Innensarg des Oberarztes Sen, B3L

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 30842

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Laut der Website des British Museums wurde der Sarg im Juni oder Juli 1899 von der R. J. Moss & Co. Company erworben (für die Monatsangabe siehe Willems 1988, 77). Diese war u.a. im Antikenhandel in Ägypten tätig und hat den Sarg vielleicht direkt im Auftrag von Budge, der häufig mit dieser Firma kooperierte, erworben bzw. nach London vermittelt. Gemeinsam mit dem Innensarg EA 30842 hat das British Museum noch einen weiteren Sarg des Oberarztes Sen angekauft, den Außensarg EA 30841 (Sargtextsigle B4L, Lapp B19a).

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » zwischen Beni Hassan und Tell el-Amarna » östliches Ufer » el-Berscheh

Die genaue Herkunft des Innensarges des Oberarztes Sen in Deir el-Berscheh ist unbekannt. Laut Porter – Moss 1934, 187 stammt er aus Deir el-Berscheh. Die beiden Särge des Oberarztes Sen ähneln den beiden Särgen des Oberarztes Gua und wurden nur mit einem Monat Unterschied vom British Museum angekauft. Deshalb schien die Hypothese berechtigt, dass sie denselben Fundkontext haben könnten (z.B. Strudwick 2006, 81–82). Willems (1988, 76–77) hat vermutet, dass sie aus dem östlichsten von fünf parallel angeordneten Schächten, die sich vor bzw. unmittelbar südwestlich von dem Grab des Djehutihotep (Grab 17L20/1) befinden, stammen könnten. Dies wäre Schacht H auf dem Plan von Daressy, Schacht/Grab 11 auf dem Plan von Kamal und Schacht 17L10/3 in der Bezeichnung der KU Leuven (Willems et al. 2006, 313). Nachgrabungen im Bereich der fünf Schächte durch H. Willems und T. Pommerening (KU Leuven/JGU Mainz) haben inzwischen ergeben, dass Daressys Lageplan nicht korrekt ist, dass die Särge von Gua vielleicht im westlichsten der fünf Schächte, dem mit der KU Leuven-Bezeichnung 16L19/2, gefunden wurden und dass es für das Grabensemble des Oberarztes Sen keinen Platz in einem der fünf Schächte gibt. (Zur Architektur, Schachtzuweisung und Diskussion von Daressys Artikel, siehe Pommerening – Willems 2020.) Typologisch und stilistisch gehören die Särge des Sen zu den übrigen Särgen des Nomarchenplateaus, stammen also sicherlich aus denselben Werkstätten, aber ihre genaue Herkunft innerhalb Deir el-Berscheh ist aktuell noch nicht ermittelbar.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Mittleres Reich » 12. Dynastie

Die Website des British Museum datiert den Sarg, wohl basierend auf der dort angegebenen Literatur, in die 12. Dynastie, genauer ca. 1850 v. Chr. (Taylor – Strudwick 2005, 47; Taylor 2010, 64). Lapp ordnet ihn typologisch in seinem Typus der 12. Dynastie ein, aber nicht in der frühen Sarggruppe dieses Typs (Lapp 1993, 77, 85, 88, 276 [Nr. B19b]). In der Studie von Willems gehört der Sarg typologisch zum Außenseitentypus VIII (Sondertypus zwischen Typen IV und IIIb; der Außensarg gehört zum Außenseitentypus IVab) und zum Innenseitentypus 2 (Willems 1988, 21), d.h. in die Zeit Sesostris’ II.–III. (Außenseitentypus IVab) bzw. Amenemhets II.–III. (Willems 1988, 121 [IIIab und IIIba vertauscht], 160, 165, 190). Die genauere chronologische Einordnung des Sarges geschah bislang aufgrund der architektonischen Lage des mutmaßlichen Grabschachtes vor dem Grab des Gaufürsten Djehutihotep, die dafür spricht, dass der Sargbesitzer Sen ein Untergebener von Djehutihotep war (Willems ordnet die Särge des Sen in seiner Berscheh Gruppe D ein). Laut Willems war Djehutihotep unter Sesostris II. und III. im Amt, weshalb er alle Särge aus den fünf Schächten vor dem Grab von Djehutihotep in die Zeit Sesostris’ II.–III. einordnet (ca. 1845–1819 v. Chr.) (Willems 1988, 77). Weil die Verknüpfung des Grabes von Sen mit dem Grab von Djehutihotep nach neuester Untersuchung unzulässig ist (Pommerening – Willems 2020), bleibt vorläufig nur die stilistisch-typologische Einordnung als Datierungskriterium übrig. Eine hypothetische Verwandtschaft zwischen dem Arzt Gua und dem Arzt Sen (Willems 1988, 76, Anm. 87) könnte, sofern zutreffend, erneut für die Zeit Sesostris’ II.–III. sprechen.

