Papyrus Ramesseum XIII
Übersetzung und Kommentar
Recto: Magische Sprüche
[X+1, 1] [---] [X+1, x+1] [---]
Die Stundenpriesterschaft [---] vollkommen(?)1 [---] Klagefrauen [---] jede/alle [---] NN, geboren von NN, der/das gekommen ist zu ihm / gegen ihn.2 [---] zufrieden, eilen [---] sich umwenden [---] er fragt / ihn fragen [---] dieser [---].
[X+1, x+5] Dieser Spruch werde über einem Zahn [---] ... (?)3 gesprochen, wobei zu ihm (?) Brot hinzugefügt werde [---] 4 Tage (?)4.
Dieser Spruch werde vier Mal rezitiert jeden/s [---]5, um ihn/es herauszuziehen.
[X+2, 1] [---]
[X+2, x+1] [---]
Zu singen:6
[X+2, x+5] [---]
[---]7
1 ꜥp⸢⸮r?⸣_.tw: Unter Meyrats p sind noch Zeichenreste vorhanden, die zu einem r oder n passen würden. Die Konsonantenfolge ꜥpn ist bislang nur für das ꜥpnn.t-Tier belegt, dessen Nennung an dieser Stelle aber recht unerwartet wäre. Die Konsonantenfolge ꜥpr wiederum lässt an die Wortfamilie ꜥpr: „ausstatten“, „vollkommen sein“ denken, allerdings passt der Zeichenrest danach nicht zu der zu erwartenden Troddel Gardiner Sign-list Aa20.
2 Satzgrenzen unklar.
3 „Zahn [---] ... (?)“: Das erste Wort ist logographisch mit dem Zahn geschrieben, aber die Hinzufügung des t macht deutlich, dass nḥḏ.t zu lesen ist und nicht etwa jbḥ. Es ist zu erwarten, dass der Zahn weiter determiniert ist, und das anschließende Wort ꜥḥꜣ verführt zunächst zu einer Lesung nḥḏ.t ꜥḥꜣ: „Zahn eines Nilbarschs“, vgl. die Verwendung des „Rückgrats“ (jꜣ.t) und anderer Knochen (ks.w) dieses Fisches in den medizinischen Texten (H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 107). Das würde jedoch erfordern, dass die beiden Wörter nḥḏ.t und ꜥḥꜣ im Genitivverhältnis zueinander stehen; allerdings sind zwischen ihnen noch Zeichenreste erhalten, nicht sich nur schwer zu einer Genitiv-Nisbe n.t ergänzen lassen. Auch würde der noch erhaltene schräge Strich vor rḏi̯ n zwar weitgehend zu einem hieratischen Fisch passen, aber eben nicht vollständig: Es ist kein Rest der dann zu erwartenden Schwanzflosse erkennbar.
4 hrw 4: Lesung unsicher; P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 337 und 99 lässt die Lesung des Wortes vor der Zahl 4 offen. Der Zeichenrest unmittelbar rechts davon hat zwar eine kleine Ecke, weist aber andererseits auch eine Rundung auf. Könnte es eine Sonnenscheibe sein? „4 Tage“ ist zumindest eine Zeitangabe, die als Anwendungsdauer von Heilmitteln sehr gut aus medizinischen Rezepten bekannt ist. Das in der nächsten Zeile stehende zp: „Mal“ scheidet als Alternative aus.
5 [___] nb: Eine Ergänzung zu [rꜥw-]nb: „täglich“ ist verführerisch, passt aber nicht zu den noch erhaltenen Zeichenresten.
6 Vor der hier als [x+6] gezählten Zeile befindet sich im Interkolumnium eine schwarze ḥs-Vase. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 99 vermutet hierin eine logographische Schreibung des Verbs ḥzi̯: „loben“. Könnte es auch ein Vermerk ḥs: „singen“ sein? Dann wäre es vielleicht ein Vermerk, dass der nebenstehende Text während der Rezitation zu singen wäre. Allerdings wäre das eine völlig ungewöhnliche Anweisung, die in der Form bislang aus magischen Texten nicht bekannt ist.
7 Der Zeichenrest am Beginn von Zeile [X+2, x+8] ist schwarz, die Zeichenreste davor rot. Es liegt aber nahe anzunehmen, dass auch diese Kolumne einen oder mehrere Zaubersprüche enthielt, die, wie derjenige der vorherigen Kolumne, mit rubrizierten Nachschriften endeten. Sofern der letzte Spruch auf dieser zweiten, fast vollständig zerstörten Kolumne also keine sehr kurze Nachschrift besaß, die komplett in den jetzt zerstörten Teil von [X+2, x+8] gepasst hat, kann man wenigstens eine weitere Kolumne [X+3] postulieren, die heute vollständig verloren ist.
Verso: Kalendarische Notiz zur Balsamierung (?)
