Socle Béhague + Torso Wien ÄS 40

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Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Österreich » Wien » Kunsthistorisches Museum, Europa » Niederlande » Leiden » Rijksmuseum van Oudheden

Inventarnummer Leiden: F 1950/8.2
Inventarnummer Wien: ÄS 40

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Sockel befand sich im Jahr 1926 oder 1927 in der Sammlung von M. Indjandjian in Paris (Drioton 1927, 134) („M“ steht eventuell für „monsieur“). Vor September 1928 wurde er durch Martine-Marie-Pol de Béhague (Comtesse de Béarn) (1870–1939) erworben (Drioton 1928, 172 und 199). Möglicherweise befand er sich nach ihrem Tod noch im Jahr 1942 in ihrer Sammlung (Drioton 1942, 24). Das Museum von Leiden erwarb den Sockel im Mai 1950 bei den Antikenhändlern Kalebdjian Frères in Paris und inventarisierte ihn mit der Nummer F 1950/8.2.
Altenmüller 1965 hat als Hypothese aufgestellt, dass das Fragment eines Statuentorsos in Wien (Inv. ÄS 40) zur gleichen Statue wie der Socle Béhague gehört. Dieser Hypothese wird seitdem gefolgt. Dieser Torso wurde mit ca. 3000 weiteren Objekten von dem ungarischen Arzt Ernst August Burghart während seiner Ägyptenreise im Jahr 1821 für das Haus Habsburg angekauft. Die Herkunft ist unbekannt. Wie das eine Stück schon 100 Jahre vor dem anderen im Kunsthandel sein konnte, ist noch zu klären.

Herkunft
(unbekannt)

Fundort unbekannt. Weder über die Herkunft des Socle Béhague noch über die Herkunft des Wiener Statuentorsos ist etwas bekannt. E. A. Burghart hat seine Ankäufe teilweise über Antonio Lebolo getätigt, der für Bernardino Drovetti arbeitete. Aber zu den Ankäufen von Burghart gehörten auch alle Objekte, die bis dahin von Giuseppe Nizzoli, dem österreichischen Konsul in Alexandrien (seit 1818) und in Kairo (seit 1820), zusammengetragen worden waren (s. Satzinger 1991, 367–368; Rindi Nuzzolo – Guidotti 2017, 347).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 30. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Unterschiedliche Argumente werden für eine möglichst genaue Datierung angeführt: Objekttypologie, Stilistik, Sprache, Orthographie, Textredaktion der Sprüche A und B. Drioton hat den Sockel in die Ptolemäerzeit datiert, ohne dies weiter zu begründen (Drioton 1927, 134). Laut H. W. Müller spricht die Ausarbeitung der Füße und des Stegs hinter dem linken Fuß für die frühe Ptolemäerzeit (in: Klasens 1952, 2 mit Anm. 14). Klasens selbst möchte sich nicht auf eine so präzise Datierung festlegen, die von ihm erwähnten Parallelstücke (1952, 2) datieren zwischen der 25. Dynastie und der frühen Ptolemäerzeit und einige orthographische und sprachliche Merkmale (1952, 5) passen in dieselbe Zeit. Altenmüller 1965, 14 setzt für die rekonstruierte Statuenform eine Datierung in die 30. Dynastie oder die Ptolemäerzeit bis ins 1. Jh. v. Chr. an. Er präzisiert anschließend, dass die Qualität der Arbeit und der Redaktionsstatus der magischen Sprüche für die 30. Dynastie oder die frühe Ptolemäerzeit und gegen die späte Ptolemäerzeit sprechen. Er schlägt entsprechend eine Datierung in die zweite Hälfte des 4. Jhs. vor (Altenmüller 1965, 14 und 33). Rogge 1992, 138 folgt dieser Datierung. Gutekunst hat „Frühptol.(?)“ für den Socle Béhague und „30. Dyn.–Frühptol.“ für den Torso Wien (Gutekunst 1995, 371 bzw. 375). Er kann den von ihm untersuchten „Text B“ seiner redaktionsgeschichtlichen „P-L-Version“ aus der „Hochphase“ (spätdynastisch bis frühptolemäisch) zuweisen, die, wie es zuvor schon Altenmüller erkannt hatte, erst in der 30. Dynastie erscheint (Gutekunst 1995, 282, 284). Sternberg-El Hotabi 1999 thematisiert das Objekt nicht in ihrer Studie, weil die eigentliche Horusstele zerstört ist. Sie datiert es in ihrer Auflistung (Bd. II, 106 und 111) in die „Frühe Hochphase“, d.h. ca. 380 – ca. 280 v. Chr. (Bd. I, 105). Bei PM VIII/2 steht „early Ptolemaic“. Die wenigen datierbaren Heilstatuen in der Gestalt von Privatpersonen, die eine Horusstele vor sich halten, stammen alle aus der späteren 30. Dynastie und der frühen Ptolemäerzeit, ob andere Heilstatuen dieser Art auch älter sein könnten, ist bislang nicht beweisbar. Weil auch die übrigen Textträger von „Text B“ nur schwer datierbar sind, ist über diesen Weg ebenfalls keine frühere Datierung als die 30. Dynastie nachweisbar. Nicht hilfreich ist die Angabe „Late Periode; 30e Dynastie of vroege Ptolemaërtijd 380-30 v.Chr.“ auf der Homepage von Leiden. Die von Bergmann angesetzte Datierung des Wiener Torsos in die 26. Dynastie entspricht nicht länger dem Stand der Forschung (Bergmann 1886, VIII).

