Papyrus Chester Beatty V
Übersetzung und Kommentar
Verso 3,1–3,2: Zauberspruch gegen einen Skorpion
[vs. 3,1] Ein weiterer Spruch zum Ergreifen eines Skorpions, um ihn an seinem Maul1 zu packen, nicht zuzulassen, dass er beißt:
Halt still, Skorpion!
1 rʾ: Westendorf 1999, 69 fragt sich, ob mit "Mund" das Stachelende gemeint sein könnte.
Verso 4,1–4,9: Zauberspruch gegen sogenannte Migräne
[vs. 4,1] Amulettrolle einer Migränebeschwörung:
O Re, o Atum, o Schu, o Tefnut, o Geb, o Nut, o Anubis, Vorsteher der Gotteshalle, o Horus, o Seth, o [Isis], o Nephthys, o große Neunheit, o kleine Neunheit, kommt und betrachtet eueren Vater, der mit Fayence umgürtet eintrat, um den Hornbogen (?; oder: die Infektion)1 der Sachmet zu betrachten, der gekommen ist gegen sie (Plural!), um zu vertreiben einen Feind, Jenen (eine Feindin?), einen Untoten, [vs. 4,5] eine Untote, einen Widersacher oder eine Widersacherin, welche in diesem (?)2 Gesicht des NN., geboren von NN., sind.
Werde rezitiert über einem Tonkrokodil, indem [Weizen]körner in seinem Maul sind und sein Auge aus Fayence [in] seinen Kopf eingelassen (?) ist,3 indem man (es) [verknotet] (?) und das Abbild der Götter in Schrift verfertigt (d.h. als Vignette) auf eine Binde von feinstem Leinen.
Werde an seinen Kopf gegeben.
Werde (außerdem) rezitiert ⟨über⟩ einem Bild des Re, des Atum, des Schu, der Mehyt, des Geb, der Nut, des Anubis, des Horus, des Seth, der Isis, der Nephthys (und dem Bild) einer Oryx-Antilope, auf deren Rücken ein Bildnis ⟨des Horus⟩ steht, der seinen Speer hält.
1 ꜥb.w: Gardiner (1935 I, 50 mit Anm. 10) hat zunächst das Wort für "Horn" oder für "Bogen" vermutet (mit Fragezeichen!) und hält die Determinative von Messer und schlagendem Arm für falsch. Fischer-Elfert 2005 und Popko 2018 wählen die Übersetzung "Unreinheit, Infektion".
2 tn: Statt einer Emendation von pn zu tn vorzunehmen, ist das t vielleicht auch ein misslungenes Fleischzeichen zum Wort "Gesicht" und ist nur m ḥr n.j "im Angesicht von" zu lesen.
3 Popko (2018, 357 mit Anm. 17) übersetzt diese Stelle als "(to be) placed [on] his head (?)" wobei sich wꜣḥ nicht auf das Auge bezieht, sondern auf das Krokodil aus Ton, das als Heilmittel auf dem Kopf des Patienten gesetzt werden soll.
Verso 4,10–6,4: Zauberspruch gegen Kopfschmerzen
[vs. 4,10] Eine weitere Amulettrolle zum Vertreiben von halbseitigen Kopfschmerzen (wörtl.: einer halben Schläfe):
Was den Kopf des NN., geboren von NN., betrifft, (d.h.) den Kopf des [vs. 5,1] Osiris-Wennefer: die 377 Gottesuräen sind auf sein Haupt gegeben, indem sie ihren Gluthauch spucken, um zu veranlassen, dass du verlässt den Kopf des NN., geboren von NN., wie (den des) Osiris.
Wenn du die Schläfe des NN., geboren von NN., nicht [verlässt], werde ich deinen ⸢Ba⸣ (?)1 zerkochen, werde ich deinen Leichnam verbrennen, werde ich dein Ohr taub sein lassen2 [wegen(?)] Bitten von (?) dir, und [ich werde] veranlassen, dass du gepackt wirst [...]3.
Wenn ⟨du⟩ ein ⟨an⟩derer Gott bist, werde ich [deinen] Wohnsitz niederreißen, werde [ich] hinter [vs. 5,5] deinem Grab [her] sein,4 um nicht zuzulassen, dass du Weihrauch [und Myrrhen (?)] empfängst, und um nicht zuzulassen, dass du Wasser zusammen mit den wirkmächtigen [Totengeistern] empfängst, und um nicht zuzulassen, dass du dich in das Gefolge [des Horus] einreihst.
[Wenn] du nicht auf ⟨meine⟩ Worte hören wirst, [werde ich] den Himmel umstürzen, ich werde Feuer an die Herren von Heliopolis legen, ich werde einer Kuh den Kopf abschlagen, die vom Tempelhof der Hathor geraubt (?)5 wurde, ich werde den Kopf eines Nilpferdes abschlagen auf dem Tempelhof des Seth, ich werde Sobek in [vs. 5,10] eine Krokodilshaut gehüllt dasitzen lassen, und ich werde Anubis in eine [vs. 6,1] Hundehaut gehüllt dasitzen lassen, ich werde veranlassen, dass der Himmel sich in seiner Mitte spaltet, ich werde veranlassen, dass die 7 Hathoren auffliegen zum Himmel als Rauch.
