Papyrus Budapest 51.1961 + Papyrus Turin CGT 54058

Metadaten

Wissensbereiche
Schlagwörter
Alternative Namen
pTurin Cat. 2106/384 pTurin Cat. 2107/416
Aufbewahrungsort
Europa » Ungarn » Budapest » Szépmüvészeti Múzeum (Museum of Fine Arts), Europa » Italien » (Städte Q-Z) » Turin » Museo Egizio

Der Papyrus ist heute auf zwei Museen verteilt. Der vordere Teil lagert im Museum of Fine Arts Budapest (Szépművészeti Múzeum Budapest), der hintere im Museo Egizio in Turin. Fragmente einer Kolumne finden sich in beiden Museen.

Erwerbsgeschichte

Laut Kákosy ist die Erwerbungsgeschichte der Budapester Fragmente unbekannt (Kákosy 1971, 159 = 1981, 239), aber Edith Varga hat Roccati darüber informiert, dass sie am Ende des 19. Jhs. in Kairo angekauft wurden (Roccati 1979, 555; die Begründung für diese Aussage lässt sich aktuell nicht nachweisen: E-Mail von Katalin Kóthay an P. Dils vom 02.02.2021). Der Papyrus war spätestens im Jahr 1933 Teil der Sammlung des Hungarian National Museum, denn Gardiner hat den Papyrus dort irgendwann abgeschrieben, wie Dawson in einem Artikel von 1933 erwähnt (Dawson 1933, 137). Im Jahr 1934 wurden die Fragmente mit allen übrigen ägyptischen Objekten vom Hungarian National Museum zum Museum of Fine Arts transferiert, aber erst 1951 inventarisiert.
Laut Roccati stammen die Turiner Fragmente „sans aucun doute“ aus der Sammlung Drovetti, die ca. 1820 zusammengetragen worden ist (Roccati 1979, 555). Die beiden größten Fragmente tragen die Nummern Cat. 2106/384 und Cat. 2107/416, die nahtlos Kol. 4 von pBudapest vervollständigen, und werden schon im Katalog von 1882 der Turiner Sammlung aufgelistet (Fabretti – Rossi – Lanzone 1882, 279).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer

Die Erwerbungsgeschichte der Budapester Fragmente erlaubt keine Auskunft über die Herkunft bzw. den Fundort. Allerdings stammen die Turiner Fragmente zweifellos aus dem Umfeld von Deir el-Medineh, was also eine Provenienz aus Theben-West absichert (Roccati 2001, 419).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Kákosy 1971 datiert den Papyrus „aufgrund der Zeichenformen und des Schriftcharakters“ in die späte 18. oder frühe 19. Dynastie (ca. 1320–1260 v. Chr.) und vergleicht die Schrift mit der des magischen Papyrus Harris und des Papyrus Chester Beatty IX (Kákosy 1971, 159–160 = 1981, 239–240). Der Papyrus Chester Beatty IX datiert wahrscheinlich aus der Zeit Ramses’ II., aber der magische Papyrus Harris wird heute deutlich später als bei Kákosy 1971 datiert: eher in die (spätere) 20. Dynastie. Die Verwendung des herabschwebenden Vogels (G41) in Schreibungen von bꜣ (Kol. 2.3) passt jedenfalls zu der Zeit nach der 18. Dynastie, ähnlich wie die Form des Dechsels (U19) (Caminos 1956, 2 und 23). Kákosy 1981, 254 revidierte seine frühere Meinung und datierte den Papyrus in die späte 19. oder den Anfang der 20. Dynastie. Roccati 1979, 555 meint, das eine Datierung in die Zeit Ramses’ II. gut passen würde. Die grammatischen Merkmale und die Orthographie würden tatsächlich für eine Datierung in die frühere und nicht in die spätere Ramessidenzeit plädieren, denn es wäre zu vermuten, dass sonst mehr Neuägyptizismen in der Sprache und zweifelsohne in der Orthographie auftauchen würden.

