Papyrus Köln aeg. 3547

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
P. Köln ägypt. I 1 TM 101242
Aufbewahrungsort
Europa » Deutschland » (Städte H-M) » Köln » Institut für Altertumskunde, Papyrussammlung

Inventarnummer: 03547

Erwerbsgeschichte

Die genaue Erwerbungsgeschichte ist unbekannt. Es ist nur sicher, dass der Papyrus im Fayum von einem Händler erworben wurde (Kurth – Thissen – Weber 1980, 30).

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » Fajjum

Da die Fundumstände unbekannt sind, kann auch über den Fundort keine sichere Aussage getroffen werden. Er wurde von einem Händler im Fayum erworben (Kurth – Thissen – Weber 1980, 30), sodass seine Provenienz wohl ungefähr dort zu verorten ist. Nicht relevant für die Herkunftsbestimmung ist ein von Kurth identifiziertes Toponym Tp-tꜣwj (in Kol. 1.5), weil dies gar kein fayumspezifisches Toponym, sondern Teil eines Epithetons der Göttin Isis ist (Fischer-Elfert 2015, 254 und 272).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Die Paläographie passt zu Texten aus der 30. Dynastie bis zum 2. Jh. v. Chr., die Orthographie zeigt Merkmale der sog. ptolemäischen Hieroglyphenschrift und im Vokabular finden sich einige Wörter bzw. Wortverwendungen, die ebenfalls den späten Texten angehören. Deshalb datiert Kurth den Text am ehesten in die frühe Ptolemäerzeit (ca. um 300 v. Chr.) (Kurth – Thissen – Weber 1980, 16–21). Er könnte laut Kurth höchstens noch etwas jünger sein (paläographisch bis ins 2. Jh. v. Chr.), aber nicht jünger als die Zeit um Christi Geburt wegen der Verwendung des Pinsels statt des Kalamos. (Kurth – Thissen – Weber 1980, 21). Ungünstig ist die Angabe bei TM, das die Zeit von 30 bis 1 v. Chr. als Römerzeit zu 30 v. Chr. bis 199 AD pauschalisiert und daher „BC 399 - AD 199“ angibt. Die Homepage der Kölner Papyri gibt „300 v. Chr. (?)“ als Datierung an.
Ein weiteres Indiz für die Datierung in die frühe Ptolemäerzeit bietet der inhaltlich nahestehende Papyrus München ÄS 5882, der paläo- und orthographisch ebenfalls in diese Zeit gehört (Fischer-Elfert 2015, 256).

