Papyrus Deir el-Medineh 1 Verso

Metadaten

Alternative Namen
Deir el-Medineh 1 Rückseite / reverse side
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale
Erwerbsgeschichte

unbekannt

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Der Papyrus wurde am 20. Februar 1928 von B. Bruyère in einem schmalen, trapezförmigen Bereich mit gestampftem Boden zwischen dem Gewölbe einer Grabkapelle und dem Fundament einer Grabpyramide in Deir el-Medineh entdeckt, zusammen mit 16 (?) weiteren Papyri. Aus dem gleichen Fund stammen aber noch mehr Papyri, die im Kunsthandel aufgetaucht sind: "Il est permis de dire à présent que la découverte dépassa en importance les papyrus recueillis par le fouilleur le 20 février 1928. (...) On saura plus tard que les papyrus Chester Beatty proviennent de la même trouvaille." (Černý – Posener 1978, VIII; Plan des Fundorts: Bruyère 1929, Plan 1: unten rechts, zwischen den Schächten P.1165 und P.1169). Darüber hinaus verweist G. Posener auf den Eintrag in B. Bruyères Grabungstagebuch vom 21. Februar 1928, in dem es heißt, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass er von drei Arbeitern bestohlen wurde. Zum Diebesgut gehörten die 19 Chester-Beatty-Papyri, die von A. Chester Beatty erworben wurden (Černý – Posener 1978, VIII), des weiteren zwei Naunachte-Papyri in Kairo, eventuell noch zwei Naunachte-Papyri in Oxford sowie ein Genfer Papyrus (P. Geneva MAH 15274), also insgesamt mindestens 40 Papyri (Pestman 1982, 155–172). Falls dies stimmt, wurden also alle Papyri im oberirdischen Bereich einer Grabanlage gefunden, dessen oder deren Besitzer bei der Grabung nicht bestimmt werden konnte(n). P. W. Pestman ermittelte die aufeinanderfolgenden Eigentümer der Papyri als Ken-her-chepesch-ef den Älteren, seine Frau Naunachte und ihre Söhne aus zweiter Ehe, Amun-nacht und Pa-maa-nacht-ef. Möglicherweise ist einer der Papyri (Papyrus Chester Beatty IX) irgendwann nass geworden, entrollt und nach der Trocknung wieder aufgerollt worden (Gardiner 1935 I, 78). Y. Koenig verweist auf den Brief Papyrus BM EA 10326 (= LRL, Nr. 9), in dem nassgeregnete Papyri inspiziert und später in einem Grab mit oberirdischen Räumen deponiert wurden, und er erkennt Analogien zwischen den dort geschilderten Vorgängen und dem Fundzusammenhang des Fundes von B. Bruyère von 1928 (Koenig 1981, 41–43).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Paläographisch datiert der Papyrus in die späte 19. Dynastie (Posener: Merenptah bis Sethos II.) oder 20. Dynastie (Notizen Černý) (vgl. Černý – Posener 1978, 2). Die datierten Texte des Archivs, zu dem Papyrus Deir el-Medineh 1 gehört, bzw. die identifizierten Eigentümer des Archivs, stammen aus dem Datierungszeitraum von der frühen Regierungszeit Ramses II. bis hin zu Ramses IX. (Pestman 1982, 158). Dies umfasst eine Zeitspanne von ca. 170 Jahren (ca. 1279–1109 v. Chr.). Die unterschiedlichen Texte auf Vorder- und Rückseite der Papyrusrolle wurden höchstwahrscheinlich vom gleichen Schreiber geschrieben. Datumsangaben lassen vermuten, dass sie über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten geschrieben wurden.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Auf dem Recto befindet sich einer der Textzeugen der Lebenslehre des Ani (siehe Quack 1994). Auf dem Verso befinden sich insgesamt fünf Texte unterschiedlicher Länge, die allesamt Beschwörungen darstellen. Ihnen sind auch jeweils Handlungsanweisungen und in vier von fünf Fällen bildliche Illustrationen (von anzufertigenden Figurinen / Amuletten) beigegeben. Im Einzelnen: Text 1 (vs. 1,1–2): Ende eines magischen Textes von nicht bestimmbarer Zielsetzung, aber möglicherweise ein Amulettspruch (nach den Illustrationen zu urteilen). Text 2 (vs. 1,3–3,2): Sprüche zur Abwehr von Totengeistern, die im Auftrag diverser Götter (Re, Ptah, Thot, Osiris) handeln. Text 3 (vs. 3,3-4,4): Text zur Abwehr der ns.y- und ns.yt-Dämonen. Text 4 (vs. 4,5–7,4): Zwei längere Beschwörungen, deren Thematik nicht erhalten ist. Text 5 (vs. 7,5–8,8; Paralleltext: pChesterBeatty V, vs. 4,10–6,4): Beschwörung gegen halbseitigen Kopfschmerz (gs-mꜣꜥ). In den Fällen, wo der Texttitel erhalten ist, fängt er jedes Mal mit dem Wort "Buch(rolle)" an; ein "Buch" konnte also nur etwa 16 (Text 2), 9 (Text 3 und 4a), 12 (Text 4b) oder 11 (Text 5) Zeilen lang sein. Sofern die rekonstruierte Textlänge stimmt (siehe Technische Daten), fehlen am Anfang möglicherweise ca. 130 cm, d.h. geschätzt 4 oder 5 Kolumnen, oder sicherlich zwei weitere Beschwörungstexte. Ob nach dem letzten erhaltenen Text noch weitere folgten, ist unbekannt; Platz wäre noch mehr als genug vorhanden (fast 4m).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Das Papyruskonvolut, zu welchem auch der Papyrus Deir el-Medineh 1 zählt, gehörte zum Familienbesitz einer thebanischen Familie. Das Papyrusarchiv hat dabei mindestens 40 Papyri umfasst, die heute in verschiedenen europäischen Sammlungen untergebracht sind (Pestman 1982, 155). Während der ursprüngliche Besitzer unidentifiziert bleibt, ist bekannt, dass das Papyrus-Archiv zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt an den Schreiber Ken-her-chepesch-ef übergegangen ist. Durch seine Frau Naunachte wurde das Korpus schließlich an die Kinder aus zweiter Ehe weitervererbt. Zunächst ging der Papyrus in den Besitz des Amun-nacht und dann über weitere unbekannte Hände, bis er schließlich zusammen mit den anderen Stücken im oberirdischen Bereich einer Grabanlage deponiert wurde (Pestman 1982, 160–172; siehe auch Koenig 1981, 41–43).
Das Papyrusarchiv, zu dem der Papyrus Deir el-Medineh 1 zählt, besteht thematisch aus folgenden Textsorten: private Urkunden und Verwaltungstexte (u.a. Briefe, Memoranda), (Schul)-Übungen, semi-literarische Texte (medizinische, magisch-medizinische, mantische) und "rein" literarische Texte.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus liegt heute in zahlreichen größeren und kleineren Fragmenten in drei Gruppen vor, deren Positionen dank der anderen Versionen der Lehre des Ani genau bestimmt werden können. Die rekonstruierbare Länge beträgt ca. 190 cm. Sofern der Papyrus ursprünglich auf der Vorderseite die komplette Lehre des Ani enthalten hat (und nicht ein Teil der Lehre auf der Rückseite zu Ende geschrieben worden ist), muss er ursprünglich laut Posener mehr als 7 m lang gewesen sein, wobei der fehlende Bereich am Anfang dreimal so lang wie der fehlende Bereich am Ende war (d.h. geschätzt ca. 390 cm am Anfang und ca. 130 cm am Ende könnten fehlen). Die Höhe der Rolle beträgt gut 16 cm. Die Breite der einzigen zwei vollständig erhaltenen Blätter misst 27,1 bzw. 24,2 cm. Auf dem Recto ist jede Textkolumne innerhalb der Blattbegrenzung geschrieben, auf dem Verso hingegen berücksichtigte der Schreiber für die Kolumnenbreite die Blattklebung nicht. Das Recto umfasst aktuell noch acht Kolumnen zu je sieben Zeilen, das Verso acht Kolumnen zu sieben bis acht Zeilen. Die Maße der erhaltenen Kolumnen belaufen sich in der Breite auf 23,5 bis 26,5 cm auf dem Recto und 23 bis 30 cm auf dem Verso, in der Höhe beidseitig auf 11,5 bis 12,5 cm (alle Angaben nach Černý – Posener 1978, 1). Der Papyrus wurde am Ende des Rectos um die kurze Seite gewendet: Die erste Kolumne des Versos befindet sich auf der Rückseite der letzten Kolumne des Rectos. Einige Datumsangaben erlauben einigermaßen den Kopierfortschritt zu verfolgen: auf dem Recto wird zweimal der erste Monat der Überschwemmungszeit, Tag 3 über einer Kolumne genannt, auf dem Verso stehen der zweite und dritte Monat derselben Jahreszeit, zuerst über der Kolumne, später unter der Kolumne, aber dann auf dem Kopf gestellt.

