Papyrus Ramesseum IX
Übersetzung und Kommentar
Spruch x+1
Übersetzung: K. Stegbauer; Kommentare: K. Stegbauer und L. Popko
[---] [1,1] [---] in Ägypten. Der große Gott ist der, der deine Zunge abschneidet (oder: Der große Gott, (er) schneidet deine Zunge ab),1 während ich beschwöre [---]. [--- welche] im Stadtviertel [sind]. Zaubersprüche sind darauf (oder: bei ihr).
1 (L. Popko) A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 12 fasst nṯr ꜥꜣ als Anrede auf: „great god, thy tongue is cut off“. K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 195 vermutet in šꜥ dagegen ein aktive Partizip, weil es keinen Grund gäbe anzunehmen, dass dem großen Gott die Zunge herausgeschnitten werden sollte. Das ergäbe jedoch ein „participial statement“ alias jn-Konstruktion, die als solche eben ein jn vor dem Subjekt verlangt. Sollte als Alternative vielleicht eine Erklärung als NN sḏm=∅: „NN, (er) hört“ möglich sein? P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 75 und 77 denkt zwar ebenfalls, wie Gardiner, an eine Konstruktion mit Pseudopartizip, übersetzt aber trotzdem aktivisch („Le grand dieu a coupé ...“), was in dem Fall nicht möglich ist.
Spruch x+2
Übersetzung und Kommentare K. Stegbauer.
[---] Siehe (?), die Erde liegt im Schweigen; ein jeder Gott verbringt die Nacht unter den Großen (?)1 [---] sein/ihn (?) [---]. [Isi]s kam eilends, Isis kam eilends, sie brachte ihre Zaubersprüche mit sich! [---], [1,5] was von dir stammt, was von dir stammt! Wenn die Dinge fallen, die du gebracht hast [---], die du gebracht hast. Dieser Zauber ist auf ihm. Wenn die Dinge nicht hinabfallen, die du gebracht hast, [---]
[---] für ihn die Sachen. Wenn etwas davon auf den Erdboden fällt [---] deswegen. [--- fallen]. Du (fem.) bist es! [---] mit dem Spruch (?) [---]
[---] [1,10] [---] gebären(?) [---]2
1 (K. Stegbauer) „ein jeder Gott verbringt die Nacht unter den Großen (?)“ Der Beginn des Verses ist mit einem Vers aus dem großen Atonhymnus (Z. 4) identisch (vgl. G. Fecht, Stilistische Kunst, in: B. Altenmüller – B. Spuler (Hrsg.), Ägyptologie. Literatur, Handbuch der Orientalistik I.2, Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage (Leiden, Köln 1970), 19–51, hier 44f. und 49f. sowie M. Sandman, Texts from the Time of Akhenaten, Bibliotheca Aegyptiaca 8 (Bruxelles 1938), 94).
2 (K. Stegbauer) Einziger Rest der Zeile.
Spruch x+3
Übersetzung: K. Stegbauer; Kommentare: K. Stegbauer und L. Popko
[2,1] Schriftstück des Befreiens des Hauses von einem jeden Untoten, einer jeden Untoten, einem jeden Schlangenmännchen und einem jeden Schlangenweibchen:
Zurück1 ihr! Möge euer {Vorderteil} 〈Gesicht〉 auf euer Gesicht fallen,2 (ihr) Rebellen3 der Nacht und des Tages,4 (ihr), die (ihr euch) befindet unter roten Kopftüchern und Leinenbinden, (ihr) Rebellen, mitten im Kampf, (ihr) Gegner5, die Krach machen, die Rebellion5 angezettelt hatten,6 die Unruhe5 gestiftet haben, (ihr) Bande [2,5] jenes Übels (d.h. des Seth), des Sohns der Nut, [der zustoßend mit] den Hörnern [war] (oder: [___] doppelzüngig)7 im Leib seiner Mutter Nut, bevor er auf die Erde herauskam! Der [mit den Zähnen (?)] knirscht8, [der] Unruhe [anzettelt (?)]!“ sprach Horus.
Nachdem du getötet hast 〈meinen〉 Vater Osiris, bin ich gekommen, nachdem ich mich in meine Gestalt transfiguriert habe zu meinem Sohn und Erben,9 [---] indem ich angriff die, die das Waisenkind niederwerfen lassen10, das um sein Einziges11 weint. Töten [---] uneben/heftig(?).12 Ich bin Horus, der Sohn [2,10] der Isis, der Erbe des Osiris! [Sein Vater ist im Einbalsamierungshaus]13 an der Stätte des Müdherzigen.
