Ostrakon Deir el-Medineh 1066

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2097

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) in Deir el-Medineh, die ab 1917 und vor 1938 (dem Jahr der Erstpublikation) stattgefunden haben müssen, und wird seitdem im IFAO aufbewahrt (Posener 1938, 17).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon wurde in Deir el-Medineh gefunden, wo das IFAO seit 1917 arbeitete. G. Posener macht keine weiteren Angaben zum genauen Fundort (Posener 1938, 17). Manche Ostraka mit benachbarten IFAO-Inventarnummern sind beschriftet mit einem Funddatum von Januar 1930 und stammen von „KS“, d.h. „Kôm sud“ (oDeM 1067 = Inv. 2068 = 19. und 20.1.30; oDeM 1091 = Inv. 2087 = 18.1.30; oDeM 1077 = Inv. 2107 = 1. und 6.1.30; oDeM 1081 = Inv. 2124 = 17.1.30). Aber andere Ostraka mit 2000er Nummern stammen von 1929, 1930, 1931 und 1932, so dass die IFAO-Inventarnummer keine Hilfe für die Bestimmung von Funddatum und Fundort ist.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

G. Posener datiert alle von ihm publizierten Ostraka in die Zeit von der Mitte der 19. bis zur Mitte der 20. Dynastie (Posener 1938, VI), was vielleicht zu eng gesehen ist. Aus der Identifizierung der erwähnten Personen auf den nicht-literarischen Ostraka aus Deir el-Medineh geht hervor, dass sie vom Ende der 18. (nur wenige) bis zum Ende der 20. Dynastie stammen. A. Gasse datiert aufgrund der Paläographie und des Fehlens weiterer Indizien für eine genauere Eingrenzung alle von ihr publizierten Ostraka in die Zeit von der 19. bis zur 20. Dynastie (Gasse 1990, x). Vielleicht erlaubt eine zukünftige eingehendere Untersuchung der Paläographie eine Eingrenzung innerhalb der Ramessidenzeit.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Aufgrund einer formalen Trennmarkierung (am Ende der zweiten Zeile findet sich ein grḥ-Zeichen, das semantische Einheiten voneinander trennt) kann der stark fragmentierte Text in (mindestens) zwei Sprüche gegliedert werden.
Im ersten Spruch fragt der Zauberer, ob er in ein oder aus einem Haus gekommen ist. Später ist von Gift und vom Horuskind die Rede. Zudem befindet sich am Ende eine Formel, in die man den Namen des Nutznießers des Spruches einsetzen kann, sodass es sich vielleicht um eine Beschwörung zur Heilung eines Patienten vor Gift handeln könnte.
Der zweite Spruch (Zeile 3–11) beginnt mit der Schilderung einer ins Chaos gestürzten Welt. Nach einer Lücke lässt der Satz „Am Abend wurde Re gebissen“ die Vermutung zu, dass hier eine Historiola genutzt wurde, um die Wirksamkeit eines Spruches gegen ein Gift zu erhöhen. Vielleicht stuft Mathieu 2003 den Text wegen dieser Passage als ein Fragment einer Erzählung ein. Anschließend werden vielleicht magische Substanzen aus Jungtieren erwähnt und es folgt eine Anrufung (an das Gift), das den Körper verlassen soll.
In den folgenden stark zerstörten Zeilen werden das Herz des Re und eine ḫꜣsy.t-Pflanze erwähnt, aber der Kontext ist unklar.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Das Ostrakon enthält zwei Sprüche gegen Gift, die für einen beliebigen Patienten („NN, geboren von (Frau) NN“) gedacht sind. Als solches könnte es Bestandteil der Handbibliothek eines entsprechenden Heilers gewesen sein.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die weißliche Kalksteinscherbe hat eine Höhe von 14 cm und eine maximale Breite von 15 cm. Ober- und unterhalb des elfzeiligen Textfeldes befindet sich je eine freigelassene Fläche, sodass hier vielleicht die originalen Ränder erhalten sind. Auch der linke Rand scheint original zu sein (was auch der relativ gerade Abschluss dieses Randes nahe legt), allerdings ist der Text ab der vierten Zeile stark abgerieben. Am rechten Rand fehlt eine unbekannte Länge Text. Die Beschädigung wird nach unten hin immer größer, wodurch das Ostrakon heute eine halbmondförmige Erscheinung besitzt. Ca. von der Mitte der obersten Zeile bis zum Anfang des linken ersten Drittels derselben ist zudem eine Abplatzung entstanden (Posener 1938, 17 und Taf. 36–36a).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist durchgängig schwarz. Es wurden keine Gliederungspunkte gesetzt (Posener 1938, 17).
Auf dem Photo des IFAO ist oberhalb des Endes der ersten Zeile ein roter waagerechter Strich zu erkennen. Die Funktion dieser Markierung ist unbekannt.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch

Der Text ist stark zerstört, aber es sind keine eindeutigen neuägyptischen grammatischen Konstruktionen erkennbar, auch wenn zumindest in der Wortwahl und der Orthographie Merkmale der jüngeren Sprachstufe sichtbar sind. Eine Reihe von Sätzen mit Substantiv + ḥr + Infinitiv könnten eventuell als Präsens-I-Formen gedeutet werden, die Präposition r-bnr spricht für eine Abfassung des Textes nicht früher als die 18. Dynastie. Einige syllabische Schreibungen und die Orthographie des Suffixpronomen =s als =st entsprechen eher neuägyptischen Schreibgewohnheiten.

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei G. Posener im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Faksimile sowie hieroglyphischer Transliteration aufgeführt (Posener 1938, 17, Taf. 36–36a). Eine deutsche Übersetzung wurde im Rahmen des Projekts „DigitalHeka“ (2006–2008) durch K. Stegbauer angefertigt.

Editionen

- Posener 1938: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. Tome premier (Deuxième fascicule; Troisième fascicule), Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1, Fasc. 2 (Le Caire 1936) und Fasc. 3 (Le Caire 1938), V–VI, 17 und Taf. 36–36a.

Literatur zu den Metadaten

- Gasse 1990: A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676-1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990).

- Mathieu 2003: B. Mathieu, La littérature narrative de l’Égypte ancienne: un bilan, in: Z. Hawass (Hg.), Egyptology at the Dawn of the Twenty-first Century. Proceedings of the Eight International Congress of Egyptologists, Cairo 2000, Vol. III, Cairo 2003, 297-306 (hier: 302, Anm. 22: fragmentarische Erzählung des Neuen Reiches)

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Billy Böhm, M.A.

Übersetzung und Kommentar

Spruch 1

[...]
Bin ich gekommen ins Haus des Res-[Udja]?
[... ... ...] sein Haus.
Bin [ich ... ... ...]?
Komm in Frieden zusammen mit dem Gift!
(Was) Horus für seine Mutter (ist), (ist) NN., geboren von NN., für seine Mutter!
Ende.

Spruch 2

[Weiterer (Spruch)]
[... ... ...], die Erde ist in Dunkelheit!1
Die Scherben(haufen) bewegen sich, das Gestein spricht, die Berge wan[dern!]
[... ... ...] meine (?) zwei [...].
Worte gehen hin und her:
„Am Abend wurde Re gebissen!“
[...] [die Mond(?)] der Nacht, das Licht des Tages, damit die Erde hell wird und [die Sonne] scheint [...]
[...] vom Jungen eines qꜣd.t-Tieres, eines bhd.t-Tieres2, eines [...]
[Komm aus der rechten Seite, ko]mm aus der linken Seite, komm heraus, o [Gift]!
[...] zum Herzen (?) des Re.
[...] erheben (?) [...]
[...] Zaunrübe (?) aus [...]
[...] anhalten lassen (?) wegen der Worte in Bezug auf mich (?).
[...] [...]

1 Vergleiche pChester Beatty VII, Rto, 7.7: p.t hꜣb.tj tꜣ m kkw: "Der Himmel ist (von Wolken) durchdrungen/überzogen (?), die Erde ist in Dunkelheit."
2 bhd.t: Lesung unsicher.