Schrift
Hieratisch

Die Beschriftung ist beidseitig, gelesen wird von rechts nach links. Auf beiden Seiten werden Rubrizierungen verwendet, sowohl auf dem Recto als auch auf dem Verso aber nur bis Kol. 7 (von 8). Auf dem Verso sind verschiedene Illustrationen, meist am Ende einer Partie (s. Inhalt), angebracht. Die Schrift ähnelt sich sehr auf Vorder- und Rückseite, weshalb von einem einzigen Schreiber für beide Papyrusseiten ausgegangen wird. „L’écriture est une jolie onciale, un peu plus soignée à l’endroit qu’au revers“ (alle Angaben nach Černý – Posener 1978, 1–2).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Recto: Die Lehre des Ani ist Neuägyptisch; Verso: Die Beschwörungstexte sind Neuägyptisch mit einigen Mittelägyptizismen.

Bearbeitungsgeschichte

Die editio princeps des Papyrus mit Fotografien und hieroglyphischer Transliteration erfolgte in Černý – Posener 1978, für das Verso inkl. Übersetzung und Kommentar durch Černý (Černý – Posener 1978, V). Das Recto mit einem Textzeugen der Lehre des Ani wurde in der Edition von Quack 1994 in hieroglyphischer Transkription (Synopse aller Textzeugen) wiedergegeben, dazu erfolgte eine synoptische Übersetzung mit Kommentar.

Editionen

- Černý – Posener 1978: J. Černý – G. Posener, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh. I. Nos I-XVII, Documents de Fouilles de l’Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire 8 (Kairo 1978), 1–12, Taf. 1–16a.

Literatur zu den Metadaten

- Bruyère 1929: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el-Médineh (1928), Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 6,2 (Le Caire 1929), Taf. 1.

- Koenig 1981: Y. Koenig, Notes sur la découverte des papyrus Chester Beatty, in: Bulletin de l‘Institut Franҫais d’Archéologie Orientale 81, 1981, 41–43.

- Pestman 1982: P. W. Pestman, Who Were the Owners, in the "Community of Workmen", of the Chester Beatty Papyri, in: R. J. Demarée – J. J. Janssen (Hrsg.), Gleanings from Deir el-Medîna, Egyptologische Uitgaven 1 (Leiden 1982), 155–172.

- Quack 1994: J. F. Quack, Die Lehren des Ani. Ein neuägyptischer Weisheitstext in seinem kulturellen Umfeld, Orbis Biblicus et Orientalis 141 (Fribourg/Göttingen 1994).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Marc Brose

Übersetzung und Kommentar

Text 1

Ende eines magischen Handbuchs

[vs. 1,1] [… … …] sein […], gewaschen (?) und angebracht (?) an / gegen (?) [… als (?)] Schutz des Horus für (?) […] NN, den [die NN] geboren hat.