Auf [eure] Gesicht[er]! [---]14 Duft, den empfängt (???)15 [---] [---] [---] Isis(?) [---] [3,1] Es spricht [...] gegen mich als Prügeln, als Zögern, als ... (?)16, als Anhalten17 [...], als Verknoten (oder: als Emporsteigen?)18, [als] Rücken-Ausstrecken, als ‚Sieh ihn, sieh ihn‘ (?)19, als {das Bringen des Sieges (?)} 〈Mächtiger〉20, als das Zermalmen, als [...], als das Töten, als das R[auben](???)21, als das Schlachten, das Zerschneiden, das Pfählen (?)22, das Überfahren zum Osten, [???]23“, so sagt er zu ihnen. Es ist dieser mein Stab (?)24 aus Feuer, das sich befindet auf [...] in diesem Atem [3,5] seiner beiden Na[senlöcher]. Weicht vor ihm zurück! Sein Abscheu ist [...] Der Erbe des [Osiris], dessen Vater im Balsamierungshaus an der Stätte des Müdherzigen ist.
1 (K. Stegbauer) Die Präposition ḥꜣ wird schon in den Pyramidentexten zum Zurücktreiben von Schlangen benutzt (z.B. in PT 504a).
2 (L. Popko) Nach dem ḥꜣ=tn des vorigen Satzes stehen: Plazenta (ḫ) über Löwenvorderteil (Gardiner Sign-list F4), danach ein Schilfblatt, dann das Suffix(?)pronomen =tn sowie ḥr ḥr.w=tn. A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 41A, Anm. 2a hält Plazenta + Löwenvorderteil für eine ungewöhnliche Schreibung für ḫr und das Schilfblatt vor dem Pronomen ebd., Anm. 2b für eine fehlerhafte Schreibung für j〈r〉=tn. Das ḫrw hält er für einen Imperativ (S. 13, Anm. 2) und übersetzt: „fall ye upon your faces“. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 75–77 transkribiert ḫr=tn ḥr ḥrw=tn und übersetzt: „vous tombes sur vos faces“. Er schließt sich also generell Gardiners Vorschlag an, die Gruppe aus Plazenta und Löwenvorderteil als ḫr zu lesen, hat aber, anders als Gardiner, das Schilfblatt als Teil der ungewöhnlichen Graphie dieses Verbs angesehen und ein sḏm=f konstruiert. K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 198 und 200 schließt sich Gardiner ebenfalls darin an, dass am Satzanfang das Verb ḫrw steht, und sie analysiert es wie Meyrat ebenfalls als sḏm=f anstelle als Imperativ. Allerdings interpretiert sie nur die Plazenta allein als Schreibung dieses ḫrw. Das darunter stehende Löwenvorderteil sowie das Schilfblatt – bzw. nur das Löwenvorderteil allein bei Tilgung des Schilfblattes – interpretiert sie als mögliche Verwechslung des Wortes ḥꜣ.t: „Vorderseite“ mit ḥr: „Gesicht“, so dass sie eigentlich liest: ḫ〈r〉 {ḥꜣ.t} {j} 〈ḥr〉=tn ḥr ḥr.w=tn: „Möge euer Gesicht auf euer Gesicht fallen!“ Hierfür verweist sie als Parallelen nicht nur auf Zeile 2,11 (ḥr ḥr[.w=tn]: „auf [eure] Gesicht[er]!“), sondern auch auf noch vollständigere Parallelen in PT 228, § 228a (ḫr ḥr r ḥr: „Ein Gesicht ist auf ein Gesicht gefallen.“ und PT 290 [sic, nicht 295], § 431a (ḫr ḥr ḥr ḥr: „Ein Gesicht ist auf ein Gesicht gefallen.“). Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Aussage.
3 (K. Stegbauer) [sbj]⸢.w⸣ ist laut J.F. Quack, Demagogen, Aufrührer und Rebellen. Zum Spektrum politischer Feinde in Lebenslehren des Mittleren Reiches, in: H. Felber (Hrsg.), Feinde und Aufrührer. Konzepte von Gegnerschaft in ägyptischen Texten besonders des Mittleren Reiches, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 78 (5) (Leipzig, Stuttgart 2005), 74–85, hier 82 zum einen ein häufiger Begriff für den politischen Gegner, zum anderen korreliert damit auch der Kultfrevler.