Ich werde [die Hoden des Horus (?)]6 abschneiden, ich werde das Auge des Seth blenden!
Wenn du aber aus der Schläfe des NN., geboren von NN., herauskommst, werde ich [nicht?] machen [für/gegen?] dich [ihre? ...]7 [...] der Schutz und ihre Namen heute nennen.
Werde rezitiert über diesen (d.h. folgenden) Götter(bilder)n, die auf eine Leinenbinde gezeichnet sind.
Werde [auf die Schläfe (?)]8 des Mannes gelegt.
1 bꜣ=k: Der Vogel ist fast vollständig verschwunden. Gardiner 1935 I ergänzt "Ba", aber in der Textparallele DeM 1, Vso 7.7 steht zꜣ=k: "dein Sohn" (in der Übersetzung von Černý, in: J. Černý – G. Posener, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh. I. Nos I-XVII, Documents de Fouilles de l’Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire 8 (Kairo 1978), 1–12, Taf. 1–16a). In Vso 8.2 steht jw=j r tm [ḏi̯.t] šbn=k zꜣ jqr, wo man bꜣ jqr erwartet (diese Stelle weicht leider in pChester Beatty V, vso 5.6 ab). Wahrscheinlich unterscheidet pDeM 1 Vso nicht klar zwischen bꜣ-Vogel und zꜣ-Vogel. Für den Zusammenhang von bꜣ und ẖꜣ.t in der Götterbedrohung siehe H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin/München/Boston 2015), 234–237 mit weiteren Textstellen.
2 jw=j (r) zḫi̯ msḏr=k: Gardiner 1935 I übersetzt "I (will?) be deaf [to?] thee", d.h. etwa jw=j (r) zẖi̯ [r]=k, wobei das Ohr für ihn Determinativ des Verbs zẖi̯: "taub sein, taub machen" ist. Fischer-Elfert 2005 denkt nicht an das Verb zẖi̯: "taub sein, taub machen", sondern an zḫi̯: "schlagen: "dann werde ich deine Ohren schlagen". In der Textparallele pDeM 1, Vso 7.7 steht hier jw=j r sḫr=k [⸮ḥr?] [⸮ꜣbi̯?] jm=k: "Ich werde dich niederschlagen [wegen? des Verlangens?] bei dir (?)".
3 kfꜥ.w=k: Gardiner 1935 I übersetzt "I [will] cause the to conquer ...". Černý (in: J. Černý – G. Posener, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh. I. Nos I-XVII, Documents de Fouilles de l’Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire 8 (Kairo 1978), 1–12, Taf. 1–16a) ergänzt die Textparallele in pDeM 1, Vso 7.7 zu j[w]=j [r] ḏi̯[.t] k[fꜥ]=k [wj] nm[_]: "je te ferai conquérir (?) ...". Fischer-Elfert 2005 hat: "Ich werde dafür sorgen, dass du (von) Bewusstlosigkeit überwältigt wirst." Denkt er an nmꜥ oder nmnm.w?
4 jw=[j m]-sꜣ pꜣy=k jz: Gardiner 1935 II, Taf. 28, Anm. zu Vso 5.4.d schlägt diese Ergänzung vor, aber gesteht ein, dass die Zeichen dann relativ weit auseinandergeschrieben sein müssten. In der Textparallele pDeM 1, Vso 7.7–8.1 steht jw=j r {w}sꜣsꜣ pꜣy=k jz n.tj tw=k m-ẖnw=k: "Ich werde angreifen dein Grab, in dem du dich befindest". Dort ist sꜣsꜣ allerdings mit Determinativen geschrieben, während im pChester Beatty keine Determinierung nach sꜣ vorhanden ist. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin/München/Boston 2015), 237, Anm. 122 fragt sich, ob gemeint ist, dass der Magier droht, das Grab für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen oder es zu entweihen.
5 nḥm(.t): Frandsen 1998, 998 mit Anm. 90 übersetzt "a cow which has been 'saved' [in] the Forecourt of Hathor" und er versteht dies als ein Tier, dass ausgewählt wurde, um im Tempelbezirk zu wohnen als eine Art von heiligem Tier.
6 ... n.j Ḥr.w: Ergänzungsvorschlag von Gardiner (1935 I, 51 mit Anm. 4) wegen des Parallelismus mit dem nächsten Satz.
7 [nn] jw=j r jri̯.t [n]=k: Gardiner 1935 I hat den Satz ohne die Negation rekonstruiert, aber die Lücke könnte größer sein, als von ihm angenommen. Jedenfalls lautet die Textparallele auf pDeM 1, Vso 8.7: [... ... ...] ḥr pri̯ m mꜣꜥ n.j mn msi̯.n mn.t nn jw=j r jri̯.t n=k nꜣy [... ... ...]: "[Wenn du aber] aus der Schläfe des NN., den NN. geboren hat, herauskommst, dann werde ich nicht machen für dich die/ihre (?) [... ... ...]".
8 ḏi̯ r [mꜣꜥ] n.j z: Gardiner (1935 II, Taf. 29 mit Anm. Vso 6.4.a) ergänzt mꜣꜥ: "Schläfe". Allerdings steht in der Textparallele pDeM 1, Vso 8.8 eindeutig ḏi̯.w r ḫḫ n.j z: "Werde um den Hals des Mannes gelegt".