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

Der Text besteht aus mindestens 8 Kolumnen mit mindestens 15 Sprüchen. Der Titel ist nicht erhalten und alle Zaubersprüche fangen mit „ein anderer Spruch“ an, was vermuten lässt, dass alle dem selben Zweck dienen – sicherlich Schutz gegen bestimmte Arten von Kopfschmerzen. Der Begünstigte der Beschwörungen ist „(Herr) NN, den (Frau) NN geboren hat“, der Text hat also Handbuchcharakter und ist kein angewandter Zauber. Die Sprüche sind kurativer Natur. In fast allen Fällen, in denen die Handlungsanweisung erhalten ist, werden unterschiedliche Arten von Binden mit Knoten versehen und an den Kopf des Patienten gelegt (im ersten Spruch an den Hals). Häufig findet auch die pflanzliche Substanz mꜣt.t n.t św.t während der Rezitation einzelner Sprüche Verwendung. In den meisten Beschwörungen geht es um einen Schutz des Kopfes, der „Hälfte des Kopfes“ (vgl. die Etymologie von „Migräne“ als „halber Kopf“) und der Schläfe, manchmal werden auch das Auge, die Finger, den Unterleib oder die Schenkel genannt. Die Dämonen (Untote/Wiedergänger und andere schädliche Wesen) sollen aus dem Patienten „ausfließen“ und keine schädliche Einwirkung gegen den Kopf oder irgendein anderes Körperteil entfalten. Der Text setzt sich aus mehreren Beschwörungen/Anrufungen zusammen, von denen die erhaltenen eindeutig gegen Einwirkungen böser Geister vorgehen. Dabei werden Drohungen, Amulette (deren genaue Herstellung und Applikation in den Kolophonen/Handlungsanweisungen beschrieben werden), Anrufungen an Götter und Historiolae (eher Anspielungen auf als Auszüge aus Mythen, v.a. die Gleichsetzung des Geschädigten mit Horus) eingesetzt, um die bösen Entitäten zum Verlassen des Kopfes des Patienten zu zwingen (Kákosy 1971, 160–162).
Spruch 8 auf Kol. 4 des Budapester/Turiner Papyrus ist identisch mit Spruch 8 des Papyrus Leiden I 348 (Rto 3.8–4.3). Die unpublizierten vier Kolumnen am Ende der Turiner Fragmente enthalten mindestens sechs Sprüche und haben laut Roccati weitere Textparallelen in den Sprüchen 12, 7, 18 und 17 des Papyrus Leiden I 348 und in Sprüchen des Papyrus Chester Beatty V (Roccati 2001, 419 mit Anm. 3). Zwischen den Sprüchen, die den Sprüchen 8, 12, 7 und 18 von Papyrus Leiden entsprechen, befinden sich zwei weitere, nicht identifizierte Sprüche (Roccati 1979, 555).
Es ist noch unklar, ob auf der Rückseite etwas geschrieben war oder nicht. Kákosy 1971 erwähnt auf der Rückseite „Reste eines verblaßten – anscheinend von einer anderen Hand geschriebenen – Textes“ (1971, 159 Anm. 1 = 1981, 239 Anm. 1), während Roccati (1979, 555) vermerkt: „Le verso n’a pas été utilisé, ou alors il a été postérieurement effacé“. Auf der Rückseite eines unpublizierten Turiner Fragments (in Höhe von Roccati’s Kol. 6) findet sich die Zeichnung einer aufgerichteten Kobra (?), aber kein Text. Vielleicht war nur der Anfang des Versos beschriftet (unter der Annahme, dass Anfang Recto = Anfang Verso; Unterseite Recto = Oberseite Verso).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Aufgrund der Natur des Textes, eine Spruchsammlung zu einem einheitlichen Thema (Kopfleiden) und nicht für eine spezifische Person zusammengestellt, war die Sammelhandschrift vielleicht ursprünglich Bestandteil der Bibliothek eines Tempels oder eines Heilers.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrusabschnitt aus Budapest besteht aus einem größeren (Höhe × Breite: 18,5 × 67,7 cm) und einem kleineren Fragment (Höhe × Breite: 18,5 × 6,5 cm) und ist nur auf dem Recto beschrieben. Vier Kolumnen haben sich erhalten, wobei die erste und die letzte jeweils am Anfang bzw. Ende abgebrochen sind. Besonders in der vierten befindet sich eine größere Zerstörung durch die Lücke zwischen dem großen und dem kleinen Fragment, die glücklicherweise durch Fragmente in Turin ergänzt werden können. Bei der Verglasung durch einen etwas ungeschickten Restaurator wurden die Fragmente nicht ganz fachgerecht geklebt, so dass die Lektüre an einigen Stellen erschwert wird. Außerdem sind einige Zeichen heute im Vergleich zu einem alten Foto und einem ultravioletten Foto kaum noch lesbar (Kákosy 1971, 159).
Die Fragmente in Turin (mehr als 10 Fragmente) ergänzen die vierte Kolumne aus Budapest fast komplett und enthalten mindestens vier weitere Textkolumnen. Letztere sind allerdings in einem dermaßen fragmentarischen Zustand, dass sie noch nicht publiziert wurden. Auch sie sind nur auf dem Recto beschriftet (Roccati 1975, 246, Nr. 16). Ihre exakte Position kann durch die Textparallelen im Papyrus Leiden I 348 abgesichert werden.
Die zweite und dritte Kolumne Text von Budapest sind 26 bzw. 25 cm lang (25 cm auch für die vierte Kol.: Roccati 1979, 555), die Zwischenräume zwischen den Kolumnen ca. 2 cm. Extrapoliert man diese Angaben für die erhaltenen acht Kolumnen, war der Papyrus ursprünglich mindestens 2,20 m lang. Die Höhe von 18,5 cm entspricht dem gängigen Format einer halbierten Rolle.

