Papyrus Ramesseum XIV
Übersetzung und Kommentar
Recto: Magische Sprüche
[Rto. X+1,1] [---] [Rto. X+1, x+1] [---]
[---] das ḥꜣ.tj-Herz, bevor dein Vater entstanden und bevor [deine Mutter] ge[boren] war.
... nun jedoch, mein Herz befindet sich dir gegenüber,1 mein Leib ist schwach.
[---] für ihn dein dfꜣ.t2, indem sie an meine Seite gestellt/gesetzt wurde.
[---] Weißbrot und Opferfleisch darbringen.3
[---] [Rto. X+1, x+5] [---] mich an seine Seite [---]4
1 jb=j ḫft=j: Was die Phrase „mein Herz befindet sich dir gegenüber“ besagt, ist unklar. Nach dem Parallelismus mit ḥꜥ.w=j m gm.w zu schließen, wird es etwas Negatives sein.
2 dfꜣ.t: Mit dem Pflanzenklassifikator geschrieben. Meyrat, Papyrus magiques du Ramesseum, 101 transribiert ḏfꜣw und übersetzt kommentarlos „victuailles“, scheint also darin eine Schreibung für ḏfꜣ: „Nahrung, Speise“, Wb 5, 569.9-571.5, bzw. genauer gesagt sogar für ḏfꜣ.t, Wb 5, 571.6 (wegen des femininen ḥnk.tj), gesehen zu haben. Jedoch ist für dieses Wort bislang weder eine Schreibung mit d noch eine Klassifizierung mit Gardiner M2 bekannt.
3 Syntax unklar.
4 Meyrat, Papyrus magiques du Ramesseum, 338 und 101 liest nach der Präposition den Storch, also insgesamt m-bꜣḥ=tn: „devant vous“. Diese Lesung scheint jedoch nicht ganz sicher, denn sein Storch wirkt eher, als wären es zwei separate Zeichen.
Verso: Magische Sprüche
[Vso. X+1, 1] [---] sagen [---]
[---] als/bei/mit Geb, als/bei/mit deinem [---]1
[---] ...(?)2.
Dieser Spruch werde ge[sprochen] über einer erzenen Harpunenspitze [---] [aufgezeichnet mit] roter [Tinte]3.
Sie4 werde folglich abgeleckt von dem (zu behandelnden) Mann.
[Vso. X+1, 5] [---], bis sie ein weiteres Mal kommt.5
Sie/Er/Es werde folglich ge...t (?) [---].6
Es gibt keinen Hund.7
Der Hund ist zugrunde gegangen (?).
[---] den Verstorbenen vernichten, das Auge (?) vernichten [---] Hund (?) [---]8
[Vso. X+2, 1] Beseitigen [---]
Wehe! [---]
Er ist nicht gekommen [---]
[---] Kügelchen [---]
[---] [Vso. X+2, 5] Mekes-Szepter [---]
[---], um zu töten (?)9 [---]
[---] sagend [---]
[---]
1 P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 339 und 101 liest am Ende der Zeile m-bꜣḥ=k: „devant toi“, aber der dafür typische Phallus fehlt.
2 ḥn: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 101 denkt an „affaire“, d.h. wohl ḥn.t, Wb 3, 102.1-6. Es ist aber einschränkend zu sagen, dass die hieratischen Reste nach M2 über n dem von Meyrat angegebenen Behälter V36 nur wenig ähnelt.
3 [ry].t wꜣḏ.t: Über der Buchrolle, mit der wꜣḏ klassifiziert ist, sind noch schwach rote Tintenreste erkennbar, die man vielleicht als Rest eines t lesen kann. Infolgedessen wäre es denkbar, dass hier die Phrase ry.t wꜣḏ.t: „grüne Tinte“ als Euphemismus für „rote Tinte“ vorliegt (s. zu diesem Euphemismus J.F. Quack, Mit grüner Tinte rot schreiben?, in: Göttinger Miszellen 165, 1998, 7-8). Möglicherweise lässt sich die Zeichengruppe unmittelbar vor wꜣḏ.t als Rohstoffklassifikator N33:Z2 lesen und die Zeichenspuren direkt an der Abbruchkante als t und davor ein winziger Rest eines Schilfblatts.
