Holztafel BM EA 20775

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Registrierungsnummer: 1888,0512.76 (Internet BM)
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: EA 20775

Erwerbsgeschichte

Die Holztafel wurde 1885 von Greville Chester dem British Museum geschenkt (Vittmann 1984, 164). Wie dieser in deren Besitz gelangte, ist unbekannt. Laut der Internetpräsenz des British Museum wurde sie vom „Giza Museum (and other sources)“ über E.A.T. Wallis Budge erworben. Vielleicht war Chester in dessen Auftrag tätig?

Die Registrierungsnummer deutet darauf hin, dass sie erst 1888 inventarisiert wurde. Bis kurz vor der Publikation durch Vittmann ist sie „gemeinsam mit den demotischen Mumienschildern […] in den Magazinen des British Museum aufbewahrt worden“ (Vittmann 1984, 164, Anm. 1). Auch aktuell gehört es nicht zum Bestand der Dauerausstellung (Internet BM).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » zwischen Assiut und Abydos » östliches Ufer » Achmim

Laut den Unterlagen des British Museum stammt die Holztafel aus Achmim. Dafür sprechen auch der Name des Amulettinhabers (Nesmen) sowie der aus dieser Region stammende Gott Horus-imi-Schenut (Vittmann 1984, 164).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Sowohl die Schreibung des Gottes Osiris als auch der Name des Amulettbesitzers und die Determinierung von nṯr ꜥꜣ „großer Gott“ mit bestimmtem Artikel legen eine Entstehungszeit nach dem Neuen Reich nahe. Laut Vittmann „hat man mit einem Ansatz zwischen Saiten- und Ptolemäerzeit zu rechnen“, wobei er eher zur zweiten Hälfte dieser Zeitspanne tendiert (Vittmann 1984, 166). Pinch 2006, 74 datiert die Tafel ohne Angabe von Gründen ins 4. Jh. v. Chr. Dies wurde von der Homepage des British Museum übernommen.

Inhalt

Das Amulett soll Nesmen (Ns-Mn), Sohn der Wawa (Wꜣwꜣ, Lesung unsicher), vor allen möglichen menschlichen Anfeindungen (unabhängig, in welchem Zustand sich diese befinden) schützen.

Zunächst werden die Handlungen verschiedener Götter gegen potentielle Übeltäter genannt (z.B. soll Sachmet sie mit Pfeilen beschießen oder sie sollen in den Feueröfen des Horus-imi-Schenut schmachten). Danach werden verschiedene negative Wünsche geäußert, die sich gegen übel gesinnte Verstorbene richten. So soll bspw. deren Ba nicht zum Himmel aufsteigen oder sie sollen nicht in Abydos eintreten. Als Nächstes wird versichert, dass der Ba der Widersacher dem Gluthauch und deren Leichen dem Feuer übergeben werden. Zuletzt folgen verschiedene Gruppen von Menschen (auch Tote), gegen die dieser Spruch gerichtet ist, und der Nutznießer des Amuletts (Vittmann 1984, 166–170).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Holztafel diente als Amulett und sollte Nesmen (Ns-Mn), Sohn der Wawa (Wꜣwꜣ) vor den darin genannten Gefahren bzw. Übeltätern schützen.

Material
Organisch » Holz
Objekttyp
Artefakt » Tracht » Trachtassessoirs » Schmuck » Anhänger
Technische Daten

Die Holztafel hat eine annähernd rechteckige Form von 7,8 × 6,7 cm (Höhe × Breite). Auf der Mitte des oberen Randes befindet sich ein kleiner Aufsatz mit einer Öse (1 × 1,8 cm). Dieser ist fünf Mal gekerbt, war mindestens einmal abgebrochen und antik wieder angeklebt worden und diente zur Anbringung eines Strickes, sodass die Tafel als Amulett genutzt werden konnte. Auf einer Seite befinden sich elf hieroglyphische Zeilen, die durch waagerechte Linien voneinander abgetrennt sind. Der Text wird auf der Rückseite mit zwei Zeilen weitergeführt. Unter diesen wurden sieben Udjat-Augen angebracht und darunter – durch einen Doppelstrich abgetrennt – sechs nach rechts blickende Götter: Ptah in einem Schrein; Min; Thot; Horus (vermutlich genauer Horus-imi-Schenut), mit einem Was-Zepter in der Hand; Isis und Nephthys, beide je ein Anch-Zeichen und Wadj-Zepter haltend (Vittmann 1984, 164).

