Papyrus Leiden I 346

AMS 23a (Inv.-Nr. Leiden)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
AMS 23a (Inv.-Nr. Leiden)
Aufbewahrungsort
Europa » Niederlande » Leiden » Rijksmuseum van Oudheden

Inventarnummer: Leiden I 346

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Papyrus Leiden I 346 wurde um den 25. April 1828 herum in Livorno als Teil der ersten Sammlung von G. Anastasi (auch genannt d’Anastasi, M. le Chevalier d’Anastasy u.ä.) durch Vermittlung des holländischen Oberstleutnants der Pioniere (Leutnant-Kolonel und Bauingenieur) Jean Emile Humbert angekauft (Ankunft in Leiden am 1.1.1829) (Raven 1992, 7, 8; Halbertsma 1995, 91–108; 2003, 99–106). Der Papyrus wurde zuerst durch Museumsdirektor C. J. C. Reuvens unter der Nummer AMS (= Anastasi Manuscrits) 23a inventarisiert (Papyrus AMS 23b = I 347), später durch seinen Nachfolger Conrad Leemans unter der Nummer I 346 (Kategorie „I“ = „Instrumens et produits des arts et métiers“, darunter die Papyri). Die Angabe bei Gardiner 1909, 1, dass I 346 nicht aus der Sammlung Anastasi stammt, ist ein Tippfehler (gemeint ist I 345 aus der Sammlung Maria Cimba, der aber zu I 343 aus der Sammlung Anastasi gehört).

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » zwischen Kairo und Fajjum » westliches Ufer » Saqqara » Nekropolen

Nach Leemans 1840, 113 in Memphis gefunden, eine Information, die aus dem handgeschriebenen Verkaufskatalog von Anastasi stammt. Dabei waren die Papyri I 346 und I 347 möglicherweise ineinander gerollt (Leemans vermerkt nicht, wie sie genau ineinander gerollt waren; sicherlich lag der kleinere I 346 in dem dreimal so langen I 347; laut Stricker 1948, 55 ist die Angabe, dass beide Papyri ineinander gerollt waren, vermutlich falsch). Der genaue Fundort ist unbekannt. Für eine ganze Reihe von Papyri in Leiden aus der Sammlung Anastasi wird "Memphis" als Fundort im ursprünglichen Verzeichnis der Anastasi-Sammlung angegeben, so auch für pLeiden I 346 (Leemans 1840, 113). Raven 2012, 80, 82 schreibt: „It is well known that d’Anastasi occasionally listed ‘Memphis’ as the origin of objects which have been proven to have come from Saqqara.“ Er fragt sich, ob die fünf magischen Papyri in Leiden aus der Sammlung Anastasi, für die „Memphis“ als Fundort im ursprünglichen Verzeichnis steht (I 343 = AMS 28; I 346 = AMS 23a; I 347 = AMS 23b; I 348 = AMS 26a und I 349 = AMS 26b), alle zusammen gefunden worden sein könnten (vgl. schon Borghouts 1971, 14). Er spekuliert sogar, dass sie aus dem Büro von Prinz Chaemwaset, dem Sohn Ramses’ II., in Saqqara stammen könnten (Raven 2012, 80–83).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 18. Dynastie » Thutmosis III. Mencheperre (Gesamtzeitraum) bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 18. Dynastie » Amenhotep II. Aacheperure

Die Datierung beruht auf paläographischen Kriterien und wird durch orthographische, grammatische und technische Argumente unterstützt. Aufgrund paläographischer Kriterien ist der Papyrus in die erste Hälfte der 18. Dynastie zu datieren. Stricker spricht von den „ersten Jahren der 18. Dynastie“ (Stricker 1948, 56), Bommas nennt die Zeit Thutmosis’ III. bis Amenhoteps II. (laut Bommas sogar ans Ende der Regierungszeit Thutmosis’ III. bzw. den Anfang seines Nachfolgers Amenhotep II., d.h. ca. um 1425 v. Chr.) (Bommas 1999, 6–7). Auch die Orthographie gewisser Wörter passt laut Stricker zu der Zeit nach Papyrus Ebers (Ende 17. oder Anfang 18. Dynastie) und vor der Amarnazeit (Stricker 1948, 56). Ein technisches Argument ist die Höhe der Rolle, die zu einer Rolle der 18. Dynastie passt (halbe Höhe einer Rolle von 36 cm; später: 40 bis 42 cm). Die Grammatik des zweiten Textes spricht für eine Textabfassungszeit nicht vor der zweiten Zwischenzeit. Da das Verso aufgrund der Konservierungsmaßnahmen heute kaum sichtbar ist, kann über die Niederschrift dieses Textes keine genauere Aussage getroffen werden. „Soweit dies dem spärlichen Befund zu entnehmen ist“, wurde das Verso allerdings vielleicht etwas später, unter Amenhotep III., beschriftet (Bommas 1999, 7).

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

Der Text ist in zwei Bücher zu unterteilen, wobei das erste seinerseits aus zwei Sprüchen besteht, d.h. sich insgesamt drei Sprüche auf dem Papyrus befinden. Alle bieten verschiedene rituelle Handlungen, die zum Schutz am letzten Tag des Jahres und an den Epagomenentagen, den zusätzlichen fünf Tagen am Ende des altägyptischen Jahres, vor den damit verbundenen Seuchen und Dämonen dienen sollen. Stricker (1948, 57–58) klassifiziert den Text im Wissenschaftsbereich der Hemerologie oder Tagewählerei. Ob ein langer Text zur Tagewählerei der 360 Tage des Jahres diesen beiden Büchern voranging, wie es Bommas vermutet, lässt sich nicht mehr bestimmen.