Textsorte
Inhalt

Der Text richtet sich gegen den Krankheitsdämon zwꜣw-bjn „Böser Wandelgeist“, der in den Körper einer Frau namens Meritamun, Tochter der Ibhemes, eingedrungen ist. Dabei führt die Göttin Isis das Schutzritual zugunsten ihres Sohnes durch, welches anschließend auf die menschliche Patientin übertragen wird. Isis ruft ihren Sohn Horus auf, sich zu erheben, denn er liegt im Todes(?)schlaf darnieder. Dann beschreibt sie die chaotischen Zustände im Zusammenhang mit einer blockierten Überschwemmung (eine kosmische Störung), damit der Wandelgeist von Horus ablässt und ebenso von der Patientin Meritamun. Der Magier beschreibt weitere kosmische und kultische Störungen und gibt sich als Isis zu kennen. Nach einer längeren Lücke droht sie in drei (?) Strophen mit weiteren Störungen im Bereich Kult und Sonnenlauf (Götterbedrohung), jeweils mit einem erneuten Aufruf an den Dämon, hinauszukommen. Die dritte Textkolumne enthält eine litaneiartige Aufforderung an den Dämon in 23 ähnlich aufgebauten Versen, in keinem der von Kopf bis Fuß aufgelisteten Körperteile und auch nicht im Schlaf irgendwelche Leiden oder Krankheiten zu verursachen, denn alle Götter stehen bereit, ihn zu töten. Im letzten Satz steht eine Handlungsanweisung: der Spruch sei über Statuen/Abbildungen der Götter Ptah, Min, Horus, Thoth, Isis und Nephthys zu rezitieren. Die genannten Götterfiguren sind zuletzt als Vignette am Papyrusende angebracht.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Papyrus war nachweislich zusammengerollt und mehrfach verschnürt, sodass die Vermutung nahe liegt, dass er aufgrund der geringen Größe, der Verschnürungsart und des Inhalts ursprünglich zu einem Amulett gehörte und somit der tragenden Person Schutz bieten sollte.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus hat eine Höhe von 6 cm und eine Länge von ca. 95 cm. Er besteht aus drei Blättern, die aneinandergeklebt und nur auf dem Recto parallel zu den Papyrusfasern mit insgesamt drei Textkolumnen zu je sieben Zeilen beschriftet wurden. Die Klebungen sind von mäßiger Qualität, Kurth nimmt dennoch an, dass der 95 cm lange Streifen von einer vorgefertigten Rolle stammt und nicht erst vom Schreiber aneinandergeklebt wurde (Kurth – Thissen – Weber 1980, 9–10). Sowohl im zusammengerollten Zustand als auch beim modernen Aufrollen haben sich einige Fragmente gelöst oder Schriftzeichen Abdrücke auf dem Verso hinterlassen, sodass diese dort noch sichtbar sind (Kurth – Thissen – Weber 1980, 10–11).
Die erste Kolumne ist – von kleineren Zerstörungen, die sich auch im restlichen Papyrus finden, abgesehen – nur bis zur vierten Zeile erhalten (wobei die erste teilweise stark von Abplatzungen und Abrieb betroffen ist), da sie am äußeren Rand der Rolle den meisten Schaden erhalten hat. Die fünfte ist ca. zur Hälfte erhalten und von der sechsten sind nur noch vereinzelte Spuren vorhanden. Die zweite Kolumne ist besonders am Anfang der Zeilen fünf bis sieben beschädigt. Die letzte ist verhältnismäßig gut erhalten. Sie ist jedoch nicht durchgängig beschriftet, sondern ca. im letzten Drittel mit verschiedenen Figuren bemalt (Ptah, Min, Horus, Thot, Isis und Nephthys), sodass sie nur die erste Zeile die gesamte Kolumne ausfüllt und die anderen sechs entsprechend in der Länge angepasst wurden.
Teilweise haben sich noch Abdrücke bzw. Einzelteile der ursprünglichen Umwicklung des zusammengerollten Papyrus mittels eines Bastfadens erhalten. Es gab etwa 10 Wicklungen in Abständen von 0,5 cm sowie eine Wicklung in der Längsrichtung der Rolle. Im zusammengerollten Zustand wird er einmal einen Durchmesser von ca. 1,7 cm gehabt haben, wobei der Textanfang am äußeren Rand des Röllchens und die Vignette zuinnerst waren (Kurth – Thissen – Weber 1980, 9–12, Taf. 1–3).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist schwarz. Der Text wurde nicht besonders sorgfältig aufgetragen. So ist (besonders in der ersten Kolumne) die Zeilenhöhe nicht gleichmäßig und der Schreiber tendierte allgemein dazu, die aufeinanderfolgenden Zeichen stark miteinander zu verbinden, was teilweise zum Verlaufen der Tinte und zur Bildung von Klecksen führte. Die dritte Kolumne erscheint als die am sorgfältigsten verfasste (wenige „Kleckse“ und gleiche Zeilenhöhe), was vielleicht an der Nutzung einer neuen Binse (Kurth – Thissen – Weber 1980, 12–13) oder einem veränderten psychischen und/oder physischen Zustand des Schreibers liegen könnte.
Nicht auf den vorhandenen Photos nachvollziehbar ist die von Kurth anscheinend beobachtete Nutzung der Ligatur zweier Zeichen (Docht und Buchrolle (V28-Y1)), welche an eine Schreibung aus der 19. Dynastie erinnert (dort eher Schlaufe und Buchrolle, Eule und Buchrolle, t und Buchrolle). Dies ließe laut Kurth die Vermutung zu, dass der Schreiber vielleicht mit älteren Schriftsystemen vertraut war, was dann für jemanden aus dem priesterlichen Milieu sprechen würde (Kurth – Thissen – Weber 1980, 13).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch, Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die Sprache ist Mittelägyptisch, mit wenigen neuägyptischen Einflüssen (Possessivartikel pꜣy=j (1.1), tꜣy=f (2.1), Negation bn (1.1), Umstandssatz jw=j (1.1), proklitisches Pronomen tw=j (1.1), Definit- und Indefinitartikel (pꜣ/tꜣ/nꜣ passim; wꜥ in 2.1), Disjunktion rʾ-pw mit neuägyptischem m davor) (Kurth – Thissen – Weber 1980, 15).

