Ostrakon Glasgow D.1925.79 = Ostrakon Colin Campbell 14

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte D-J) » Glasgow » Hunterian Museum

Inventarnummer: Ostrakon Glasgow D.1925.79
Inventarnummer (von Gardiner intern vergeben): 14

Erwerbsgeschichte

Aus der Sammlung von Ostraka von Reverend Dr. Colin Campbell (1848–1931), der sie vermutlich in den Jahren ab 1904, als er im Winter mehrfach in Ägypten war, in Luxor angekauft hat (ein ptolemäisches Ostrakon trägt den Vermerk "June: 1907"). Dr. Colin Campbell war protestantischer Geistlicher (reverend) in Dundee (1882–1904), später Dozent (lecturer) in Ägyptologie in Edinburgh (1916–1922). Die Ostrakasammlung war im Jahr 1924 oder schon früher in London, wo A.H. Gardiner 20 Stück kopierte, darunter das Ostrakon, dem er die Folgenummer 14 gab. Colin Campbell hat sie zusammen mit Papyri und Kopien von thebanischen Grabmalereien dem Hunterian Museum der Universität in Glasgow geschenkt, wo sie im Jahr 1925 erstmals inventarisiert wurden (daher die Inventarnummer mit dem Element 1925). Weitere Teile seiner Sammlung gingen an das Royal Museum of Scotland (Edinburgh) und an das Dundee Museum (heute: The McManus).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Aus inhaltlichen Kriterien und vom Material her stammen die Ostraka von Colin Campbell wahrscheinlich alle aus dem Umfeld der Arbeitergemeinschaft von Deir el-Medina, entweder aus dem Dorf selbst oder aus Medinet Habu, wohin die Arbeitergemeinschaft am Ende der 20. Dynastie hin zog (McDowell 1993, 1). Personen, die auf einigen administrativen Ostraka genannt werden, sind als Mitglieder der Arbeitergemeinschaft von Deir el-Medina bekannt, während das einzige ptolemäische Ostrakon von Colin Campbell den Vermerk "Medinet Habu" trägt. Angenommen wird, dass auch alle literarischen Ostraka, darunter Ostrakon Glasgow D.1925.79 = Ostrakon Colin Campbell 14, der Arbeitergemeinschaft gehört haben.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

McDowell 1993, 18 äußert sich nicht zur Datierung. In der Annahme, dass das Ostrakon in das Umfeld der Arbeitergemeinschaft von Deir el-Medina gehört, stammt es aus der 18. bis 20. Dynastie, wobei die überwiegende Zahl solcher Ostraka in die 19. und 20. Dynastie datiert. Der allgemeine paläographische Eindruck passt zu einem ramessidischen Text. Der Text ist eine Kopie einer Beschwörung von Skorpionen, die sich auf Papyrus Leiden I 349, Kol. 1.1–5 findet, welcher aus der Zeit Ramses’ II. oder unmittelbar vorher stammt.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Spruch ist eine Parallele zum ersten Spruch auf Papyrus Leiden I 349, Kol. 1.1–5, der zum Ziel hat, einen Skorpion zu fassen, sein beißendes Maul (sic!) zu greifen und zu verhindern, dass sich sein Gift im Körper ausbreitet. Der Text auf dem Ostrakon ist zu schlecht erhalten, um ohne die Papyrusversion gelesen werden zu können, und kann die Lücken im Papyrus nicht schließen, zumal es kleine Unterschiede zwischen beiden Versionen gibt. Das Wort „Skorpion“ ist auf dem Ostrakon nicht erhalten und der Platz auf dem Ostrakon reicht nur für die erste Hälfte des Leidener Textes. Das Gift, das als Feindin von Re und Thoth bezeichnet wird, wird zum Anhalten aufgefordert. Der Zauberer identifiziert sich mit Horus, der aus Busiris gekommen sei und in Abydos verbleibe, um etwas zu suchen und Osiris zu beerdigen. Eine Schlangengöttin wird in Busiris herbeigewünscht. In den anschließenden Spuren ist von der Sonne, der großen Neunheit und Horus die Rede, die letzten Zeilen sind unleserlich.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Unbekannt.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

11,3 × 17,5 × max. 4 cm (Höhe × Breite × Dicke). Dicke Scherbe Kalkstein mit Einschlüssen von Feuerstein, oben etwas schmaler als unten (von der Vorderseite aus gesehen). Sie wurde beschriftet mit 6 Zeilen auf der flachsten Seite ("Vorderseite"), einer Zeile auf der "unteren" Dicke, 6 Zeilen auf der "Rückseite" und 2 Zeilen auf der zweiten länglichen Schmalseite. Der untere Rand der Vorderseite ist der obere Rand der Rückseite.

Das Ostrakon war schon zu Gardiners Zeiten nur noch teilweise lesbar, wobei vor allem die Rückseite und die zweite Schmalseite extrem verblasst sind.

