Ramessidenzeit.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Text selbst ist zu stark fragmentiert, als dass ein durchgängiger Sinn zu erschließen wäre. Es geht zunächst darum, dass jemand eine schöne Frau begattet und direkt daran wird Gift erwähnt. Nach einer unklaren Textstelle mit dem Ort Busiris, einem großen Gott und einer Nubierin wird dreimal gesagt „Du (ein weibliches Wesen) wirst keinen Halt finden in [...]“. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Götter genannt und wird das Gift aufgefordert, auf den Boden zu fallen und auszufließen. Durch die Textparallele in Papyrus Chester Beatty VII, Vso. 1,4–6,7 wird klar, dass es sich bei Ostrakon Deir el-Medineh 1591 um eine Beschwörung für einen Patienten handelt, der von einem Skorpion gestochen wurde. Leider sind sowohl Papyrus Chester Beatty VII als auch die übrigen in der Zwischenzeit bekannt gewordenen Textparallelen beschädigt. Der Text fängt mit einer Historiola an, in der die Göttin „Giftsame“ beim Baden von einem Gott (in einer Version ist es Seth) erblickt wird. Als er sich daraufhin intensiv sexuell mit ihr vergnügt, hat dies zur Folge, dass er durch ihr Gift krank wird. Eine Gottheit (Re oder Isis?) kommt aus dem Himmel nach Busiris und die Göttin Anat sowie die Göttin Isis als Nubierin intervenieren bei Re, um das Gift auszutreiben. Vielleicht Isis, vielleicht ein Magier, spricht dann eine Litanei mit der wiederkehrenden Struktur „Du (das Gift) wirst keinen Halt finden im Körperteil XY des Patienten, denn Gott AB ist gegen dich, der Herr von Körperteil XY.“ Diese Litanei ist eine Gliedervergottung, aber die erwähnten Gottheiten sind andere, als in Papyrus Chester Beatty VII, so dass die Lücken nicht ergänzt werden können. Eine solche Gliedervergottung fängt beim Kopf an und hört bei den Füßen auf und enthält mindestens ein Dutzend Körperteile, so dass das Ende des Textes auf Ostrakon 1591 sicherlich verloren sein wird. In Analogie zum Körper des Gottes Seth würde der Magier z.B. abschließend zusammenfassen, dass das Gift in ähnlicher Weise keine Macht über irgendeinen Körperteil von Patient NN hat und ausfließen soll.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Auf dem Ostrakon befindet sich ein Text zum Vertreiben von Skorpiongift. Die roten Gliederungspunkte erwecken den Eindruck, dass der Text zum Rezitieren gedacht war. Man könnte als hypothetischen Verwendungskontext vermuten, dass ein Magier den Text für einen konkreten Fall als Gedächtnisstütze aus einem Handbuch abgeschrieben hat.

Material
Künstliche Materialien » Keramik
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Das Ostrakon aus dunkelgrauer Keramik wurde aus zwei Fragmenten wieder zusammengesetzt und hat aktuell eine Höhe von 15 cm und eine Breite von 11,5 cm. Auf der äußeren/konvexen Seite stehen 16 Zeilen Text, die sich über das gesamte Ostrakon erstrecken. Der Text ist parallel zur Achse des ehemaligen Gefäßes geschrieben. Die linken und rechten Ränder sind jeweils nicht die originalen, da inhaltliche Lücken im Text zu verzeichnen sind (die Schreibfläche war also ursprünglich breiter). Der obere Rand könnte (zumindest teilweise) noch erhalten sein, der untere Rand ist wahrscheinlich verloren. Besonders die untere Hälfte des Ostrakons (= das ehemals zweite Fragment) ist stark von Abrieb betroffen. Das Verso ist unbeschriftet (Posener 1978, 76 und Taf. 45).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist durchgängig schwarz. Zudem wurden Gliederungspunkte in rot gesetzt (Posener 1978, 76). Das Hieratische ist ohne Ligaturen geschrieben.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die Grammatik (z.B. Negation mit bn, Artikel pꜣ und tꜣ, Aorist/Präsens-I mit Nomen + ḥr + Infinitiv) entspricht dem Neuägyptischen.