Bearbeitungsgeschichte

Die ausführliche Erstedition fand durch Kurth (in: Kurth – Thissen – Weber 1980) statt, mit einer Beschreibung des Textträgers, der Paläographie, der Sprachstufe, mit einer Übersetzung und Kommentar, hieroglyphischer Transliteration und Photos. Einige Korrekturen lieferte Vittmann in seiner Rezension. Der inhaltlich sehr ähnliche, aber viel leserlicher geschriebene Papyrus München ÄS 5882 ermöglichte es Fischer-Elfert 2015 eine erheblich verbesserte neue hieroglyphische Umschrift zu liefern und den Krankheitsdämon „Böser Wandelgeist“ als Grund für die Beschwörung zu identifizieren. Allerdings verzichtete er auf die ebenfalls erforderliche komplette Neuübersetzung.

Editionen

- Fischer-Elfert 2015: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin/München/Boston 2015), 283–290, 294 (= Taf. 21).

- Kurth – Thissen – Weber 1980: D. Kurth – H.-J. Thissen – M. Weber, Kölner ägyptische Papyri (P. Köln ägypt.). Band 1, Papyrologica Coloniensia 9 (Opladen 1980), 9–53, Taf. 1–3.

Literatur zu den Metadaten

- Vittmann 1982: G. Vittmann, [Review:] D. Kurth – H.-J. Thissen – M. Weber, Kölner ägyptische Papyri (P. Köln ägypt.). Band 1, Papyrologica Coloniensia 9 (Opladen 1980), in: Enchoria 11, 1982, 119–123.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Papyrus Köln aeg. 3547

[1.1] Es lebe das Herz dieses Gottes ... [...].1
{Ihre} 〈Deine〉 Knoch〈en〉 sind/seien fest in deinem Fleisch.
Oh Harsiese, trefflicher Erbe seines (?) [...]2, du sollst dein Gesicht erheben, damit du die Sonnenscheibe siehst.
(Mein) Sohn Horus, mein Einzig(artig)er, 〈ich〉 werde/möchte nicht schlafen, während ich bei dir bin.
Ich bin (deine?) Mutter Isis.
Ich bin dein Schutz.
Du bist der ⸢göttliche⸣ Same des Re-Harachte.
Kommt zu mir, (ihr) Herren der Unterwelt!
Ich bin das Abbild der Zaubermächtigen (?).
Der Einzig(artig)e (d.h. Horus) liegt im Todesschlaf darnieder.
Der {...} 〈Himmel〉3 ist festgesetzt.
Die Erde ist angehoben.
Die Große Neunheit wurde zurückgelassen (?), indem sie träge ist (?)4.

1 ꜥnḫ jb n(.j) nṯr pn: Laut Quack (in: Fischer-Elfert 2015, 265, Anm. Rt. (a)) ist die Lesung nicht ganz sicher.
2 In der Textparallele pMünchen ÄS 5882, Rto 1 steht hier jwꜥ mnḫ n(.j) Wnn-nfr „trefflicher Erbe des Onnophris“, aber das lässt sich nicht in den Spuren von pKöln erkennen.
3 tꜣ p.t smn(.tj): Lesung nach der Textparallele in pMünchen ÄS 5882. Auf dem Kölner Papyrus gibt es eine antike Korrektur, aber weder das ursprüngliche Zeichen, noch die Korrektur (laut Fischer-Elfert 2015, 288 ein Aleph-Geier) sind eindeutig identifizierbar.
4 ⸮bgꜣ?=⸮sn?: So nach Fischer-Elfert 2015, 285.