Der erste Spruch des Buches für den letzten Tag des Jahres beginnt mit einer Anrufung an 12 Götter (die Schutzgötter der vorangehenden 12 Monate). Anschließend werden die potentiell gefährlichen Dämonen angesprochen, wobei der Redner ihnen versichert, teilweise in Litaneiform, dass er nicht ihrem Gemetzel zum Opfer fallen wird. Dazu identifiziert sich der Redner u.a. mit mehreren großen Göttern und Göttinnen. Zuletzt wird eine Rezitationsanweisung gegeben.

Der nächste Spruch eröffnet zunächst den Nutzen des Folgenden. Dann werden die Namen der fünf Epagomenentage aufgezählt und was während dieser Tage geschieht, denn wer die Namen kennt, wird keinem Übel anheimfallen. Zuletzt folgt erneut eine Ritualanweisung und eine Liste mit Verboten, die man an diesen Tagen einhalten sollte.

Das zweite Buch zu den Epagomenentagen beginnt erneut mit einer Explikation vom Nutzen des folgenden Textes. Auch in diesem Buch werden die Namen der fünf Tage genannt und ein (zu rezitierender) Abwehrzauber, der den Sprecher u.a. mit mehreren göttlichen Entitäten gleichsetzt oder in unklare mythologische Kontexte einbindet. Am Ende des Papyrus befindet sich eine Vignette, bestehend aus den zwölf Göttern des ersten Spruches mit Beischrift (vgl. Bommas 1999, 8–20).

Aufgrund der Konservierungsmethode ist der Inhalt des Versos nicht mehr zu bestimmen, aber laut Bommas (1999, 3) gibt es Spuren hieratischer Zeichen. Es hat also irgendeine Art von Beschriftung auf dem Verso gegeben.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Unbekannt. Borghouts 1971, 14 spekuliert, ob die 5 magischen Papyri in Leiden aus der 19. Dynastie (sic! ein Text ist älter) gemeinsam gefunden worden sein könnten und dann eventuell die Handbibliothek eines professionellen Magiers gebildet haben. Der Modellbrief auf dem Verso spricht zumindest dafür, dass der magische Text seine ursprüngliche Funktion verloren hatte und der Papyrus zu Übungszwecken für Schreibschüler diente. Enmarch 2005, 2–5 geht von der begründeten Hypothese aus, dass die Leidener Anastasi-Papyri von „Memphis“ aus der frühen Ramessidenzeit gemeinsam an nur wenigen Orten in Saqqara gefunden worden sein können. Er identifiziert thematisch einerseits die magischen Papyri, andererseits Briefe, Verwaltungsstücke und literarische Texte aus dem Umfeld von Prinz Chaemwaset, einem Sohn von Ramses II., der in Memphis und Saqqara als Priester tätig war. Dann fragt er sich, ob beide Gruppen nicht doch auch gemeinsam gefunden worden sein könnten (Leiden I 348 und 349 enthalten ja auch Briefe und paraliterarische Texte auf dem Verso). Enmarch verweist schließlich noch auf thematisch ähnliche Papyri, die 1828 durch Champollion studiert (die Papyri Sallier; ob ebenfalls durch Anastasi gefunden?) bzw. 1839 durch Anastasi nach London verkauft wurden. Raven 2012, 82–83 spekuliert weiter, dass die fünf magischen Papyri möglicherweise entweder aus dem Grab eines Magiers/Heilers stammen oder dass sie gemeinsam mit weiteren administrativen und literarischen Papyri aus der Sammlung Anastasi, die sich heute in Leiden und London befinden, in einem der Göttin Sachmet (Verursacherin von und Beschützerin vor Krankheiten) gewidmeten Sanktuar aus der Zeit von Prinz Chaemwaset oder in einem angeschlossenen Verwaltungsgebäude mit Archiv aus derselben Zeit gefunden worden sein könnten. Hagen 2019, 270–275 referiert die Hypothese von Enmarch und spricht von einer möglichen privaten Bibliothek unter der Bezeichnung „The Saqqara Library“, die aus 15 Leidener Papyri aufgebaut gewesen sein könnte (Hagen listet die Londoner Texte nicht als zugehörig auf). Falls die Hypothese akzeptiert wird, geht es um ein privates Archiv, bestehend aus magisch-medizinischen Texten, Briefen, Verwaltungstexten, literarischen Texten und Hymnen, das einer Person gehört hat, die relativ hochrangig war und Beziehungen zum Tempel des Ptah in Memphis und zur königlichen Familie Ramses' II. hatte.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Papyrus Leiden I 346 hat heute eine Länge von ca. 73 cm und eine Höhe von 16,5 cm (Leemans 1840, 113 gibt die Maße 75 und 17 cm), mit insgesamt drei Kolumnen Text (Maße von der ersten zur dritten Kolumne: ca. 19 cm, 19,7 cm und 24,5 cm mit je ca. 3 cm unbeschriftetem Zwischenraum) (Maße nach Bommas 1999, 4; leicht abweichend bei Stricker 1948, 55). In den beiden ersten Kolumnen stehen 14 Zeilen Text, 12 in der letzten Kolumne. Unter dieser letzten befindet sich eine zwölf sitzende Gottheiten (mit Beischriften) umfassende Vignette von 16 cm Länge. Bis auf wenige Zerstörungen ist die Rolle gut erhalten. Besonders die oberen und mehr noch die unteren Ränder sind eher fragmentiert. Links (d.h. am Ende der Rolle) befindet sich eine leere Fläche von 6 cm. Der Anfang der rechten Kolumne ist zerstört (weniger als 1 cm fehlt), ebenso der mutmaßliche Schutzstreifen am Anfang der Rolle (Bommas 1999, 4–5).

