Ostrakon Michaelides 97

Metadaten

Aufbewahrungsort
(unbekannt)

Inventarnummer: 97

Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon befand sich ehemals in der Sammlung von George Michaelides (Var.: Michaelidis) (1900–1973), der den Grundstock oder einen Großteil seiner Sammlung in den 1930er und 1940er Jahren erworben hat. Die Sammlung befand sich zunächst in Kairo, wo Hans Goedicke die Gruppe der hieratischen Ostraka noch nach der Suez-Krise von 1956 in der Bibliothek von George Michaelides studieren konnte. Später wurde die Sammlung nach Europa transportiert. Nach dem Tod von Michaelidis wurde sie in den Jahren 1973–1979 durch unterschiedlichen Antikenhändler an öffentliche Museen und Bibliotheken und an private Sammler verkauft (Bierbrier 2019, 316), aber schon in den 1960er Jahren waren griechische Papyri verkauft worden (Clackson 1994). Etwa 30 % der hieratischen Ostraka landete als Schenkungen von 1980 im Los Angeles County Museum (Schenkungen von Jerome F. Snyder und Carl W. Thomas; Cooney 2008, 63, Anm. 3; Cooney 2012, 167, Anm. 1), aber Ostrakon 97 wird nicht im Online-Katalog dieses Museums aufgeführt. Der aktuelle Aufbewahrungsort ist unbekannt.

Herkunft
(unbekannt)

Über Herkunft oder Erwerbsort des Ostrakons ist nichts bekannt, aber Goedicke und Wente nehmen an, dass die meisten der von ihnen publizierten Ostraka aus Theben, insbesondere aus Deir el-Medina stammen (Goedicke – Wente 1962, 8). Tatsächlich ist gut belegt, dass die allermeisten literarischen und paraliterarischen Ostraka aus Kalkstein aus Theben-West kommen (Haring 2020; vgl. Cooney 2012, 167–168, Anm. 2 für Bildostraka auf Kalkstein), aber einige stammen z.B. aus Abydos.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Die Herausgeber Goedicke und Wente vermerken nichts zur Datierung dieses Ostrakons, aber setzen die überwiegende Mehrzahl der von ihnen publizierten Ostraka in die 19. und 20. Dynastie (Goedicke – Wente 1962, 8). Weil weder ein Foto noch ein Faksimile publiziert ist, ist keine paläographische Datierung möglich. Die vorgeschlagene Datierung in die 19. oder 20. Dynastie ist allerdings wahrscheinlich, weil die allermeisten literarischen und paraliterarischen Ostraka aus Kalkstein, die Gliederungspunkte enthalten, aus der Ramessidenzeit stammen. Der Text ist eine Kopie einer Beschwörung gegen Kopfschmerzen, die in Papyrus Leiden I 348 enthalten ist, welcher aus der 19. Dynastie (Zeit Ramses’ II. oder danach) stammt. Der Text kann nicht früher als die Zeit Amenhoteps III. verfasst worden sein, wie die neuägyptische Konjunktionspartikel pꜣ-wn bezeugt (Kroeber 1970, 56).

Textsorte
Rezitation(en)
Inhalt

Der Spruch ist eine Parallele zum dritten Spruch auf Papyrus Leiden I 348, Kol. 1.5–2.9 (erhalten sind Teile von Kol. Rto 1.6–2.2), einem Spruch gegen Kopfschmerzen. Erhalten ist der Textteil, der von einer Maske (?) handelt, die auf das Gesicht des Erkrankten gelegt wird. Jeder Teil des Kopfes des Erkrankten wird mit dem entsprechenden Körperteil einer Gottheit identifiziert oder anderswie abgesichert, um die Kopfschmerzen zu beenden.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Unbekannt.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Maße: 11,5 × 8 cm (Höhe × Breite) (Goedicke – Wente 1962, 15), aber das Ostrakon ist an allen Seiten unvollständig. Es ist unbekannt, wie die Rückseite aussieht oder in welchem Zustand die Schrift ist.

Schrift
Hieratisch

Eine Beschreibung oder ein Foto sind bislang nicht publiziert worden. Auf der hieroglyphischen Transkription sind Gliederungspunkte vorhanden, die vermutlich in roter Tinte angebracht sind, während der Text selber sicherlich in schwarzer Tinte geschrieben ist.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Die zugrundeliegende Grammatik entspricht der des Mittelägyptischen, aber die besser erhaltene Version von pLeiden I 348 weist einen Neuägyptizismus in der Verwendung der Konjunktionspartikel pꜣ-wn: "denn" auf.

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon wurde von Goedicke und Wente im Jahr 1962 nur in hieroglyphischer Transkription publiziert. Sie beschreiben den Text als einen "Ritual- oder Zaubertext". Borghouts (1971, 16) hat ihn als eine Kopie von Spruch 3 des Papyrus Leiden I 348 (Kol. Rto 1.5–2.9) gegen Kopfschmerzen identifiziert. Ein Foto oder ein Faksimile ist bislang nicht veröffentlicht.

Editionen

- Goedicke – Wente 1962: H. Goedicke – E. F. Wente, Ostraka Michaelides (Wiesbaden 1962), 15 und Taf. XXXII (Nr. 97).