Schrift
Hieratisch

Der Text wurde „in klarer schöner Buchschrift“ mit schwarzer und roter Tinte aufgetragen (Kákosy 1971, 159 = 1981, 239). Auch Roccati (1979, 555) spricht von „une écriture nette et soignée“. Die rote Tinte markiert die Spruchtitel und die Handlungsanweisungen. Jeder Spruch ist vom nächsten durch die Angabe „(Spruch)ende/Pause“ gekennzeichnet.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch, Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

„Die Sprache des Textes ist klassisch mittelägyptisch; selbst in der Orthographie sind nur bei einigen Worten neuägyptische Schreibweisen zu erkennen“ (Kákosy 1971, 160 = 1981, 240). Gute mittelägyptische Formen sind z.B. das Partizip Passiv Perfekt tmm (Kol. 2.2) und der Subjunktiv jwi̯.t. Kákosy übersieht die erst im späten Mittelägyptischen auftretenden proklitischen Pronomina sw und tw=tn in Kol. 2.2 bzw. 2.3 (Präsens-I-Konstruktionen), oder die Konjugation jri̯ sqr.jt in Kol. 2.7 und 2.8. Orthographisch ist zu erwähnen, dass rḏi̯ noch überwiegend mit dem normalen Arm (D36) und nicht mit D37 geschrieben ist.

Bearbeitungsgeschichte

A. H. Gardiner hat vor dem Jahr 1933 eine unpublizierte hieroglyphische Transkription des Papyrus in Budapest angefertigt. Eine zweite Abschrift stammt von J. Černý, Notebook 115 (oder Kopie von Gardiners Abschrift?). L. Kákosy hat den Budapester Papyrus ediert. Er hat ihn zuerst in einem Vorbericht kurz mit einigen Übersetzungsauszügen abgehandelt (Kákosy 1963). 1971 publizierte er ihn dann mit Photo, Transliteration, Übersetzung und Kommentaren (Nachdruck: Kákosy 1981). Im Jahr 1973 identifizierte Roccati den zuvor von ihm rekonstruierten fragmentarischen Papyrus Turin CGT 54058 als den hinteren Teil von Papyrus Budapest 51.1961 (Roccati 1975, 246; Roccati 1979), allerdings blieben diese meisten Fragmente bisher unpubliziert. Nur die Komplementierung der vierten Kolumne von Papyrus Budapest 51.1961 mithilfe der Turiner Fragmente wurde 2001 von Roccati in neuer Übersetzung und Transliteration der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Fragmente von Budapest und Turin wurden gemeinsam in einer Ausstellung im Jahr 1985 gezeigt (Roccati 2001, 419).

Editionen

- Kákosy 1971: L. Kákosy, Ein magischer Papyrus des Kunsthistorischen Museums in Budapest, in: Acta Antiqua. Academiae Scientiarum Hungaricae 19, 1971, 159–177 und Taf. 37–38.

- Kákosy 1981: L. Kákosy, Ein magischer Papyrus des Kunsthistorischen Museums in Budapest, in: L. Kákosy, Selected Papers (1956–73), Studia Aegyptiaca 7 = Études Publiées par les Chaires d’Histoire Ancienne de l’Université Loránd Eötvös de Budapest 33 (Budapest 1981), 239–258 (Nr. 25), 316–317.

- Roccati 2001: A. Roccati, La quarta pagina del papiro Budapest Inv. No. 51.1961, in: H. Győry (Hrsg.), Mélanges offerts à Edith Varga. zšnn wbn m tꜣ „le lotus qui sort de terre“, Bulletin de Musée Hongrois des Beaux-Arts. Supplément 2001 (Budapest 2001), 419–421.

Literatur zu den Metadaten

- Caminos 1956: R. Caminos, Literary Fragments in the Hieratic Script (Oxford 1956).

- J. Černý, Notebook 115, 17–23 (im Griffith Institute, Oxford; http://www.griffith.ox.ac.uk/gri/4hicerpa.html (21.02.2021)).

- Fabretti – Rossi – Lanzone 1882: A. Fabretti – F. Rossi – R. V. Lanzone, Regio Museo di Torino, Antichità egizie, Catalogo general dei Musei di antichità e degli oggetti d’arte raccolti nelle gallerie e biblioteche del regno. Serie prima: Piemonte. Volume I (Torino 1882).

- A. H. Gardiner, Notebook 33, 24–35 (im Griffith Institute, Oxford; http://www.griffith.ox.ac.uk/gri/4higarpa.html (16.01.2021)).

- Kákosy 1963: L. Kákosy, Vorläufiger Bericht über den Zauberpapyrus des Kunsthistorischen Museums in Budapest, in: Anonymous (Hrsg.), Труды двадцать пятого Международного конгресса востоковедов, Москва, 9-16 августа 1960, I: общая часть, Заседания секций I-V (Moskva 1963), 96–99 (non vidi).

- Roccati 1975: A. Roccati, Scavi nel Museo di Torino. VII. Tra i papiri Torinesi, in: Oriens Antiquus. Rivista del Centro per le antichità e la storia dell’arte del vicino oriente 14, 1975, 243–253.

- Roccati 1979: A. Roccati, Procédés employés dans l’assemblage des papyrus de Turin, in: W. F. Reineke (Hrsg.), First International Congress of Egyptology, Cairo, October 2–10, 1976. Acts, Schriften zur Geschichte und Kultur des Alten Orients 14 (Berlin 1979), 553–556.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils