Papyrus Turin CGT 54030

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Alternative Namen
ID der Turiner Datenbank / Turin Database ID: 134477 Papyrus Turin Cat. 2106/380 falsch / wrong: pTurin CGT 50030 (so / according to Roccati 2015, 1535).
Aufbewahrungsort
Europa » Italien » (Städte Q-Z) » Turin » Museo Egizio
Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus war Teil der Sammlung Drovetti (Schiaparelli 1900, 106, Roccati 1984, 14), die nach Verhandlungen in den Jahren 1822–1824 im Januar 1824 im Auftrag des Großherzogs der Toskana (Ferdinand III.) und unter Bewilligung von König Carlo Felice (d.h. Carlo Felice Giuseppe Maria, 1821 bis 1831 König von Sardinien) für das Museo Egizio gekauft wurde (zu den Erwerbsumständen s. Ministero della pubblica istruzione 1880, XII–XIII und Botti 1921, 131–132).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Drovetti hat zwar keine Angaben über die Herkunft der von ihm gekauften Objekte gemacht. Botti 1921, 148–149 vermutet jedoch, dass diese Papyri aus Deir el-Medineh stammen, weil viele der literarischen Papyri administrative Notizen auf der Rückseite haben und daher aus der lokalen thebanischen Verwaltung stammen würden; konkret auf Deir el-Medineh würden andere Objekte, wie eine Statue der Königin Ahmes-Nefertari und ein Uschebti eines „Dieners vom Platz der Wahrheit“ (d.i. Deir el-Medineh), hinweisen, die ebenfalls Teil der Sammlung Drovetti waren (s. ebd., 129–130).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie, (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie

Ein Datierungsvorschlag ist in der Literatur zu diesem Papyrus bislang nicht vorgebracht worden. Basierend auf der vermutlichen Herkunft Deir el-Medineh, der Arbeitersiedlung der ramessidischen Königsgräber, kann man die Datierung zumindest auf die Ramessidenzeit, also die 19.–20. Dynastie, eingrenzen. Paläographisch liegt eine ramessidische literarische Handschrift vor; die erhaltenen Zeichenformen sind aber zu unspezifisch für eine weitere Eingrenzung innerhalb der Ramessidenzeit.

Textsorte
Inhalt

Der Papyrus Turin CGT 54030 enthält mehrere Sprüche, die in der Sprache des libyschen Stammes der Qeheq gehalten sind. Einer davon ist laut der ägyptisch gehaltenen Überschrift ein Spruch gegen Schlangen. Ob das auch für die anderen zutrifft, ist unklar, weil deren Überschriften nicht mehr erhalten sind. Die unpublizierte Rückseite bezeichnet sich selbst als Schriftstück zur Abwehr(?) von (gemeint: übelbringenden) Feinden und ist teils ägyptisch, teils wieder in der Sprache der Qeheq gehalten.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Über den Verwendungskontext lässt sich nichts Genaues sagen. Allein die von Roccati publizierten Kolumnen enthalten jedoch mindestens zwei Sprüche und geben dem Text damit den Charakter einer Textsammlung. Weitere Sprüche finden sich auf den unpublizierten Partien.
Die Verwendung von nichtägyptischen Wörtern oder ganzen Sequenzen ist auch aus anderen magischen Kontexten bekannt, etwa aus dem London Medical Papyrus, in dem die „Sprache von Kreta“, d.h. wohl minoisch, verwendet wird, oder aus dem magischen Papyrus Harris 501 mit semitischen Elementen, und erwähnt seien auch griechische und andere Wörter in demotischen magischen Texten. Vgl. dazu u.a. Ritner 2008, 243 mit Anm. 1130 und 1131. Einen kurzen spätramessidischen Text in einer vermutlich nubischen Sprache (rʾ n Nsk) publizierten Demarée – Usick – Leach 2006, 27–28 und Taf. 27–28, und vielleicht ist es kein Zufall, dass der Schreiber Thutmose für die Niederschrift dieses Textes einen Brief wiederverwendet hat, in dem er sich über seinen Gesundheitszustand beklagt.
Diese Sprüche sollen, ebenso wie diejenigen von pTurin CGT 54030, gerade aufgrund ihrer Fremdartigkeit wirken; konkret die Wörter in den Sprüchen des pTurin CGT 54030 fallen durch die vielen Zischlaute auf, die in einem Spruch gegen Schlangen durchaus passend erscheinen. Es kann daher vermutet werden, dass die darin verwendeten Wörter eher durch ihren Klang Wirkung zeitigen sollen als durch ihre Bedeutung, weswegen sich eine Aufnahme in der Datenbank lohnt, auch wenn sie nicht übersetzt werden können. Die hier zur Wiedergabe des Originals verwendete Aussprache ist rein hypothetisch und basiert auf den Regeln von Hoch 1994, 506–512.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus ist nur fragmentarisch erhalten und besteht aus vier physisch nicht direkt aneinanderschließenden Fragmenten; wobei die Transkription von Roccati suggeriert, dass er Fragment c und d als zusammengehörig versteht, wenn sie auch nicht direkt aneinander anschließen. Die maximale Höhe der Fragmente beträgt 10 cm; da der obere und untere Kolumnenrand erhalten sind, wird dies nahe am ursprünglichen Format liegen. Die kleineren Fragmente a und b sind noch über eine Breite von 4 cm erhalten, Fragment c über eine Breite von etwa 3,5 cm und Fragment d über eine Breite von etwa 14 cm.
Der Papyrus ist beidseitig beschrieben und wurde dafür über die Schmalseite gedreht: Die Oberseite des Rectos ist identisch mit der Oberseite des Versos.