4 (L. Popko) Satzgrenzen unsicher.
5 (K. Stegbauer) ḫft.jw, ḫr(w).y[w] und ẖnn.w: Nach J.F. Quack, Demagogen, Aufrührer und Rebellen. Zum Spektrum politischer Feinde in Lebenslehren des Mittleren Reiches, in: H. Felber (Hrsg.), Feinde und Aufrührer. Konzepte von Gegnerschaft in ägyptischen Texten besonders des Mittleren Reiches, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 78 (5) (Leipzig, Stuttgart 2005), 74–85, hier 81f. gehören die Begriffe ḫft.j und ẖnn.w in die religiöse Sphäre. D. Franke, Schlagworte. Über den Umgang mit Gegnern in Memorialtexten des Mittleren Reiches, in: H. Felber (Hrsg.), Feinde und Aufrührer. Konzepte von Gegnerschaft in ägyptischen Texten besonders des Mittleren Reiches, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 78 (5) (Leipzig, Stuttgart 2005), 89–110, hier 110 rechnet ḫryw zu den physischen Gegnern, also solchen, die handgreiflich werden.
6 (L. Popko) pꜣu̯.w ḫr(w).y[w]: Semantisch unsichere Phrase. pꜣ.w ist nur als Personengruppe mit sitzendem Mann über Pluralstrichen klassifiziert; die Klassifikatoren von ḫrw.yw sind zerstört. Aufgrund des Kontextes muss es eine abwertende Bezeichnung für Rebellen, Unruhestifter o.ä. sein. A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 13 übersetzt kommentarlos „originators of warfare“; P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 76 versteht sie als „fomenteurs de révolte“; ähnlich K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 198: „die Rebellion angezettelt haben“. In ihrer Bearbeitung des TLA hat sie pꜣ.w als Partizip des Verb pꜣu̯: „etw. in der Vergangenheit getan haben“ verstanden, und tatsächlich kommt sonst kein anderes Wort infrage. Daher werden wohl auch Gardiners und Meyrats Übersetzungen lediglich freiere Versuche sein, die auf die Vergangenheit bezogene Aussage des Verbs wiederzugeben. Es ist allerdings zu beachten, dass pꜣu̯ normalerweise mit einem davon abhängigen Verb konstruiert wird: *pꜣu̯=f sḏm: „er hatte (in der Vergangenheit) gehört…“. Daher muss man entweder annehmen, dass hier ein Verb ausgefallen ist, also wohl jri̯ (s. Wb 3, 326.3), oder dass ḫrw.y ein bislang unbelegtes Verb ist, wogegen aber die Endung spricht.
7 (L. Popko) Vom Wort in der Lücke sind nur noch zwei Schilfblätter und ein t sowie der klassifizierende schlagende Mann erhalten; es könnte demzufolge ein Aktionsverb sein. Das Wort danach ist offenbar logographisch geschrieben: A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 41A transliteriert das Hieratische als zwei Zungen und übersetzt auf S. 13: „… two tongues(?)“. Ebenso P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 75–76: […]yt nswy (vgl. auch seine Transkription auf S. 327): „[…] deux langues“. Laut S. 78 deutet das auf die Doppelzüngigkeit des Seth hin. K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199–200 zweifelt diese Deutung dagegen an und möchte eher [khb].yt db.wj lesen: „[der] mit beiden Hörnern [zustieß]“. Das heißt, sie liest zwei Hörner statt zwei Zungen, weil die hieratische Schreibung von ns: „Zunge“ in Zeile 1,1 anders aussieht (NB: ihr Verweis auf Gardiner ist inkorrekt, da dieser ebenfalls ns.wj liest). Insgesamt betrachtet, ist allerdings Gardiners und Meyrats Lesung plausibler: Es trifft zwar zu, dass die Zunge in Zeile 1,1 etwas anders aussieht als hier und dort zudem noch mit einem Fleischstück klassifiziert ist; allerdings kommt ihr die Form in Zeile 2,5 doch recht nahe und jedenfalls näher als hieratischen Formen des Horns.