Anders gesagt (?):
Steh auf, oh Horus! Du sollst 〈für〉 deine Mutter leben.
Siehe, der Himmel teilt Schläge aus (wörtl.: „ist in der Aktion des Schlagens“)5.
Der Krach eines großen Lärms ist an der Mündung des Flusses (oder: an der Öffnung, am Eingang der Nil(überschwemmung?)).
Verschlossen wurde (?)6 die Öffnung (oder: der Eingang) der Unterwelt an der Öffnung des (Quell)lochs des Nun7.
Dann wird die wgj-Überschwemmung eingesperrt bleiben.
Sie wird nicht aus ihrem Quellloch herauskommen.
Wende dich um/ab, (du) Wandelgeist8!
Löse das Unreine von jedem Glied [des Har]siese, (und ebenso) von jedem Glied (der) (Frau) Meritamun, die Ibhemes geboren hat!

5 m ⸮r〈ʾ〉-ꜥ? sqr: Übersetzung nach Fischer-Elfert 2015, 268, Anm. Rt. (t).
6 ḫtm m-ꜥ rʾ: Fischer-Elfert 2015, 269, Anm. Rt. (t) übersetzt „Verschlossen ist die Dat am Eingang der Höhle der Nun!“, aber dies berücksichtigt m-ꜥ rʾ in seiner hieroglyphischen Transkription nicht.
7 nwn: So nach Fischer-Elfert 2015, 285.
8 swꜣ.w: So nach Fischer-Elfert 2015, 285.

Wenn das Quellloch des Nun geöffnet wird,
dann wird Horus im Todesschlaf sein,
(dann) wird das Licht eingesperrt sein,
(dann) wird Atum in Fesseln sein,
(dann) wird entblößt zurückgelassen und sichtbar (?) der, der im Sarg ist,
(dann) [1.5] wird das Kultbild (?) [dessen, der darin verborgen sein sollte, enthüllt.]9
[Erhebe dich, der du bist im] Himmel. (?)10
Bleib doch stehen [, (du) ... ...!]
Der-böse-Wind (wörtl.: Der-Wind-von-Bosheit)11 ist dein Name.

9 ⸢sšm,w⸣ [n,tj jmn jm=s]: Ergänzungen gemäß pMünchen ÄS 5882, Z. 2 (Fischer-Elfert 2015, 257).
10 [wṯs ṯw n,tj m] nw,t: Ergänzungen gemäß pMünchen ÄS 5882, Z. 2 (Fischer-Elfert 2015, 257).
11 pꜣ ṯꜣw/nfw n(.j) bjn: Fischer-Elfert 2015, 288 hat hieroglyphisch „Wind“, aber auf S. 272, Anm. Rt. (z) liest er pꜣ sḫm n bjn (ob noch auf die Transkription von Kurth zurückgehend?). Fischer-Elfert 2015, 277–278 erwägt wegen einer Stelle im Papyrus Edwin Smith, Kol. 4.16, dass statt ṯꜣw auch nfw gelesen werden könnte und dass nfw bjn die Bedeutung „Furz“ hat.

Ich bin [Isis (?), ... ... im Himmel (?)], auf der Erde und (in) der Unterwelt.
Ich bin Isis, die [Vorste]herin der Beiden Länder.
Ich kenne [... ... ...]12
[... ... ...]
[... ... ...]
[... ... ...] [2.1] des Himmels.

12 jw rḫ.kw(j) [... ... ...]: Die Parallele in pMünchen ÄS 5882, Rto 3 hat rḫ.kwj p,t ḥnꜥ n,tj m-ẖnw=s „Ich kenne den Himmel und das, was darin ist“.

Die Sonnenscheibe ist angehalten.
Nicht wird [man ...] für ihn/sie (?) in der Neunheit.
Man wird keine Libation spenden.
Man wird nicht opfern (?) auf den/die Opfertische/n des Großen Gottes, der in Abydos ist.
Thoth wird kein Dekret für die Neunheit schreiben.
Die Sonnenscheibe ist angehalten bei der Überquerung über den Himmel.
Ihre [...] ist fortgetragen (?).
Komm heraus!

Gefällt bist du in Anbetracht dieser/der Worte:
(Es gibt) ein Klagen von Wehe/Unheil im südlichen Himmel,
(es gibt) ein Jammern von Wehe/Unheil im nördlichen Himmel,
(es gibt) eine Trauerklage im ganzen Land.
Keiner wird seinen Bruder sehen.
Die Große Neunheit ist im Wehgeschrei.
Die Kleinen sind in Erstarrung (?);
die Großen sind 〈in〉 Todesschlaf.
Keiner wird seinen Gefährten/Kollegen sehen.
Sie werden sich nicht umdrehen (können);13 die Herren der Unterwelt, die in der Nekropole sind, ebenso (nicht).