Schrift
Hieratisch

Die Leserichtung verläuft von rechts nach links. Der Text enthält einige Rubra.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch, Berbersprachen » Libysch » Qeheq

Der Text auf der Vorderseite von Fragment a ist Ägyptisch; eine weitere Eingrenzung auf eine bestimmte Sprachstufe ist nicht möglich, weil die wenigen erhaltenen Satzreste nicht spezifisch genug dafür sind. Rein vom vermutlichen Fundkontext und dem Genre nach zu schließen, kommen nur Mittelägyptisch und Neuägyptisch in Frage. Die Vorderseite der Fragmente b und c+d ist in der Sprache der Qeheq gehalten, eines libyschen Volkes. Die Identität der Sprache ist gesichert, weil sie durch einen ägyptisch geschriebenen Spruchtitel so identifiziert wurde. Eine moderne, linguistische Einordnung dieser Sprache steht noch aus.
Die noch unpublizierte Rückseite ist ebenfalls teils in Ägyptisch, teils in der Sprache der Qeheq geschrieben.

Bearbeitungsgeschichte

Der Papyrus ist erstmals von Schiaparelli auf dem 12. Internationalen Orientalistenkongress in Rom, genauer: am 9. Oktober 1899, vorgestellt worden (Schiaparelli 1900, 106–107; diskutiert ferner von Botti 1899, 161–169; die ganz kurze Zusammenfassung von Schiaparellis Bericht in den Kongressakten ist auch zitiert bei Roccati 1984, 14). Aus unbekannten Gründen hat Schiaparelli den Inhalt als „Kriegsgesänge“ („chants de guerres“) des libyschen Stammes der Qeheq angesehen; auf dem Papyrus gibt es eigentlich nichts, was eine solche Identifizierung rechtfertigt. Da Schiaparelli in den Kongressakten keine weiteren Details über den Papyrus anführte, war er später nicht wieder zu identifizieren. Daher wird dieser Papyrus schon von Bates 1914, 76, Anm. 2 und noch von Ritner 2009, 79, Anm. 1 vermisst. Gardiner 1947, 123*, Nr. 242 erwähnt Turiner Texte (Plural!) mit Sprüchen in der Sprache der Qeheq. Es wird sich dabei sicher um pTurin CGT 54030 handeln. Ob Gardiner den Papyrus selbst gesehen hat oder nur auf Schiaparelli Bezug nimmt, ist unsicher. Auf der einen Seite war er im Jahr 1905 vor Ort und hat die Turiner Papyri für das Berliner Wörterbuchvorhaben kollationiert (Wb 1, v); auf der anderen Seite dürfte sein Plural darauf hinweisen, dass er nur von Schiaparellis Beschreibung abhängt, der von „fragments“ spricht. Hätte Gardiner den Papyrus selbst gesehen, hätte er vielleicht eher den Singular verwendet. Eine Korrektur des Inhalts und die Identifizierung als magische Sprüche gegen Schlangen findet sich bei Roccati 1984, 23. Eine erste vorläufige und nur partielle Publikation des Textes (unter der falschen Nummer pTurin CGT 50030) bietet Roccati 2015: eine kurze Besprechung des Inhalts, in der er den Text explizit mit dem von Schiaparelli besprochenen identifiziert (diese Identifikation wird dadurch bestätigt, dass laut Schiaparelli die Zeilen mit dem „nom ethnique Taromata“ (Kursivierung i.O.) enden würden, was sich in pTurin CGT 54030 wiederfindet), ein Foto von der Vorderseite von Fragment c+d, eine hieroglyphische Transliteration der zweiten Kolumne sowie eine ägyptologische Umschrift der beiden Kolumnen von Fragment c+d. Die Edition des gesamten Papyrus steht noch aus. Hier werden daher nur die Partien wiedergegeben, die Roccati bereits publiziert hat.