[Am Ende mehrere figürliche Illustrationen – Skarabäus und ein Pavian]1

Es ist schön und in Frieden zum Ende gekommen.

1 Die figürlichen Darstellungen, ein Skarabäus, der für den Gott Chepri steht, umgeben von zwei Pavianen, von denen einer noch erhalten ist, weisen auf einen Spruch hin, der in ein Amulett gegeben worden ist; siehe Černý – Posener 1978, 4, mit Verweisen auf weitere Texte und Papyri, die solche Illustrationen enthalten, und bei denen die Verwendung als Amuletttext sicher ist, z.B. pLeiden I 353, 354, 355.

Text 2

[Betreffs eines Mannes, der unter einem Totengeist des Re leidet]:1
Wenn ⟨sein⟩ Gesicht dem Ort ⟨zu⟩gewandt ist, wo Re ist, indem er Wasser aus seinem Munde ausspeit und groß ist [(in Bezug auf) … …], (und) [indem der Geruch] seines Mundes wie Lauch ist, dann behandele du ihn betreffend entsprechend dem Buch der Anbetung [vs. 1,5] [des Re (?)2 … …, fertige du] für ihn eine Binde / ein Band mit Achterschiffen.
Betreffs eines Mannes, der unter einem Totengeist des Ptah leidet:
Wenn er [… …, indem der Ge]ruch seines Mundes wie der eines Stieres ist, nachdem er Kräuter gefressen hat, sodass Hitze aus [seinem Munde (?)]3 kommt [… …] den Gott zufriedenstellen und die Abneigung (?)4 abzuwehren, so fertige du für ihn das Schutzband [… Gott NN], der es machte (?).
Beräuchere du ihn mit Weihrauch.
Betreffs eines Mannes, der unter einem Totengeist des Thot leidet:
[vs. 2,1]5 Wenn er mit seinen Zähnen [knirsch]t (o.ä.)6, auf seiner Zunge herumkaut, seinen Nacken von Zeit zu Zeit aufrichtet, mit seinen Gliedern […] macht, indem der Geruch seines Mundes wie eine Schweißabsonderung (verursacht) von Schlangengift, (und) Schweiß an seinen Gliedern ist, so fertige du für ihn eine Thot(figur) aus Moringaholz, eine Thot(figur) zur Reinigung, Lobpreisungen für den Mondgott für den Wunsch des Jahres, (dazu) ihre (der Hymnen) Weihopfer aus vielen Räuchermitteln, und die Thot(figur) aus Moringaholz.
Werde gegeben an seinen Hals, während er rein ist von jeglichem Fisch (d.h. er sich jeglichen Fisches enthalte).
Betreffs eines Mannes, [der unter einem Totengeist] des Osiris leidet:
Wenn er völlig ohne Bewusstsein7 ist [vs. 2,5] wie ein Mann, nachdem er gestorben ist, wobei er an seinen Füßen und seinen Händen zuckt, sein Kopf völlig starr (lit.: fixiert) ist, sein Gesicht dunkel, sein Mund verdreht, der Geruch seines Mundes wie [Myr]rhe, (und) seine Augen sich schließen:
Nachdem er sich erholt hat und in einen tiefen Schlaf für einen langen Zeitraum gefallen ist, so fertige du für ihn das Bildnis des Osiris, das des Neumondes, das des bewusstlosen Hundes, das der Vorderseite der Atefkrone, das des Kopflosen / Akephalos, (und) sämtliche Schriften zur Vertreibung des Totengeistes.
Beräuchere du ihn mit Myrrhen und mnj.
Werde gesalbt mit Fischfett, [vs. 3,1]8 Honig, sfṯ-Öl.
(Mache) .[.]. [… … … …] der Windhund, der (die Augen) verschließt [… … …].