13 nn pnꜥ=sn: J. F. Quack, Ein Unterweltsbuch der solar-osirianischen Einheit?, in: Die Welt des Orients 35, 2005, 2247, hier: 34–35 versteht diese Götterbedrohung so, dass die bäuchlings oder auf dem Rücken auf der Totenbahre liegenden Gestalten sich nicht umdrehen und sich nicht erheben werden können.

Ich werde ein Gebrüll zum westlichen Himmel rufen.
Ich werde erwecken (?)14 {den Anführer} 〈das Gefolge〉15 des Horus, das in einem Klagen hinausgegangen ist nach/um zu [...].
[Komm] eiligst! [Komm] eiligst mit dem Hauch des Lebens!
Sein [...] wird den [...] vernichten, wird den Schrecklichen töten.
Bleib doch stehen! Der-böse-Wind/Hauch16 ist dein Name an/in deiner Seite (?).
Falle hin (?), (du) Untoter!
Horus (?) befiehlt/sendet (?) ⸢...⸣ nach (?) Osten und abwehren (?), um ein Gemetzel anzurichten [gegen dich (?) an] allen deinen ⸢Orten⸣ (?).17
[2.5] [... ...] die gesamte Neunheit [...] jeder Ach-Geist (verklärter Totengeist).
Bleib doch stehen, (du) Untoter, Untote, böser Wandelgeist insgesamt (?)!
Die Große Neunheit kennt [dein] Übel, [... ... ...]
Groß ist das Verbrechen (?) an dir (oder: gegen dich).
Du (?) hast gemacht [... ... ...]
[... ...] der Gegenhimmel ist entblößt zurückgelassen.
Der Himmel ist zum [Erdboden?] abgestiegen.
Die Nachtbarke des Re, sie macht (?) die beiden Hälften (?).
Der ... ist zerschlagen/zerschunden (?)18.
Der Morgenstern (?)19 ist (nur noch) Asche.
Wende dich um/ab, (du) Wandelgeist!
Löse [... ... ... in/aus jedem Glied des Horus, Sohn der] Isis20 und ebenso in/aus jedem Glied von (Frau) Meritamun, die (Frau) Ibhemes geboren hat.

14 nhꜣ für nhs „erwecken“ nach Vorschlag Quack, in: Fischer-Elfert 2015, 281, Anm. (lll). Fischer-Elfert 2015, 281, Anm. (mmm) und 286 schreibt, dass auf dem Kölner Papyrus eindeutig nhꜣs steht, aber in seiner hieroglyphischen Umschrift hat er nur nhꜣ stehen. Der Senkrechtstrich vor dem Schminkauge passt weder richtig zu einem s, noch zu einer w-Schlaufe. Nach dem Schminkauge stehen zwei nicht identifizierte Zeichen.
15 pꜣ {sšm.y} 〈šms.w〉 Ḥrw: In der Textparallele pMünchen ÄS 5882 steht šms.w-Ḥrw. Für diese Fehlschreibung sšm.y für šms.w siehe Fischer-Elfert 2015, 286. Die Ergänzung auf pMünchen ÄS 5882 könnte lauten: „... um zu erwecken das Horusgefolge in der Na[cht (?)]“ oder „um Horus dort zu suchen“.
16 pꜣ ṯꜣw n(,j) bjn: So nach Fischer-Elfert 2015, 281, Anm. (ooo). Vgl. weiter oben in Kol. 1.5.
17 Vgl. die Parallele in pMünchen ÄS 5882, Vso 3: ṯꜣw bjn rn=k / psḏ.t-ꜥꜣ.t rḫ bjn=k / ⸢...⸣ Spd.w-Ḥr.w-jꜣb,tj / wḫꜣ=f ḫꜣ,tjw=f r =k r šꜥd r=k m ⸢s.t⸣ nb.t n,tj 〈jw=k〉 jm: „Der-böse-Hauch ist dein Name. Die Große Neunheit kennt deine Bosheit. Sopdu-Horus-des-Ostens (?) befiehlt (?). Er wird seine Messerdämonen gegen dich herbeiwünschen, um dich niederzumetzeln an jedem Ort, wo du bist.“ Der Satz „Die Große Neunheit kennt deine Bosheit“ steht etwas weiter in Kol. 2.5.
18 m wšꜣw: Fischer-Elfert 2015, 286 denkt an ein Simplex des Verbs wšwš: „zerschlagen, zerschinden“.
19 pꜣ nṯr-⸮dwꜣ.y?: Lesevorschlag Quack, in: Fischer-Elfert 2015, 286 (dort allerdings dwꜣ-nṯr transkribiert).
20 Horus, Sohn der Isis: Vgl. dazu Kol. 1.4: sfḫ ꜥbw m ꜥ.t nb.t [n.t Ḥr.w]-zꜣ-Ꜣs.t m ꜥ.t nb.t Mri̯.t-Jmn msi̯.n Jb-ḥm≡s. In Kol. 3.1 steht zwar m ꜥ.t nb.t n.t šmꜥ.yt (n.t) Ꜣs.t n,tj m ꜥ,t nb.t (n.t) Mri̯,t-Jmn msi̯.n Jb-ḥm≡s, aber mj.tt an unserer Stelle erweckt den Eindruck, dass eine Parallele zwischen der Götterwelt und der Menschenwelt gelegt wird.