Die Papyrusrolle besteht heute aus zwei Papyrusblättern. Aufgrund einer Klebestelle in der 2. Kolumne, die auf zwei Papyrusblätter von 34,5 (rechts = 1. Seite) und 38 cm (links = 2. Seite) plus Überlappung hinweist, kann eine einzelne Blattlänge von ca. 40 cm rekonstruiert werden. Entweder haben wir es mit einer in der Antike abgeschnittenen, kurzen Rolle zu tun, bei der bloß ein schmaler Schutzstreifen von ca. 5 cm am Anfang rekonstruiert werden muss, oder der Text bzw. die Rolle war ursprünglich viel länger. Obwohl der erhaltene Text vollständig ist (er fängt mit einem Titel an), will Bommas nicht ausschließen, dass ursprünglich ein weiterer Text voranging (Bommas 1999, 4; vgl. seine S. 3: „aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr vollständig“). Ein zusätzliches Argument sieht er in der Tatsache, dass die unteren Zeilen der ersten Kolumne ein wenig einspringen, als ob sie die ausladenden Zeilenenden eines vorangehenden Textes berücksichtigen mussten. Bommas denkt dabei konkret an einen Text zur Tagewählerei (ähnlich pKairo JE 86637), der mit dem hier erhaltenen Text zu den letzten Tagen des Jahres geendet haben oder fortgesetzt gewesen sein könnte (Bommas 1999, 5).

Aufgrund der sich wiederholenden Zerstörungen kann darauf geschlossen werden, dass der Papyrus ursprünglich sehr eng gewickelt war (Anfang des Textes am äußeren Rand) (Bommas 1999, 5).

Der Papyrus wurde nach seinem Erwerb durch das Rijksmuseum van Oudheden aus konservatorischen Gründen auf papier végétal aufgeklebt, dann auf weißem Papier befestigt und, einige Jahre vor 1948, in drei Stücke zerschnitten und in drei Frames verglast. Dadurch ist nur noch das Recto lesbar, allerdings deuten dünne Stellen des beklebten Versos und die „bei den in starkem Gegenlicht erkennbaren Zeichen“ an, dass auch das Verso beschriftet war (Bommas 1999, 3). Schon Brugsch (1852, 256) bedauert die „oft verblichenen und daher schwer zu entziffernden hieratischen Charakteren“. Seit der Erstpublikation von Stricker 1948 hat sich der Erhaltungszustand des Papyrus merklich verschlechtert (Bommas 1999, 5).

Schrift
Hieratisch

Es wurde schwarze und rote Tinte genutzt (letztere zur Kennzeichnung von neuen Sinnabschnitten). Zudem setzte der Schreiber Verspunkte zur metrischen Gliederung seines Textes (Bommas 1999, 5). Obwohl der Text paraliterarisch ist, wurde die Beschriftung nicht in einem literarischen Duktus vorgenommen, ist generell sehr eng und wird besonders in der dritten und letzten Kolumne immer flüchtiger (Bommas: „Die Handschrift selbst wirkt bisweilen ungelenk“). Stricker spricht von einer Schreiberhand, die nicht sehr kunstvoll und vor allem auch wenig präzise ist, weshalb sich unterschiedliche kleine Zeichen nur schwer differenzieren lassen (Stricker 1948, 56). An zwei Stellen hat der Schreiber eine Auslassung über der Zeile korrigiert, aber weitere Textfehler sind wahrscheinlich, z.B. bei den Namen der Tage, denn gewisse Textstellen sind unverständlich oder nicht übersetzbar.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Die zu Grunde liegende Grammatik ist die des Mittelägyptischen. Allerdings sind vereinzelt Neuägyptizismen zu lokalisieren (bspw. Possessivpronomen pꜣy=j (Kol. 3.9), die Graphie jw für die Präposition r (Kol. 2.6) oder die Verwendung des Infinitivs statt des negativen Komplements (Kol. 3.3)). Bommas vermutet, da sich diese wenigen jüngeren grammatischen Formen fast alle auf das zweite Buch beschränken, dass dieser Textteil eine jüngere Redaktion als das erste Buch sein könnte (Bommas 1999, 7).

Bearbeitungsgeschichte

In seiner ersten Beschreibung nimmt Leemans (1840, 113) die Papyri I 346 und 347 noch zusammen und gibt ihren Inhalt als „un texte sacré“ an. Die erste wissenschaftliche Bearbeitung erfolgte durch Brugsch 1852, 254–258 (Klassifizierung des Inhalts als die Epagomenentage betreffend und stellenweise Übersetzung). Eine weitere Beschreibung sowie partielle Übersetzung durch Chabas findet sich bei Leemans 1853–1862, 7, wobei vor allem das damals durch T. Hooiberg angefertigte Facsimile heute noch wichtig bleibt (Bommas 1999, 1–2). A.H. Gardiner hat im Jahr 1905 eine Abschrift für das Wörterbuchprojekt von Erman angefertigt.

Die vollständige Erstpublikation des Papyrus stammt von Stricker 1948 (mit Beschreibung, Datierung, Photo, hieroglyphischer Umsetzung mit der Unterstützung von A. de Buck, niederländischer Übersetzung und begrenzter Kommentierung). Nach Stricker publizierte Borghouts 1978, 12–14 eine englische Übersetzung des 1. Spruchs/Buches. Von Spalinger 1995 stammt eine eingehendere Bearbeitung der Namen der fünf Epagomenentage, gefolgt von Raven 1997 zu der am Schluss des Papyrus befindlichen Vignette.