Kolumne 1
[---]1
[(27 Tabellenzeilen zerstört)]
Kolumne 2
[(15 Tabellenzeilen zerstört)] | ||||
[(Tag) 39 | (Wochentag) 4] | ? | ... (?) | |
[(Tag) 40] | (Wochentag) 5 | ? | ... (?) | |
[(Tag) 41] | (Wochentag) 6 | ? | ... (?) | |
[(Tag) 42] | (Wochentag) 7 | 2 | ... (?) | |
Summe: sechste Reinigung.3 | ||||
[(Tag) 43] | (Wochentag) 1 | ∅ | [---] (?) | [---] |
[(Tag) 44] | (Wochentag) 2 | ∅ | [---] (?) | ? |
[(Tag) 45] | (Wochentag) 3 | [---] | [---] | ? |
[(Tag) 46] | (Wochentag) 4 | [---] | [---] | ? |
[(Tag) 47] | (Wochentag) 5 | [---] | [---] | ? |
[(Tag) 48] | (Wochentag) 6 | [---] | [---] | ? |
[(Tag) 49] | (Wochentag) 7 | [---] | [---] | ? |
Summe: [siebte] Reinigung. | ||||
[(Tag) 50] | (Wochentag) 1 | [---] | [---] | ? |
Kolumne 3
[(15 Tabellenzeilen zerstört)] | ||||
(Tag) 6[6] | (Wochentag) 3 | 4 | ||
(Tag) 67 | (Wochentag) 4 | |||
(Tag) 6[8] | (Wochentag) 5 | |||
(Tag) 6[9] | (Wochentag) 6 | |||
(Tag) 70 | (Wochentag) 7 | |||
Summe: [zehnte] Reinigung. | ||||
(Tag) 71 | (Wochentag) 1 | |||
(Tag) 72 | (Wochentag) 2 | |||
(Tag) 73 | (Wochentag) 3 | |||
(Tag) 74 | (Wochentag) 4 | |||
(Tag) 75 | (Wochentag) 5 | |||
(Tag) 76 | (Wochentag) 6 | |||
(Tag) 77 | (Wochentag) 75 | |||
[Summe: elfte Reinigung]6 |
1 Die ersten vier Zeilen könnten einen Einleitungstext o.ä. enthalten haben, s. die technischen Details in den Metadaten.
2 In dieser Zeile steht in Spalte 3 kein schwarzer Kringel mehr. Dafür ist an der Abbruchkante eine kleine dunkle Spur zu erkennen, die am Original geprüft werden müsste: Eigentlich ist sie zu klein und zu weit unten für einen Zeichenrest.
3 6.nw.t: Die Zahl ist hieratisch mit Möller-Nr. 661 geschrieben, der liegenden Zahl „6“. Dieses Hieratogramm gehört zu der hieratischen Gruppe Möller „BB: Zahlen im Datum (Monatstage)“. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass in pRamesseum XIII Monatstage gemeint seien. Vielmehr geht A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 14 (gefolgt von M. Rochholz, Schöpfung, Feindvernichtung, Regeneration. Untersuchung zum Symbolgehalt der machtgeladenen Zahl 7 im alten Ägypten, Ägypten und Altes Testament 56 (Wiesbaden 2002), 203) davon aus, dass sich die schwarz geschriebenen Zahlen in der jeweils ersten Spalte auf fortlaufende Tage beziehen und die roten Zahlen in der Spalte daneben auf Dekaden. Die Zahl nach wꜥb.t kann dann keinen Kalendermonatstag bezeichnen, weil dann unklar wäre, in welchem Verhältnis er zu den Dekaden und Tagen der anderen Spalten stünde. Vielmehr wird sie eine fortlaufende Nummerierung der Dekaden bzw. der „Reinigungen“ dieser Dekaden bezeichnen. Schon G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 1. Bis zum Beginn der achtzehnten Dynastie, 2 (Osnabrück 1965 (= 1927)), 68, Anm. 3 vermerkt zu der Gruppe BB, dass der Gebrauch dieser Zahlzeichen im älteren Hieratisch „etwas ausgedehnter als in der späteren Zeit“ sei und bspw. zur Schreibung der Ordinalzahlen diene. Dies wird hier der Fall sein; und während A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 15 in seiner hieroglyphischen Transliteration nur die Zahl selbst angibt, zeigt das Farbfoto an der Abbruchkante noch eine kleine blass-schwarze Verfärbung, die vielleicht zum Ordinalzahlsuffix gehört.
4 Die dritte Kolumne besteht im erhaltenen unteren Teil nur noch aus Tabellenspalte 1 und 2. Die Zeilen 3,16 und 3,17 sind zwar im hinteren Teil zerstört, aber vermutlich bestanden auch sie nur noch aus zwei Spalten.
5 Unter den beiden Spalten ist unbeschriebener Papyrus erhalten; diese Zeile war demzufolge die letzte der Kolumne. Die Zahl 77 bildet auch einen konzeptionell guten Abschluss der Tabelle. Links daneben scheint es keine weitere Kolumne gegeben zu haben.
6 Es ist denkbar, dass die letzte Siebenergruppe von Tagen ebenfalls durch eine Summenangabe abgeschlossen war. Möglicherweise war sie ursprünglich aufgrund des Layouts der Tabelle komplett waagerecht neben dem Eintrag von Tag 77 geschrieben und hätte damit an der Stelle gestanden, an der der Papyrus heute komplett zerstört ist.