Siehe, jeder Gott und jede Göttin, (ihre) Füße ruhen auf deinem Nacken und verrichten ihr Niederwerfen mit den Worten:
Oh Großer-an-Kraft, oh Herr-des-Himmels, der die Erde [...] festigt in jedem (?) seiner Namen.
[3.1] Er ist das Licht, die Sonnenscheibe am Himmel.
Er ist der, der den Widersacher (?) [...], um (?) [... ... ...]
Komm/Los doch,21 (du) Feind, Jener, Untoter, Untote, [böser (?)] Hauch (?), [der ist]22 in jeglichem/irgendeinem Körperteil der Sängerin der Isis und der (ebenso?) ist in jeglichem/irgendeinem Körperteil von Meritamun, die Ibhemes geboren hat.

21 mj (j)r=k: Lesung Fischer-Elfert 2015, 286.
22 ṯꜣw [n,tj] m ꜥ.t nb(.t): Ergänzungsvorschlag Fischer-Elfert 2015, 286.

Du sollst keinerlei Kummer gegen sie bewirken!
Du sollst keinerlei Leiden/Krankheit23 gegen sie richten!
Du sollst keine „halbe Schläfe“-Krankheit (Migräne?) in ihrer Schläfe bewirken.
Du sollst keine hhy.t-Ohrenkrankheit in ihren Ohren bewirken.
Du sollst kein ⸢Keuchen⸣ (o.ä.)24 an ihrer Kehle (oder: ihrem Kehlkopf) bewirken.
Du sollst keine Augentrübung/Sehschwäche (?) in ihren Augen bewirken.
Du sollst kein Knirschen (?)25 an ihren Zähnen bewirken.
Du sollst keine Stummheit (?)26 an ihren Lippen bewirken.
Du sollst keine Störung/Zersetzung (?)27 an ihrem Unterkiefer bewirken.
Du sollst keinen starken/krankhaften Schnupfen28 an ihrer Nase bewirken.
Du sollst keine Versteifung an ihrem Nacken bewirken.
Du sollst kein wurmähnliches Gebilde (? oder: keine Zahnwurmkrankheit?) in ihrem Schneidezahn (?)29 bewirken.
Du sollst keine (offene und nässende?) pg.t-Wunde an ihrer Brust bewirken.
Du sollst keine ⸮zꜣzꜣ?-Krankheit (?)30 an ihrem Zeh bewirken.
Du sollst keinen Hauch des (Todes?)-Schlafes über ihrem Gesicht bewirken.
Du sollst keine ꜥḫ.w-Krankheit in ihrem Knochen (?) bewirken.
Du sollst kein Elendsein und (?) Behinderung [3.5] in ihren Füßen und in ihren Fußsohlen bewirken.
Du sollst keine wḫd.w-Schmerzstoffe in ihrem Rücken machen.
Du sollst nicht in ihren Leib/Bauch eindringen.
Du sollst keine šmm.t-Hitze (Fieber?, Entzündung?) in irgendeinem Körperteil von ihr verursachen.
Du sollst kein Leiden (?)31 in ihrem Schenkel bewirken.
Du sollst {ihn}〈sie〉 nicht im Schlaf ansehen (= besuchen).
Du sollst ihr/sie nicht (in böser Absicht) begegnen/überfallen in irgendeiner Form, (als) (Un)toter oder als Lebender.