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

Konvolut von 11 Beschwörungen gegen Schlangen und Skorpione bzw. deren Gift auf dem Socle Béhague, eine weitere Beschwörung von Gift auf dem Wiener Torso; außerdem auf dem Wiener Torso die zwei Standardtexte A und B der Horusstelen gegen gefährliche Tiere im Allgemeinen und gegen Krokodile auf dem Wasser insbesondere.

Spruch 1: Isis und die sieben Skorpione (= Metternichstele, Spruch VI)
Mythologische Erzählung von Isis und den sieben Skorpionen (70 % des Textes sind zerstört). Isis erzählt in der ersten Person, dass Thoth ihr empfohlen hat, mit dem Baby Horus zu fliehen. Isis flieht zu den Sümpfen von Chemmis und wird von sieben Skorpionen begleitet. Sie warnt die Skorpione, niemanden zu bedrohen, aber als eine reiche Frau die Tür vor Isis und Horus verschließt und nur eine arme Frau den beiden hilft, schlüpft einer der Skorpione unter der Tür hindurch und sticht das Baby der reichen Frau mit dem gesammelten Gift der sieben Skorpione. Isis bekommt Mitleid mit der Frau und macht als Zauberin mit einer Beschwörung das Gift unschädlich. Nachdem Isis das Baby gerettet hat, bringt die reiche Frau als Ausgleich für ihr Fehlverhalten ihren Besitz der armen Frau. Am Ende des Textes legt ein anonymer Erzähler eine Parallele zwischen der Rettung des Babys, der Rettung des Horus und der Rettung von jedem, der gebissen oder gestochen wurde. In einer Handschrift (Papyrus Hay) hat die Erzählung eine Überschrift: „Spruch für die Beschwörung eines Skorpions.“

Spruch 2: Beschwörung des Sonnengottes
Unklarer, kurzer Spruch, in dem der Patient oder ein Zauberer sich an den Lichtgott wendet. Er sei duch dessen Lichtglanz hindurchgezogen und dabei vielleicht von Gift befallen worden. Er fordert das Gift des/in Re bei dessen Erscheinen auf, auf den Boden auszufließen.

Spruch 3: Beschwörung von Skorpiongift
Der Magier identifiziert sich mit dem Erdgott Geb, in dessen Innern die giftigen Tieren leben, und beschwört das Skorpiongift in einem Patienten. Geb fordert das Gift auf, es solle auf den Boden ausfließen, nicht im Körper des Gestochenen zirkulieren und keine brennende Wunde hinterlassen.

