Keramikgefäß Giseh Museum 2399

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Gisa

Inventarnummer (ehemals): 2399

Erwerbsgeschichte

Das Gefäß befand sich im Jahr 1898 im damaligen ägyptischen Museum von Giseh (einem ehemaligen Palast von Khedive Ismail, das in den Jahren 1890–1902 als Museum genutzt und in dessen Garten später Cairo Zoo angelegt wurde) und hatte dort die Inventarnummer 2399. Über seine Aufbewahrung im heutigen Ägyptischen Museum am Midan Tahrir ist nichts bekannt.

Herkunft
(unbekannt)

Laut R. Schiestl (E-Mail an P. Dils, 04.10.2022) sind verwandte Gefäßformen bislang nur aus Gräbern und nur aus Mittel- und Oberägypten belegt.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Erste Zwischenzeit bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Mittleres Reich » 12. Dynastie » Amenemhet I. Sehetepibre

Die Inschrift wurde während des Herstellungsprozesses des Topfes angebracht. F. von Bissing benutzt die Paläographie der hieroglyphischen Formen, die ihn an Papyrus Prisse und an Sinuhe-Handschriften erinnern. Er möchte deshalb eine Datierung im Mittleren Reich, eher am Anfang, ansetzen. Er meint, dass der dicke Ton, die „plumpe Form“ und die rote Engobe nicht mit einer Datierung im früheren Mittleren Reich im Widerspruch seien (von Bissing, 122). Soweit sich die Form des Gefäßes nach dem Foto bestimmen lässt, ähnelt sie am ehesten den dekorierten Standgefäßen mit (Schein-)Tülle und Wellenrand von Seidlmayer (1990, 172–174, Nr. K-B63.01-05), wie sie in der Nekropole von Qaw el-Kebir vertreten sind (Brunton 1928, Taf. 88, Nr. 92F, 93K; Taf. 91, Nr. 92G, 92H; Taf. 92, Nr. 93). Sie gehören in seine Sequenzabschnitte IIA-IIIB, die jedoch in Qaw schwer genauer als grob Erste Zwischenzeit zu datieren sind. R. Schiestl (E-Mail an P. Dils, 04.10.2022) vermerkt, dass unsere Gefäßform ihm nicht exakt von anderswo bekannt ist, aber dass verwandte Formen im sehr frühen Mittleren Reich (Mitte der 11. Dynastie, Mentuhotep II.) bis Amenemhat I. belegt sind (vgl. Schiestl und Seiler 2012, Typen II.A.4 [kleiner], II.D.12.b [ohne Tülle], II.E.5 [mit Scheintülle und kleiner]), allerdings ihre Anfänge oder Vorläufer in der Ersten Zwischenzeit haben. Deshalb würde er unser Gefäß ohne genaueren Kontext allgemein in die Erste Zwischenzeit einordnen. D. Raue (E-Mail an P. Dils, 23.09.2022) verweist für den religiösen Text auf eine Scherbe eines bauchigen Gefäßes aus Elephantine mit einer mythologischen Szene auf der Schulter, die eingeritzt wurde, bevor eine rote Engobe aufgetragen wurde. Sie datiert aus der 11. Dynastie (Raue 2018, 211), aber zu wenig ist von der Gefäßform erhalten, um als Parallele wirklich verwertbar zu sein.

 

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Kurzer Satz mit Hathor als Subjekt, die jeden männlichen und weiblichen Totengeist niederwerfen möge, der/die gegen das Leben (oder: den Lebenden) handelt.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Inschrift erweckt den Eindruck, dass das Gefäß in einem Ritual verwendet wurde, in dem die Göttin Hathor Totengeister bezwingen sollte.

Material
Künstliche Materialien » Keramik
Objekttyp
Artefakt » Behälter » Gefäß
Technische Daten

Bauchiger Topf (geschlossenes Gefäß) mit flachem Boden, prononcierter Schulter und kurzem Hals mit weit geöffnetem, welligem Rand. Schnurverzierung auf der Schulter und wulstiger Übergang von Schulter zu Hals. Ab dem Übergang von Schulter zu Hals ist ein „Rohr“ eingearbeitet, das sich bis zum oberen Rand, mit dem es durch zwei „Buckel“ aus Ton verbunden ist, fortsetzt und eine separate Öffnung neben der regulären Öffnung des Topfs bildet (eine Art Ausgusstülle). Höhe 22,7 cm, Breite „oben“ 12 cm (von Bissing, 122), größte Breite am Bauch vermutlich ca. 25 cm (nach den Foto eingeschätzt). Die Keramik ist auf der Außenseite, auch unten auf dem Boden und innen am Hals mit einer hellen roten Engobe überzogen. Auf der Schulter befindet sich eine deutlich lesbare, linear-hieroglyphische Inschrift, die eingraviert wurde, bevor der Topf getrocknet, mit Engobe überzogen und gebrannt wurde (von Bissing, 122).

