Papyrus Ramesseum XVII

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Papyrus London BM EA 10770 Papyrus Ramesseum 17 TM 381065
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10770

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde 1896 bei den von der British School of Archaeology in Egypt finanzierten und von W. M. Flinders Petrie und J. E. Quibell durchgeführten Grabungen im Ramesseum gefunden. 1956 wurde er zusammen mit einem größeren Konvolut der Ramesseumspapyri von der British School of Archaeology in Egypt und von A. H. Gardiner, dem die Bearbeitung übertragen worden war, an das British Museum in London gestiftet (ausführlich zur Erwerbungs- und Bearbeitungsgeschichte siehe u.a. Leach 2006, 225–227; Gardiner 1955, 1–6).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Ramesseum

Der Papyrus wurde von J. E. Quibell im Jahre 1896 innerhalb des Ramesseums am Fuße eines bereits geplünderten Grabschachts gefunden (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3–4, Taf. 1–3; Parkinson 1991, XI–XIII, XXVI–XXVIII; Parkinson 2009, 139–140). Dieser Grabschacht gehört zu einer Nekropole aus der Zeit des Mittleren Reiches bis zum Anfang der 18. Dynastie (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–117, 127; Parkinson 2009, 139–140), die in der 19. Dynastie durch den Totentempel („Millionenjahrhaus“) Ramses’ II. überbaut wurde. Der Schacht, in dem die Papyri gefunden wurden, liegt laut Quibell unter einem der Ziegelmagazine an der Nordwest-Ecke des Ramesseums (Parkinson 2009, 139–140), unter Magazin 5 auf dem Plan von Quibell (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, Taf. 1), nach heutiger Zählung STI.SA.08. Eine exakte Lokalisierung innerhalb dieses Magazins ist bislang nicht gelungen, da der Fundort auf dem Plan von Quibell nicht eindeutig verzeichnet ist und mehrere Schächte in Betracht kommen (eine vergebliche Suche bei Nelson 2006). Laut einer neu entdeckten Notiz von Newberry aus dem Jahr 1938 (Downing – Parkinson 2016), der bei der Auffindung der Papyri zugegen war, befand sich der Schacht im beschrifteten Korridor des Grabes des Sehetepibre (Porter – Moss 1964, 679), der unter den Magazinräumen 5–7 des Ramesseums nach dem Plan von Quibell läuft, nach heutiger Zählung unter STI.TR bis STI.SA.08. Sollte dies zutreffen (Newberry widerspricht dezidiert Quibell [Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3], der den Papyrus-Schacht nicht mit diesem Grab verbindet), kann der Schacht oder sein Inhalt schwer zum ursprünglichen Grab des Sehetepibre gehört haben, denn Letzteres wird früher datiert als das Papyruskonvolut, d.h. der Priester (ḥm-nṯr) Sehetepibre kann nicht der ursprüngliche Eigentümer der Ramesseumspapyri gewesen sein (Downing – Parkinson 2016, 40–41). Eine neue archäologische Untersuchung des Grabes des Sehetepibre wäre erforderlich, um Klarheit zu bekommen.
Der Papyrus befand sich zusammen mit 23 weiteren Papyri und einem Bündel Schilfrohr in einer Holzkiste (Auflistung der Papyri bei Parkinson 2009, 151–153, Tab. 6.1) auf dem Boden des Schachtes. Die Papyri enthalten medizinische, medico-magische und magische Texte, aber auch literarische Texte (z.B. Beredter Bauer und Sinuhe), liturgische Texte (z.B. Dramatischer Ramesseumspapyrus und Sobek-Hymnus) sowie administrative Texte wie die Semna-Dispatches. Heute ist dieses Papyruskonvolut auf das British Museum in London und das Ägyptische Museum und Papyrussammlung in Berlin verteilt. Das Schilfrohrbündel, bei dem es sich um Rohmaterial für Schreiberbinsen handelt, wird im Manchester Museum aufbewahrt (Inv.-Nr. 1882). Der Verbleib des Holzkastens, der mit weißem Stuck überzogen und mit der Zeichnung eines Schakals dekoriert war (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3), ist unbekannt (z.B. Leach 2006, 225, Anm. 2). Hermann 1957, 113, Anm. 1 erwähnt eine Nachricht von Anthony J. Arkell, dem damaligen „honorary curator“ der Petrie Collection, dass dieser Kasten vermutlich mit den anderen Objekten von Flinders Petrie in der Sammlung des University College London liegen könnte: Flinders Petrie hatte im Jahr 1913 seine Sammlung dem University College London verkauft (Petrie Museum, 03.07.2020), und nachdem sie im 2. Weltkrieg ausgelagert worden war, widmete sich Arkell Anfang der 1950er Jahre dem Auspacken, Katalogisieren und Ausstellen der Objekte (s. Smith 1981, 146). Die Sammlung war daher Hermann noch nicht zugänglich (s. Hermann, a.a.O.) und die Verifizierung dieser Vermutung steht noch aus.
Weiterhin wurden verschiedene magische Gegenstände im Schacht gefunden. Ein Überblick der Fundsituation findet sich bei Geisen 2018, 2–7; eine Auflistung der von Quibell genannten Objekte mit ihren modernen Inventarnummern findet sich ferner auch schon bei Parkinson 1991, XII–XIII und Kemp – Merrillees 1980, 166.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Zweite Zwischenzeit » 13. Dynastie