Spruch 4: Rettung des Horus vor Schlangen- und Skorpiongift (Metternichstele, Spruch XIV)
Mythologische Erzählung über das Baby Horus, das durch einen Schlangenbiss oder einen Skorpionstich vergiftet wurde und das durch Thoth im Auftrag des Sonnengottes Re-Harachte mit Zauberkraft und Beschwörungen geheilt wird. Das erste Viertel des Textes ist zerstört. Die Protagonisten der Erzählung sind Isis (Mutter des Horus) und Thoth. Er fängt als Narrativ der Göttin Isis in der ersten Person Singular an und entwickelt sich dann zu Dialogen zwischen Isis und Thoth. Isis ist vor ihrem Bruder Seth, dem Mörder ihres Mannes Osiris, in die Sümpfe von Chemmis geflohen und hat dort ihren Sohn Horus geboren. Eines Tages kommt sie von einem Bettelzug (?) heim und findet das Baby reglos und apathisch vor. Sie befürchtet, dass Seth dem Baby etwas angetan haben könnte, aber eine weise Frau unter den herbeigeeilten Einwohnern von Chemmis beruhigt sie und meint, dass eine andere Ursache vorliegen muss. Isis untersucht das Baby und erkennt, dass es von einer Schlange gebissen oder einem Skorpion gestochen wurde. Sie hebt zu einer Klagelitanei mit dem wiederkehrenden Element „Horus wurde gebissen!“ an. Die Göttinnen Nephthys und Selkis kommen herbei und empfehlen Isis, den Sonnengott Re in der Sonnenbarke anzurufen. Isis schreit hinauf zum Himmel und verursacht so eine kosmische Störung: die Sonne bleibt in ihrer Bahn stehen und es wird oder bleibt dunkel. Re schickt Thoth hinunter auf die Erde, um nachzuschauen. Thoth kann Isis beruhigen und hebt zu einer Schutzlitanei an mit den wiederkehrenden Elementen „Der Schutz des Horus ist XY“ und „Der Schutz des Gebissenen (ist XY) ebenso.“ Dann ruft Thoth Horus auf, aufzuwachen, und das Gift, aus dem Körper zu weichen. Er beschreibt oder droht mit kosmischem Chaos (es bleibt dunkel; die Gottesopfer hören auf; die Jahreszeiten kommen nicht; die Überschwemmung bleibt aus) und endet jeden Absatz mit dem Refrain „bis Horus für seine Mutter Isis geheilt ist und bis der Gebissene für dessen Mutter gleichfalls geheilt ist.“ Als es ihm so gelingt, Horus zu heilen, und er die Einwohner von Chemmis heimschicken will, bittet Isis ihn darum, dass er die Einwohner beauftragt, in Zukunft für Horus zu sorgen und über das Baby zu wachen. Nachdem Thoth dies getan hat, will er zur Sonnenbarke zurückkehren. Die Geschichte endet damit, dass der anonyme Erzähler sagt, dass man Thoth deshalb für seine Taten preist, weil dieser dem Sonnengott berichten kann, dass Horus lebt. Eingeflochten in die Erzählung ist die Parallele zwischen Horus und einem menschlichen Patienten sowie einem gebissenen Nutztier, aber der Textaufbau enthält keine konkreten Hinweise, wie die Erzählung in eine Heilungsprozedur eingebunden werden muss.

Spruch 5: Beschwörung des Giftes durch Isis
Der Magier zitiert Isis, die Herrin von Chemmis, die von ihrem Vater Geb Zaubermacht bekommen hat, um ihren Sohn Horus vor jedem Gift zu schützen. So kann sie das Gift im Körper eines gestochenen oder gebissenen Menschen oder Nutztiers austreiben. Eine Ich-Person, entweder Isis oder der Magier, fordert das Gift auf, gemäß des Dekrets des Geb und der Worte der Isis, den Körper zu verlassen, und er/sie fordert die Venen/Muskeln auf, das Gift in ihnen auszuspucken. Es wird nicht spezifiziert, ob das Gift von einer Schlange oder einem Skorpion stammt, aber es verursacht Atemnot beim Patienten.

Spruch 6: Abwehr des Apophis (= Metternichstele, Spruch I)
Spruch zur Abwehr des Apophis bzw. Schutz des Sonnengottes vor der Apophisschlange: Apophis ist aufgetaucht und ein anonymer Zauberer zwingt die Schlange in direkter Rede und befehlendem Ton, zurückzuweichen. Apophis wird als „Nabelschnur des Re“ angesprochen. Ihm wird gesagt, dass sein Kopf abgehackt sei, dass der Geruch des Exekutionsblocks an ihm haftet und dass auch Selkis seine Kraft mit ihrem Zauber abgelenkt hat.

