Ostrakon Deir el-Medineh 1066

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2097

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) in Deir el-Medineh, die vor 1936 (dem Jahr der Erstpublikation der Tafel) stattgefunden haben, und wird seitdem im IFAO aufbewahrt, wo es die Inventarnummer 2097 bekommen hat (Posener 1938, 17).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon wurde in Deir el-Medineh gefunden. G. Posener macht keine weiteren Angaben zum genauen Fundort (Posener 1938, 17).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

G. Posener datiert alle von ihm publizierten Ostraka in die Zeit von der Mitte der 19. bis zur Mitte der 20. Dynastie (Posener 1938, VI), was vielleicht zu eng gesehen ist. Aus der Identifizierung der erwähnten Personen auf den nicht-literarischen Ostraka aus Deir el-Medineh geht hervor, dass sie vom Ende der 18. (nur wenige) bis zum Ende der 20. Dynastie stammen. A. Gasse datiert aufgrund der Paläographie und des Fehlens weiterer Indizien für eine genauere Eingrenzung alle von ihr publizierten Ostraka in die Zeit von der 19. bis zur 20. Dynastie (Gasse 1990, x). Vielleicht erlaubt eine zukünftige eingehendere Untersuchung der Paläographie eine Eingrenzung innerhalb der Ramessidenzeit.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Aufgrund einer formalen Trennmarkierung (am Ende der zweiten Zeile findet sich ein grḥ-Zeichen, das semantische Einheiten voneinander trennt) kann der stark fragmentierte Text in (mindestens) zwei Sprüche gegliedert werden. Im ersten, kurzen Spruch (Zeile 1–2) wird mehrmals ein Haus genannt und ein Gift beschworen. Fragesätze spielen eine Rolle. Zudem befindet sich am Ende eine Formel, in die man den Namen des Nutznießers des Spruches einsetzen kann, sodass es sich vielleicht um eine Beschwörung zur Heilung eines Patienten vor Gift handeln könnte.
Der zweite Spruch (Zeile 3–11) beginnt mit der Schilderung einer ins Chaos gestürzten Welt. Nach einer Lücke lässt der Satz „Am Abend wurde Re gebissen“ die Vermutung zu, dass hier eine Historiola genutzt wurde, um die Wirksamkeit des Spruches zu erhöhen. Es folgt eine zerstörte Erklärung, damit die eingangs erwähnte chaotische Welt wieder in ihren Normalzustand zurückkehrt. Nach der Erwähnung von Tierbezeichnungen (Zutaten eines Rezeptes?) und einer weiteren Zerstörung folgt eine Anrufung an Gift, den Körper zu verlassen, wodurch klar wird, dass hier erneut ein Zauber zur Heilung von Gift vorliegt. In den folgenden stark zerstörten Zeilen wird noch eine ḫꜣsy.t-Pflanze (= Zaunrübe (?)) erwähnt, allerdings ist unklar, in welchem Kontext dies geschieht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die letzten Zeilen von Spruch 2 eigentlich zu einem weiteren Spruch gehören.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Das Ostrakon enthält zwei Sprüche gegen Gift, die für einen beliebigen Patienten („NN, geboren von (Frau) NN“) gedacht sind. Als solches könnte es Bestandteil der Handbibliothek eines entsprechenden Heilers gewesen sein.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die weißliche Kalksteinscherbe hat eine Höhe von 14 cm und eine maximale Breite von 15 cm. Ober- und unterhalb des elfzeiligen Textfeldes befindet sich je eine freigelassene Fläche, sodass hier vielleicht die originalen Ränder erhalten sind. Auch der linke Rand scheint original zu sein (was auch der relativ gerade Abschluss dieses Randes nahe legt), allerdings ist der Text ab der vierten Zeile stark abgerieben. Am rechten Rand fehlt eine unbekannte Länge Text. Die Beschädigung wird nach unten hin immer größer, wodurch das Ostrakon heute eine halbmondförmige Erscheinung besitzt. Ca. von der Mitte der obersten Zeile bis zum Anfang des linken ersten Drittels derselben ist zudem eine Abplatzung entstanden (Posener 1938, 17 und Taf. 36–36a).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist durchgängig schwarz. Es wurden keine Gliederungspunkte gesetzt (Posener 1938, 17).
Auf dem Photo des IFAO ist zudem oberhalb des Endes der ersten Zeile ein rötlicher Strich zu erkennen. Die Funktion und der Anbringungszeitraum (antik oder modern (?)) dieser Markierung sind unbekannt.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Der Text ist stark zerstört, allerdings deuten verschiedene grammatische Formen im zweiten Spruch (z.B. Bildung des Präsens-I/Aorist mit ḥr + Infinitiv, Präposition r-bnr/r-bl) eher eine (gemäßigte) neuägyptische denn mittelägyptische Sprachstufe an. Auch die Orthographie bei den Tier- und Pflanzenbezeichnungen entspricht eher neuägyptischen Schreibgewohnheiten. Die Fragekonstruktion jn-jw sḏm.n=f im ersten Spruch kann hingegen gutes Mittelägyptisch sein.

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei G. Posener im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Faksimile sowie hieroglyphischer Transliteration aufgeführt (Posener 1938, 17, Taf. 36–36a). Eine deutsche Übersetzung hat Katharina Stegbauer im Rahmen des Projekts DigitalHeka (2006–2008) angefertigt, welche in den Thesaurus Linguae Aegyptiae integriert wurde.

Editionen

- Posener 1938: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. Tome premier (Deuxième fascicule; Troisième fascicule), Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1, Fasc. 2 (Le Caire 1936) und Fasc. 3 (Le Caire 1938), V–VI, 17 und Taf. 36–36a.

Literatur zu den Metadaten

- Gasse 1990: A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676-1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Billy Böhm, M.A.

Übersetzung und Kommentar

Spruch 1

[...]
Bin ich gekommen ins Haus des Res-[Udja]?
[... ... ...] sein Haus.
Bin [ich ... ... ...]?
Komm in Frieden zusammen mit dem Gift!
(Was) Horus für seine Mutter (ist), (ist) NN., geboren von NN., für seine Mutter!
Ende.

Spruch 2

[Weiterer (Spruch)]
[... ... ...], die Erde ist in Dunkelheit!1
Die Scherben(haufen) bewegen sich, das Gestein spricht, die Berge wan[dern!]
[... ... ...] meine (?) zwei [...].
Worte gehen hin und her:
„Am Abend wurde Re gebissen!“
[...] [die Mond(?)] der Nacht, das Licht des Tages, damit die Erde hell wird und [die Sonne] scheint [...]
[...] vom Jungen eines qꜣd.t-Tieres, eines bhd.t-Tieres2, eines [...]
[Komm aus der rechten Seite, ko]mm aus der linken Seite, komm heraus, o [Gift]!
[...] zum Herzen (?) des Re.
[...] erheben (?) [...]
[...] Zaunrübe (?) aus [...]
[...] anhalten lassen (?) wegen der Worte in Bezug auf mich (?).
[...] [...]

1 Vergleiche pChester Beatty VII, Rto, 7.7: p.t hꜣb.tj tꜣ m kkw: "Der Himmel ist (von Wolken) durchdrungen/überzogen (?), die Erde ist in Dunkelheit."
2 bhd.t: Lesung unsicher.