Die Datierung des Papyrus basiert zum einen auf der Einordnung des archäologischen Fundkontextes, zum anderen auf text- bzw. konvolutinteren Überlegungen. Die Nekropole, in der das Konvolut gefunden wurde, kann in das Mittlere Reich und die frühe Zweite Zwischenzeit datiert werden (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–116; Parkinson 2009, 71). Über die im Grabschacht gefundenen Objekte ist keine chronologische Eingrenzung möglich, da viele dieser Gegenstände in Bestattungen des späten Mittleren Reiches gut belegt sind, teils sogar bis in die frühe 18. Dynastie fortlaufen (Parkinson 2009, 143–145). Laut Geisen 2018, 7, 10–15 würden Streufunde in der Umgebung sowie die Grabfunde selbst in Kombination mit Informationen aus den Papyri für eine Datierung der Bestattung in die mittlere 13. Dynastie sprechen.
Die Papyri selbst sind unterschiedlichen Alters und erstrecken sich paläographisch (hieratisch) über einen Zeitraum von etwa einem Jahrhundert (Gardiner 1955, 1–2; Parkinson 2009, 149). Einen Terminus post quem für die Zusammenstellung des Konvoluts geben der Papyrus Ramesseum VI (Sobek-Hymnus) mit der Nennung Amenemhets III. (12. Dynastie, ca. 1818–1773 v. Chr.) sowie das Onomastikon auf Papyrus Ramesseum D, das ein mit dem Namen Sesostris’ III. (ca. 1837–1818 v. Chr.) gebildetes Toponym aufweist. Die älteste Gruppe bilden mit R. B. Parkinson die kursiv-hieroglyphischen Texte aus der späten 12. Dynastie, zu denen bspw. Papyrus Ramesseum V gehört (Parkinson 2009, 149). Die jüngsten Texte gehören in die späte 13. Dynastie (bis ca. 1630 v. Chr.), da sie dem mathematischen Papyrus Rhind und dem Papyrus Boulaq 18 paläographisch aufgrund der runden Formen und stärkeren Verwendung von Ligaturen nahestehen; Papyrus Ramesseum XVII gehört paläographisch in diese jüngste Gruppe (vgl. Parkinson 2009, 150, 153).