23 wḏ/wdi̯: Sofern das erste Zeichen V24 oder V25 ist, passt die Orthographie zum Verb wḏ „befehlen, anordnen“. Ansonsten könnte es auch das Verb wḏi̯ „aussenden“ oder sogar wdi̯ „setzen; stoßen“ sein.
24 ⸢kḥ⸣: In pMünchen ÄS 5882, Vso 1 lautet die Krankheit kḥkḥ „Husten/Keuchen“, aber das passt nicht zu den Spuren, es sei denn, man liest kḥ-zp-2. Das von Fischer-Elfert 2015, 290 hieroglyphisch wiedergegebene s[__] ist falsch: das s ist in Wirklichkeit eine Bruchlinie, die sich als senkrechter Schatten auf dem Photo abzeichnet.
25 ⸢ḫr⸣~ḏꜣ: In der Textparallele pMünchen ÄS 5882, Rto 5 steht ḫrḏ, das demotisch als ḫrḏ „Zähneknirschen“ und koptisch in ϩⲣⲟϫⲣⲉϫ und boh. ϧⲣⲓϫ „(tooth-)ache“ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 709a; M. Müller, [Review:] H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin/München/Boston 2015), in: Lingua Aegyptia 23, 2015, 331–338, hier: 336) belegt ist. Die Spuren passen zu Aa1 und D21.
26 jbw: In der Textparallele pMünchen ÄS 5882, Rto 5 steht jbb, das Fischer-Elfert 2015, 279, Anm. (zz) versuchsweise auf jnbꜣ zurückführt und daher mit „Stummheit (?)“ übersetzt. Die Orthographie jbw passt zu demot. ꜣbw (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 3) und kopt. ⲉⲃⲱ (S, A), ⲉⲃⲟⲟ (A), ⲉⲃⲟ (B), ⲙⲡⲟ (S), ⲉⲙⲡⲟ (S).Der Klassifikator der Vogelfalle T27 ist vermutlich durch das Wort jbṯ.t mit demselben Wortanfang hervorgerufen. Weitere Literatur zu jbb bei Y. Barbash, The Mortuary Papyrus of Padikakem. Walters Arts Museum 551, Yale Egyptological Studies 8 (New Haven 2011), 122.
27 ḫnn: Wird hier als Schreibung von ẖnnw: „Störung“ bzw. ẖnn: „Zersetzung“ (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 687) verstanden.
28 ḫnt: Sowohl hier als auch in der Textparallele pMünchen ÄS 5882, Rto 5 mit der Nase als Logogramm geschrieben. H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 662 s.v. ḫnt (mit der Wasserkruggruppe W17 oder W18 geschrieben) und 664, s.v. ḫntj „vorn befindlich“ meint, dass die Krankheit vom ḫnt-Körperteil abgeleitet sein wird, daher eventuell als ḫnt.j oder ḫnt.jt: „die zur Gesichtsspitze Gehörige“ zu lesen.
Die ḫnt-Krankheit tritt am Kopf, an den Augen und in der Nase auf und sie verursacht Nackenschmerzen (Wb 3, 308.1–2; W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 140 und 163, Anm. 135). Sie hängt mit st.t-Schleimstoffen im Gesichtsbereich zusammen. J. H. Breasted, The Edwin Smith Surgical Papyrus. Published in Facsimile and Hieroglyphic Transliteration with Translation and Commentary in two Volumes. I. Hieroglyphic Transliteration, Translation and Commentary, Oriental Institute Publications 3–4, 2 Bände (Chicago 1930), 498 und 554 errät auf der Grundlage von pEdwin Smith 22.8 „wrinkles(?)“, ohne dies weiter zu begründen; die Bedeutung „Falten (im Gesicht)“ passt allerdings nicht in den übrigen Zusammenhängen. Die Deutung als „Schnupfen, Katarrh o.ä.“ geht auf B. Ebbell, Alt-ägyptische Bezeichnungen für Krankheiten und Symptome, Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo 2. Hist.-Filos. Klasse 1938 (3) (Oslo 1938), 43 zurück, der von einem starken Schnupfen spricht, bei der auch die Augen angegriffen und die Augenlider geschwollen sind. In H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 662 und 664, § 2 wird der Interpretation von Ebbell gefolgt, ohne das „o.