Magischer Teller Sydney MU3396

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Australien und Neuseeland » Australien » Sydney » Macquarie University Museum of Ancient Cultures

Inventarnummer: MU3396

Erwerbsgeschichte

Vom Museum im Jahr 1998 angekauft.

Herkunft
(unbekannt)
Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 30. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Die Verwendung des Materials Grauwacke und die Anfertigung mittels einer Drehbank weisen auf ein Objekt der Spätzeit oder der griechisch-römischen Zeit hin (laut Ockinga 2017, 282 Anm. 1 ist die Verwendung der Drehbank für hölzernen Gegenstände ab der frühen Ptolemäerzeit belegt). Gewisse orthographische Merkmale sind typisch für „ptolemäische“ Inschriften. Die übrigen Denkmäler, auf denen die gleichen Texte überliefert sind (d.h. einige Horusstelen und Heilstatuen), datieren zumindest aus der 30. Dynastie und der Argeadenzeit, möglicherweise noch aus der frühen Ptolemäerzeit.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Die Schale ist mit zwei Texten versehen, die auch von anderen magischen Denkmälern (Heilstatuen, Horusstelen, Statuenbasen von Heilstatuen oder Horusstelen) bekannt sind.

Der erste Text (Kol. 1–13) ist als „Hand des Atum“ bekannt und findet sich überwiegend auf dem rechten Unterarm von Heilstatuen. Die Hand wird als eine siegreiche Kämpferin für Re beschrieben, wenn Re selbst sich in ein Ichneumon verwandelt hat, um die Apophisschlange zu besiegen. Die Hand oder ihre Personifikation als Uräus-Iusaas besiegt das Gift von Schlangen und Skorpionen und wird anschließend mit der Hand des Horus gleichgesetzt, der ebenfalls Schlangen und Skorpione besiegt und Re in seinem Kampf beisteht. Horus schützt den Sonnengott und reinigt dessen Körper. Dadurch kann Re sich wieder aufrichten, so wie auch der Patient eines Schlangenbisses sich wieder aufrichten möge. Das Gift möge keine Macht über den Patienten haben, denn die Hand des Horus liegt auf ihm mit Leben, Heil und Gesundheit. Am Ende des Textes bezeichnet sich Horus als Arzt.

Der zweite Text (Kol. 14–16) hat zum Zweck, magisch aufgeladenes Wasser dem Herzen des Patienten eines Schlangenbisses oder Skorpionstichs zuzuführen. Erst wird beschworen, dass das Gift nicht gegen die Menschen, die von Magie leben, ausgestoßen werden möge. Anschließend wird gesagt, dass die Menschen das Überschwemmungswasser holen, um die Seienden oder das Herz des Patienten wiederzubeleben.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Vermutet wird, dass der Teller ein Werkzeug eines Magiers war, mit dem er magisch aufgeladenes Wasser einem Patienten, der Opfer eines Schlangenbisses oder Skorpionstichs geworden war, entweder zu trinken gab (laut Ockinga ist die Schale allerdings zu flach, um zum Trinken praktikabel zu sein) oder zur Kühlung auf die Haut auftrug (Ockinga 2018, 255–256).

Material
Nicht Organisch » Stein » Grauwacke
Objekttyp
Artefakt » Behälter » Gefäß » Schalen & Teller
Technische Daten

Vier Scherben eines steinernen Tellers/Schale. Er/Sie war ca. 1,4 cm hoch (Schalenwandung max. 1 cm. dick) und sein/ihr Durchmesser kann mit 15,8 cm rekonstruiert werden. Die Oberseite ist max. 8 mm tief ausgehöhlt. Die Unterseite ist nicht flach, sondern mit variierenden konzentrischen Rillen versehen (damit er/sie besser in der Hand lag?). Zumindest die Rillen auf der Unterseite wurden laut Ockinga mit einer Art Drehbank ausgehöhlt. Innerhalb eines Randes von 9 mm Breite war die Schale auf der Oberseite ursprünglich mit 16 Kolumnen Hieroglyphen graviert (aktuell sind 13 Kol. teilweise erhalten).