8 (K. Stegbauer) Die Wortbedeutung „mit den Zähnen knirschen“ ist T. Bardinet, Dents et mâchoires dans les représentations religieuses et la pratique médicale de l’Égypte ancienne, Studia Pohl. Series Maior 15 (Roma 1990), 8 entnommen. Hier wohl als Ausdruck der Wut zu bewerten und evtl. auch als Zähne fletschen zu interpretieren.
9 (K. Stegbauer) jri̯.n=j ḫpr.w=j m jr.w=j n zꜣ =j jwꜥ[.w=j]: Zur Übersetzung vgl. H. Buchberger, Transformation und Transformat. Sargtextstudien 1, Ägyptologische Abhandlungen 52 (Wiesbaden 1993), 231.
10 (K. Stegbauer) sḥdb.w: Die Übersetzung stützt sich auf die Annahme, daß sḥdb das Kausativum von ḥdb „niederwerfen“ ist.
11 (K. Stegbauer) Mit wꜥ.t scheint hier das Sonnenauge gemeint zu sein (vgl. C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. II. ꜥ–b, Orientalia Lovaniensia Analecta 111 (Leuven 2002), 286).
12 (K. Stegbauer) Wahrscheinlich wird ein weiterer Vorwurf gegen die Bande des Seth erhoben.
13 (K. Stegbauer) Ergänzung nach 3,6.
14 (L. Popko) Dier Ergänzung am Zeilenbeginn folgt A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 41A. Basierend auf der Länge von ḥr ḥr.w=tn in Zeile 2,2, wäre die anschließende Lücke nur etwa ein Schreibquadrat groß; an ihrem linken Rand ist noch ein kleiner Zeichenrest zu erkennen. Das darauf folgende senkrechte Zeichen transliteriert Gardiner als Krummstab(?) (mit Fragezeichen darüber). Danach folgen eine w-Schleife und ein rundliches, nicht identifizierbares Zeichen, bevor das vordere Fragment dieser Kolumne abbricht. Das hintere Fragment setzt nach einer etwa 6 Schreibgruppen langen Lücke wieder ein.
Das von Gardiner als Krummstab interpretierte Zeichen gibt P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 327 als Wurfholz wieder, und das runde Zeichen als Rest eines liegenden Feindes, dem Blut aus dem Kopf strömt. Dementsprechend nimmt er auf. S. 76 an, dass hier „ennemies (?)“ genannt seien, ohne auf S. 75 einen konkreten Transliterationsvorschlag anbieten zu können. Die Form des Zeichens unterscheidet sich allerdings etwas von den anderen Wurfhölzern in Zeile 2,2 und 2,3; zudem wäre die Position der w-Schleife hinter und nicht vor dem Wurfholz auffällig.
15 (L. Popko) sṯj šzp [---]: Identifizierung der Wörter und noch viel mehr ihre Übersetzung sind unsicher. Das Wort nach šzp scheint eine Kleidungsbezeichnung zu sein; es wäre verführerisch anzunehmen, dass hier davon die Rede ist, dass irgendein Kleidungsstück irgendeinen Duft annimmt. A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 41A ergänzte die Zeichenreste als Schnur mit den Enden nach oben sowie den Logogrammstrich. Darauf basiert die Transliteration sš bei K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 327 schlägt dagegen keine Ergänzung der Zeichenspuren vor. Die Zeichenreste danach sind wohl die Opfermatte sowie das Stoffstück S28.
16 (L. Popko) dḥ.t: Unbekanntes Verb(?); mit dem Schiff klassifiziert. Den ersten Konsonanten geben A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 42A wie P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 329 als d wieder, wobei ein r als Alternative nicht ganz ausgeschlossen erscheint. Das Zeichen über dem Schiff gibt Gardiner als langgezogenes t wieder (also dḥ.t, eher als dḥt), hält aber ein r (also dḥr) nicht für ausgeschlossen. Meyrat entscheidet sich stattdessen für eine Transliteration als d (also dḥd). Keiner von beiden kann das Wort identifizieren.
17 (L. Popko) ẖn: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 76 übersetzt das Ende von Zeile 3,1 mit „en jou[ant de la musique]“ und scheint sich damit bei ḫn für das Verb „tanzen; musizieren“ (Wb 3, 286.2–6, 288.7) entschieden zu haben. K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199 übersetzt „Anhalten“ und denkt damit an Wb 3, 287.3–288.3. Letzteres scheint hier etwas wahrscheinlicher, v.a. nach dem jhm weiter vorn in der Aufzählung. Ob die Lücke danach ein (langes) oder zwei (kurze) Wörter enthielt, ist unklar.
