Magische Stele Karlsruhe H 1049

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Deutschland » (Städte H-M) » Heidelberg » Sammlung des Ägyptologischen Instituts der Universität Heidelberg

Inventarnummer: H 1049

Erwerbsgeschichte

Leihgabe des Badischen Landesmuseums Karlsruhe.

Durch Vermittlung von Dr. Carl August Reinhardt (4.2.1856–25.11.1903) in Kairo für das Badische Landesmuseum erworben und am 5.7.1899 in Karlsruhe eingetroffen (Köpstein 1996, 38, Anm. 154; Quack 2018, 14 mit Anm. 7). Reinhardt war ausgebildeter Ägyptologe und in diplomatischem Dienst. Er erwarb während seiner Zeit als Dragoman am Generalkonsulat von Kairo (11.1.1894–2.5.1899) für die Museen in Berlin, Heidelberg, Karlsruhe, Straßburg, Leipzig und London sowie für sich selbst Antiquitäten (Köpstein 1996, 36-47).

Herkunft
(unbekannt)
Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Hauptkriterium für die Datierung ist meistens die Objekttypologie, die jedoch umstritten ist. Zunächst wurde das Stück in die 22.–25. Dynastie datiert (Kákosy 1986, 104, ohne Begründung; Gutekunst 1995, 346, Anm. 162 mit Horusstele Avignon Nr. 58 als mögliches Vergleichsstück; zur Datierung der Horusstele Avignon Nr. 58 vor oder in die 26. Dynastie siehe Gutekunst 1995, 257 und 326; Sternberg-el Hotabi 1999, I, 93 mit Anm. 25 und II, 4), dann – mit Fragezeichen – in die Zeit 380–280 v. Chr. (Sternberg-rl Hotabi 1999, I, 110: frühe Hochphase). Quack 2018, 18–24 gibt als Begründung für eine Frühdatierung dieses Objekttypus in die 20.–22. Dynastie, möglicherweise sogar in die 19.–22. Dynastie, folgende Argumente: (1) Die Seth-Hieroglyphe wurde nachträglich ausgemeißelt, was mit dem Verpönen des Seth in der mittleren oder späten 22. Dynastie (oder vielleicht sogar erst in der frühen 25. Dynastie) zusammenhängt. Das Stück muss also älter sein. (2) Der seitlich schreitende und mit Lendenschurz und Stierschwanz bekleidete Gott ist typisch für Sched und hat vor allem im Neuen Reich Parallelen, vielleicht noch in der 25. Dynastie. (3) Die Anordnung der antithetischen Krokodile über die volle Breite passt zu Beispielen aus der 19.–20. Dynastie. (4) Die Form mancher Hieroglyphen findet sich zumindest in der Zeit der 19.–22. Dynastie.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der erste erhaltene Text auf der Rückseite ist ein Spruch gegen den krokodilgestaltigen Maga, Sohn des Seth, und ist bislang ohne Textparallelen. Zunächst wird gesagt, dass die Neunheit von Babylon (?) eine männliche Gottheit schützt und deren Feind abwehrt, so wie sie Maga abwehrt. Anschließend wird Maga direkt angesprochen und beschwörend zurückgewiesen. Der Text hat motivische Ähnlichkeiten mit dem sogenannten „Text C“ der Horusstelen, ist jedoch keine Textparallele.

Der unmittelbar anschließende zweite Text setzt sich auf den beiden Schmalseiten fort und ist ein Spruch gegen den Schlangendämon Apophis. Er ist durch einige Textparallelen von der späten Ramessidenzeit bis ins späte 4. Jh. v. Chr. bekannt, in denen er einmal den Titel „Erstes Buch zum Niederwerfen des Apophis“ trägt (Papyrus Bremner-Rhind = Papyrus British Museum EA 10188, Kol. 23.16–17). Den ganzen Spruch lang wird Apophis direkt angesprochen und beschworen. Die aufgerichtete Schlange soll hinunterfallen und sich zurückziehen, denn Götter wie Re, Isis, die Horuskinder und die große Neunheit von Heliopolis haben ihn gefällt, verbrannt, verzaubert, beschworen, beseitigt, usw.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Ursprünglich freistehende Stele, die entweder in einem Tempel oder in einem Privathaus aufgestellt war (Quack 2018, 14–15). Ziel war ein prophylaktischer Schutz vor gefährlichen Tieren, insbesondere Krokodile und Schlangen (Quack 2018, 97–99).