Textsorte
magischer Spruch
Inhalt

Die uns hier interessierenden Schlangenbeschwörungssprüche 379, 381 und 382 stehen alle auf dem Fußende des Sarges (Lesko 1979, 43).

Übersicht der Schlangenbeschwörungssprüche auf B3L:
Sargtextspruch 379: Kol. 42–46 (CT V, 42–43)
Sargtextspruch 381: Kol. 47–48 (CT V, 44)
Sargtextspruch 382: Kol. 48–49 (CT V, 44)

Material
Organisch » Holz
Objekttyp
Artefakt » Behälter » Sarg
Technische Daten

Der rechteckige innere Holzsarg des Sen, aus einer Zedernart angefertigt (Davies 1995, 147: „cedrus sp. (cedar)“; daher: Nicholson – Shaw 2000, 350: „cedar of Lebanon, Cedrus libani A. Richard“), hat die Maße 215 × 73 × 62 cm (Länge × Höhe × Breite) (Website British Museum; Taylor – Strudwick 2005, 47) bzw. 215 × 62,5 × 61 (Taylor 2010, 64 – Höhe ohne Deckel?). Die Sargtextsprüche befinden sich auf den Innenseiten.

Schrift
Hieroglyphen » Kursivhieroglyphisch

Die Schrift ist in Kolumnen aufgemalt und verläuft in den hier aufgenommenen Sargtextsprüchen von rechts nach links. Es wurde in diesen Sprüchen nur schwarze Tinte genutzt, aber an anderer Stelle sind auch Rubra vorhanden (Taylor 2010, 65: Farbabb.).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Die Inschriften wurden für das Sargtextprojekt durch Gardiner und de Buck kopiert und von de Buck 1954 unter der Sigle B3L ediert. Lapp 1993 benutzt nicht die Publikationsnummer B3L der Sargtextpublikation, sondern in seiner Nummerierung ist der Sarg B19b. Übersetzungen der Sprüche finden sich u.a. bei Faulkner (1977), Barguet (1986) und Carrier (2004). Stegbauer (2015) segmentiert die Schlangensprüche in Strophen und Verse und kommentiert sie. Der Schacht 11 wurde in den aktuellen Grabungen der Universität Leuven neu ausgegraben und sein (mutmaßlicher) Inhalt wird gemeinsam mit der Universität Mainz von T. Pommerening zur Publikation vorbereitet (Website Mainz).

Editionen

- de Buck 1954: A. de Buck, The Egyptian Coffin Texts. V. Texts of Spells 355-471, Oriental Institute Publications 73 (Chicago/Ill 1954), V 42f–43g (CT 379), V 44a–e (CT 381), V 44f–h (CT 382).

Literatur zu den Metadaten

- Barguet 1986: P. Barguet, Les textes des sarcophages égyptiens du Moyen Empire (Paris 1986), 326.

- Carrier 2004: C. Carrier, Textes des sarcophages du Moyen Empire égyptien. Tome II: spells [355] à [787] (Monaco 2004), 914–915 (CT 379), 916–917 (CT 381 und CT 382).

- Daressy 1900: G. Daressy, Fouilles de Deir el Bircheh (novembre-décembre 1897), in: Annales du Service des antiquités de l’Égypte 1, 1900, 17–43.

- Davies 1995: W. V. Davies, Ancient Egyptian Timber Imports. An Analysis of Wooden Coffins in the British Museum, in: W. V. Davies – L. Schofield (Hrsg.), Egypt, the Aegean and the Levant. Interconnections in the Second Millennium BC (London 1995), 146–156.

- Faulkner 1977: R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume II Spells 355 - 787 (Warminster 1977), 13–14.