18 (L. Popko) ṯs interpretieren K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199 wie P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 76 als „knoten, verknüpfen, anfügen“. Ob es angesichts der nachfolgenden Phrase nicht vielleicht das Verb „aufrichten; emporsteigen“ ist?
19 (L. Popko) m=k sw zp-2: In ihrer TLA-Version von 2006/2007 hatte K. Stegbauer hier noch eine substantivierte Partizipialkonstruktion angesetzt: mki̯ sw zp-2: „als der, der sich beschützt“. Ebenso, nur transitiv statt reflexiv, P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 76: „en le protégeant deux fois“. In K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199 hat sie stattdessen einen nominalisierten Satz angenommen: m=k sw zp-2: „als ‚Sieh ihn, sieh ihn‘“; und sie verweist (S. 200) auf eine mdl. Mitteilung von Quack, der vorschlug, darin eine Umschreibung für einen Vogelfreien zu sehen.
20 (K. Stegbauer) Die Wörter vor m nḏ bereiten Deutungsschwierigkeiten. Ist m jni̯.t nḫt: „den Sieg bringen“ zu lesen? Aber nḫt sollte im Hieratischen phonetisch geschrieben werden. Vermutlich handelt es sich daher um eine Verschreibung: statt jni̯.t muss sḫm gelesen werden, wodurch der schlagende Mann als Determinativ aufgefaßt werden kann. Quack (mdl. Mitteilung) schlägt eine seltsame Schreibung für jntj: „zurücktreiben, weichen“ (Wb 1, 102.2–7) vor, das sonst mit dem Fisch geschrieben ist.
21 (L. Popko) ḥꜥ[__]: Erhalten sind der Docht und der Beginn eines Zeichens, das A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 42A mit Fragezeichen zu einem Arm ergänzt. K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199 und 201 verliest das zu ḫꜣ⸢ꜥ⸣ und denkt mit Verweis auf W. Westendorf, Das strandende Schiff. Zur Lesung und Übersetzung von Bauer B 1,58 = R 101, in: J. Assmann – E. Feucht – R. Grieshammer (Hrsg.), Fragen an die altägyptische Literatur. Studien zum Gedenken an Eberhard Otto (Wiesbaden 1977), 503–509, hier 508 an eine Bedeutung „vom Weg abkommen, stranden“. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 329 und 76 liest ebenfalls ḥꜥ[___], hat aber keinen Vorschlag zur Ergänzung. Ob es das Verb ḥꜥḏꜣ: „rauben, plündern“ ist? Dieses würde die Lücke gut füllen, wenn es auch bei der aktuellen Montage vielleicht eine Kleinigkeit zu lang dafür scheint.
22 (L. Popko) wdi̯.t tp ḫt: So die Interpretation von K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 199; vgl. dazu die Phrase rḏi̯ ḥr tp ḫt: „jmd. auf die Spitze des ‚Holzes‘ (oder: auf das ‚Holz‘) geben“, Wb 3, 341.1. In der hieroglyphischen Transliteration von P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 329 ist das t unter dem Ast etwas nach vorn gerückt und steht somit vor dem Ast. Dadurch wird es zur Endung eines Substantivs tp.t: „Balken“ (vgl. Wb 5, 294.6). Dementsprechend übersetzt Meyrat auf S. 76 mit „en érigeant un pieu“ und verweist S. 79 auf Wb 1, 386.8 („Bäume pflanzen“). Da tpj.t aber auch den Pfahl meinen kann, der zum Pfählen benutzt wird, würden sich Meyrats und Stegbauers Auffassung der Stelle nicht generell ausschließen, auch wenn in juristischen Texten im Zusammenhang mit dem Pfählen immer das Verb rḏi̯ statt wdi̯ verwendet wird (mdl. Mitteilung B. Böhm).
23 (L. Popko) h[__]: Unsicher, ob in der Lücke ein oder zwei Wörter standen. Da der Anfang ein deutliches h ist, kann dies keine letzte Verbindung aus m + NN sein. Ob es vielleicht Nomen rectum einer Genitivverbindung jꜣb.tt NN: „der Osten des …“ ist? Allerdings verbietet der fragmentierte Zustand des Satzes einen Rekonstruktionsversuch. Irgendwo in dieser kurzen Lücke, entweder davor oder an ihrem Ende, muss auch die wörtliche Rede enden, die mit der Redemarkierung ḫru̯-fj endet.