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei G. Posener im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Faksimile sowie hieroglyphischer Transliteration aufgeführt (Posener 1978, 76, Taf. 45–45a). Posener hatte schon den Zusammenhang mit Papyrus Chester Beatty VII erkannt. Seitdem wurde es in Zusammenhang mit Mythen von Seth und Anat besprochen (van Dijk 1986, Silverman – Wegner 2007), aber nicht übersetzt. Katharina Stegbauer hat im Rahmen des Projekts DigitalHeka (2006–2008) eine deutsche Übersetzung angefertigt, welche seitdem in den Thesaurus Linguae Aegyptiae integriert wurde.

Editionen

- Posener 1978: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. III,2. Nos 1410–1606, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 20, Fasc. 2 (Le Caire 1978), 76 und Taf. 45–45a.

Literatur zu den Metadaten

- Černý 1970: J. Černý, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deir el-Médineh. Nos 624–705. Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 14 (Le Caire 1970).

- van Dijk 1986: J. van Dijk, ꜤAnat, Seth and the Seed of Prēꜥ, in: H. L. J. Vanstiphout et al. (Hrsg.), Scripta signa vocis. Studies about Script, Scriptures, Scribes and Languages in the Near East. Presented to J.H. Hospers by his pupils, colleagues and friends (Groningen 1986), 31–51, bes. 33.

- Gasse 1990: A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990).

- Gobeil 2017: C. Gobeil, L’histoire des fouilles de l’IFAO à Deir el-Medina, in: H. Gaber – L. B. Rizzo – F. Servajean (Hrsg.), À l’œuvre on connaît l’artisan ... de Pharaon! Un siècle de recherches françaises à Deir el-Medina (1917–2017), Cahiers „Égypte Nilotique et Méderranéenne“ 18 (Milano 2017), 315–323.

- Posener 1938: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. I,3. Nos 1001 à 1108, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1 (Le Caire 1938), V–VI.

- Silverman – Houser Wegner 2007: D. P. Silverman – J. Houser Wegner, A Late Egyptian Story in the Penn Museum, in: Z. A. Hawass – J. Richards (Hrsg.), The Archaeology and Art of Ancient Egypt. Essays in Honor of David B. O’Connor, Annales du Service des Antiquités de l’Égypte. Cahier 36 (Le Caire 2007), 403–424, hier: 407, Fig. 3; 410.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Mitwirkende
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Ostrakon Deir el-Medineh 1591

[1] [Giftsame] wusch sich am Ufer von (?) [... Gott X sah (?)] sie.
Er freute sich über den [... ... ...] auf seinen Lippen wegen dieses [... ... ...] wegen ihrer Reize, (welche betont wurde) wegen ihres Gürtels am [Hintern].
[Er besprang] [5] [sie] im Bespringen eines Stiers, und bestieg [sie] [im Besteigen] eines Bocks.
Da machte Giftsame [... ... ... (eine Göttin?)], die aus dem Himmel nach Busiris kam.
Der große Gott ist für das [... ... ...]-Göttin Nubierin (?)1 ...
[... ... ...] geknotet zu [... ... ...] [10] Atum [ist gegen dich (?)].
Du wirst keinen Halt finden in [Körperteil X ... ... ...]
Falle zur Erde herab, o Gift!
[... ... ...] Horus und Junmutef.
Du wirst keinen Halt finden in [Körperteil X ... ... ...] gegen (?) dich (?) ...!
Spei aus! Er [ist ... ... ...] und Haroeris sind 〈gegen dich〉 (?), die Herren des Auges (?)!
Der Herr [...] [15] […], welcher Horus Junmutef ist.
Du wirst keinen Halt finden [in Körperteil X ... ... ... ...] durch (?) Horus Junmutef! [... ... ...

1 Anukis, die Nubierin, wird in der Gliedervergottung von pGenève MAH 15274, Kol. 2.4 genannt. In der Gliedervergottung von pChester Beatty VII, Vso 2.3 kommt Isis als Nubierin aus dem Himmel hinunter, um das Gift mittels Zaubersprüchen der Giedervergottung auszutreiben.