Eine komplette Neuedition wurde 1999 von M. Bommas mit Faksimile, Transliteration, Transkription sowie Übersetzung und ausführlicher Kommentierung veröffentlicht. Wichtige Verbesserungen zur hieroglyphischen Umsetzung und zu den Kommentaren seiner Publikation folgten 2002 durch C. Leitz. Eine neue deutsche Übersetzung wurde für das Projekt DigitalHeka (2006-2008) erstellt.

Editionen

- Bommas 1999: M. Bommas, Die Mythisierung der Zeit. Die beiden Bücher über die altägyptischen Schalttage des magischen pLeiden I 346, Göttinger Orientforschungen 37 (Wiesbaden 1999). [F,H,U,Ü,K]

- Stricker 1948: B. H. Stricker, Spreuken tot beveiliging gedurende de schrikkeldagen naar Pap. I 346, in: Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden N.S. 29, 1948, 55–70 und Taf. 10–12. [P*,H,Ü,K]

Literatur zu den Metadaten

- Borghouts 1971: J. F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51 (Leiden 1971).

- Borghouts 1978: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, Religious Texts Translation Series NISABA 9 (Leiden 1978), 12–14 (Nr. 13). [Ü von Kol. 1.1-3.4]

- Brugsch 1852: H. Brugsch, Die fünf Epagomenen in einem hieratischen Papyrus zu Leyden, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 6, 1852, 254–258 und Taf. (zwischen 254 und 255).

- Enmarch 2005: Roland Enmarch, The Dialogue of Ipuwer and the Lord of All, Oxford 2005.

- Gardiner 1909: Alan H. Gardiner, The Admonitions of an Egyptian Sage from a Hieratic Papyrus in Leiden (Pap. Leiden 344 recto), Leipzig 1909 (= Hildesheim, Zürich, New York 1990).

- Hagen 2019: Fredrik Hagen, Libraries in Ancient Egypt, c. 1600–800 BCE, in: Kim Ryholt und Goiko Barjamovic (Hrsg.), Libraries before Alexandria. Ancient Near Eastern Traditions, Oxford 2019, 244–318 (hier: 270–274).

- Halbertsma 1995: R. B. Halbertsma, Le solitaire des ruines. De archeologische reizen van Jean Emile Humbert (1771–1839) in dienst van het Koninkrijk der Nederlanden (Collections of the National Museums of Antiquities at Leiden C.N.M.A.L., Vol. IX) (Leiden 1995).

- Halbertsma 2003: R. B. Halbertsma, Scholars, Travellers and Trade. The pioneer years of the National Museum of Antiquities in Leiden, 1818–40 (London/New York 2003).

- Leemans 1840: C. Leemans, Description raisonnée des monumens égyptiens du Musée d’antiquités des Pays-Bas à Leide (Leide 1840), 113.

- Leemans 1853–1862: C. Leemans, Papyrus égyptiens hiératiques I. 343–371 du Musée d'Antiquités des Pays-Bas à Leide, avec des notices sommaires par M. F. Chabas, de Chalon-sur-Saône (Leide 1853–1862), Fasc. II.19. (= Beknopte toelichtingen bij de aegyptische papyrussen I. 343–371, van het Nederlandsche Museum van Oudheden te Leiden, Leiden 1961)

- Leemans 1867: C. Leemans, Monumens Égyptiens du Musée d’Antiquités des Pays-Bas à Leide. IIe Partie: Monumens civils, Fasc. 19 (= Aegyptische Monumenten van het Nederlandsche Museum van Oudheden te Leyden. IIe Afdeeling), Leiden 1859, 67-68 (Beschreibung durch Chabas) und Taf. CXXXIX–CXL (Facsimile durch T. Hooiberg) [F]

- Leitz 2002: C. Leitz, [Review:] M. Bommas, Die Mythisierung der Zeit. Die beiden Bücher über die altägyptischen Schalttage des magischen pLeiden I 346, Göttinger Orientforschungen 37 (Wiesbaden 1999), in: Lingua Aegyptia 10, 2002, 413–424.

- Raven 1992: M. J. Raven, Numbering Systems in the Egyptian Department of the Rijksmuseum van Oudheden at Leiden, in: Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 72, 1992, 7–14.

- Raven 1997: M. J. Raven, Charms for Protection during the Epagomenal Days, in: J. van Dijk (Hrsg.), Essays on Ancient Egypt in Honour of Herman te Velde, Egyptological Memoirs 1 (Groningen 1997), 275–291.

- Raven 2012: M. J. Raven, Egyptian Magic. The Quest for Thoth’s Book of Secrets (Kairo/New York 2012), 79 und Fig. 61 (Farbphoto der Götterdarstellungen unter Kol. 3).

- Spalinger 1995: A. Spalinger, Some Remarks on the Epagomenal Days in Ancient Egypt, in: Journal of Near Eastern Studies 54, 1995, 33–47 (für die Namen der 5 Tagen ab Kol. 2.9).