Textsorte
Inhalt

Die Vorderseite enthält die Reste mehrerer Kolumnen mit magischen Sprüchen anlässlich des Jahreswechsels. Das ägyptische Kalenderjahr bestand aus 360 Tagen sowie fünf Zusatztagen, die ägyptisch als „(Tage) über dem Jahr“ und griechisch als „Epagomenen“ („die Hinzugefügten“) bezeichnet wurden. Aufgrund ihrer Zwischenstellung zwischen den Jahren symbolisierten sie eine chaotische Zeit. Das spiegelt sich auch realweltlich wider, weil die jährliche Nilflut am Beginn des ägyptischen Naturjahres für einen regelmäßigen Anstieg von Krankheitsüberträgern sorgt (zu Ihnen zählen auch die dämonischen Boten oder Gefolgsleute der Hathor/Sachmet), die verschiedene Leiden verursachen können, bspw. die „Jahresseuche“, bei der es sich um eine Art der Pest handeln könnte.
Papyrus Ramesseum XVII enthält magische Schutzsprüche gegen diese und andere Leiden: Der erhaltene Teil beginnt mit einem Spruch zur Abwehr diversen Unheils, zu dessen Zweck man die Namen der einzelnen Epagomenentage kennen soll – das Kennen der Namen bestimmter Entitäten bot nach ägyptischen Vorstellungen die Möglichkeit, Macht über sie zu erlangen. Anschließend folgt eine Reihe von Sprüchen, die sich auf einzelne Epagomenentage beziehen und deren Anfang nach dem folgenden Muster aufgebaut sind: „Worte zu sprechen (o.ä.) am Epagomenentag 1/2/etc.: Sei du gegrüßt, o du guter Tag, an dem (Gottheit) XY erschienen ist! Du mögest mich vor (der negativen Entität) ABC erlösen/retten/etc.!“ Es schließen weitere Sätze an, die fast durchweg stark zerstört sind und sich kaum ergänzen lassen, weil sie individueller aufgebaut sind als der Spruchbeginn.
Die Rückseite einiger Fragmente erhält ebenfalls Text, von dem aber kaum noch etwas erhalten ist. Die Existenz eines – wenn auch nicht mehr lesbaren – Rubrums deutet auf weitere magische Sprüche hin; dagegen gibt es auch einige eher narrative Satzreste, so dass auch ein literarischer Text vorliegen könnte.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Fundzusammenhang und die Herkunft aus einem gesicherten archäologischen Kontext erlauben eine detailliertere Betrachtung. Der Papyrus war Bestandteil eines Konvoluts von 24 Papyri und befand sich zusammen mit einem Bündel von 118 Schilfrohren (Schreibbinsen) von je ca. 40 cm Länge in einem Holzkasten. Auf diesem Kasten war das Zeichen eines Schakales zu erkennen, das als Schreibung für den Priestertitel $r.j-sštꜣ$ „Hüter des Geheimnisses“ gelesen werden kann. Es ist daher anzunehmen, dass der Besitzer ein Priester war (Parkinson 2009, 141; Parkinson 1991). Unter den weiteren im Grabschacht gefundenen Objekten befanden sich ein aus einem Kupfergemisch gefertigter Schlangenstab, der mit menschlichen Haaren umwickelt ist (Fitzwilliam Museum, Cambridge, E.63.1896), die Elfenbeinfigur eines Zwerges, der ein Kalb trägt (University of Pennsylvania, Museum of Archaeology and Anthropology, E.13405), sowie diverse magische Objekte im Manchester-Museum (Fayencefigur eines nackten Mädchens (Inv.-Nr. 1787), eine aus Elfenbein gefertigte Klapper (Inv.-Nr. 1796), eine Fayencefigur in Gestalt eines Pavians (Inv.-Nr. 1835) sowie ein Djed-Pfeiler-Amulett (Inv.-Nr. 1838) (Parkinson 2009, 141–145)). Diese Utensilien stellen nach A. H. Gardiner „the professional outfit of a magician and medical practitioner“ (Gardiner 1955, 1) dar. Dazu passt, dass die Mehrheit der Papyri (15 der 24 Papyri) medizinische, medico-magische oder magische Inhalte aufweisen. Der Inhaber war demnach vermutlich ein Arzt und Magier, der auch Priesterfunktionen innehatte, oder umgekehrt ein Priester, der auch als Magier und Arzt agierte (Gnirs 2009, 128–156; Morenz 1996, 144–146; Geisen 2018, 15–29, Meyrat 2019, 196–199).
Das differierende Alter der Papyri und die verschiedenen Arten von Texten (medizinisch/magisch, literarisch, liturgisch, administrativ) lassen vermuten, dass die Papyri über mehrere Generationen gesammelt und vererbt wurden, bis der letzte Eigentümer sie als Grabbeigabe erhielt (Parkinson 2009, 149). Die administrativen Angaben auf dem Verso von Papyrus Ramesseum III und Papyrus Ramesseum IV zeigen, dass eine sekundäre wirtschaftliche Nutzung dieser medizinischen Papyri vorliegt, was wiederum nahelegt, dass die Papyri – zumindest in Teilen – aus verschiedenen Quellen zusammengetragen wurden und die Identifizierung des letzten Inhabers als Arzt daher nicht zwingend notwendig ist.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus ist, wie auch die anderen Ramesseumspapyri, aufgrund der Lagerung in der feuchten Umgebung des Grabschachts in einem schlechten und fragmentarischen Zustand (Leach 2006, 227). Von Papyrus Ramesseum XVII sind nur wenige Fragmente mit den Resten mehrere Kolumnen auf der Vorderseite erhalten. Auf der Vorderseite ist auf mehreren Fragmenten der obere oder der untere Rand erkennbar; auf zwei Fragmenten (1D und 3D) sind sowohl der obere wie auch der untere Rand erkennbar, so dass die ursprüngliche Höhe annähernd feststeht: Der Papyrus hatte ursprünglich Halbformat und war etwa 12,5 cm hoch; heute sind die größten Fragmente auf einer Höhe von etwa 12,2 cm erhalten (s. Parkinson 2009, 153).
Insgesamt spricht Gardiner 1955, 16 von „[a] dozen or more fragments in Frame 28-33“ und schließt sogar noch ein Fragment in Frame 34 (Anm. 4) ein. Die Datenbank des BM führt für pRamesseum XVII dagegen nur fünf Frames an, die als die alten Frames 28, 31, 33 und 34 identifiziert werden.
Die Fragmente 2A und 2B sowie das Fragment 5B tragen auch Reste von Text auf der Rückseite, wobei die Orientierung unterschiedlich ist: Für die Beschriftung der Fragmente 2A und B wurde der Papyrus über die horizontale Achse gedreht, so dass die Oberkante des Rectos der Unterkante des Versos entspricht. Für den Text auf Fragment 5B wurde der Text über die vertikale Achse gedreht, so dass Ober- und Unterkante auf Vorderseite und Rückseite identisch sind.

