Holztafel Berlin 23308

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
(unbekannt)

Höchstwahrscheinlich Kriegsverlust

Erwerbsgeschichte

Das Objekt Berlin 23308 befand sich zum Jahr seiner Erstpublikation (= Schott 1931) in der Ägyptischen Abteilung der staatlichen Museen zu Berlin. Wie es dahin gelangte, ist unbekannt. Es muss sich aber bereits seit spätestens 1931 in Berlin befunden haben. Allerdings scheint es ein Kriegsverlust zu sein (Vittmann 1984, 199, Anm. 9), sodass sein aktueller Aufenthaltsort (falls es überhaupt noch existiert) unbekannt ist.

Herkunft
(unbekannt)

Ebenso wie die Erwerbsgeschichte ist auch die Herkunft unbekannt. Ein vergleichbares Objekt, mit einer längeren Ausführung des Spruches in London (BM EA 20775) stammt laut den Unterlagen des British Museum aus Achmim. Dafür sprechen dort auch der Name des Amulettinhabers (Nesmen) sowie der aus dieser Region stammende Gott Horus-imi-Schenut (Vittmann 1984, 164). Da auch hier dieser Gott genannt wird und beide Amulette offenbar Versionen desselben Spruchs tragen, könnte für die Holztafel Berlin 23308 ebenfalls Achmim als Herkunftsort vermutet werden.

Roeder 1961, 124 vermutet hingegen aufgrund des Namens des Amulettinhabers Theben als Herkunftsort.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit

Eine genaue Datierung existiert mangels Kontext nicht. Schott 1931, 110 gibt nur an, dass der Spruch „zu der Gattung der aus der Spätzeit in größerer Zahl überkommenen Sprüche gegen Feinde“ gehört. Der Name der Mutter ist nicht konstant vom Neuen Reich bis in die Ptolemäische Zeit belegt, der des Amulettinhabers ab der 22. Dynastie und besonders häufig in der Spät- sowie Ptolemäischen Zeit (Ranke 1935, 122.6 und 164.5).

Das Vergleichsobjekt BM EA 20775 wird vom Bearbeiter G. Vittmann zwischen „Saiten- und Ptolemäerzeit“ datiert, wobei er eher zur zweiten Hälfte dieser Zeitspanne tendiert (Vittmann 1984, 166). Betrachtet man die Belege der Namen, dann ist hier vielleicht eine ähnliche Zeit anzusetzen.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Das Amulett soll Pa-di-amun-neb-nesut-taui (Pꜣ-di-Jmn-nb-ns.wt-tꜣ.wj), Sohn der Mehit-em-usechet (Mḥj.t-m-wsḫ.t) vor möglichen menschlichen Anfeindungen schützen.

Zunächst werden die Handlungen verschiedener Götter gegen potentielle Übeltäter genannt (z.B. soll Sachmet sie mit Pfeilen beschießen oder sie sollen in den Feueröfen des Horus-imi-Schenut schmachten). Danach wird der Wunsch geäußert, dass die Übeltäter geblendet werden sollen. Diese  werden gleich darauf genannt: Es handelt sich um verschiedene Menschengruppen, „die einen bösen Blick werfen werden“. Zuletzt folgen der Name des Nutznießers des Amuletts sowie die Zusicherung, dass die potentiellen Feinde ebenso wie Apophis gefällt sein und nicht mehr leben sollen (Schott 1931, 108).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Unterseite weist verschiedentlich Spuren von Harzbelag auf „wie man ihn an Gegenständen, die von Mumien stammen, kennt“ (Schott 1931, 106). Demnach wurde die Tafel ursprünglich vermutlich für eine Mumie (nach dem Text Pa-di-amun-neb-nesut-taui, Sohn der Mehit-em-usechet) genutzt, um sie vor den darin genannten Gefahren zu schützen.

Material
Organisch » Holz
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibtafel
Technische Daten

Die Holztafel hat eine fast quadratische Form auf deren oberen Mitte sich ein kleiner Aufsatz mit einer Öse befindet. Das ganze Objekt hat die Maße 6 × 4,6 cm (Höhe × Breite; die Höhe ist nur mit der darauf befindlichen Öse angegeben, hat aber auf dem publizierten Photo eine Höhe von fast 1 cm). Es wurde aus zwei Holzplättchen zusammengeklebt, die eine unterschiedliche Maserung haben. Deren Schnittflächen sind laut Schott „wohl um die Klebfähigkeit zu erhöhen, schräg geschnitten“ (d.h. auf Gehrung (?)) worden. Die Öse ist sieben Mal gekerbt, was vermutlich ähnliche Metallobjekte imitiert, und diente zur Anbringung eines Strickes, sodass die Tafel als Amulett genutzt werden konnte.

Die Unterkante einer Seite weist an der dortigen Wölbung Arbeitsspuren auf, sodass diese intendiert war und vermutlich das Tragen des Amuletts erleichtern sollte. Es handelt sich demnach hierbei um die Rückseite. Kurioserweise beginnt allerdings auf dieser der eingeritzte Text. Er besteht aus sechs hieroglyphischen Kolumnen, die je durch eine Trennlinie voneinander abgesetzt sind. Die mittlere dieser Linien liegt direkt auf den Schnittkanten der Tafel auf. Auf der anderen Seite wird die Inschrift fortgeführt, besteht hier allerdings nur aus fünf Kolumnen, wobei die beiden äußersten wesentlich breiter ausfallen. In der letzten sind zudem statt einer Inschrift sieben Udjat-Augen eingraviert.