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Unteres Drittel einer magischen Stele. Höhe 18,4 + x cm; Breite 27,5 cm; Dicke 11,5 cm; Gewicht 9,8 kg. Quack 2018, 14 schätzt die ursprüngliche Höhe auf wenigstens 45 cm und das ursprüngliche Gewicht auf 25–30 kg. Auf der Vorderseite sind die Beine einer sehr stark abgeriebenen männlichen Figur erkennbar, die auf zwei Krokodilen steht. Sie ist nach rechts gerichtet (aus Zuschauerperspektive) und mit einem Stierschwanz und anscheinend einem Schendjut-Lendenschurz bekleidet. Sie hielt ursprünglich einen Löwen in der vorderen Hand und eine Schlange in der hinteren Hand. Diese Ikonographie ist typisch für den Gott Sched und für das Horuskind. Auf der Rückseite haben sich die unteren sieben Zeilen einer hieroglyphischen Inschrift erhalten, auf den beiden Schmalseiten stehen jeweils drei Textkolumnen. Berücksichtigt man den fehlenden oberen Teil, könnten auf der Rückseite ursprünglich ca. 16 Textzeilen vorhanden gewesen sein (sofern es oben kein Bildfeld gab) und fehlt auf den Schmalseiten jeweils mindestens die obere Hälfte der Textkolumnen. Als die Stele zu einem unbekannten Zeitpunkt absichtlich oder nicht absichtlich zerbrach, wurde die Bruchkante des unteren Fragments ein wenig abgearbeitet (Meißelspuren auf der Oberseite) und wahrscheinlich verbaut (Mörtelspuren), vielleicht als Pflasterstein oder in einer Türschwelle (Abriebspuren der Steinvorderseite) (s. Quack 2018, 16 und 99).

Schrift
Hieroglyphen

Quack 2018, 20 beschreibt die Schrift als: „Die Hieroglyphen (...) sind sauber und relativ ‚trocken‘ geschnitten, mit ausreichend Freiraum dazwischen und einer Tendenz zu dünnen Linien.“ Der Text fängt auf der Rückseite an, hört dort unten links auf, wird auf der links anschließenden Schmalseite (= rechte Seite aus Zuschauerperspektive) fortgeführt und endet auf der gegenüberliegenden Schmalseite (= linke Seite aus Zuschauerperspektive).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch

Der erste Text, der unvollständig ist und zu dem es bislang keine Parallelen gibt, ist Mittelägyptisch, wobei die nichtflektierte Negation n für klassisches Mittelägyptisch nn (negativer Existenzsatz) verwendet wird (so schon vereinzelt im Neuägyptischen [Erman, Neuäg. Gramm., 378 § 747]; gängig im Spätmittelägyptischen der Dritten Zwischenzeit [Jansen-Winkeln, SpMäg, 199–202, § 336, 338]).

Der zweite Text weist ebenfalls überwiegend mittelägyptische Formen auf. Ein prothetischer Imperativ j:ḫr (Z. 9) ist Neuägyptisch oder auch Altägyptisch. Eine unsichere Form ḫsff Passiv könnte nur ein altes sḏmm=f sein. Das Demonstrativpronomen twy ist ebenfalls altertümlich. Quack 2018, 60, Anm. (k) und 68–73 fragt sich deshalb, ob dieser Text eventuell schon aus dem Alten Reich stammen könnte. In der Orthographie gibt es einen Einfluss des jüngeren Ägyptischen in der Graphie .tw für Stativ .tj (z.B. x+6), aber dieses Kriterium besagt nichts über die Redaktionszeit des ursprünglichen Textes.

 

Bearbeitungsgeschichte

Zunächst knapp beschrieben und mit einer hieroglyphischen Textkopie veröffentlicht von Kákosy 1986. Vollständig ediert, illustriert und kontextualisiert von Quack 2018 (mit neuer hieroglyphischer Textkopie).