- Chr. Theis, Magie und Raum, ORA 13, Tübingen 2014, 331-337 (Kommentar zu Kol. 3.4-6 und zu den 12 angerufenen bzw. dargestellten Gottheiten) [K]

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Mitwirkende
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

pLeiden I 346 = AMS 23a: Schutz vor den Epagomenentagen

Spruch I

[1.1]Amulettrolle des letzten Jahrestages: O Sachmet, Große, Herrin von Ascheru! O Schentit, die sich in Busiris befindet! O Herrscher – er lebe, sei heil und gesund –, Re, Herr des Himmels! O Schesemtet, Herrin von Punt! O Horus, Herr der wrr.t-Krone!1 O Sobek, Herr des Minet-Gewässers! O Schöpfer (?) von Ascheru!2 O Auge des Re, Herrin der beiden Länder, Herrscherin der Flammeninsel! O Horus, edler Geist von Opet!3 O Heribaqef, Horus, Herr von Schenet! O wirkungsvolles Auge des Horus, {{Herrin}} des Weins!4 O Chnum, Herr des Dreißigerrates! Seid gegrüßt, o ihr Götter, Messerdämonen, Vorhut der Sachmet, die aus dem Auge des Re stammen, Boten überall in den Gauen, die [1.5]Gemetzel veranstalten, die Unruhe stiften, die im Land (oder: auf der Erde) herumstromern und ihre Pfeile mit/aus ihrem Maul verschießen gegen den, den [sie] von Ferne erspähen:5 Haut bloß ab! Ihr werdet [nicht] gegen mich [kommen (?)]!6 Geht bloß fort! Ich werde nicht mit euch gehen! Ihr werdet keine Gewalt über mich haben! Ihr werdet mich nicht [eurer Gewalt (?)] überlassen! Ihr werdet nicht [...] in/mit mir, um [mich (?)] ...?...7 für (?) das ⸢Gemetzel⸣ unter euch! [Ihr] werdet mich nicht irgendeiner bösen Untat dieses Jahres [überlassen]! Denn ⸢ich bin Re⸣, der als sein Auge [auf]geht. Ich bin erschienen als Sachmet, erschienen als Uto! Denn ich bin Atum, der seine Anfänge (?) umgibt, ich bin Atum, der sich in den beiden Länder befindet; ich bin [Atu]m im 〈Großen〉 Tempel, der Herr der Menschen, der Schöpfer der Götter, der Herr des Gemetzels, der Respekt hervorruft!8 Denn ich bin dieses Sechemszepter, das ...?...!9

Ich werde nicht [1.10]fallen durch euer Gemetzel, die ihr in Pe seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr in Dep seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr in Letopolis seid! Ich werde nicht fallen [durch] euer Gemetzel, die ihr in Heliopolis seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr in Busiris seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr in Abydos seid! Ich werde nicht fallen [durch] euer Gemetzel, die ihr in Babylon seid! Ich werde nicht fallen [durch] euer Gemetzel, die ihr im Himmel seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr in der Erde seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr auf dem Weideland (?)10 seid! Ich werde nicht fallen durch euer Gemetzel, die ihr auf den Ufern (?) des Flusses seid! Komm herunter, zorniger Jüngling, der [aus dem Him]mel kommt, [Herr (?)], Flammengesicht (?), ihr Vagierer, die herumstreunen inmitten der Seuche des Jahres! Uto ist befriedet! Streuner, die sich ⸢nähern⸣ (??),11 zu den Vagierern Gehörende, die [2.1]für (oder: an, d.h. gegen) den mit verborgenen Namen Unheil (wörtl.: Fälle) [hervorbringen]! Mein Feind ist unter meinen Sohlen! Leben ist an meiner Nase! Heka ist das Schutzamulett 〈meines〉 Körpers, indem ich vollständig bin. Ich entkomme (?),12 wobei ich nach meinem Willen herabsteige! Ich bin der Himmel, in dem (?) die Götter sind, ich bin die Erde, in der (?) die Götter sind,13 während die beiden Herrinnen ihre Kinder schützen!14 Horus, Horus, das Papyrusamulett (oder: der Sprößling) der Sachmet umgibt meinen Körper, der vollständig für das Leben ist! Zu rezitieren über einer Binde aus feinstem Leinen; werde mit diesen Götterbildern15 bemalt und mit 12 Knoten versehen, indem ihre Opfer, Brot, Bier und Weihrauch auf dem Feuer sind;16 werde einem Mann an den Hals gegeben. (Das ist) das Bewahren eines Mannes [vor] der Jahresseuche. Kein Feind kann Macht über ihn haben.

1 nb wr(r).t statt nb Bḥd.t mit Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 414, 418 (zu Kol. 3.13) und 420. An beiden Stellen haben Stricker und Bommas nb Bḥd.t gelesen, aber die Kobra als Determinativ in Kol. 1.2 passt nicht zum Toponym oder zu bḥd.t als "Thron" und das erste Zeichen ähnelt auch nicht dem Elephantenzahn (F18; vgl. dazu Kol. 2.5).

2
jri̯: "Schöpfer" oder jr.t: "Auge": Raven, in: Fs te Velde, 276 übersetzt die Parallelstelle in der Vignette (Kol. 3.13) mit "The Eye of Asheru" (so schon Yoyotte, in: RdE 14, 1962, 105). Vernus, in: RdE 33, 1981, 92 hat "l'Agisseur de l'ı͗šrw", aber er schreibt, 99, Anm. (am), dass man jr.t: "Auge" erwartet.

3
ꜣḫ.⸮w? ⸮n? jp.t: Auf einem guten Photo des Museums von Leiden hat man den Eindruck, dass hinter dem thronenden Mann (A52) drei Pluralstriche senkrecht stehen (wie es Stricker angibt) und dass ein Schilfblatt nachträglich über ein kurzes n eingefügt wurde und dabei die Pluralstriche berührt. Die Pluralstriche führen Stricker (1948, 66 und 70) zu der Übersetzung "Horus van de geesten van Opet", d.h. Ḥr.w (n.j) ꜣḫ.w (n.j) Jp.t (ebenso Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 12). In der Vignette ist ꜣḫ zerstört, aber die Pluralstriche sind dort eindeutig.

