Ostrakon Strasbourg H. 111
Übersetzung und Kommentar
oStrasbourg BNU H 111
[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 275–276 (Spruch 50)]
1. Strophe
[1] Die Worte des Horus vertreiben den Tod1 und beleben den wieder, der eine enge Kehle hat.
Die Worte des Horus proklamieren das Leben und schreiben die Lebensjahre dessen fest, der zu ihm ruft.
Die Worte des Horus löschen das Feuer, seine Sprüche machen die gesund, die von der bṯt-Schlange gebissen wurden.2
[5] Die Worte des Horus retten diesen Mann, dessen Schicksal hinter [ihm] steht.
2. Strophe
Die Zaubersprüche des Horus wehren die Bögen ab durch das Verfehlen lassen der Pfeil[e im Gefecht].
Die Zauberkräfte des Horus vertreiben die, die wütend im Herzen sind, und beruhigen [die Störung und den Krieg von gestern]3.
Die Zaubersprüche des Horus lassen seine (?) Kranken gesunden [und besänftigen die Atmung des Zitternden].4
Die Zaubersprüche des Horus besänftigen das Feuer5 und entfern[en die Entzündung.]
3. Strophe
[10] Spei aus, o Gift, sieben Mal!6 Beschworen [hat dich Horus.]
[Spei] aus, Blutige7, [du] kannst [dich] nicht erheben [...]8
1 Anstelle von mwt: "Tod" ist evtl. auch mwt: "Untoter" lesbar.
2 Bei bṯt.w muss es sich um eine Nisbe zu bṯt "Giftschlange" handeln. R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 282–283 {10243} führt das Wort als eigenes Lemma bṯtj: "der an einer unheilbaren Krankheit Leidende" auf, allerdings geht die Stelle offensichtlich auf den vorliegenden Text zurück (Konstruktion ssnb bṯtj). Spiegelberg 1922 übersetzt "Fiebernder (?)", Mathieu 2000, 248 "les morsures". Papyrus Brooklyn 47.218.138, Rto x+5.15 schreibt ẖr.j bṯt: "der an der bṯt „Giftschlange“ leidet".
3 Vgl. Mathieu 2000, S. 248. Ergänzung nach Papyrus Brooklyn 47.218.138, Rto x+5.19 (Textsynopse Goyon 2012, 155).
4 Für die Ergänzung vgl. die Version des pBrooklyn 47.218.138. Zur Lesung s. Goyon 2012, 34, Anm. 6.
5 Wsr.t ist hier durch das Determinativ definitiv als Bezeichnung des Feuers ausgewiesen, dennoch liegt m.E. eine Anspielung auf die Göttin vor. Ergänzung von tꜣw nach Papyrus Brooklyn 47.218.138, Rto x+6.1 (Textsynopse Goyon 2012, 156), die aber vermutlich im Licht von oDeM 1687 und pTurin Cat 1993 = CGT 51054, Rto, Kol. 2.1 zu korrigeren ist.
6 Textparallelen für Zl. 10–[14?] (= Strophe 3): mindestens 12 Textparallelen auf NR-Papyri und auf Horusstelen (Textsynopse bei Koenig 1982; Roccati 2011, 127–129, § 191–199; Goyon 2012, 157–163, § 18).
7 znf.tj: Ich folge in der Deutung von snf.tj Mathieu 2000, 248: "Sanguinaire", d.h. als Ableitung von znf "Blut" oder znf: "bluten".
8 Ob hier gnn.t nn nḫt=t ẖs.yt [nn ꜥḥꜣ=t]: "du Schwache, du wirst nicht stark sein; du Elende, du wirst nicht kämpfen" stehen könnte? Die erste erhaltene Zeichenspur wäre der obere "Schwanz" des schlechten Vogels von gnn, die zweite Spur der Punkt der negativen Arme nn. Von nḫt wäre nur eine Spur des Determinativs des schlagenden Mannes erhalten. Nach dem Verspunkt könnte eine Spur von ẖ erhalten sein. Siehe die verschiedenen Textsynopsen bei Koenig 1982, 285; Roccati 2011, 129–130 und Goyon 2012, 159–160.