Ostrakon Deir el-Medineh 1679

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Inventarnummer: oIFAO 2832 oIFAO Sequestre 10041
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2832

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) in Deir el-Medineh durch B. Bruyère aus dem Jahr 1950. Die während der Grabungen gefundenen Ostraka wurden zu Studiumszwecken nach Kairo ins IFAO transportiert, wo sie sich heute noch befinden. Infolge der Suezkrise von 1956 wurde das IFAO unter Sequester gestellt. Die Räume mit den Ostraka wurden von den ägyptischen Behörden versiegelt und in den Jahren 1968–1970 durch die ägyptische Altertümerbehörde inventarisiert (Sauneron, in: Černý 1970, vi; Gasse 1990, ix mit Anm. 9). Unser Ostrakon bekam die Sequester-Nummer 10041. Nachdem die Sammlung im Jahr 1970 wieder zugänglich geworden war, fing G. Posener zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einer neuen Inventarisierung der ihn interessierenden literarischen Ostraka an, die er bis Nr. 2780 durchführte. Sie wurde von A. Gasse fortgesetzt, die diesem Ostrakon die Inventarnummer 2832 gab (Gasse 1990, ix–x).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon trägt eine Markierung, die sowohl den Fundort als auch das Funddatum angibt: KGP 16.12.50. Die Zahl steht für das Datum, d.h. den 16.12.1950, und „KGP“ für „Kôm des déblais à l’est du Grand Puits“ in Deir el-Medineh. Bei diesem „Kôm“ handelt es sich um die Überreste der Grabungen von G. Foucart. Diese wurden im Jahre 1950 von B. Bruyère im Auftrage des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) u.a. untersucht, nachdem die Arbeiten am „Grand Puis“ im selben Ort abgeschlossen waren (Gasse 1990, ix und 3 sowie Dorn – Polis 2016, 87, Anm. 52).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

A. Gasse datiert aufgrund der Paläographie und des Fehlens weiterer Indizien für eine genauere Eingrenzung alle von ihr publizierten Ostraka in die Zeit von der 19. bis zur 20. Dynastie (Gasse 1990, x). Dies passt zu den Datierungsangaben und der zeitlichen Einordnung der erwähnten Personen auf den nicht-literarischen Ostraka von Deir el-Medina.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Aufgrund des sehr fragmentarischen Zustandes des Ostrakons ist eine genaue Textangabe schwierig. In jeder Zeile sind nur ein bis maximal fünf Wörter erhalten. Die Reste der ersten vier Zeilen auf dem Recto passen zu einem Spruch gegen Skorpiongift im Papyrus Chester Beatty VII, Recto Kol. 1.4–2.5 (Kol. VII, 1–3 bei Gasse 1990, 3 ist ein Tippfehler für II, 1–3), in der ein Urgott (ein Gott, der aus sich selbst entstanden ist), der sich anschließend als Horus, der Arzt, zu erkennen gibt, sich in imperativischer Form an das Skorpiongift wendet. Die Textstruktur ist eine Litanei mit der Formulierung „Los! Komm heraus auf das Wort von Gottheit NN! Siehe, ich bin Horus, der Arzt, der Gottesbesänftiger. Fließe doch aus dem Körper aus!“ In jeder Strophe wird eine andere Gottheit genannt. In Papyrus Chester Beatty VII sind die Namen der erwähnten Gottheiten die der sieben skorpiongestaltigen Horusfrauen. Auf dem Ostrakon wird die Göttin Sefenzep(u?) (korrigiert zu Sefedzep(u?)) genannt, die sich in Papyrus Chester Beatty VII in Kol. 2.2 befindet. In Z. 4 des Ostrakons wird die Göttin Selkis genannt, die vielleicht die prototypische Horusfrau ist (Ritner 1998, 1032, 1035). Sie wird entweder nicht in Papyrus Chester Beatty VII genannt, oder ihr Name ist dort in einer Lücke verloren. Falls auf dem Ostrakon ebenfalls sieben oder acht Göttinnen genannt gewesen sind, fehlen am Anfang mehrere Textzeilen. Ab Z. 5 ändert sich die Textstruktur, vielleicht, weil ein neuer Spruch angefangen hat. Erkennbar ist noch, dass die Mutter des Horus oder Horus selbst „rettet/beschwört“ und „niederwirft“.
Die Textreste in den sieben Zeilen auf dem Verso sind noch schwerer zu deuten. Identifizierbar sind die Wörter „Biss“/beißen“, „verschließen/umschließen/einsperren“, „mit einem Auftrag (?) von“, „ich“, „Isis“ und „Verletzung/Frevel“. Sie können möglicherweise zu einem Spruch gegen Bisse von Schlangen, deren Maul verschlossen wird, oder Skorpione, die eingeschlossen werden, und in der Isis eine Rolle spielt, zusammengereimt werden. Ob es die Fortsetzung des Textes auf der Vorderseite ist, sei dahingestellt.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Zu wenig ist erhalten, um eine Aussage zum Sitz in Leben dieses Ostrakons mit einem Text gegen Skorpionstiche zu machen.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die weißliche Kalksteinscherbe hat heute noch eine Höhe von 14 cm und eine Breite von 5,8 cm, bei einer maximalen Dicke von 1 cm. Der Großteil der Ränder ist beschädigt, einzig die untere rechte Ecke des Rectos (= die oberen vier Zeilen des Versos) scheint annähernd erhalten, wie der Einzug des Textes an dieser Stelle zeigt. Der Formulierung in Z. 1–4 nach zu urteilen, ist mit einer ursprünglichen Breite von 15 bis 20 cm zu rechnen.
Das Ostrakon wurde beidseitig beschriftet. Je sieben Zeilen pro Seite haben sich erhalten. Laut Gasse bilden die drei erhaltenen Zeichen der untersten Zeile des Rectos keinen Text, sondern sollen als magische Zeichen eine Art Vignette darstellen (Gasse 1990, 3).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist fast durchgängig schwarz. In der dritten Zeile des Rectos wurde eine Korrektur in roter Tinte oberhalb des eigentlichen Textes vorgenommen. Es sind keine Gliederungspunkte gesetzt bzw. nicht in dem Fragment erhaltenen. Die hieratische Buchschrift ist ohne Ligaturen geschrieben.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

In den erhaltenen Textresten sind keine eindeutigen neuägyptische Konstruktionen erkennbar, auch nicht in der Textparallele von Papyrus Chester Beatty VII, Rto 1.4–2.5. Orthographisch weisen der Imperativ in Rto x+4 und das Suffixpronomen in Vso x+2 eine neuägyptische Femininendung auf.

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei A. Gasse im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Photographie sowie hieroglyphischer Transliteration aufgeführt (Gasse 1990, 3). Eine Lesekorrektur bietet Fischer-Elfert 1993, 125. Katharina Stegbauer hat im Rahmen des Projekts DigitalHeka (2006–2008) eine deutsche Übersetzung angefertigt, welche in den Thesaurus Linguae Aegyptiae integriert wurde.

Editionen

- Gasse 1990: A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990), VIII und 3 (Nr. 1679).

Literatur zu den Metadaten

- Černý 1970: J. Černý, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deir el-Médinéh, Nos 624–705, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 14 (Le Caire 1970).

- Dorn – Polis 2016: A. Dorn – S. Polis, Nouveaux textes littéraires du scribe Amennakhte (et autres ostraca relatifs au scribe de la Tombe), in: Bulletin de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale 116, 2016, 57–96.

- Fischer-Elfert 1993: H.-W. Fischer-Elfert, [Review:] A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990), in: Bibliotheca Orientalis 50, 1993, 125–130, hier: 125.

- Ritner 1998: R. K. Ritner, The Wives of Horus and the Philinna Papyrus (PGM XX), in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Part II. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur, Orientalia Lovaniensia Analecta 85 (Leuven 1998), 1027–1041.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Mitwirkende
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Ostrakon Deir el-Medineh 1679

[rt. x+1] [Ich bin Horus, der Arzt, der den Gott befrie]det.
Fließe doch [aus dem Körper] aus!
[Los! Komm heraus auf den Ausspruch der (Göttin) … hin!]
[Ich bin Horus, der Arzt, der den Gott] befriedet.1
Fließe [doch aus dem Körper aus!]
[Los! Komm heraus] auf den Ausspruch der {Sefen}〈Sefed〉zep[u]2 hin!
[Ich bin Horus, der Arzt, der den Gott befriedet.]
Los! Komm heraus auf den Ausspruch der Selq[et] hin!
[… … …] [rt. x+5] Mutter, zu mir!
Horus beschwört [… …] beim Niederwerfen des […]
[…]
[…] [vs. x+1] Biss/beißen. […]
Sie wird für ihn […], indem er verschlossen ist.
[…] … auf seinem Mund.
Ich bin3 [… … …] als Bote (?) des … [… …], [vs. x+5] die gegeben wurden an [… … … NN. geboren] vom (Frau) NN (?).
Isis ist bei dir (?) [… … …]
[…]

1 Rekonstruktion der Zeilen 1-4 gemäß der Textparallele in pChester Beatty VII, Rto, Kol. 1.4-2.5.
2 Der Anfang des Namens wurde falsch geschrieben und anschließend über der Zeile in roter Tinte korrigiert, ohne dass die originale Schreibung getilgt wurde.
3 jnk: Lesung gemäß H.-W. Fischer-Elfert, [Review:] A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990), in: Bibliotheca Orientalis 50, 1993, 125–130, hier: 125.