Editionen

- Kákosy 1986: L. Kákosy, Magische Stele, in: E. Feucht, Vom Nil zum Neckar (Berlin/Heidelberg 1986), 104, Nr. 235.

- Quack 2007: J. F. Quack, Magische Stele, in: S. Albersmeier, Ägyptische Kunst. Bestandskatalog Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Karlsruhe/München 2007), 48–50.

- Quack 2018: J. F. Quack, Eine magische Stele aus dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Inv. H 1049), Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 58 (Heidelberg 2018).

Literatur zu den Metadaten

- Gutekunst 1992: W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Diss. Göttingen 1992) (Trier 1995), 346.

- Köpstein 1996: S. Köpstein, Das Abklatscharchiv beim Wörterbuch der ägyptischen Sprache. Teil 2, Mitteilungen aus der Arbeit am Wörterbuch der ägyptischen Sprache 5 (Berlin 1996) (13–59: Biographie Reinhardt).

- Sternberg-el Hotabi 1999: H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Bd. 1, 110; Bd. 2, 45.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Prof. Dr. Joachim Friedrich Quack
Mitwirkende
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Spruch gegen Maga (Zeile x+1–x+4)

[… ... ...] [x+1] [die Neunheit(?)], die Herren von Babylon, beschützt ihn, so wie sie es gemacht haben (?) für [den], der in ⸢Sais⸣ ist, [sie] ⸢schützen⸣ (?) […], unseren Herrn, indem sie seinen Feind selbst töten und Maga töten, den Sohn des Seth, so wie man den Feind am ⸢Bug⸣ (?) der Barke [im] Tagesverlauf eines jeden Tages tötet.
Oh Maga, Sohn des Seth! He Maga Sohn des Seth! Dein Gesicht sei zurückgewendet gemäß unserem Leben!
Du hast keine Glieder, deine Seele ist nicht an ihrem Platz.

Spruch gegen Apophis (Zeile x+4–x+13)

Fall 〈auf〉 dein Gesicht, Apopis, weiche zurück nach hinten!
Falle, Rebell ohne Arme und ohne Füße!
[x+5] Man wird das Vorderteil der Feindgestalt (?) abschneiden.
(Fall) doch auf dein Gesicht! Du seiest gefallen, gefällt.
Re hat dich gefällt, er hat dich beseitigt, er hat dich geschädigt, er hat dich gestraft.
Du bist der Flamme verfallen, die von ihm ausging, dem Feuer, das von seiner Glut ausging.
Deine Wut wurde von Isis zurückgewiesen durch die Zaubermacht ihres Ausspruchs.
Deine Seele wurde [von Nephthys] erjagt.
[Die große Neunheit hat dich zurückgetrieben, die am Bug der Barke des Re ist.]
[Die Horuskinder haben] ihre [Spie]ße in dich gesteckt.
[Diese] Götter haben dich zurückgewiesen, [die Torwächter der geheimen Portale.]
[Ihre Glut wird gegen dich herauskommen in einem Feuer.]
[Zieh dich zurück, flieh vor ihrer Glut, vor der Feu]erflamme, die von ihren Mündern ausging.
Falle, [x+10] [kriech davon, Apopis! Zieh dich zurück, weiche, Feind des Re! Du bist gefallen in die]sem [deinem Ansturm.]
Der in seiner Barke ist, hat dich gefällt.
Zurück, [du bist beschworen! Du bist beseitigt, bist zurückgewiesen in deinem Ansturm! So falle denn!]
[Du bist zurückgewich]en, deine Seele ist geraubt, dein Fleisch wurde fortgenommen, [deine Verdammung wurde] be[siegelt.]
[Man hat Gemetzel und Schlachtung mit dir angestellt. Deine Wut wurde beseitigt, dein Schritt wurde dir genommen. Dein Fleisch wurde gegen] deine Glie[der geschlagen.]
Deine Seele wurde in die Irre geführt weg von deinem Schatten (?).
[Dein Name] wurde ausgelöscht, [deine Magie wurde beseitigt. Du seiest vernichtet! Falle, sei gefällt!]
[Du sollst] in alle Ewigkeit [nicht mehr aus die]ser [Hinrichtungsstätte herauskommen!] Du wurdest verdammt (?)!