4 =f: Das Bezugswort kann nicht die im vorigen Satz rekonstruierte, grammatisch feminine „rote Tinte“ sein, sondern ist evtl. die Harpunenspitze oder ein anderes, heute zerstörtes maskulines Subjekt am Beginn von Zeile 4.
5 Vgl. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 339 und 101. A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 15 übersetzt dagegen „It does not come a second time.“ Er geht also davon aus, dass der Satz und sogar die Zeile im Grunde vollständig ist. Jedoch bleibt seine Übersetzung unsicher, da die Zeichenreste vor jyi̯ nicht zu einer simplen Negativpartikel passen.
6 P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 339 und 101 mit 103 liest ḫr.tw m mdw=f: „Oracle en tant ques a parole“. Dieser Text wäre aber ein unerwartet früher Beleg für das ḫr.tw-Orakel; die von Meyrat angeführte Beinahe-Parallele in pRamesseum II, Vso. 2,4 ist zu streichen, denn dort steht nicht ḫr.tw r mdw=j, sondern (ꜥšꜣ-rʾ) ḫr=tw r mdw.w: „(‚Schwätzer!‘) So sagt man zum Redner.“ Vermutlich liegt in pRamesseum XIV statt Meyrats Vorschlag das Paradigma ḫr=tw sḏm.tw=f vor, wie in der vorigen Zeile. Das Zeichen, das Meyrat als sitzende Gottheit transliterierte, wird dann der Beginn des Verbs sein. Es erinnert ein wenig an zꜣu̯; so wohl auch die Idee von A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 15, der übersetzt: „It should be kept(?) ...“.
7 P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 339 und 101 liest nn ṯsm: „il y a un chien“, allerdings sieht das erste Wort eher nach nn als nach wn aus. Eine Lesung als nn passt auch gut zum hiesigen Übersetzungsvorschlag für den anschließenden Satz. Mit dem Hund dürfte in diesem Kontext eine negative Entität gemeint sein – vielleicht Baba als Gegner des Thot (vgl. dazu C. Leitz, Auseinandersetzung zwischen Baba und Thoth, in: H. Behlmer (Hrsg.), … Quaerentes scientiam. Festgabe für Wolfhart Westendorf zu seinem 70. Geburtstag überreicht von seinen Schülern (Göttingen 1994), 103-117 mit Bezug auf pJumilhac XVI,7-23) oder Seth (vgl. pJumilhac XVI,23-XVII,14, J. Vandier, Le Papyrus Jumilhac (Paris 1961), Bd. 1, 129). Bemerkenswert ist, dass Baba laut pJumilhac XVI,20 während seiner Auseinandersetzung mit Thot eine nicht genau lesbare Waffe, aber jedenfalls eine aus ḥmt: „Kupfer“ (vgl. Vandier, a.a.O., Bd. 2, 197, Anm. 552), in seinen eigenen Kopf stößt, während der Spruch von pRamesseum XIV auf eine Harpunenspitze aus Kupfer geschrieben werden soll – ob man darin bereits eine frühe Anspielung auf diese Episode vermuten darf?
8 Syntax unklar.
9 Das von P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 101 hier angesetzte smꜣ-Schiff (Wb 4, 124.12) ist ein Ghostword: An der vermeintlichen Stelle (= pTurin Cat. 1892 Vso. 1,4) ist vielmehr die (m)sk.tt genannte Abendbarke des Sonnengottes Re erwähnt, s. K.A. Kitchen, Ramesside Inscriptions, Historical and Biographical. Vol. VI (Oxford 1983), 396.11 und L. Popko, Die Königshymnen an Ramses VI. und VII. des Papyrus Turin CG 54031, in: B. Janowski – D. Schwemer (Hrsg.), Hymnen, Klagelieder und Gebete, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Neue Folge 7 (Gütersloh 2013), 197-210, hier 210, Zl. 1,4.
Vielleicht liegt in pRamesseum XIV nur das Verb „töten“ mit noch nicht ganz klarer Klassifizierung vor.