Editionen

- Roccati 2008: A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535.

Literatur zu den Metadaten

- Bates 1914: O. Bates, The Eastern Libyans. An Essay (London 1914).

- Botti 1899: G. Botti, Manuscrits libyens découverts par M. Schiaparelli dans le Musée de Turin, in: Bulletin de l’Institut Égyptien, troisième série 10, 1899, 161–169.

- Botti 1921: G. Botti, La collezione Drovetti e i papiri del R. Museo Egizio di Torino, in: Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei, classe di scienze morali, storiche e filologiche: serie quinta 30 (11–12), 1921, 128–135, 143–149.

- Demarée – Usick – Leach 2006: R. J. Demarée – P. Usick – B. Leach, The Bankes Late Ramesside Papyri, British Museum Research Publication 155 (London 2006).

- Gardiner 1947: A. H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. I (Oxford 1947).

- Hoch 1994: J. E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994).

- Ministero della pubblica istruzione 1880: Ministero della pubblica istruzione, Documenti inedití per servire alla storia dei musei d’Italia 3. (Firenze/Roma 1880).

- Ritner 2008: R. K. Ritner, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practice, Studies in Ancient Oriental Civilization 54 (Chicago 2008).

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period, Writings from the Ancient World 21 (Atlanta/Leiden 2009).

- Roccati 1984: A. Roccati, Les papyrus de Turin, in: Bulletin de la Société Française d’Égyptologie 99, 1984, 9–27.

- Schiaparelli 1900: E. Schiaparelli, Les papyrus égyptiens de Turin, in: Revue égyptologique 9, 1900, 106–107.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Recto

Fragment a

[---]1

1 Das aktuelle Turiner Foto zeigt Reste von 7 hieratischen Zeilen. Über der ersten Zeile scheint der obere Kolumnenrand erkennbar zu sein. Die drei untersten erhaltenen Zeilen sind eingerückt und geben rechts Raum für eine Vignette: Ein Boot mit einem Schrein (?); die Turiner Papyrusdatenbank vermutet einen ḏd-Pfeiler oder tj.t-Amulett. Die erste eingerückte = die drittletzte erhaltene Zeile beginnt mit einem roten mḏꜣ.t: „Schriftstück“, d.h. wohl dem Beginn eines neuen Spruches.

Fragment b

[---]2

2 Das aktuelle Turiner Foto zeigt Reste von 7 Zeilen, die wie auf Fragment b–c mit j smj beginnen und in der ersten Zeile die Qeheq erwähnen, sowie den oberen und unteren Kolumnenrand. Die vier unteren Zeilen sind eingerückt und geben rechts Raum für eine Vignette. Von ihr ist aber zu wenig erhalten, um sie zu identifizieren.

Fragment c+d

Spruch 1
[---]
[Rto. x+3,1]3 I sími4 [--- tjiramat]a5.
I sími [___]ha tjiaramata.
I sími [--- tjiramat]a.
I sími ma[---] [tji]ramata.
[Rto. x+3,5] Rirapa[---]6 [---] [tjiramat]a7.
Rirapaʾan[---] [---]jhaʾachar tjramata.8
Yaba iru[_]9 [---] [tji]ramata.
Yaba gar[_].10
[Rto. x+4,1] Yaba11 schadju tjiramata.