ä.“ (so auch R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 654). T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique. Traduction intégrale et commentaire, Penser la médecine (Paris 1995), 522 hat „l’exsudat-khent“ (ḫnt-Absonderung) und J. P. Allen, The Art of Medicine in Ancient Egypt (New York/New Haven/London 2005), 2005, 115: „a cold“ (Erkältung). Etymologisch scheint die Krankheitsbezeichnung mit dem Wort ḫnt: „Gesicht, Stirn, Vorderseite“ zusammenzuhängen, weshalb W. Westendorf, Papyrus Edwin Smith. Ein medizinisches Lehrbuch aus dem Alten Ägypten. Wund- und Unfallchirurgie. Zaubersprüche gegen Seuchen, verschiedene Rezepte. Aus dem Altägyptischen übersetzt, kommentiert und herausgegeben, Hubers Klassiker der Medizin und der Naturwissenschaften 9 (Bern 1966), 1966, 107 mit „Gesichtskrankheit“ übersetzt. W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 140 lässt „ḫnt-Krankheit“ unübersetzt bestehen, aber er nimmt an, dass hinter dem Krankheitsnamen „offenbar ein Katarrh, verbunden mit Schnupfen, Augenentzündung und Nackenschmerzen“ steht.
29 nsḥ: Wird hier als Schreibung von nḏḥ.t verstanden, eine jüngere Metathese von nḥḏ.t „Eckzahn“ (J. H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 271). Wb. 2, 366 listet ein Substantiv nsḥ als Fehlschreibung von sḏḥ „Unterschenkel“, aber inhaltlich bewegt sich die Gliedervergottung noch im Oberkörperbereich. In pAnastasi IV, Rto 13.7, einem Text über das Elend der Stationierung im Ausland, wird ein jbḥ-Zahn von einem fn〈ṯ〉-Wurm angenagt (wšꜥ). Für ein „wurmähnliches Gebilde“ siehe H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 304. Würmer wurden auch in Mesopotamien als Ursache von Zahnschmerzen vermutet.
30 ⸮zꜣ?-zp-2: Quack, bei Fischer-Elfert 2015, 286 denkt an das Verb sꜣsꜣ „niederreißen, umstürzen“. „Stürzen“ als ungewünschte Bewegung passt zu einer Beeinträchtigung des Zehs. Die Form des ersten Zeichens, das von einem Ideogrammstrich gefolgt wird, ist ungewöhnlich. Kurth hat ꜥꜣ gelesen, was aber nicht zum Ideogrammstrich passt. Fischer-Elfert selbst (S. 287) schließt eine logographische Schreibung von nkn „Verletzung“ (mit D57) nicht aus, aber dann bleibt das zp-2 zu erklären.
31 ⸮mr?: Lesung nach Kurth – Thissen – Weber 1980. Fischer-Elfert 2015 transliteriert nicht und setzt ein Fragezeichen. Jedenfalls fehlt der mr-Meißel (U23), falls mr oder (mḥr) zu lesen ist.

〈Jeder〉 Gott und jede Göttin stehen bereit, dich zu töten.
Wenn du erneut hervorkommen/vorgehen (?) wirst [gegen] Meritamun, die Ibhemes geboren hat, dann wird es kein hj-Tier gegen (?) die Stätte des Schlafens (?) geben und umgekehrt (?).32

32 jw nn hj jw/r s,t ⸮sḏr? tꜣz-⸢pẖr⸣: Falls tꜣz-⸢pẖr⸣ richtig ist, gibt es keine eindeutige Reziprozität. Vgl. die Parallele auf dem Papyrus München ÄS 5882, Vso 3: jw=j (r) ḏi̯.t štw r s.t Rꜥw ṯꜣz-pẖr: „... dann werde ich die Schildkröte an den Platz des Re setzen und umgekehrt.“

Worte zu sprechen über einer Statue des Ptah, einer Statue des Min, einer Statue des Horus, einer Statue des Thoth, einer Statue der Isis (und) einer Statue der Nephthys.