Literatur zu den Metadaten

- Bierbrier 2019: M. L. Bierbier (Hrsg.), Who Was Who in Egyptology. 5th Revised Edition (London 2019), 316, s.v. Michailidis (= M. L. Bierbier (Hrsg.), Who Was Who in Egyptology. 3th Revised Edition (London 1995), 286 = M. L. Bierbier (Hrsg.), Who Was Who in Egyptology. 4th Revised Edition (London 2012), 370–371).

- Borghouts 1971: J. F. Borghouts, The magical texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970 (Leiden 1971).

- Clackson 1994: S. J. Clackson, The Michaelides Manuscript Collection, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 100, 1994, 223–226

- Cooney 2008: K. M. Cooney, Androgynous Bronze Figurines in Storage at the Los Angeles County Museum of Art, in: Sue H. D’Auria (Hrsg.), Servant of Mut. Studies in Honor of Richard A. Fazzini, Probleme der Ägyptologie 28 (Leiden / Boston 2008), 63–72.

- Cooney 2012: K. M. Cooney, Apprenticeship and Figured Ostraca from the Ancient Egyptian Village of Deir el-Medina, in: Willeke Wendrich (Hrsg.), Archaeology and Apprenticeship. Body Knowledge, Identity, and Communities of Practice (Tucson 2012), 145–170, hier: 167, Anm. 1.

- Haring 2020: B. Haring, The Survival of Pharaonic Ostraca: Coincidence or Meaningful Patterns?, in: C. Caputo – J. Lougovaya (Hrsg.), Using Ostraca in the Ancient World: New Discoveries and Methodologies, Materiale Textkulturen 32, 2020, 89–108.

- Kroeber 1970: B. Kroeber, Die Neuägyptizismen vor der Amarnazeit (Tübingen 1970).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen

Trismegistos, Ciro, Private collection Michaelidis (24.11.2023)

British Museum, George Anastase Michaelides (24.11.2023)

Christie's, Two Egyptian Hieratic Pottery Ostraca (= Sammlung Hans Goedicke mit Objekten aus der Sammlung Michaelides) (24.11.2023)

Christie's, A Group of Graeco-Egyptian Bronze Rings and Bezels (= Sammlung Michaelides, laut Peter Clayton in den 1940er Jahren legal aus Ägypten exportiert) (24.11.2023)

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Spruch gegen Kopfschmerzen

[x+1] ...] jeder/alle [...], krank/leidend [...1
Ein Amulett der Gesundheit [werde] ihr [gebracht]2, damit [es dein eigenes Gesicht] bedecke.
[... ... ...]. Mögest du ihn/es auf deinen Kopf legen, damit er (d.h. der Kopf) gesund wird.
Siehe (?), (es ist (?)) der Kopf des Horus3-[Min auf seiner Treppe.]
[Mögest du ihn/es auf deine Stirn legen, das Buch des Goldes, das] die Götter [besänftigt].4
Ich werde ihn/es auf deine Augenbrauen legen.
Deine Augenbrauen [sind der/aus Ocker (?), der ... ... ...]5
[Ich werde ihn/es auf deine šr.tj-Nasenlöcher legen.]
Deine [šr.tj-Nasenlöcher] [x+5] 〈sind〉 das Tor der (Atem)luft.6
[Ich werde ihn/es auf deine fnḏ-Nase legen. Nicht wird sie sich verschließen (?) ...]
[Ich werde ihn/es auf] deine beiden [Augen (?) legen].7 〈Deine beiden Augen sind aus〉 Quartz (?) [... ... ...
... ... ...]. Nicht [... ... ...8

1 Vorausgesetzt, der Text ist gänzlich parallel zu Spruch 3 von Papyrus Leiden I 348, werden sicherlich eine, wenn nicht zwei Zeilen fehlen. Die beiden Wörter von Zeile 1 sind in pLeiden I 348, Kol. 1.6 nicht identifizierbar, aber die ersten 6 cm von jeder Zeile in Papyrus Leiden I 348, Kol. 1 fehlen.

2 Entspricht Papyrus Leiden I 348, Kol. 1.7. Borghouts 1971, 40, Anm. 13 anstelle von "Ein Amulett der Gesundheit": "... to her, health and prosperity."

3 Entspricht Papyrus Leiden I 348, Kol. 1.8. Borghouts 1971, 43, Anm. 18 übersetzt: "(damit es gesund wird) like the head of Horus".

4 Entspricht Papyrus Leiden I 348, Kol. 1.8–9. Ergänzungsvorschlag gemäß Borghouts 1971, 16 und Taf. 1, Anm. (a) zu Z. 9.

5 Entspricht Papyrus Leiden I 348, Kol. 1.9 in der Ergänzung von Borghouts 1971, Taf. 1, Anm. (a) zu Z. 9, ist dort jedoch fast komplett zerstört.

6 Entspricht Papyrus Leiden I 348, Kol. 1.9–2.1.

7 Entspricht wahrscheinlich Papyrus Leiden I 348, Kol.2.1.

8 Entspricht wahrscheinlich Papyrus Leiden I 348, Kol. 2.2: "Nicht fällt ..., nicht wird zerstört/beschädigt ...".