3 Die Zählung der Kolumnen als x+3 sowie x+4 ist rein provisorisch und geht von der Prämisse aus, dass die Fragmente a–c jeweils eine eigene Kolumne bilden, so dass diejenige auf Fragment c mindestens die dritte (erhaltene) Kolumne sein muss. Die Fragmente c und d schließen, im Gegensatz zur aktuellen Montage der Papyri, nicht direkt aneinander an (so auch schon A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1535). Denn mindestens in den Zeilen 1 und 3 können die Wortreste auf Fragment c unmöglich eine direkte Fortsetzung auf Fragment d gefunden haben; und Fragment c enthält eine 8. Zeile, die gar keine Fortsetzung auf Fragment d findet. Trotzdem geht Roccati davon aus, dass die Zeilenanfänge auf Fragment c und die Zeilenenden auf Fragment d zur selben Kolumne gehören, deren mittlerer Teil zerstört ist (vgl. seine Transkription auf S. 1533). Für die Zeile 8 bedeutet diese Annahme, dass sie nur sehr kurz gewesen sein muss und in der heutigen Lücke zwischen den Fragmenten endete.
Warum Roccati, a.a.O., 1533 in seiner Transkription der beiden Kolumnen von Fragment c+d die Zeilen der Kolumne x+3 auf diejenigen von x+4 folgen lässt statt sie voranzustellen, ist unklar. Sollte er an eine retrograde Anordnung der Kolumnen gedacht haben? Doch dafür gibt es keinen Hinweis. Dass in Zeile x+4,2 ein Spruchtitel vorliegt, in dem das Folgende als Sprache der Qeheq identifiziert wird, wäre jedenfalls kein ausreichender Grund anzunehmen, alles in der Sprache der Qeheq müsse auf diese Überschrift folgen. Vielmehr können genauso gut mehrere fremdsprachliche Sprüche vorliegen (so auch schon angenommen von Roccati, ebd.). Dafür spricht letztendlich, dass auch in Zeile x+4,1, also in der Zeile über dem ägyptischen Spruchtitel, Fremdworte stehen. Und auf der (unpublizierten) Rückseite von Fragment a mit dem Beginn einer Kolumne steht ein ky, das gut zu einem ky rʾ: „Ein anderer Spruch“ gehören könnte, in der 1. Zeile, und die folgenden scheinen alle mit j smj zu beginnen, wie diejenigen von Recto x+3 und x+4. Damit steht dort also mindestens ein zweiter Qeheq-Spruch mit eigener Überschrift.

4 Das erste Wort ist geschrieben, als läge eine Form von smj: „melden“ mit j-Augment vor. Inhaltlich sinnvoll wären hier nur Passivformen, was etwa einem „was zu melden wäre“ entspricht. Für ein Passivpartizip wäre aber noch eine t-Endung über Buchrolle zu erwarten oder die – im Hieratischen prinzipiell identische – doppelte diagonale Linie über Buchrolle, vgl. J. Winand, Études de néo-égyptien. 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992), 369–370, §§ 586–588. Für ein unpersönliches passives sḏm=f, wie in den medizinischen Texten, wäre wiederum das j-Augment überflüssig. Außerdem würde man in einem magischen Text wohl kein „werde gemeldet“ erwarten, sondern ein „werde gesagt“, d.h. ḏd, oder allenfalls noch „werde beschworen“, šdi̯. Daher wird mit Roccati, a.a.O., 1533–1534 davon ausgegangen, dass smj hier zur Schreibung eines Qeheq-Wortes diente, das diesem ägyptischen Wort wohl lautlich ähnlich war. Roccati fühlt sich an das sm(ꜣ) in einer nichtägyptischen, vielleicht semitischen Passage des magischen Papyrus Harris 501 erinnert; dieses erinnert ihn an semitisches šimâ: „listen!“. Er gibt zwar zu Recht zu bedenken, dass die Qeheq nicht im syrischen Raum zu verorten sind, schreibt aber bezüglich der Orthographie des Textes: „The underlying system of the original Hieratic signs seem to draw from what can be termed a ‚syllabic‘ writing, or more probably from an ‚alphabetic‘ writing with a possible syllabic pronunciation, like contemporary Ugaritic, insofar as it looks purely phonetic“ (S. 1534).
Ob das j am Beginn ein eigenständiges Wort ist (vgl. die Worttrennungen von Roccati) – vielleicht sogar schlicht die ägyptische Interjektion „oh“ –, oder ob sie mit dem folgenden smj ein Wort bildet, ist unbekannt.