4
nb.t: Mit einem schwarzen Strich in der Antike senkrecht getilgt (?), jedoch erforderlich. In der Vignette in Kol. 3.13 ist nb.t vorhanden (die Kopie von Bommas ist hier fehlerhaft). Bommas, 28-29, Anm. 18 berücksichtigt die antike Tilgung und übersetzt "Horusauge, mit/an Wein verklärt".

5
r gmḥ=[s]n wꜣw statt r gmḥ n wꜣ.w (Bommas, 41 mit Anm. 33): Information J.-F. Quack (E-Mail 20. Nov. 2015). Für die Lesung und Ergänzung r gmḥ=[s]n wꜣw siehe die eindeutige Parallele in Esna (A. von Lieven, Der Himmel über Esna. Eine Fallstudie zur Religiösen Astronomie in Ägypten, ÄA 64 (Wiesbaden 2000), S. 42f., Taf. 2b) und zu der betreffenden Stelle zuletzt H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, ÄOP 2 (Berlin/München/Boston 2015), S. 195. Gleiche Beobachtung bei Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 420 zu Anm. 22. Die Übersetzung "from afar" schon bei Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 12.

6
[nn jwi̯]=tn: Basiert auf dem Ergänzungsvorschlag von Bommas, Mythisierung, 41-42, Anm. 34, aber ist unsicher. Bommas meint, dass die Negation mittig geschrieben ist, deshalb nur n und nicht nn sein kann, aber die Spuren, falls es welche gibt, reichen für eine solche Entscheidung nicht aus. Die Lesung des Verbs als jwi̯ ist ebenfalls unsicher. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 12 ergänzt: "Be on your way, [be distant] from me!" Das wäre eine Ergänzung ohne Negation, vielleicht mit den Verben wꜣi̯ oder ḥri̯.

7
Lesung bislang unklar: siehe Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 415 und 420-421 zu Anm. 236-37. Die Transkription ꜥḥ von Bommas kann nicht stimmen.

8
šfšf.t: Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 13 übersetzt "who created the respect 〈for him〉", d.h. er emendiert zu qmꜣ šfšf.t〈=f〉.

9
Unklar. Es gibt Spuren von Zeichen nach pn und dann eindeutige Zeichen ab A28, anschließend ist ein horizontaler Strich über die Zeile hinzugefügt. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 13 ergänzt "[lofty] and high ...", wobei er in 101, Anm. 34 anfragt, ob twy ein Fehler für šw.tj sein könnte (für das bekannte qꜣi̯ šw.tj). Die Lesung von Bommas, Mythisierung, 12 und 45, Anm. 56-57 als ḥꜥ(.w) nḥni̯(.w): "das jubelt und frohlockt(?)" ist nicht nachvollziehbar, wie schon Leitz. in: LingAeg 10, 2002, 415 und 421 beobachtet hat.

10
šꜣ: Lesung gemäß Stricker, aber unsicher. Die Lesung von Bommas, Mythisierung, 13 und 52, Anm. 63 als 〈ꜣ〉ḥ.wt: "Felder" überzeugt keineswegs, wie schon Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 415 bemerkte.

11
(j)ꜥr.w: nach Bommas, Mythisierung der Zeit, 59-60 Anm. 71, aber sehr unsicher. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 13 folgt der Lesung von Stricker und übersetzt: "The attack (?) of those who are among the wandering demons will pass over."

12
tꜣš: Zum Vorschlag, tši̯ zu lesen, siehe Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 421 zu Anm. 82. Anders Bommas, Mythisierung der Zeit, 62, Anm. 81: tꜣš: "abgrenzen". Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 13 versucht es mit dem Substantiv tꜣš: "Grenze": "My border is allotted (?) 〈to〉 me (?) according to my wish".

13
Eine andere Übersetzung bei Stricker, 66, Borghouts, 13 und Bommas, 14: "Mir gehören der Himmel und die Götter, die in ihm sind; mir gehören die Erde und die Götter, die in ihr sind." In einem klassisch geschriebenen Text müsste dann n-(j)nk statt jnk stehen.

14
〈ḥr〉 ḫwi̯.t: Lesung nach Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 416 und nicht ḏsr (so etwa Stricker und eindeutig Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 13) oder ḏsr.tj (Bommas, Mythisierung der Zeit, 63, Anm. 85-86). Das Fehlen von 〈ḥr〉 sowie die Endung tw sind sehr ungewöhnlich für die frühere 18. Dynastie.

15
Es geht um 12 Götter, die am Ende von Kol. 3 mit Beischriften dargestellt sind. Zu ihrer Funktion vgl. Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 422-423 zu Anm. 96 und Raven, Charms for Protection, in: Fs te Velde 1997.

16
Für die Lesung wdn n=sn (mit Stricker) statt wdn=sn (Bommas) siehe Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 416 zu II.3.

Spruch II

Befrieden der Götter im Gefolge der Sachmet und des Thot: Zu rezitieren [2.5]durch den Mann vom letzten Jahrestag an, am (oder: 〈bis zum〉) Neujahrsfest und am Wagfest, bis zum Tagesanbruch am Fest der Renenutet.

Die Zusatztage des Jahres, deren Namen und was gesagt wird über das, was in ihm getan wird: Der, der die Namen der Zusatztage des Jahres kennt, kann weder hungern noch dürsten, weder fällt er der Jahresseuche anheim, noch hat Sachmet Gewalt über ihn. Ich aber kenne sie! Ich werde nicht dürsten oder hungern; ich werde weder der Jahresseuche anheimfallen, noch wird Sachmet Gewalt über mich haben!