Schrift
Hieroglyphen

Ockinga 2018, 243 vermerkt „The incised hieroglyphs are well-cut and clear.“

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch

Sprache und Orthographie entsprechen dem traditionellen Mittelägyptischen. Der Imperativ mj-n ist ein Einfluss des jüngeren Ägyptischen, aber die Wendung wḫꜣ ḫm „Staub abschütteln“ findet sich schon in den Pyramidentexten (beides nicht auf dem Teller erhalten). Der Text könnte also im oder nach dem Neuen Reich verfasst oder überarbeitet worden sein. Einige orthographische Besonderheiten, wie die Schreibungen von jw, r und hrw, sind typisch für die späteren Epochen der ägyptischen Geschichte, sie beweisen jedoch nicht, dass der Text nicht schon früher verfasst worden sein kann.

 

Bearbeitungsgeschichte

Der Teller wurde von B. Ockinga zunächst in einem Ausstellungskatalog von 2017 vorgestellt, dann vollständig im Jahr 2018 publiziert.

Editionen

- Ockinga 2018: B. G. Ockinga, A Magical Plate in the Museum of Ancient Cultures, Macquarie University: A Tool of Trade of an Ancient Egyptian Medico-Magical Practitioner, in: T. A. Bács – Á. Bollók – T. Vida (Hrsg.), Across the Mediterranean – Along the Nile. Studies in Egyptology, Nubiology and Late Antiquity Dedicated to László Török on the Occasion of His 75th Birthday 1. (Budapest 2018), 243–258.

Literatur zu den Metadaten

- Ockinga 2017: B. G. Ockinga, Inscribed Plate, in: Y. Tristant – E. M. Ryan (Hrsg.), Death is Only the Beginning. Egyptian funerary customs at the Macquarie Museum of Ancient Cultures, The Australian Centre for Egyptology. Studies 11 (Sydney 2017), 282–284 (Nr. 68).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Hand des Atum, Re als Ichneumon (Kol. 1–13)

[1] [Diese (Hand hier) ist jene (bekannte) Hand des Atum, die das Gewit]ter im Himmel und die Unruhe, [die in Heliopolis ist, vertreibt, die siegreiche Kämpferin, die ihren Herrn beschützt, Useret/die Mächtige,] die Re behütet/rächt an jenem Tag des [großen] Kampfes [im Norden und Westen (oder: im Nordwesten) des Tempels des Uräus-Iusaas, (...)
(...) nachdem Re] seine Verwandlung in ein Ichneumon1 von [46] Ellen2 (Länge) [gemacht hatte, um Apophis in dessen Rage niederzuwerfen.
Du sollst ausfließen, (oh du,)] dessen Gesicht [herunterfällt] und auf den gespuckt wird.
Sie ist gekommen und [sie] hat vertrieben [5] [jedes böse Unheil, jede böse Unreinheit, das Gift jeder männlichen Schlange,] jeder weiblichen Schlange und jedes Skorpions, das in jedem Glied dieses Mannes (hier) ist, 〈der〉 einen (Schlangen)biss/(Skorpion)stich 〈hat〉.
[Los, auf den Boden, gemäß dem, was Horus, der Triumphierende/Gerechtfertigte, gesagt hat!] Dies ist meine eigene [Hand] (wörtl.: [jene bekannte Hand] von mir selbst).
Ich bin Horus, der Triumphierende/Gerechtfertigte, der Aufseher/Beschwörer der Selkis. Ich bin aus Horbeit gekommen. Ich bin herausgekommen bei Tagesanbruch auf die Stimme des Herrn der Menschheit (oder: des Allherrn) persönlich hin], an jenem Tag [des Umwendens auf den Feldern gemäß dem, was Atum gesagt hat.3
... ... ... [10] ... ... ...
Möge dieser Mann (hier), der] unter meinen (untersuchenden/heilenden) Fingern ist, [gesund für seine Mutter aufstehen. Wie viel besser ist er (jetzt), als er (zuvor) war! Das Gift wird keine Macht über] seine Glieder [haben]. Sein {Gesicht}〈Herz〉 wird nicht wegen [seines (des Giftes)] Gluthauchs ermatten. [Die Einwirkung (oder: der Arm) eines Gottes wird keine Macht über ihn haben. Es gibt keine Göttin, die ein Unheil] gegen ihn [verhängt] (oder: die ihm Schaden zufügt).
(Denn) meine Hand ist über ihm mit Leben, Heil und Gesundheit. Ich bin Har[oeris, der Arzt, der Gottesberuhiger.]