1 Černý – Posener 1978, 5 übersetzen hier und bei den folgenden Parallelstellen immer: „Quant à un homme sous la mort de la part de (Gott NN)“, wohingegen H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 49–50 Nr. 17 es anders auffasst: „Betreffs eines Patienten, der unter dem Einfluss eines Wiedergängers / Totengeistes des (Gottes) NN steht …“. Diese Deutung wurde hier bevorzugt. Nach H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 138 Nr. 17 liegen anhand der dämonischen Einwirkungen und der geschilderten Symptome in allen Fällen Beschreibungen für Epilepsie vor.
2 Die Ergänzung von Černý – Posener 1978, 5 ist nur geraten.
3 Ergänzung nach Černý – Posener 1978, 5, aber nur geraten.
4 trj: Die Übersetzung nach Černý – Posener 1978, 6 Anm. d, und nach Wb 5, 318.12 bzw. Wb 5, 252.10–11 (twr).
5 Über Z. vs. 2,1 befinden sich noch Schriftreste eines gelöschten Textes.
6 [tj]ꜣ: Vgl. die Übersetzungen von Černý – Posener 1978, 5: „[grince (?)]“, und H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 49: „knirscht“, die diese Ergänzung nahelegen. Die Deutung dieser Vokabel ist jedoch nicht völlig gesichert. Wb 5, 241.4 hat für sie keine Übersetzung, Wb 5, 241.5 für die Form tjꜣ.w aufgrund des Determinativs („Zahn“) und des Kontextes „Schmerzen an den Zähnen“, und für das gleichlautende Verb Wb 5, 241.6 „vor Zahnschmerzen stöhnen, schreien“. Die Deutung „Zähneknirschen“ stammt von B. Ebbell, Die alt-ägyptische Chirurgie. Die chirurgischen Abschnitte der Papyrus E. Smith und Papyrus Ebers, Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo. 2. Hist.-Filos. Klasse 1939 (2) (Oslo 1939), 27, der annimmt, dass tjꜣ: „gewiß ‚Zähneknirschen‘ bedeuten muss, d.h. Trismus.“ (Die Etymologie von Trismus oder tonischer Kaumuskelkrampf ist das griech. τρίζω: „knirschen“.) Weitere Deutungen: H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 937–938 „Zahnschmerzen“ bzw. „Zahnschmerzen haben“; P. H. Chapman, Case Seven of the Smith Surgical Papyrus. The meaning of tpꜣw, in: Journal of the American Research Center in Egypt 29, 35–42, 1992, hier: 37, Anm. 11 : „jaw pain“; der Zusammenhang in Fall 7 (pSmith) „suggests pain in the lower face or jaw rather than an affliction related to the teeth per se“; T. Bardinet, Dents et mâchoires dans les représentations religieuses et la pratique médicale de l'Égypte ancienne, Studia Pohl: series maior 15 (Roma 1990), 169 und 179–185 nach Ebell: „trismus“, und das Verb tjꜣ: „serrer les mâchoires, contracter les mâchoires, serrer les dents“ (T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique. Traduction intégrale et commentaire, Penser la médecine (Paris 1995), 498: „crispation des mâchoires“, d.h. „Kieferkrampf, Kieferklemme“); R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der Antiken Welt 64, 4. Auflage (Mainz am Rhein 2006), 988: „Kaumuskelverkrampfung“; so auch W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 716; A. Brawanski, Die Fälle 1-8 des Papyrus Edwin Smith ("Schädelhirntraumafälle"), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 29, 2001, 7–39, hier:, 24 (jeweils: „Kaumuskelkrampf“) und auch G. M. Sanchez – E. S. Meltzer, The Edwin Smith Papyrus. Updated Translation of the Trauma Treatise and Modern Medical Commentaries (Atlanta 2012), 79–82, nur dass tjꜣ für sie mehr als nur das Symptom „Kaumuskelkrampf“ ist und in Fall 7 stellvertretend für das Krankheitsbild Tetanus steht (wie im Eng. „lockjaw“).
7 nqm.t: Zur Bedeutung siehe den ausführlichen Kommentar bei Černý – Posener 1978, 6–7 Anm. j.
8 Über Z. vs. 3,1 befindet sich eine Datumsangabe ꜣbd 2 ꜣḫ.t sw 2 „Monat 2 der Überschwemmung, Tag 2“, die sicher zu einem gelöschten (Verwaltungs?)Text gehört.