Spruch 7: Beschwörung von giftigen Schlangen
Nur teilweise erhaltene kurze Beschwörung. Wahrscheinlich sagt der Magier, dass die Hand des Re („Re“ ist unsicher) auf das Maul einer Reihe von unterschiedlichen Schlangen und anderen giftigen beißenden und stechenden Tieren ist. Sicherlich vernichtet er sie oder macht sie unschädlich. Nach einer kurzen Lücke sind nur noch die Wörter „Lippen“ und „Lobpreis“ erhalten.

Spruch 8: Beschwörung von Gift
Spruch gegen die Hitze oder das Fieber, die/das vom Gift verursacht wird. Erst wird das Gift als von Ptah oder von Re erschaffen und entsprechend von seinen Schöpfern auch als löschbar bzw. abwehrbar identifiziert. Dann wird der Patient mit Horus gleichgestellt und durch eine Gliedervergottung geheilt. Falls das Gift trotzdem im Körper zirkuliert, wird mit einer Götterbedrohung (dem Aufhören des Kultbetriebs) gedroht.

Spruch 9: Beschwörung von Gift
Der Text fängt mit sechs Anrufungen an die Hitze des Giftes an, die jeweils mit derselben Formel enden, dass das Urwasser als frisches Wasser gegen das Gift vorgegangen ist. Dann sagt der Ritualist, dass er den Namen des Giftes kennt, und er fordert es auf, auszufließen. Anschließend sagt der Ritualist, dass der Schöpfergott alles erschaffen hat, also auch das Gift, und dass kein Geschöpf gegen seinen Schöpfer vorgehen kann, also auch nicht das Gift. Daraufhin wird das Gift erneut aufgefordert, auszufließen, und zwar litaneiartig gemäß der Worte von 14 Gottheiten. Der Text endet mit einer Art von Handlungsanweisung: sieben Knoten auf den Schwanz (?) des Gifttieres. Angehängt ist zum Schluss noch, dass der Schutz des Horus(kindes) mit dem Schutz des vom Gift Befallenen gleichgestellt ist.

Spruch 10: Beschwörung von Skorpiongift mit Gliedervergottung (= Metternichstele, Spruch XII)
Thoth spricht als Zauberer in der 1. Person. Er ist aus dem Himmel gekommen, um das Gift in Horus, der von einem Skorpion gestochen wurde, zu vertreiben. Er redet zu Horus und sagt litaneiartig, dass alle Glieder (13 werden namentlich genannt) des Horus dem Horus gehören und mit unterschiedlichen Göttern in Verbindung stehen. Am Ende der Litanei wird gewünscht, dass man Horus erblicken möge wie man den Sonnengott erblickt. Auf der Metternichstele endet der Spruch mit dem Wunsch, dass dies ebenso für jeden Patienten mit einer Biss- oder Stichverletzung gelten möge.

Spruch 11: Beschwörung zweier Schlangen.

Beschwörung des Giftes von zwei Schlangen, die mit einem Metallspeer unschädlich gemacht werden. Der Beschwörer fordert das Gift auf, auszufließen, und er wird das Feuer der Entzündung löschen.

Wien, Spruch 1 = Horusstelentext B
Der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen hat zum Ziel, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, der Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen wird das Gesicht umgedreht werden bzw. ihnen droht die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden beschützt. Der Zauberer identifiziert sich anschließend mit Chnum und befiehlt dem Angreifer, zurückzuweichen, sonst wird er zerstückelt werden. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in der ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden ist und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen hat.

Wien, Spruch 2 = Horusstelentext A
Ein von Thoth ausgesprochener Spruch zur „Verehrung“ des Horus, um ihn zu „verklären“. Thoth begrüßt den jugendlichen Horus und bittet ihn, dass er mit seiner Magie und seinen Zaubersprüchen kommen möge, um die gefährlichen Tiere in der Wüste, im Wasser und in den Höhlen abzuwehren und um das Gift im Patienten zu beschwören. Er möge den Patienten wiederbeleben, damit Horus’ Ansehen entsteht und er als Horus-Sched („der Retter“ oder „der Beschwörer“) angerufen wird.

Wien, Spruch 3 Kühles Wasser für das Herz des Patienten (= auf dem Sockel der Heilstatue Kairo CG 9432)
Spruch, der über kühlem Wasser gesprochen wird, das an das Herz des Patienten gegeben wird. Beschwörung des Gifts aus dem Stachel (des Skorpions). Das kühle Wasser der Überschwemmung soll die Hitze des Gifts (d.h. die Entzündung) vertreiben.

Autoren
Dr. Peter Dils