1 ꜥḏ: Ein Hinweis auf die Existenz dieser Tierbezeichnung neben dem ꜥḏw-Fisch findet sich schon bei W. Golénischeff, Miscellanea II, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 14 (1876), 80 (Quelle: unser Text auf Heilstatue Turin Cat. 3030: L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in three museums in Italy: Turin, Florence, Naples (Turin 1999), 72–73 und Taf. XXI). Sie fehlt in Wb. 1. K. Sethe, Atum als Ichneumon, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 63 (1929), 50–53 hat die Identifikation als Ichneumon vorgeschlagen, weil dieses Tier Schlangen angreift und weil eine Darstellung des ꜥḏ-Tieres auf dem Naos von Saft el-Henna wie ein Ichneumon aussieht. Siehe auch E. Brunner-Traut, Spitzmaus und Ichneumon als Tiere des Sonnengottes (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse 1965/Nr. 7) (Göttingen 1965), 157–160.

2 C. Leitz, Das Ichneumonweibchen von Herakleopolis – eine Manifestation der Bastet, in: Studien zur altägyptischen Kultur 38 (2009), 162–163 nimmt an, dass die Zahl 46 sich auf die wirkliche Größe des Ichneumons bezieht, nämlich 46 Finger, d.h. ca. 86 cm (ohne den Schwanz), wenn man nach gängiger magischer Praxis die Zahl beibehält, aber die Maßeinheit vergrößert (Elle statt Finger).

3 Die Formel „gemäß dem, was NN gesagt hat“ (o.ä.) findet sich des Öfteren am Ende eines Satzes. Daher würde man annehmen, dass anschließend ein neuer Satz anfängt. Dessen Lesung ist jedoch nicht ohne Probleme.

Kühles Wasser für das Herz des Patienten (Kol. 14–16)1

[Ein anderer Spruch (?).] Ihr großer Herr (??) wird nicht ejakulieren (?)2 gegen (?) jene Menschen mit ihren Zaubersprüchen, die von ihrer [Ma]gie leben, [15] die auf den Uferbänken des Himmels sitzen/wohnen.
Sie pflegen die Überschwemmung aus seiner Höhle herauszuziehen, indem sie den großen Nun holen, um 〈die Seienden und die Nichtseienden zu beleben.〉3

1  Der Text ist auf dem magischen Teller Sydney aus Platzmangel viel kürzer als in anderen Textvertretern. Er lässt mehrere Sätze am Anfang weg und ist anschließend vermutlich fehlerhaft.

2 Der Anfang des Spruchs auf dem Teller ist verderbt und wird in den übrigen Handschriften von mehreren Sätzen vorangegangen. In den übrigen Handschriften steht hier: „Das Gift wird nicht gegen jene Menschen ejakuliert werden.“ Ockinga 2018, 249–250 versucht, die auf dem Teller vorhandenen Zeichen als „von allem Kleinvieh und allen Magistraten“ zu deuten, gefolgt von einer Auslassung. Es ist jedoch auch möglich, dass das mutmaßliche ꜥw.t „Kleinvieh“ eigentlich für das Verb ꜥꜣꜥ „ejakulieren, erzeugen; ergießen“ steht.

3 Der Text hört am Ende des Tellers auf. Man könnte auch „um das Herz dieses Mannes hier zu beleben“ ergänzen, was im Anschluss auf den übrigen Textvertretern steht.