5 [ṯrmt]: Ergänzung mit A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533 auf Basis der folgenden Zeilen.
Bei diesem Wort ṯrmt fühlt sich Roccati, a.a.O., 1534 an den MR-Personennamen Ṯrmṯ erinnert, für den H.-W. Fischer-Elfert – A. Grimm, Autobiographie und Apotheose. Die Statue des Zš(š)n Zꜣ-Ḥw.t-Ḥrw im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst München, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 130, 2003, 60–80, hier 75, Kommentar zu Zeile 20, vorsichtig die Bedeutung „Lotus“ vorschlagen, sich aber auch einen Zusammenhang mit hebräisch תּמר: „Dattelpalme“ vorstellen können. Tatsächlich ist das Wort in pTurin CGT 54030 immer mit dem Personenklassifikator geschrieben (in x+3,2 sogar mit zusätzlichen Pluralstrichen) und war daher personifiziert. Ob es ein Dämonenname ist, der der zu beschwörenden Schlange zugelegt wurde? Andererseits sind die Wörter davor unklar, so dass es ebenso eine helfende Instanz sein könnte – wenn auch vielleicht kein Gott, weil man dann eher den Falken auf Standarte als Klassifikator erwarten würde.
In der folgenden Kolumne steht zwischen smj und ṯrmt immer nur ein Wort. Das wird man auch hier annehmen können, so dass, wenn Fragmente c und d wirklich dieselbe Kolumne bildeten, nur ein Wort komplett zerstört ist. Das lässt aber keinen Schluss auf die Länge der Lücke zu, weil diese Wörter in der folgenden Kolumne unterschiedlich lang sind.

6 Die Transkription von A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533 suggeriert, dass Roccati pꜣ als eigenständiges Wort auffasst. Hier wird diese syllabische Gruppe dagegen provisorisch an das erste Wort der Zeile angehängt, wenn auch nur vor dem Hintergrund, dass die meisten Qeheq-Wörter in diesem Text länger als drei syllabische Gruppen sind.

7 [ṯrmt]: Erhalten sind nur noch das Wurfholz und der sitzende Mann; etwas weiter links sind noch Tintenspuren erkennbar, die aber nach ihrer Position wohl reine Tintenflecke und keine Zeichenreste sind. Ob hier wirklich ṯrmt gestanden hat, wie in den vorherigen Zeilen, ist unklar, weil die Zeile auch anders beginnt (A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533 ergänzt keines). Aber da in der nächsten Zeile, die vielleicht mit demselben Wort beginnt wie Zeile 5, ebenfalls auf ṯrmt endet, liegt es nahe, dass das auch auf Zeile 5 zutrifft.

8 Transkription der Zeile weitgehend mit A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533. An zwei Stellen wird davon abgewichen:
(1) Seine Transkription suggeriert, dass er in pꜣ ein eigenständiges Wort sehen wollte. Hier wird diese syllabische Gruppe dagegen provisorisch an das erste Wort der Zeile angehängt, wenn auch nur vor dem Hintergrund, dass die meisten Wörter länger als drei syllabische Gruppen lang sind.
(2) Für das letzte Zeichen an der Abbruchkante von Fragment c hat er keinen Vorschlag gemacht; von den syllabischen Gruppen, die J.E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 506–512 aufführt, passen die Zeichenreste am ehesten zu dem jwn-Pfeiler.

9 yb jr: Das letzte Zeichen an der Abbruchkante von Fragment c dürfte der hieratische Löwe sein. Das Wort ist, wie alle anderen, unbekannt, und damit ist unklar, ob es mit der syllabischen Gruppe rw endete oder noch in der Lücke weiterging. Demzufolge ist auch unklar, ob in der Lücke noch ein weiteres Wort gestanden hat, oder ob sie mit den beiden partiell erhaltenen Wörtern gefüllt war.
Die folgende Zeile, wenn nicht sogar die folgenden zwei Zeilen, beginnen ebenfalls mit den syllabischen Gruppen y und bw. Da die dritte syllabische Gruppe eine andere ist, ist zu erwägen, dass yb ein eigenständiges Wort ist, auch wenn es völlig ohne Klassifikatoren geschrieben ist, nicht einmal mit einem Wurfholz, wie viele andere Wörter in diesem Text.