24 (K. Stegbauer) mqrr: Aufgrund des Determinativs ist das Wort sicher nicht mit qrr „Brandopfer“, das als Substantiv erst Ende des NR fassbar ist, identisch. Es muß sich um ein Holzobjekt handeln. Wb 2, 159.3 ist zwar auch erst ab dem Neuen Reich belegt, kommt der Lautung jedoch noch am nächsten.
Spruch x+4
Übersetzung: K. Stegbauer; Kommentare: K. Stegbauer und L. Popko
[---] der lebt wegen der Worte Sias für die Götter [...]1 für das „Sonnenvolk“, der den Himmel erschuf, [...], der das Wasser erschuf, damit Meh-Weret entstünde, der schuf für (?) [...], [der den Stier erschuf für] die Kuh, der seine Augen öffnet [und es tagt, der seine Augen schließt und es wird] dunkel, [der, auf dessen Komm]an[do [3,15] der Nil flutet] [---]2
[---] sehen [---] [---] [---]3
1 (L. Popko) Nach nṯr.w folgt eine kleine Lücke im Papyrus von etwa zwei Schreibgruppen Länge. Das erste wieder komplett erhaltene Zeichen ist der sitzende Mann mit Hand am Mund, der ein Klassifikator sein muss. Ob in der Lücke nur ein einziges Wort gestanden hat oder zwei sehr kurze, ist unsicher: An der Abbruchkante nach nṯr.w sind noch Zeichenreste erhalten, zu denen A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 42A, Anm. 7a schreibt: „Hardly 𓊡?“ Trotzdem ergänzt P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 329 die Zeichenreste doch zum Mast mit Segel und denkt an das Wort ṯꜣw: „souffle“ (s. S. 76–77). Dieses Wort könnte zwar u.U. mit einem sitzenden Mann mit Hand am Mund klassifiziert sein (vgl. vielleicht den ebenfalls aus dem Mittleren Reich stammenden magischen pTurin CGG 54003, Rto. 6, s. die Falttafel bei A. Roccati, Papiro Ieratico N. 54003. Estratti magici e rituali del Primo Medio Regno, Catalogo del Museo Egizio di Torino. Seria Prima- Monumenti e Testi 2 (Torino 1970); aber vgl. auch den Kommentar zur Stelle im TLA); aber die Lücke ist eigentlich etwas zu lang dafür. Daher hat auch Meyrat, a.a.O., 76–77 nach ṯꜣw noch eine kleine Lücke gelassen. Ob man vielleicht noch Ḥw, den personifizierten Ausspruch, ergänzen könnte, und der sitzende Mann mit Hand am Mund ein ungewöhnlicher Klassifikator dieser Personifikation ist? Hat man m[dw] n(.j) Sjꜣ n nṯr.w ṯꜣ[w Ḥw] n ḥnmm.t zu lesen: „die W[orte] von Sia für die Götter und den Hauch [von Hu] für das Sonnenvolk“? Allerdings wäre dafür die Lücke wiederum zu kurz, selbst wenn man davon ausgeht, dass hier keine Genitiv-Nisbe gestanden hat.
2 (K. Stegbauer) G. Posener, Notes de transcription, in: Revue d’égyptologie 28, 1976, 146–148, hier 148 hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Verse denen aus pTurin Cat. 1993 (= pTurin CGT 54051), W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Taf. 133, 6–10 ähnlich sind. Jedoch scheint die grammatikalische Struktur abzuweichen. In pTurin 1993 liegt eine Reihung von jnk-Sätzen vor. Im vorliegenden Text sind offensichtlich nur Epitheta aneinander gereiht, ohne jeweils mit einem eigenen Subjektspronomen versehen zu sein. So bleibt der Bezug der Epitheta durch die großflächigen Zerstörungen grammatikalisch unklar. Inhaltlich wird freilich der Schöpfergott gepriesen. Auch die Reihenfolge der Verse weicht von der der späteren Überlieferung ab. Da die Spuren zu Beginn von Z. 8 nicht zu der in pTurin 1993 erhaltenen Fortführung des Satzes passen, wurde auf eine Rekonstruktion anhand der Parallele verzichtet. Gleiches gilt für die Lücke am Ende von Z. 9.
3 (K. Stegbauer) Bruchstücke, nicht mehr übersetzbar.