Schrift
Hieroglyphen » Kursivhieroglyphisch

„Deutlich lesbare linear-hieroglyphische Inschrift“ (von Bissing, 122). Von rechts nach links in sehr kurzen Kolumnen von jeweils zwei bis drei Hieroglyphen hoch eingraviert, wobei die Lesung einige Male „horizontal“ ausgreift, bevor sie in der Kolumne nach unten weitergeht. Quack (2022, 146) spricht von „mittelhieratischer Schrift“ und auch von Bissing nennt „Formen, die wir in der ältesten Cursive, z.B. im Papyrus Prisse und Sinuhe finden“, wobei er vor allem die Eule und die Haushieroglyphe erwähnt. Allerdings scheint das, was auf dem Foto bei von Bissing erkennbar ist, eher eine kursive Hieroglyphe als hieratisch zu sein. Die Eule ist tatsächlich die hieratische Form Möller, Paläographie I, Nr. 196 (G. Möller, Hieratische Paläographie: Die aegyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit 1 (Leipzig 1909)), aber sie findet sich so auch in kursivhieroglyphischen Texten.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Von F. von Bissing im Jahr 1898 mit einem Foto mäßiger Qualität und einem Text in Bleihieroglyphen publiziert. Das Objekt wird u.a. von Borghouts (1971) und Quack (2022) erwähnt, aber eine eingehendere Untersuchung der Gefäßform oder ein gutes Foto der Inschrift fehlen bislang.

Editionen

- von Bissing 1898: F. von Bissing, Altägyptische Gefäße im Museum zu Gise, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 36, 1898, 122–126, hier: 122–123.

Literatur zu den Metadaten

- Borghouts 1971: J. F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 51 (Leiden 1971), 132, Anm. 304.

- Brunton 1928: G. Brunton, Qau and Badari II, British School of Archaeology in Egypt 45, 29th year (London 1928).

- Quack 2022: J. F. Quack, Altägyptische Amulette und ihre Handhabung, Orientalische Religionen in der Antike 31 (Tübingen 2022), 146.

- Raue 2018: D. Raue, in: P. Kopp, Elephantine XXIV. Funde und Befunde aus der Umgebung des Satettempels, Archäologische Veröffentlichungen 104 (Wiesbaden 2018), 211 (Nr. 447) mit Abb. 85 und Taf. 19g.

- Schiestl – Seiler 2012: R. Schiestl – A. Seiler, Handbook of Pottery of the Egyptian Middle Kingdom. Volume I: The Corpus Volume, Österreichische Akademie der Wissenschaften. Denkschriften der Gesamtakademie 72 (Wien 2012).

- Seidlmayer 1990: S. J. Seidlmayer, Gräberfelder aus dem Übergang vom Alten zum Mittleren Reich, Studien zur Archäologie der Ersten Zwischenzeit, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 1 (Heidelberg 1990).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Widmung für Hathor

Hathor an der Spitze eines jeden Gottes: möge sie jeden männlichen Totengeist und jeden weiblichen Totengeist (?), der/die gegen das Leben (oder: einen Lebenden) handelt/n, niederwerfen.
Hathor, die vor jedem (anderen) Gott herauskommt (oder: Hathor an der Spitze eines jeden Gottes), möge sie jeden männlichen Totengeist und jeden weiblichen Totengeist (?)1, der/die gegen das Leben (oder: einen Lebenden) handelt/n, niederwerfen.

1 Von Bissing, Borghouts und Quack erkennen nur ein Objekt, allerdings unterschiedlichen Genus: „jedes Tödtliche“, „all the dead ones“ bzw. „jede Totendämonin“. Es ist wegen des doppelten Determinativs jedoch möglich, dass eine gespaltene Kolumne mit zwei feindlichen Kategorien vorliegt.