10 Das Zeichen an der Abbruchkante von Fragment c wird ein hieratisches r sein, vgl. die Form zwei Zeilen darüber. Da das Fragment mitten im Zeichen abbricht, ist unklar, ob danach ein Strich folgt und die syllabische Gruppe ra vorliegt, oder ob eine w-Schleife folgt und die Gruppe ru vorliegt.
Auf Fragment d sind an der Abbruchkante nur winzige, unidentizierbare Zeichenreste erhalten. Es ist unklar, ob sie das einzig erhaltene Wort auf Fragment c beenden oder zu einem zweiten gehören.

11 Die Lesung der zweiten syllabischen Gruppe ist unsicher, weil das b in den anderen Fällen im Papyrus viel gerader geschrieben ist. Es kommt aber im Grunde keine andere syllabische Gruppe infrage.

Spruch 2
Spruch gegen Schlangen entsprechend etwas von den Qeheq Formuliertem:
Yawaya tjiramata.
I sími tatuyt ta[_](?)12 tjiramata.
[Rto. x+4,5] I sími ischataschatamaka13 tjiramata.
I sími tischatischa(?)14 tjiramata.
I sími mansi(?)mu15 tjiramata.
I sími itjiraba tjiramata maya16.
I sími schahamachati17 tjiramata.

12 ttyt: Transliteration der Phonogramme mit A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533. Das letzte Phonogramm könnte auch eine w-Schleife statt eines ts sein, so dass die syllabische Gruppe yu vorliegt, vgl. J.E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 506. Allerdings ist die w-Schleife in der syllabischen Gruppe tw etwas anders geschrieben.
Der senkrechte Strich danach ist nach dem aktuellen Turiner Foto allerdings nicht der senkrechte Füll-/Logogrammstrich, sondern das Wurfholz. Das abschließende Hieratogramm ist entgegen Roccati vielleicht Z3A, die gekippten Pluralstriche, oder ein sitzender Mann über einem weiteren Zeichen (allerdings nicht den normalen Pluralstrichen, weil das Hieratogramm einen waagerechten Haken zu viel für diese Ligatur bietet).
Zwischen diesem Wort tatuyt und dem Wort tjiramata scheint noch ein weiteres, wenn auch sehr kurzes Wort gestanden zu haben, das durch ein Loch im Papyrus weitestgehend zerstört ist (von Roccati einzig durch ein Fragezeichen in seinen Handhieroglyphen angezeigt). Die Zeichenreste vor und hinter dem Loch können nicht identifiziert werden. Es besteht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das Hieratogramm hinter dem Wurfholz von tatuyt eigentlich den Anfang dieses Wortes bildet. Roccati hatte dieses Hieratogramm als Ligatur aus der doppelten diagonalen Linie (Z4) über dem Kanalzeichen (N23) interpretiert. Mit der Neulesung des Zeichens davor als T14, das somit ein Wortende markiert, kann dieses Hieratogramm seinerseits nur etwas sein, was an einem Wortende (und hinter einem T14) stehen kann, oder etwas, was am Wortanfang (scil.: des nächsten Wortes) steht. Unter der erstgenannten Prämisse kämen statt Roccatis Lesung vielleicht Z3A, die gekippten Pluralstriche, oder ein sitzender Mann über einem weiteren Zeichen (allerdings nicht den normalen Pluralstrichen, weil das Hieratogramm einen waagerechten Haken zu viel für diese Ligatur bietet) in Frage. Unter der letztgenannten Prämisse hat das fragliche Hieratogramm große Ähnlichkeit mit der Zeichengruppe tꜣ, d.h. t über Alephgeier.

13 jštštmk scheint trotz seiner Länge ein einziges Wort zu sein. Jedenfalls steht erst am Ende ein Klassifikator. Die erste syllabische Gruppe ist contra Roccati j o.ä. bzw. ʾi zu lesen, s. J.E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 508. Die von Roccati nicht transliterierte, teilweise zerstörte Gruppe nach dem ersten šꜣ könnte gut eine zweite (bzw. erste) syllabische Gruppe tj sein. Das nach dem zweiten tj stehende Zeichen wirkt ein wenig wie die Sichel mit Sockel, so dass es die syllabische Gruppe ma5 sein könnte, s. Hoch, ebd. Dagegen spricht allerdings, dass diese stets einen komplementierenden Arm hat, der hier fehlt. Der teilweise zerstörte Klassifikator dürfte nach dem aktuellen Turiner Foto wieder das Wurfholz sein.