Text 3

Buch zur Vertreibung des nsy-Dämons und [der nsy-Dämonin … ]:
(Wenn) (?) ihr [kommt(?)] gegen den [NN], den die NN geboren hat, so wird Schu nicht aufgehen, [… …] der Nordwind wird nicht südwärts kommen, [vs. 3,5] keine Sache [… … …] den nsy-Dämon und die nsy-Dämonin, um zu verjagen die […] eines männlichen und weiblichen Feindes [… … …], nicht (?) ist (es) (?) im Körper des [NN, den] die NN [geboren hat], indem (?) [… …] nachdem ihr gesprochen habt zu Osiris selbst, dem Körperlosen [… … [vs. 4,1] … …].
Kommt herab! Kommt herab!
Nicht ich bin es, der es aussprechen wird.
Nicht ich bin es, der es wiederholen wird.
Es ist jener Feind [… … der ns.y-Dämon (?)], der verborgen ist, der vorbeigegangen ist an seinem Grab, das in dem NN, den die NN geboren hat, ist.
[…] Re, der vernichtet (?) [den männlichen und den weiblichen Feind (?)], den männlichen und den weiblichen Totengeist, den männlichen und den weiblichen Widersacher, täglich.

[Als Illustration eine Reihe von acht sitzenden Göttern, dahinter eine Feindvernichtungsszene mit Onuris (mit Doppelfederkrone), der einen gefesselten Feind mit einer Harpune aufspießt]1

1 Nr. 1 (Thot) und Nr. 6 (Chnum) der Götterreihe sind identifizierbar, Nr. 8 trägt einen kuriosen Kopfschmuck unbekannter Natur; vgl. Černý – Posener 1978, 9 Anm. (1): „La tête du huitième est surmonté d’un objet très curieux dont la nature est obscure.“

Text 4

[vs. 4,5] Buch [vom …]
Sei gegrüßt, oh kleiner Mann1, der inmitten des Himmels ist.
Komm, mögest du retten den NN, den die NN geboren hat, wie du den Schwimmenden (= Osiris) gerettet hast [am T]ag des Vereinigens mit der Erde.
Was alles Ausgeschiedene betrifft, alles Schlechte, das kommen wird [vs. 5,1] [gegen den NN, den] die [NN geboren hat]: Sie werden abgewiesen werden von dem, gegen das sie kommen werden.
Dieser Spruch werde rezitiert an einem Ohr [… …].
Werde gegeben an seinen Hals.
Ebenso wie der Zwerg, der nach der Schrift aus Wachs (zu fertigen) ist.
Werde gegeben an seinen Hals.
Wirklich vorzüglich, eine Million [Mal].
[…] alles, was geschieht, durch den Spruch, der das Versiegelte öffnet.
(Oh) Wḥꜥ, (oh) Šzp, die im Himmel sind!
Kommt, ihr sollt Osiris-[Wenennefer (?)] sehen, der in der Unterwelt ist!
Er ist alt geworden, er schläft.
Du wirst stark sein.
Deine Kehle wird nicht schwach werden, Sohn des Horus.
Ich bin deine Mutter Isis.
Du wirst nicht sterben [… …] in Heliopolis, [vs. 5,5] (krank / im Todesschlaf o.ä.) daliegend.
Zu rezitieren am Ohr eines Mannes, der todgeweiht ist.
Und du fertigst eine Figur für dich mit Beschriftung auf dem Papyrus an, die frisch gewaschen ist mit Bier, [mit Ur]in, mit [… …] (vom?) Menschen.