- Lapp 1993: G. Lapp, Typologie der Särge und Sargkammern von der 6. bis 13. Dynastie, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 7 (Heidelberg 1993), Kat.-Nr. B19b.

- Lesko 1979: L. H. Lesko, Index of the Spells on Egyptian Middle Kingdom Coffins and Related Documents (Berkeley 1979).

- Nicholson – Shaw 2000: P. T. Nicholson – I. Shaw, Ancient Egyptian Materials and Technology (Cambridge 2000).

- Pommerening – Willems 2020: T. Pommerening – H. Willems, Unravelling Daressy’s excavations of the five shafts in front of the tomb of Djehutihotep at Dayr al-Barshā (im Druck).

- Stegbauer 2015: K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015), 163–164 (Spruch 8 = 379), 164–165 (Spruch 9 = 381) und 165 (Spruch 10 = 382) (doi.org/10.11588/propylaeum.529).

- Strudwick 2006: N. Strudwick, Masterpieces of Ancient Egypt. The British Museum (London 2006).

- Taylor – Strudwick 2005: J. H. Taylor – N. C. Strudwick, Mummies. Death and the Afterlife in Ancient Egypt. Treasures from the British Museum. The Bowers Museum of Cultural Art (Santa Ana 2005), 46–47.

- Taylor 2010: J. H. Taylor (Hrsg.), Journey through the afterlife. Ancient Egyptian Book of the Dead (Cambridge 2010), 64–65 (Nr. 20).

- Willems 1988: H. Willems, Chests of Life. A Study of the Typology and Conceptual Development of Middle Kingdom Standard Class Coffins, Mededelingen en Verhandelingen van het vooraziatisch-egyptisch Genootschap „Es Oriente Lux“ 15 (Leiden 1988).

- Willems et al. 2006: H. Willems et al., Preliminary Report of the 2003 Campaign of the Belgian Mission to Deir al-Barsha, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Abteilung Kairo 62, 2006, 307–339 und Taf. 55–64.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

CT 379

[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 163–164 (Spruch 8 = 379)]

Überschrift

[42] Spruch der Abwehr des Rerek.

1. Strophe

Komm, [43] erhebe dich!
Herr der Mauern, suche die Herrin von Buto!
Du sollst den lebenden Leib verknoten!
[44] Du sollst aus- und eintreten im Sichtfeld der Leute!

2. Strophe

Du sollst mich ansehen mit deinem [45] pantherartigen Gesicht1!
Dein Schwanz ist der eines Nau-Schlangenmännchens, und du greifst als nsb(.tj)-Schlange2 an.

3. Strophe

Friss nicht!
Kommt Horus etwa für mich wegen deines Phallus?
[46] Er soll doch in mich kommen!
(Pause.)

1 Wörtl. „mit deinem Gesicht als ein Panther.“ Das panthergestaltige Gesicht bezieht sich evtl. auf eine gefleckte Zeichnung der Schlange.
2 Die Bedeutung von bsb ist unklar. Evtl. ist es mit bsbs „Ente“ zu verbinden oder zu nsb „Flamme“ zu emendieren. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bsb bzw. nsb mit der in den Sprüchen 17 und 43 erwähnten nsb.tj- bzw. nbs.tj-Schlange zu identifizieren.

CT 381

[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 164–165 (Spruch 9 = 381)]

1. Strophe

[47] Zurück, Tꜣš-sn(.wj)1, der im Wermutbusch lebt!
Meide doch den Lauch2!

Nachschrift

[48] Ein Mann soll diesen Spruch gegen den Rerek sagen.
Das Abwehren einer Schlange ist es.

1 Wörtl. „der die Brüder trennt“.
2 Zur Lesung jꜣq.t: "Lauch" statt der jꜣq-Schlange, siehe Stegbauer 2015, 160, Anm. 6.5.

CT 382

[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 165 (Spruch 10 = 382)]

1. Strophe

Mein Vater ist Bꜣꜣ.w1.
Meine Mutter ist Pp.w.

Nachschrift

Das ist das Vertreiben des Rereks in der Nekropole von Sen.

1 Faulkner 1977, 14, übersetzt bꜣꜣ.w mit „besoulded“. Dagegen fasst Carrier 2004, 917, es als Name o.ä. auf. Ich schließe mich letzterer Auffassung an.