14 tš-zp-2: Lesung der letzten Gruppe als zp-2 mit A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1535. Ist das korrekt, dürfte sie ein Wiederholungsvermerk sein, wobei wohl eher die Gruppe tj~šꜣ wiederholt werden sollte als nur šꜣ allein.

15 mnsm: Die dritte syllabische Gruppe kann nicht mit Sicherheit identifiziert werden. Das erste Zeichen wirkt wie ein gut geschriebenes s. Das zweite Zeichen erinnert etwas an ein Aleph, aber die Kombination s+ gibt es nicht in der syllabischen Orthographie. Ob es daher die Gruppe s + doppelte diagonale Linie ist? Wenn es doch ein Aleph ist, findet sich jedenfalls weder bei J.E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 505–512 noch bei T. Schneider, Asiatische Personennamen in ägyptischen Quellen des Neuen Reiches, Orbis Biblicus et Orientalis 114 (Freiburg (Schweiz), Göttingen 1992), 362–402 eine passende Entsprechung.
Die drei waagerechten Striche vor dem Wurfholz sind derart elaboriert geschrieben, dass sie vielleicht eher als die drei Wasserlinien zu lesen sind denn als Pluralstriche (so A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1535).

16 Im Gegensatz zu den vorherigen Zeilen folgt hier dem ṯrmt noch ein my, ebenfalls mit Personenklassifikator (übersehen von A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533 und 1535, aber auf dem aktuellen Turiner Foto deutlich zu erkennen).

17 šhmḥt: Lesung der teilweise zerstörten Gruppen mit A. Roccati, Alien speech. Some Remarks on the Language of the Kehek, in: P. Kousoulis – N. Lazaridis (Hrsg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists: University of the Aegean, Rhodes. 22-29 May 2008 2, Orientalia Lovaniensia Analecta 241 (Leuven 2015), 1531–1535, hier 1533 und 1535.

Verso (unpubliziert)

Fragment c+d

[---]1

1 Der obere, untere und rechte Kolumnenrand sind erhalten. In dieser Kolumne liegt ein rein ägyptischer Text vor, genauer: ein magischer Text, der sich als mḏꜣ.t n.t dr/ḥwi̯(?) sbj.w: „Schriftstück zum Beseitigen/Schlagen der sbj.w-Rebellen“ ausweist und tlw. als wörtliche Rede gehalten ist: Die zweite Zeile beginnt mit jnk wrr.t jm.j(t)-kꜣr: „Ich bin die Krone(nschlange)(?), die im Schrein ist...“.

Fragment b

[---]2

2 Der obere und untere Kolumnenrand ist erhalten. Unter der letzten Zeile ist eine Vignette erhalten: Ein ḏd-Pfeiler in einem Boot.

Fragment a

[Kolumne 1] [---]3
[---]4

3 Auf Fragment a ist der obere und untere Kolumnenrand erhalten. Das erhaltene Zeilenende von Kolumne 1 befindet sich im Vergleich zu Kolumne 2 auf der Höhe von deren Zeile 1 und 2, war also mit großer Wahrscheinlichkeit die erste Zeile dieser Kolumne. Das Fragment bricht rechts senkrecht zu den Schreiblinien ab; dass unter dem einen Zeilenende von Kolumne 1 keine weiteren Zeilenenden erhalten sind, muss aber nicht heißen, dass dort nur eine einzige Zeile stand. Die Kolumnen auf dem Recto sind, soweit erhalten, stichisch geschrieben, was auch auf dem Verso der Fall sein kann. Das würde bedeuten, dass die übrigen Zeilen von Fragment a, verso, Kol. 1 schlicht kürzer waren als die erste und dass nur deswegen heute nichts mehr erhalten ist.
4 Der obere und untere Kolumnenrand sind erhalten. Inhaltlich liegt ein weiterer Spruch in der Sprache der Qeheq vor.