[Folgt als Illustration eine Zwergengestalt, die aufgrund ihrer Größe bis in die nächste Zeile reicht]

Werde zu einer einheitlichen Masse gemacht.
Werde getrunken vom Mann, der todgeweiht ist.
Ein anderes Buch (zum) Öffnen
[… …]:
[vs. 6,1] [… … Gött]in(nen), die Geister, die sind auf [.].[.] von [… …] ihn (?) die Götter [… …] gegen dich räuchern.
Was Apophis betrifft, es ist verborgen [… …] NN, den die NN geboren hat [… …].
Er [soll / wird veranlassen (?)], dass Thot zu mir kommt, der erfahren ist in seinem Buch [… …] seinen [Hof]2 mit den Zaubersprüchen des Seth […] der in seinen Armen ist, um herauszuholen das, was das Schlechte des [vs. 6,5] hkꜣ (?) ist [… …] seine Neunheit, die ermüdet gekommen ist.
Zu rezitieren über einer Figur, die mit Schrift (versehen) ist [… …] Wein […] Geschmack (?).
Werde getrunken vom Mann.

[Zu Beginn von Z. 7 folgen als Illustrationen, die sich bis nach unten in Z. 8 erstrecken, Udjat-Auge, Apophis-Schlange und etwas Unidentifizierbares]

[… …] die Götter (und) die Göttinnen.3
Zurück, Toter, Tote, Widersacher, Widersacherin [… … die (?) komm]en (?) gegen ⟨den NN⟩, den die NN geboren hat!
Ich werde gegen dich fertigen sieben Kombination (aus Amuletten?) [vs. 7,1] mit allen Göttern.
Zu rezitieren [über einer Figur des Harachte], Atum, Chepri, Schu, Tefnut, Horus, Seth, Isis, Nephthys, Upuaut, den Zwei-Göttern(?) Mjmj.t (?) und Stnwt (?)4, den [Zwei-(?)] Göttern [… (und), den …] der Dämonen der Sachmet, und den [zwei] Sonnenbarken, dem […], einzigen und edlen Auge der Sachmet, während die Götterneunheit in ihm (dem Auge?) ist […].

[Großflächige Illustrationen der genannten Götter und Symbole]5

1 nmjꜥ: Eine Bezeichnung für den Sonnengott; vgl. Černý – Posener 1978, 9–10, mit Verweis unter anderem auf einen Amulettpapyrus der 20. Dynastie sowie der Stelle pHarris 8,9f., wo dieser Bezug hergestellt wird.
2 Ergänzungsvorschlag von Černý – Posener 1978, Taf. 14 ad 4a–b (nach vs. 8,4).
3 Der in der Lücke beginnende Spruch scheint eine Einleitung besessen zu haben, wie die rubrizierten Reste nahelegen. Nach J. F. Quack, Beiträge zu einigen religiösen und magischen Texte, in: M. Collier – S. Snape (Hrsg.), Ramesside studies in honour of K. A. Kitchen (Bolton 2011), 413–416, hier: 415 gehört nṯr.w nṯr.yt noch zur Einleitung, bei Černý – Posener 1978, 10 zum der Einleitung nachfolgenden Satz.
4 Mjmj.t Stn.w: Černý – Posener 1978, 11 Anm. (b) und Taf. 15 Anm. 2a halten die Stelle für korrupt. Sie emendieren nach A. Erman, Hymnen an das Diadem der Pharaonen. Aus einem Papyrus der Sammlung Golenischeff, Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1911 (Berlin 1911), 18,7 bzw. 18,5 in die beiden Schlangengöttinnen Jm.t und Stn.t. In den Illustrationen am Ende des Spruches sitzen an dieser Stelle aber vier nicht identifizierbare, krokodilsköpfige Götter, die Göttinnen mit einer Schlange auf dem Kopf folgen erst später, daher ist diese Emendation äußerst unsicher und wird hier nicht übernommen. Černý – Posener 1978, 11 halten allerdings die krokodilsköpfigen Götter für die Dämonen der Sachmet, mit der Konsequenz, dass die Reihenfolge der Aufzählung im Text nicht mehr der der Illustration entsprechen würde.
5 Bei den Illustrationen sind der Reihe nach (sitzend) dargestellt: (Re-)Harachte, Atum, Chepri, Schu, Tefnut, Horus, Seth, Isis, Nephthys, Upuaut, vier krokodilsköpfige Gottheiten, zwei Udjat-Augen übereinander, vier Göttinnen mit Schlangen auf dem Kopf, Morgen- und Abendbarke übereinander, ein weiteres Udjat-Auge, erneut Re-Harachte.

