Steingefäß Kairo CG 18490

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Egyptian Museum

Inventarnummer: CG 18490

Erwerbsgeschichte

Das Gefäß wird im Katalog von 1892 des Ägyptischen Museums von Giza (genutzt von 1890 bis 1902) erwähnt (de Morgan 1892, 175), war also spätestens seit diesem Jahr dort. Es wurde Anfang des 20. Jh. ins neue Ägyptische Museum am Tahrir-Platz transferiert (Eröffnung des Museums im Jahr 1902) und dort mit der Nummer CG 18490 versehen. Daressy publiziert in seinen „Notes et Remarques“ des Öfteren Objekte, die im selben Jahr oder kurz vorher ins Museum gelangt sind, es ist also nicht unmöglich, dass das Gefäß im Jahr 1892 oder kurz vorher in Karnak gefunden oder angekauft wurde. Weil Daressy seit 1887 als Konservator des Museums von Boulaq tätig war und anscheinend über die Herkunft des Gefäßes Bescheid wusste, ist nicht anzunehmen, dass das Gefäß schon vor seiner Zeit in das Museum gelangt war.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » östliches Ufer » Karnak

F. von Bissing (1907, 97) zitiert eine Notiz von Daressy „Karnak. Dans des maisons au nord du temple“. PM II², 300 gibt entsprechend als Herkunftsangabe „found in village north of Great Temple“. Daressy selbst (1893) schreibt nur „Karnak“.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 26. Dynastie » Psammetich I. Wahibre

Die Datierung basiert auf der Nennung von Psammetichus I. als Begünstigter der ad-hoc-Umarbeitung eines magischen Spruchs. Daher ist anzunehmen, dass dieses Gefäß während seiner Regierung hergestellt worden ist.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Text enthält den Anfang von Horusstelenspruch „B“. Der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen hat zum Ziel, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, der Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen werde das Gesicht umgedreht bzw. ihnen drohe die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden beschütze. Der Zauberer identifiziert sich anschließend mit Chnum und befiehlt dem Angreifer, zurückzuweichen, sonst werde er zerstückelt. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in denen ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden ist und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen hat.

Auf dem Gefäß ist die Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott vorhanden, dass er Thoth ausschicken möge, um Nehaher abzuwehren, denn Osiris ist auf dem Wasser. Anschließend werden die Angreifer auf dem Wasser direkt angesprochen: Sie sollen ihr Gesicht nicht gegen Osiris, der auf dem Weg nach Busiris ist, erheben. Danach wird ein Rebell (Singular!) konkret angesprochen: Er solle sein Gesicht nicht gegen Osiris erheben und auch nicht gegen König Psammetichus.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Quack thematisiert dieses Gefäß in seiner Amulettforschung. Er nimmt an, dass man in ein solches Gefäß Flüssigkeiten einfüllte, die durch die Aufschrift entweder magisch gesichert oder magisch aufgeladen wurden, wodurch sie beim Trinken oder beim Waschen besonders heilkräftig wurden (Quack, 2022, 146). Vermutlich war ein solches Gefäß eine Utensilie eines heilenden Priesters. Kákosy (1999, 22) schreibt „Obviously, the water in the vase was credited with healing power.“

Material
Nicht Organisch » Stein
Objekttyp
Artefakt » Behälter » Gefäß
Technische Daten

Hohes Gefäß mit schmalem Hals, zwei kleinen Henkeln unterhalb des Halses und einem runden Boden. Daressy 1893 spricht von einem herzförmigen Gefäß. Das Gefäß ist 23 cm hoch, die „Breite“ beträgt „oben“ 5 cm (größter Durchmesser ist laut Zeichnung ca. 10 cm). Das Gefäß ist in schlechtem Zustand: Ein Henkel fehlt komplett, ebenso ein großes Stück des Bauches.

Von Bissing beschreibt das Gestein als „Graugrüne[n] Stein mit weissen Adern (Seifenstein?)“, Daressy hat „pierre saponaire“. Gemeint sein könnte Speckstein oder Steatit. Ein ähnliches Gefäß in London (BM EA 37256) wird ebenfalls beschrieben als „grey-green stone with white veining“, diesmal mit dem Zusatz „probably green brecchia“ (Andrews 1998, 297).

Die obere Hälfte des Gefäßes ist mit Darstellungen und Texten versehen, deren Anordnung nach der Beschreibung von von Bissing nur teilweise nachvollziehbar ist (ein Foto ist bislang nicht publiziert). Unterhalb des Halses findet sich ein breiter Bildstreifen mit als zentraler (?) Darstellung eine Stele von Horus auf den Krokodilen, überragt von einem Beskopf. Horus ist nach rechts orientiert. Hinter ihm sind die Füße von zwei Personen erhalten, die zweite Person könnte eine Darstellung des Gottes Min oder Amenemope o. ä. sein. Anschließend kommen ein widderköpfiger Gott mit Atefkrone (ohne Beischrift), ein Mann mit zwei gekreuzten Schlangen (Name: Neb-hekau) und der falkenköpfige Sonnengott Re. Über dem erhaltenen Henkel steht „Vorderster von Hebenu“, was sich auf den Falken auf dem Rücken einer Antilope jenseits des Henkels bezieht. Unter der Darstellung von Horus auf den Krokodilen gibt es eine weitere Darstellung einer thronenden Isis mit dem Horuskind auf dem Schoß. Darunter findet sich eine fünfzeilige Dedikationsinschrift. Unterhalb des breiten Bildstreifens und zu beiden Seiten der Isisdarstellung steht eine vierzeilige Inschrift mit einer Variante des Horusstelentextes „B“.