Die Unterseite weist verschiedentlich Spuren von Harzbelag auf, der vermutlich aus der Mumifizierung stammt. Auf der Oberseite sind hingegen in den vertieften Hieroglyphen noch Reste einer helleren Färbung zu sehen, die wohl von einem ursprünglichen Überzug stammen, der sich nicht mehr erhalten hat (Schott 1931, 106–107).

Schrift
Hieroglyphen » reguläre Hieroglyphenschrift

Der gesamte Text des Amuletts wurde eingeritzt (ebenso die Udjat-Augen). Auffällig ist, dass die letzten drei Hieroglyphen der letzten Schriftkolumne untereinander angeordnet wurden und nicht, wie zu erwarten, nebeneinander. Dadurch konnte der verbliebene Raum besser gefüllt werden (Schott 1931, 107). Dies zeigt, dass der Schreiber/Graveur die Anbringung wohl nicht gänzlich von Anfang an durchgeplant hatte.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Die grundlegende Grammatik ist die des Mittelägyptischen, zumindest werden fast keine grammatischen Formen genutzt, die es nicht schon in dieser Sprachstufe gab. Nur einmal scheint das Neuägyptische durchzubrechen, und zwar im Zeilenumbruch von Kolumne 6 zu 7 mit dem Futur-Relativkonverter n.tj-jw=sn. Auch die Graphie erinnert nur selten an jüngere Sprachstufen, wie bspw. beim Determinativ von Sachmet in der 1. Kolumne oder bei der Schreibung für mwt „sterben“ mit dem sogenannten schlechten Paket (Gardiner Sign-List Aa2) in Kolumne 10 (vgl. Schott 1931, 107).

Bearbeitungsgeschichte

Die Erstedition stammt von Schott 1931 mit Beschreibung, Photographie, Transliteration, Übersetzung und Kommentierung. Eine jüngere Übersetzung mit kurzer Beschreibung und erneuter Wiedergabe der Bilder von Schott hat Roeder 1961, 124–125 und Taf. 13. Eine englische Übersetzung bietet Borghouts 1978, 2 (Nr. 5). Erwähnung zum aktuellen Stand sowie Kommentar zur Lesung von Schott findet das Amulett bei Vittmann 1984, Anm. 9–10. Einen Ausschnitt auf Französisch bietet Rizzo 2005, 306–307 (Nr. 27) mit kurzer Erörterung. Die jüngste Übersetzung mit Transliteration lieferte Fischer-Elfert 2014, 36–37.

Editionen

- Schott 1931: S. Schott, Ein Amulett gegen den bösen Blick, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 67, 1931, 106–110.

Literatur zu den Metadaten

- Borghouts 1978: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, Religious Texts Translation Series NISABA 9 (Leiden 1978), 2 (Nr. 5).

- Fischer-Elfert 2014: H.-W. Fischer-Elfert, Ein Spruch gegen den Bösen Blick in Meroë: Anmerkungen zur Bronzeschale Boston MFA 24.900 aus Grab S 155 der Süd-Nekropole, in: Orientalia 83 (1), 2014, 31–49, hier: 36–37.

- Ranke 1935: H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Band I. Verzeichnis der Namen (Glückstadt 1935).

- Rizzo 2005: J. Rizzo, Bjn: de mal en pis, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale, 2005, 295–320, hier: 306–307 (Nr. 27).

- Roeder 1961: G. Roeder, Der Ausklang der ägyptischen Religion mit Reformation, Zauberei und Jenseitsglauben, Die ägyptische Religion in Text und Bild 4 (Zürich/Stuttgart 1961), 124–125 und Taf. 13.

- Vittmann 1984: G. Vittmann, Ein Amulett aus der Spätzeit zum Schutz gegen Feinde, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 111, 1984, 164–170 und Taf. 5, hier: 166, Anm. 9–10.

Autoren
Dr. Marc Brose
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Vorderseite

Sachmet bzw. ihr Pfeil steckt in euch, der Zauber des Thot steckt in eurem Leib! Isis verflucht euch, Nephthys zerstückelt euch! Der Dreißiger-Speer des Horus steckt in eurem Kopf! Sie machen euch wieder und wieder zu dem, was im Feuerbecken des Horus-der-in-Schenut-ist ist, des großen Gottes, der inmitten des Lebenshauses ist – er blende eure Augen!

Rückseite

Jeder Mensch, alle Pat-Menschen, alle Untertanen, alles Sonnenvolk usw., die den Bösen Blick auf den Padiimennebnesuttaui, den die Mehytemwesechet geboren hat, werfen, mit irgendeiner bösen und roten (d.h. gefährlichen) Rede/Sache: Ihr sollt zu Fall kommen wie Apophis, ihr sollt sterben, ihr sollt in Ewigkeit nicht (wieder) lebendig werden!