Die fünf Zusatztage des Jahres:

Tag 1: Kämpferisch! Die Geburt des Osiris ist es, das Fest des Wennefer! Ausgeprägt ist das Weinen im ganzen Land, weil das Gebrüll und der Unfriede beginnt. Rezitation, die an ihm gesprochen wird: O Osiris, Stier des Westens, dessen Name seinen Nachkommen verborgen ist! "Seine Mutter umgibt mein Antlitz" und "ich bin dein Sohn Horus" sind sein(e), ((dieses Tages)), Name(n).

Tag 2: Die Geburt des Haroeris 〈ist es〉, [2.10]des ⸢Chenti-irti⸣, das Fest des Horus, des Herrn von Letopolis, das erneut verkündet wird. Rezitation, die an ihm gesprochen wird: O großmächtiger Haroeris, Herr der Ehrfurcht, groß an Respekt! "Rette mich vor dem Gemetzel dieses Jahres!" ist der Name dieses Tages. "Der zerteilt (?) ohne Ruder" ist sein Name.

Tag 3: Kämpferisch! Die Geburt des Seth ist es, als der Aufruhr begann, als das Erlassen der Gesetze der großen Neunheit begann. Rezitation, die an ihm gesprochen wird: O Seth, Herr des Lebens, der sich im Bug der Barke des Re befindet! "Du sollst mich vor jeglichem schlechten Getöse dieses Jahres bewahren" ist der Name dieses Tages. "Reines gꜣs.t" ist sein Name.

Tag 4: Die Geburt der Isis ist es, ...?... die ihr Gesicht zuwendet (? oder: auf sie?), die die Gesetze der großen Neunheit ausführt. Rezitation, die an ihm gesprochen wird: O Isis, die in Chemmis ist, Älteste, Tochter der Nut! "Lasse gedeihen auf (dein) Geheiß" ist der Name der [3.1]Tage (!). "Sobek, der Große der Seen" ist sein Name.

Tag 5: Kämpferisch! Die Geburt der Nephthys 〈ist es〉; Lachen und Weinen sind verborgen. Rezitation, die an ihm gesprochen wird: O Nephthys, Tochter der Nut, die das Steuerruder umwendet! "Nicht ...?... mich euere Macht! Überlasst mich nicht irgendeinem Übel dieses Jahres! Leben, Leben, altes Jahr! Willkommen, neues Jahr!" ist der Name dieses Tages. "Jüngling im Nest" ist sein Name.

Rezitation: Man soll diese Götterbilder mit gelber Farbe als Zeichnung anfertigen, – werde mit Myrrhen wiederholt – auf eine Binde von feinem Leinen an den 5 Zusatztagen des Jahres. Du sollst keinerlei Arbeit verrichten an diesen Unglückstagen an Emmer oder Gerste oder Flachs oder Kleidung. Öffne überhaupt nichts! Was einen Mann angeht, der dies als Schutzzauber ausführen wird, ihn trifft kein Unglück!

1 Es ist unklar, ob die Zeilen 2.4-5 noch zu Spruch I oder schon zu Spruch II gehören. Stricker (1948, 66) ist sich unschlüssig, zieht sie dann in seiner Übersetzung doch zu Spruch I (ebenso Borghouts und Bommas).

2
Die Präposition werden unterschiedlich ergänzt und übersetzt:
- "van de laatste dag des jaars af 〈tot op〉 de nieuwjaarsdag, op de dag van het Wagfeest en op de morgen van het feest van Renenoetet" (Stricker, in: OMRO 29, 1948, 67).
- "from the last day 〈until〉 the opening of the year, 〈on〉 the Wag-festival and at the daybreak of the Ernutet festival" (Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, 14: so wie Stricker).
- "vom Fest des letzten Tages des Jahres, dem Fest der Eröffnung des Jahres und dem Wag-Fest bis zum Morgen des Festes der Renenutet" (Bommas, Mythisierung der Zeit, 15).

3
Zur Übersetzung vgl. Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 423 zu Anm. 114. Leitz bezieht jm=s auf die Epagomenen (d.h. ḥr.jw-rnp.t als kollektiver Begriff).

4
kꜣ: Die hieroglyphische Wiedergabe von Stricker und Bommas ist richtig (contra Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 416), wie ein gutes Photo des Leidener Museums bestätigt.

5
Ergänzung ⸢Ḫnt.j-jr.tj⸣ nach Bommas (Stricker hat eine Lücke gelassen). Sie passt zu den Spuren (zumindest nt von ⸢Ḫnt.j⸣ ist sicher) und zu der Nennung von Letopolis. Die Position des Verspunktes ist unklar. Stricker setzt einen Verspunkt nach der Lücke von Ḫnt.j, aber dort steht eindeutig keinen Verspunkt auf dem Papyrus (wenn, dann höchstens am Ende von Ḥr.w-wr). Bommas setzt weder hinter Ḥr.w-wr noch hinter ⸢Ḫnt.j-jr.tj⸣ einen Verspunkt, aber er vermerkt in seiner Anmerkung (87-88, Anm. 137), dass ein Verspunkt hinter ⸢Ḫnt.j-jr.tj⸣ in der Lücke zu erwarten sei.

6
r⸮m.t?: Die Spuren könnten passen für rmi̯.t "weinen" (vgl. rm(j).t in Kol. 3.1 bei Nephthys), wobei das Determinativ des weinenden Auges dann vergessen wäre. Eine Übersetzung könnte sein "Das Ufer (?) weint wegen ihr". Der Lösungsvorschlag von Bommas, 17 und 95 mit Anm. 154, die Präposition jrm zu lesen, ist ausgeschlossen.