Schrift
Hieroglyphen

Texte und Darstellungen sind laut von Bissing (1907, 98) eingraviert, nicht aufgemalt (contra Gutekunst, 344).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Das Gefäß wurde zunächst von Daressy im Jahr 1893 beschrieben, der dessen Texte mit Druckhieroglyphen veröffentlichte. Von Bissing (1907) lieferte eine Skizze der Gefäßform und eine erneute Abschrift des Textes in Druckhieroglyphen. Der wichtigste, von Horusstelenspruch „B“ abweichende Satz zugunsten Psammetichus I. wurde von Gutekunst (1995, 276) übersetzt. Jansen-Winkeln (2014) lieferte eine Teilabschrift des hieroglyphischen Textes.

Editionen

- von Bissing 1907: W. von Bissing, Steingefässe, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire Nos 18065–18793 (Vienne 1907), 97–98 und Taf. 3.

- Daressy 1893: G. Daressy, Notes et Remarques, in: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l’archéologie égyptiennes et assyriennes 14, 1893, 20–38, hier: 38, Nr. 59.

Literatur zu den Metadaten

- Andrews 1998: C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Part. I. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 297.

- Borghouts 1971: J. F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 51 (Leiden 1971), 132, Anm. 304.

- Gutekunst 1995: W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 258, 270, 276, 280 und 344.

- Jansen-Winkeln 2014: K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit. Teil IV: Die 26. Dynastie. Band 1: Psametik I. – Psametik III. (Wiesbaden 2014), 211–212, Nr. 53.350.

- Kákosy 1999: L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999).

- de Morgan 1892: J. de Morgan, Notice des principaux monuments exposés au Musée de Gizeh (Le Caire 1892), 175, Nr. 714 (eine weitere Auflage: (Le Caire 1895), 183, Nr. 714).

- Porter – Moss 1972: B. Porter – R. Moss et al. (Hrsg.), Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings II. Theban Temples (Oxford 1972²), 300.

- Quack 2022: J. F. Quack, Altägyptische Amulette und ihre Handhabung, Orientalische Religionen in der Antike 31 (Tübingen 2022), 145–146.

- O’Rourke 2015: P. O’Rourke, A Royal Book of Protection of the Saite Period, Yale Egyptological Studies 9 (New Haven 2015), 42, Anm. N.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Horusstelentext B = Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[1] Oh alter Mann, der sich zu seiner Zeit verjüngt, (oh) Greis, der als Jugendlicher agiert (wörtl.: den Jugendlichen spielt), mögest du veranlassen, dass Thoth zu mir auf meine Stimme hin kommt, damit er für mich das Wildgesicht1 (Neha-her) (oder: die Wildgesichter) vertreibt.
Osiris ist auf dem Wasser, das Horusauge ist bei ihm. Der große Flügelskarabäus ist in seiner Faust.
Erhebt nicht euer Gesicht, (ihr) Rebellen, bis Osiris an euch vorbeigegangen sein wird! (Denn) siehe, er ist auf dem Weg nach Busiris.
Versperrt wurde euer Maul, blockiert/verstopft wurde euer Schlund!
Erhebe dein Gesicht nicht gegen Osiris! Erhebe dein Gesicht und dein Übel (oder: und deinen Stachel2) nicht gegen den guten Gott Wah-ib-Re, den Sohn des Re Psammetichus (I.), der ewiglich leben möge.

1 Ist hier mit dem Feinddeterminativ und Pluralstrichen versehen. Man erwartet eigentlich ein Krokodil oder eine Schlange, in hieratischen Texten auch ein Götterdeterminativ oder ein Feinddeterminativ, jedoch keine Pluralstriche.
2 ꜥb=k: Gutekunst 1995, 276 mit Anm. 642 versteht ꜥb konkret als „Horn“ im Sinne von „Stachel“ und nicht als das Abstraktum „Unheil“. Wenn man bei „Gesicht“ konkret an das Maul des Krokodils oder der Schlange denkt, dann würde „Stachel“ nicht wirklich passen, es ergäbe nur bei einem Skorpion einen Sinn.

Bildfeld mit Isis

Harpokrates von (?) 〈Ro〉-setau (?).
Die Gottesmutter, die Vorsteherin (?) von Rosetau.
(Die Stifterin) Isis-ist-in-Chemmis, die Tochter des Gottesvaters (des Ptah (?)) Di-Ptah-iau, überdauert (?) ewiglich. Tue deshalb Gutes (?) (oder: (Die Stifterin) Isis-ist-in-Chemmis, die Tochter des Gottesvaters (des Ptah (?)) Di-Ptah-iau-men-neheh, geboren von (der Frau) Neferheres.)!)

Bildfeld an der Horusstele

[...], der Leben gibt.
Herr-der-Magie.
Re.
Der-Vorderste-von-Hebenu.