Schrift
Hieroglyphen

Der gesamte Text des Amuletts wurde eingeritzt (ebenso die Götter und Udjat-Augen). Aufgrund der geringen Schriftgröße wurden „die Hieroglyphen verhältnismäßig undeutlich eingeritzt“, weshalb sie stellenweise nur schwer zu lesen sind (Vittmann 1984, 165).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Die grundlegende Grammatik ist die des Mittelägyptischen. Allerdings wurden stellenweise jüngere grammatische Formen eingefügt (Negation bn, bestimmter Pluralartikel nꜣ, Präposition n-jm) (Vittmann 1984, 165–166).

Bearbeitungsgeschichte

Die Erstedition und -publikation erfolgte durch Vittmann 1984. Eine weitere Abbildung (mit knapper Beschreibung) liefert Pinch 2006, 74, eine kurze Beschreibung einschließlich Kommentar Fischer-Elfert 2014, 37 und Quack 2022, 149.

Editionen

- Vittmann 1984: G. Vittmann, Ein Amulett aus der Spätzeit zum Schutz gegen Feinde, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 111, 1984, 164–170 und Taf. 5.

Literatur zu den Metadaten

- Pinch 2006: G. Pinch, Magic in Ancient Egypt (London 2006), 73, 74 (Fig. 36).

- Fischer-Elfert 2014: H.-W. Fischer-Elfert, in: Orientalia N.S. 83, 2014, 37 [K].

- Quack 2022: J. F. Quack, Altägyptische Amulette und ihre Handhabung. Orientalische Religionen in der Antike 31. Tübingen 2022, 149 [B].

Autoren
Dr. Marc Brose
Mitwirkende
Dr. Lutz Popko; Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Marc Brose
Mitwirkende (Metadaten)
Dr. Lutz Popko; Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Zauberspruch zum Schutz gegen Feinde

[rt. 1]Sachmet sende ihren Pfeil in euch, der Zauber des Thot [rt. 2]stecke fest in eurem Leib!1 Isis verfluche euch, [rt. 3]Nephthys zerstückele euch! Ihr möget dem Feuerbecken des Horus, der in Schenut ist, des großen Gottes, der inmitten des Lebenshauses ist, übergeben werden! [rt. 4]Nicht soll die Gluthitze in euch drin (?)2 ausgelöscht werden! [rt. 5]Nicht soll euer Ba zum Himmel gehen, nicht soll [rt. 6]euer Leichnam hinab in die Unterwelt gelangen! Ihr sollt nicht unter die Gefolgsleute [rt. 7]des Horus des Osiris-Hauses (= Busiris) eintreten, ihr sollt nicht in Abydos eintreten. Ihr sollt nicht [rt. 8]in Hapnebes (= der Nekropole) umhergehen, ihr sollt nicht Opferbrote auf Erden empfangen. [rt. 9]Die Herren der Unterwelt, sie mögen euren Ba dem [rt. 10]Gluthauch übergeben, euren Leichnam dem Feuer, oh jeder Mensch, alle Pat-Menschen, alles Sonnenvolk, alle Untertanen usw., Feind, „Jener“ (od.: Feindin), Wiedergänger, [rt. 11]Wiedergängerin, jedes böse und schlechte Ding, der/die/das kommt (und) verletzt [vs. 1]den Nesmin, den die Hausherrin Wawa (?)3 geboren hat, in der Nacht, am Tage, [vs. 2]zu jeder Zeit jedes Tages.4

1 Eine Teilparallele zu den ersten drei Sätzen ist auf der Holztafel Berlin 23308 (ed. Schott, in: ZÄS 67, 1931, 106-110), einem weiteren Schutzamulett, vorhanden.

2
Dem Zeichen nach der m-Eule, das ungefähr wie ein um 90 Grad gedrehtes jmj-Kreuz (Z11) aussieht, kann Vittmann, Amulett, 167 mit 168 Anm. g keine sichere Lesung beigeben. Die Lesung hier ist der unsichere Vorschlag von Vittmann.

3
Die Lesung des ersten Zeichens des Namens der Mutter als wꜣ (V4) ist unsicher; vgl. Vittmann, Amulett, 167 mit 170 Anm. x. Danach folgt sicher zp-2, d. h. es wäre Wꜣwꜣ zu lesen. Obgleich in Ranke, Personennamen nur eine maskuline Form Wꜣwꜣ (PN I, 72.23) verzeichnet ist, verweist Vittmann auf andere Graphien von femininen Namen mit Reduplikationsbildungen mit der Gruppe zp-2, etwa Qjqj (Ranke, PN I, 333.16).

4
Es folgen sieben Udjat-Augen. Es folgt die Vignette.