Spruch III

Amulettrolle der fünf Zusatztage des Jahres, wenn das alte 〈Jahr〉 beim [3.5]neuen Jahr ist: Mein Ka ist friedlich.Ich werde verschont, mein Haus wird verschont, das um mich ist, um die Worte der Götter zu hören: Ihr sollt mich retten, ihr sollt mich schützen und umgekehrt, vor den Räubern der Epagomenen. Denn wer ihre Namen kennt, der kann dem Gefolge der Sachmet nicht anheimfallen oder der Hitze des Einflusses des Jahres.

"Sein Spruch ist 〈in〉 Frieden!"1 ist der erste Tag der fünf 〈Zusatz〉tage des Jahres. "Heges, der sein Ruder nicht kennt"2 ist der Name des zweiten Tages {der Namen} der fünf Zusatztage des Jahres. "Fahren in der Sumpflandschaft des (heliopolitanischen) Sees"3 ist der Name der fünf Zusatztage des Jahres. "Reiner in seinem Feld"4 ist der Name der fünf Zusatztage des Jahres. "Wirkungsvoller Falke in seinem Nest",5 "Aus Pe bin ich gekommen, nachdem ich in Dep geboren ward" ist der Name der fünf Zusatztage des Jahres.

Ich aß die Meeräsche, obwohl ich das Tabu der Neunheit kenne. Denn ich habe mein Amulett hergestellt in Form einer solchen Sau auf einer Binde aus rotem Leinen. Denn ich bin die Sau, die ihren Herrn beschützt, der ihretwegen unversehrt alt wird. Ich bin (die tiergestaltige Dämonin) ḥmm.yt! [3.10]O Sachmets Jüngling, mein Name ist im Himmel, meine Strahlen sind auf der Erde, meine Gestalten sind bei meinem Schöpfer! Ich bin Sachmet, die Allherrin! Ich bin Sachmet, die Herrin des rotgefärbten Stoffes! Ich bin Uto, die Herrin von Pe! Ich bin Uto, die Herrin von Nebit! Ich werde nicht geraubt werden in dieser Nacht oder an diesem Tag, zu diesem Zeitpunkt oder zu dieser Stunde! Ihr Wohlwollen ist bei mir! Schutz hinter Schutz, es kommt Schutz!

1 Lesung unklar: siehe Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 417 für die Lesungen jw r⸢ʾ⸣=f 〈m〉 ḥtp(.w) oder jw=〈f〉 (j)r≡f ⸢m⸣ ḥtp(.w). Es gibt eine kleine schadhafte Stelle, in der man entweder den Ideogrammstrich von oder die übliche abgekürzte Schreibung der Präposition m ergänzen kann, aber nicht beide.

2
hꜣgsw/hgs: Unbekanntes göttliches Wesen. Spalinger, in: JNES 54, 1995, 36, Anm. 13 fragt sich, ob dies eine Schreibung für die Gottheit hqs sein könnte (mit Literaturhinweisen, außerdem LGG IV, 812b und Bommas, Mythisierung, 117, Anm. 198, mit Literaturhinweisen).
Zum Namen des Tages siehe Spalinger, in: JNES 54, 1995, 33-47 und Bommas, Mythisierung, 117, Anm. 198-199.

3
mr.tj: Spalinger, in: JNES 54, 1995, 36, Anm. 134 liest hier den jty-Kanal. Bommas, Mythisierung, 19 und 118-119, Anm. 201 nennt sowohl mr.tyw- als auch jty-Gewässer.
Zum Namen des Tages siehe Spalinger, in: JNES 54, 1995, 33-47 und Bommas, Mythisierung, 117-119, Anm. 200-201.

4
Zum Namen des Tages siehe Spalinger, in: JNES 54, 1995, 33-47 und Bommas, Mythisierung, 119-120, Anm. 202. Es wird angenommen, dass es eine Verstümmelung von ngꜣ wꜥb m sḫ.t=f: "Der reine ngꜣ-Stier in seinem Feld" ist.

5
Zum Namen des Tages siehe Spalinger, in: JNES 54, 1995, 33-47; Leitz, in: ZÄS 120, 1993, 136-165 und 181 und Bommas, Mythisierung, 120-121, Anm. 203.

Bildstreifen zu Spruch I

Sachmet, die Große, die Herrin von Ischeru. Schentit, [die in Busiris wohnt]. Der Fürst, Re, der Herr des Himmels. Schesemtet, die Herrin von Punt. Horus, der Herr der wrr.t-Krone (?).1 Sobek, der Herr des Minet-Gewässers. Schöpfer/Auge (?)2 von Ischeru. Auge des Re, Herrin der Beiden Länder, Herrscherin der Flammeninsel. Horus, der [Ach-Geist] von O[pet]. Der-unter-seinem-Moringabaum-ist, Horus, der Herr von Schenut. Herrliches Auge des Horus, Herr des Weins. Chnum, der Herr des Gerichtshofs.

1  nb wr(r).t statt nb Bḥd.t mit Leitz, in: LingAeg 10, 2002, 418 unter Hinweis auf Kol. 1.2 (S. 414 und 420). An beiden Stellen haben Stricker und Bommas nb Bḥd.t gelesen, aber die Kobra als Determinativ in Kol. 1.2 passt nicht zum Toponym oder zu bḥd.t als "Thron" und das erste Zeichen ähnelt auch nicht dem Elephantenzahn (F18).

2
jri̯ oder jr.t: Raven, in: Fs te Velde, 276 übersetzt mit "The Eye of Asheru".