Papyrus Leiden I 353
Übersetzung und Kommentar
pLeiden I 353
[1] Amulett 〈zum〉 Beseitigen von srf-Entzündung, die im Gesicht von Amenemope, geboren von Henuttawy1, ist.
(Diese) Worte (sind zu) sprechen über 〈diesen〉 Götter(name)n:2
[2] [NN] in seiner Barke (?), Re (?), Atum (?), Maat, Chepri, ... (?), Anubis (?), ... (?), Re.3
???4
[3] #Vignette aus sitzenden Gottheiten, nach rechts blickend, im Einzelnen eine männliche und eine weibliche Gottheit, beide mit Doppelfederkrone; eine Gottheit mit Sonnenscheibe und Uräus(?); eine Gottheit mit Atefkrone; eine Gottheit mit Doppelkrone; eine weitere(?) Gottheit mit Sonnenscheibe und Uräus; dahinter eine Götterbarke mit Widderprotomen an Bug und Heck; in der Barke ein Schrein, in dem eine Gottheit sitzt; und vor dem Schrein, ihm zugewandt, ein sitzender ibisköpfiger Thot mit Mondscheibe und -sichel auf dem Kopf#
1 Ḥn.wt-tꜣ.wj: Lesung mit Y. Koenig, Les effrois de Keniherkhepeshef (Papyrus Deir el-Médineh 40), in: Revue d’égyptologie 33, 1981, 29-37, hier 37. L.M. Azzam, The Leiden Papyrus I 353, in: Göttinger Miszellen 253, 2017, 15-24, hier 15 und 18, Anm. f möchte eher Ḥn.wt-šꜣ lesen, also den Teich (Gardiner Sign-list N37) statt der beiden Landzeichen. Ihr Vorschlag ist jedoch wenig plausibel. Zum einen fehlt dem fraglichen Hieratogramm der für den Teich charakteristische mittlere horizontale Strich, und zum zweiten ist Azzams Referenz auf H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Bd. I. Verzeichnis der Namen (Glückstadt 1935), 244.5 inkorrekt: Der dortige Name ist Ḥn.wt-š-dšr, nicht Ḥnw.t-š allein. Azzams Transkription als Ḥn.wt-šꜣ suggeriert einen Zusammenhang mit dem davor genannten Namen Ḥn.wt-šꜣ, H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Bd. I. Verzeichnis der Namen (Glückstadt 1935), 244.4, doch ist dieser gerade nicht mit dem Teich geschrieben.
2 Das Ende der Zeile ist extrem kursiv geschrieben. Aufgrund zahlreicher Parallelen ist eine Lesung wie hier vorgeschlagen wahrscheinlich.
3 Der eigentlich zu rezitierende Spruch ist ausgefallen. Die zweite Kolumne beginnt vielmehr mit einer Gruppe göttlicher Entitäten – wenn man die Darstellung in der Barke als eine Entität betrachtet, wären es insgesamt neun. Die Zeile wirkt noch viel hieratischer als die Götterreihe darunter, so dass man erwägen könnte, diese Vignetten als logographische Schreibung derjenigen Götternamen anzunehmen, die laut der ersten Zeile angerufen werden sollen. Die Zerstörungen und der kursive Stil machen es allerdings nicht einfach, die Götter zu identifizieren. Die für die Barke vorgeschlagene Lesung ist rein geraten. Ob der dahinter sitzende Gott wirklich Re ist, ist unsicher, weil dieser noch einmal und viel deutlicher erkennbar am Ende erscheint. Doch der Rest der Kopfbedeckung sieht der uräusgeschmückten Sonnenscheibe des letzten Gottes sehr ähnlich. Die zweite Gottheit ist sehr unsicher: Das aktuelle Foto lässt keine Identifizierung zu, die Zeichnung bei Leemans = Lexa erinnert ein wenig an eine Sonnenscheibe zwischen Kuhgehörn, ist aber vielleicht eher als Doppelkrone zu interpretieren. Die dritte und vierte Gottheit sind klar identifizierbar. Der Figur hinter dem geflügelten Skarabäus fehlt jegliches identifizierende Attribut. Als nächstes folgt eine Gottheit mit Canidenkopf – vermutlich Anubis, wobei L.M. Azzam, The Leiden Papyrus I 353, in: Göttinger Miszellen 253, 2017, 15-24, hier 19 alternativ auch Upuaut für möglich hält. Die nach oben stehenden Ohren lassen prinzipiell auch Seth denkbar erscheinen, aber dieser wäre in einer Reihe anzurufender Schutzgottheiten unerwartet. Der vorletzten Gottheit fehlt erneut ein Attribut, bevor die Reihe, wie erwähnt, mit einer deutlichen Darstellung des Re schließt.
4 L.M. Azzam, The Leiden Papyrus I 353, in: Göttinger Miszellen 253, 2017, 15-24, hier 19 beschreibt die Szene folgendermaßen: „The row [of signs in this line, L.P.] ends with another scene illustrating a large hieratic sign of a crocodile stabbed with a knife, and above it there are two indistinguishable signs. Behind the crocodile there is a ram and a hieratic sign that could most probably be the ḫpš. This scene could be interpreted as follow: the crocodile represents the srf ailment while the ram is supposed to be the deity who will destroy the srf by means of his strong arm ḫpš.“ Die Beschreibung ist nicht ganz korrekt, denn das Zeichen über dem Krokodil ist kein Messer, sondern der hieratische Rinderschenkel (vgl. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III. bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie, 2 (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. 164), sodass also schon an dieser Stelle ḫpš gelesen werden könnte. Wollte man diese Gruppe ebenfalls im eigentlichen Sinne lesen, könnte man an ḫpš mzḥ: „Bezwungen ist (oder: werde) das Krokodil / der krokodilsgefährliche Dämon (?).“
Ob das vierfüßige Tier am Ende wirklich ein Widder ist oder nicht vielleicht auch ein anderes Tier, ist schwer zu entscheiden, die Kopfform erinnert aber tatsächlich an ein Schaf mit Hörnern. Das Zeichen über dessen Kopf, Azzams ḫpš, ist schwer zu identifizieren. Ein Rinderschenkel ist es nicht. Könnte es vielleicht ein Rasiermesser sein? Vgl. hierzu die – allerdings schräger gestellte – hieroglyphische Form auf der spätzeitlichen Stele Kairo CG 2747, in Zeile 7 des Textfeldes (R. El-Sayed, À propos de l’activité d’un fonctionnaire du temps de Psammétique I à Karnak. D’après la stèle du Caire 2747, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 78, 1978, 459-476, hier Taf. 95; zu einer möglichen hieratischen Entsprechung – ebenfalls schräger gestellt – auf pBrooklyn 47.218.84, Zl. x+12,10 vgl. D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 125 (Le Caire 2006), Taf. 12 und S. 125, Nr. 411).