Text 5 (vgl. Pap. Chester Beatty V vs. 4,10–6,4)

[vs. 7,5]1 Buch für den halbseitigen Kopfschmerz (lit.: die halbe Schläfe).
Betreffs des Kopfes [des NN], den die NN geboren hat, des Kopfes des Osiris-Wenennefer, [an] dessen [Kop]f [x göttliche Uräen gegeben sind], die Feuer speien um [zu veranlassen, dass du dich fernhältst vom Kopf des NN, den] die NN [geboren hat]:
Wenn du dich nicht fernhältst [von der Schläfe des] NN, den die NN [geboren hat], [so] werde ich deinen Ba verbrennen,2 ich werde dich vernichten, ich werde dich zu Fall bringen […] in / mit / aus dir, ich werde veranlassen, dass du [weggefangen wirst] … (?).
Wenn du ein Gott bist, [dann werde ich] deinen Ruheschrein niederreißen, [vs. 8,1] ich werde dein Grab, in dem du bist, zum Einsturz bringen, ich werde ver[hindern … …, werde verhindern], dass du dich unter die fähigen Ba(s) mischst, werde verhindern, dass du in das Geleit [des Horus] eintrittst.
[Wenn du nicht … … …] … (?), so werde ich Feuer geben an die Herren von Heliopolis, ich werde abschneiden den Kopf [von … … …, ich werde abschneiden] den Kopf [eines Nilpferdes] im Vorhof des Seth, [ich werde veranlassen, dass Sobek dasitzt, eingehüllt in] [vs. 8,5] die Haut eines Rebellen3, ich werde veranlassen, dass Anubis dasitzt, eingehüllt in die Haut [eines Hundes (?)4, ich werde … … …], ich werde veranlassen, dass die Sieben Hathoren auffliegen mit / als Rauch [zum Himmel, ich werde … … …].
[Dann wirst du] herauskommen aus der Schläfe des NN, den die NN geboren hat.5
Ich werde nicht für dich machen ihre […].
[Zu rezitieren über … … auf] feinem Leinen[stoff].
Werde an den Hals des Mannes gegeben.

[Folgt als Illustration ein Anubis in Canidengestalt mit Doppelkrone, mehr nicht erhalten]

1 Die Ergänzung der Lücken in der Übersetzung bei Černý – Posener 1978, 11 wurde nach dem Paralleltext Pap. Chester Beatty V vs. 4,10–6,4 vorgenommen. Hier wurde der Wortlaut aber nur dann übernommen, wo die Ergänzung völlig unzweifelhaft war. Nach dem Paralleltext scheinen die verlorenen Partien am Ende jeder Zeile etwas mehr als die Hälfte der Zeilen zu betragen! Außerdem ist der erhaltene Wortlaut nicht völlig identisch mit dem des Paralleltextes. Auch die Segmentierung wurde entsprechend des Paralleltextes vorgenommen.
2 Unterhalb der Zeile finden sich wiederum kopfüberstehende Reste eines vorher gelöschten Verwaltungstextes in Form zweier Datumsangaben.
3 ẖnj sbjw: Die Parallelstelle Pap. Chester Beatty V vs. 5,10 hat hier ẖnj msḥ „Krokodil(shaut)“. Daher ist die Ergänzung ẖnj [jw] in der nächsten Sequenz ebenfalls fraglich.
4 ẖn[j] [⸮jw?]: Siehe den vorangehenden Kommentar.
5 Unterhalb der Zeile finden sich wiederum kopfüberstehende Reste eines vorher gelöschten Verwaltungstextes, u.a. eine Datumsangabe ꜣbd 3 ꜣḫ.t sw „Monat 3 der Überschwemmung, Tag [x]“.