Ostrakon Deir el-Medineh 1242
Übersetzung und Kommentar
oDeM 1242
[1] [… ro]tes (?) [...];
[…], rotes Natron;
[jr]tjw-Pflanzen/Farbstoff (?) (oder: [Myr]rhe)1, Bodensatz/Rückstand/Reste von nḥḥ-Öl2, ägyptisches Getreide (?) (oder: Schwarzfrucht (?))3:
(Es) werde fein zerrieben.
(Es) werde darauf/damit verbunden an vier Tagen;
und du sollst es/ihn danach [5] mit Wasser von šb.t-Maische (?)4 reinigen;
und du sollst jrtjw-Pflanzen/Farbstoff (?)5 {von}⟨mit⟩ (?)6 Salbe der Rizinus-Pflanze zerreiben.
(Es) werde daran gegeben an vier Tagen.
Milchfett
1 [...]tjw: Ein Quadrat fehlt am Anfang, die Reste des tjw-Vogels sind eindeutig. Drogen, die laut H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959) auf tjw enden, sind jrtjw: ein Pflanzliches Produkt oder ein Farbstoff; ꜥntjw: "Myrrhe". Die Drogen nḫtjw und nstjw haben ein Pflanzendeterminativ und kommen nicht in Betracht. Sowohl jrtjw als auch ꜥntjw kommen in Verbänden (wt) vor und ꜥntjw ist auch in Kombination mit nḏ snꜥꜥ belegt. jrtjw steht erneut (?) in Zl. 5 dieses Textes.
2 pḥ.wj nḥḥ oder pḥ.wj n(.j) (n)ḥḥ: Das Wort "(Oliven)Öl" wird entweder mit dem nḥ-Vogel oder ohne n geschrieben. Deshalb ist unsicher, ob hier ein direkter oder indirekter Genitiv vorliegt. Die Kombination von pḥ.wj und nḥḥ-Öl ist sonst nicht in den medizinischen Texten belegt. Haben wir es mit einem Rückstand aus der Verarbeitung der Öl-Kerne zu tun, oder ist es der Bodensatz oder der Rest eines Öl-Krugs?
3 pr.t km: Das Körnerdeterminativ sowie die Pluralstriche stehen hinter km, während pr.t ohne Determinativ ist. Westendorf 1999, 63 übersetzt kommentarlos "ägyptisches Getreide". Das setzt entweder einen direkten Genitiv pr.t Km.t: "Getreide Ägyptens" oder ein Nisbe-Adjektiv pr.t km.t(jt): "zu Ägypten gehöriges Getreide" voraus. Beides ist in den medizinischen Texten nicht belegt, wohingegen es die unbekannten km.w-Körner gibt. Man könnte an "Frucht der km/km.t-Pflanze" denken, aber eine solche Pflanze ist nicht sicher nachgewiesen. Oder km ist das Adjektiv "schwarz": "Schwarzkörner(?)". In Lebensmittel- und anderen Produktlisten tauchen drei verschiedene Varianten von pr.t und km auf. Einmal gibt es pr.t Km.t, wobei Körnerdeterminativ und Pluralstriche (N33:Z2) hinter pr.t sowie t und Stadtdeterminativ (X1:O49) hinter Km.t stehen: pAnastasi III.A.1 und pAnastasi IV, Rto 15.11 (2 Versionen des gleichen Textes). Zweitens gibt es pr.t km mit Körnerdeterminativ und Pluralstrichen hinter pr.t und Buchrolle hinter km: oKairo CG 25680, Rto 10; oDeM 97, Rto 2.5. Die Buchrolle kombiniert mit der Haarlocke gibt es im Schiffsjournal pTurin 2008+2016, Vso 1.7, I.22 und 2.17 (J. J. Janssen, Two ancient Egyptian ship’s logs. Papyrus Leiden 1350 verso and papyrus Turin 2008+2016, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden. Supplement 42 (Leiden 1961), 83–84 = T. E. Peet, An ancient Egyptian ship’s log, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 30, 1931, 481–490, hier: 488). Auf oLouvre E 3258 ist pr.t mit dem Getreidedeterminativ und km.t mit Körnerdeterminativ und Pluralstrichen versehen. Das Determinativ von km ist zerstört auf oKairo CG 25748.3 (Körnerdeterminativ und Pluralstriche hinter pr.t). Auf dem Amarna-Ostrakon oCoA III, Nr. 326 steht pr.t, gefolgt von einem unleserlichen Wort mit Pflanzendeterminativ und km mit der Buchrolle: "Körner der schwarzen [...]-Pflanze". J. J. Janssen, Two ancient Egyptian ship’s logs. Papyrus Leiden 1350 verso and papyrus Turin 2008+2016, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden. Supplement 42 (Leiden 1961), 83–84 fasst die Problematik zusammen: Zwei Übersetzungen sind möglich wegen der Determinative: "black seed" und "seed of Egypt". Die Mehrheit der Belege haben Buchrolle oder Haarlocke hinter km, was für das Adjektiv "schwarz" spricht. Im Onomastikon des Amenemope stehen nacheinander btj ḥḏ.t: "weißer Emmer", btj km.t: "schwarzer (?) Emmer" und btj dšr.t: "roter Emmer", wobei km.t wie "Ägypten" geschrieben ist aber des Zusammenhangs wegen doch "schwarz" bedeuten wird (A. H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica II (London 1947), 222*). R. A. Caminos, Late-Egyptian Miscellanies, Brown Egyptological Studies 1 (London 1954), 117–118 weist andererseits auf die Existenz von pr.t Šmꜥw / Šmꜥ.t: "Körner Oberägyptens / oberägyptische Körner" und pr.t Ḫꜣrw: "Körner von Syrien" hin, was dann wieder für "Körner Ägyptens" sprechen könnte.
4 šꜣbw: Von Westendorf 1999, 63 unübersetzt gelassen; in Anm. 80 fragt er, ob es eine Graphie von šb.t: "Maische" sein könnte. Im H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 842 und H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 486–489 ist keine solche Schreibung mit šꜣ verzeichnet.
5 jrtjw: Die Bedeutung von jrtjw lässt sich nicht sicher fassen; vorgeschlagen werden „Farbstoff (blau?)“ oder „Beschaffenheit, Färbung“.
6 nḏ jrtjw --1Q?-- {n.w} ⟨ḥr⟩ sgnn: Am Anfang der Zeile ist entweder 1 Quadrat leer geblieben oder ein flaches Zeichen auf der Linie ist weggebrochen (die Tonscherbe bricht hier schräg weg). Beachte, dass der Schreiber die Determinative von jrjtw am Zeilenende unter dem tjw-Vogel unter die Zeile gequetscht hat. Das Verb nḏ wird immer mit der Präposition ḥr verbunden (einzige Ausnahme: nḏ m jḫ.t wꜥ.t). Hat der Schreiber Gesicht + Ideogrammstrich verlesen zu langgezogenem nw-Topf + Ideogrammstrich? Westendorf fragt sich, ob n.w für m: "mit" steht (Westendorf 1999, 63).