Schrift
Hieratisch

Der Text wurde nur in schwarzer Tinte geschrieben, ohne Verwendung von roten Gliederungspunkten. Der Schreiber verzichtete gänzlich auf Ligaturen und schrieb eher ungelenke Zeichen.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Die zugrundeliegende Grammatik entspricht der des Mittelägyptischen, aber die besser erhaltene Version von pLeiden I 349 weist in der Verwendung des bestimmten Artikels und des proklitisches Pronomens tw= im Präsens-I Neuägyptizismen auf.

Bearbeitungsgeschichte

A. H. Gardiner machte eine erste Abschrift des Ostrakons (im Jahr 1924 oder früher), die in einem seiner Notebooks erhalten ist. Das Ostrakon wurde durch A. G. McDowell 1993 in Übersetzung, hieroglyphischer Umschrift und Freihandzeichnung des hieratischen Originals publiziert. Die Identifikation des Textes als eine Parallele zum Anfang von pLeiden I 349 gelang H.-W Fischer-Elfert (erwähnt bei McDowell).

Editionen

- de Buck – Stricker 1940: A. de Buck – B. H. Stricker, Teksten tegen schorpioenen naar pap. I 349, in: Oudheidkundige Mededeelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 21, 1940, 53–62 und Falttafel.

- A. H. Gardiner, Notebook 49.9 (24.11.2023)

- McDowell 1993: A.G. McDowell, Hieratic Ostraca in the Hunterian Museum Glasgow (The Colin Campbell Ostraca) (Oxford 1993), 18–19 und Taf. XVIII-XIXa.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Beschwörung eines Skorpions1

[Rto. 1] Anfang der Beschwörung der 〈...〉-Tiere (?, Skorpione?), um ein beißendes Maul zu packen, um zu verhindern, dass das/dieses Gift herumzieht.
Bleib stehen! Bleib stehen (wörtl.: zweimal), du Widersacherin (?) des Re (?), du Feindin des Thoth3, du Vierergruppe (?) von Ach-Geistern (??)4, [Rto. 5] die man nicht kennt (?).
Ich bin Horus, der aus Busiris gekommen ist, der die Nacht verbringt in Abydos, um [zu suchen (?)6 ... ...] ...?...-Gebäude (?) der Großen, um sie zu bestatten, die Väter (?) [Vso. 1] des (?) Re (?)5.
Oh [große] Sch[emmit-Schlange (?), die im Erdboden ist, man wünscht sich dich herbei]7 in Busiris.
[... ... ...] dich beschwören (?), während [Vso. 5] das Licht / die Sonne [für] dich (?) aufgeht,
während die Große Neunheit [stillsteht]. Horus hat ergriffen (?)8 [Oberseite, 1] [... ... ...]

1 Textparallele auf pLeiden I 349, Kol. 1.1–5 (= Spruch 1).

2 Eine kleine Ecke von der Größe eines Quadrats könnte am Anfang des Ostrakons fehlen. Auf pLeiden I 349, Kol. 1.1 steht hier: "Spruch des Einfangens eines Skorpions, um den beißenden Mund zu packen, ...", aber es gibt keine Möglichkeit, in den vorhandenen Zeichenresten das Verb ṯꜣi̯: "packen" oder die Skorpionbezeichnung ḏnr.t/ḏꜣr.t/ḏl.t in irgendeiner Schreibweise zu erkennen. Die Spuren passen besser zu: "Anfang der Beschwörung der ꜥḫw-Krankheit", belegt auf dem Medizinischen Papyrus London BM EA 10059, Kol. 14.1 (alt 8.1); vgl. "Anfang der Beschwörung der ḫsd-Geschwulst" auf oBerlin P 9898 und "Anfang der Beschwörung eines Brandes" auf pLeiden I 348, Vso 3.1.

3 McDowell 1993, 18 übersetzt: "Stop! Stop! th[is ...] of the day of the enemy (of) Thoth". Die Zweiteilung "Widersacherin des Re" und "Feindin des Thoth“ passt jedoch inhaltlich besser.

4 Sehr unsicher. Auf pLeiden I 349, Kol. 1.2 ist die Zahl 4 in roter Tinte geschrieben, die Spuren des dort nachfolgenden Wortes passen jedoch nicht für ꜣḫ.w: "Ach-Geister". Für die 4 Achs, siehe H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin/München/Boston 2015), 126-127.

5 Auf pLeiden I 349, Kol. 1.2 steht: "man weiß nicht, dass ich Horus bin".

6 Ergänzt nach pLeiden I 349, Kol. 1.2, der nach diesem Wort abbricht.

7 Ergänzungen gemäß pLeiden I 349, Kol. 1.3.

8 Die Spuren der letzten Zeilen entsprechen pLeiden I 349, Kol. 1.4, der dort am Anfang ebenfalls stark beschädigt ist, weshalb keine sichere Lesung möglich ist. Die unleserlichen Spuren auf der oberen Schmalseite des Ostrakons lassen sich nur mit vielen Unsicherheiten in den Wörtern von pLeiden I 349, Kol. 1.5 erkennen. Falls richtig, reicht der Platz auf dem Ostrakon nicht aus für die vorangehende Passage von pLeiden I 349, Kol. 1.5.