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in waagerechten Zeilen geschrieben (von rechts nach links, wie für Hieratisch üblich). Die Namen der Epagomenen auf Fragment 1A+B ist in senkrechten Zeilen geschrieben.
Auf Vorder- und Rückseite finden sich Rubra.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Die wenigen Textreste enthalten mittelägyptische Satzkonstruktionen. Für diese Sprachstufe spricht auch der archäologische Kontext.

Bearbeitungsgeschichte

Die Bearbeitung der Papyri sollte zunächst durch F. Ll. Griffith erfolgen, wurde dann aber an P. Newberry übergeben, der erste konservatorische Maßnahmen durchführte und erste Abschriften anfertigte (Gardiner 1955, 2; Leach 2006, 226). Auf Vermittlung A. H. Gardiners wurde die Restaurierung dann an H. Ibscher (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin) übertragen, der sie restaurierte, ordnete und rahmte. Da P. Newberry kein weiteres Interesse an der philologischen Bearbeitung hatte, gingen die Papyri schließlich in den Privatbesitz von A. H. Gardiner über, den W. M. Flinders Petrie als geeignet für die Veröffentlichung ansah. A. H. Gardiner schreibt dazu: „realizing, that the cost of conservation and publication would be considerable, Petrie himself suggested that if I acquitted myself of both obligations, I could regard the papyri as my own and dispose of them as I thought best“ (Gardiner 1955, 2). Um die aufwendigen Konservierungsmaßnahmen bezahlen zu können, verkaufte A. H. Gardiner 1910 Papyrus Ramesseum D mit dem Onomastikon an das Berliner Ägyptische Museum. Den Papyrus Ramesseum A, der die Geschichte des Beredten Bauern und den Sinuhe enthält, hatte A. H. Gardiner bereits 1906 dem Berliner Ägyptischen Museum überlassen – unter der Bedingung, dass das Museum die Kosten für die Publikation tragen würde (Leach 2006, 226).
Ein Fragment von pRamesseum XVII wurde 1904/05 verglast und dazu auf Gelatine und Zellulosenitrat fixiert; die Verglasung der übrigen Fragmente unter Zuhilfenahme von Gelatine erfolgte zwischen 1907 und 1937. Die Fragmente wurden 1992 und 2003 untersucht (Leach 2006, 233 und 240).
Im Jahr 1955 legte A. H. Gardiner eine Edition der Ramesseumspapyri in Fotografie und tlw. in hieroglyphischer Transliteration vor, wobei allerdings viele der kleineren Fragmente unberücksichtigt blieben. So beschreibt er auf S. 16 kurz pRamesseum XVII und gibt eine Übersetzung für einige wenige Satzreste, schließt aber im Tafelteil keine Fotos oder gar Transkriptionen mit ein.
Eine Gesamtbearbeitung der magischen Ramesseumspapyri, auch von Ramesseum XVII, legte Meyrat 2019, spez. 162–174, 376–395, vor.

Editionen

- Gardiner 1955: A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri (Oxford 1955), 16.

- Meyrat 2019: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 162–174, 376–395.

Literatur zu den Metadaten

- Barns 1956: J. W. B. Barns, Five Ramesseum Papyri (Oxford 1956).

- Downing – Parkinson 2016: M. Downing – R. B. Parkinson, The Tomb of the Ramesseum Papyri in the Newberry Papers, The Griffith Institute Oxford, in: British Museum Studies in Ancient Egypt and Sudan 23, 2016, 35–45.

- Geisen 2018: C. Geisen, A Commemoration Ritual for Senwosret I. P. BM EA 10610.1-5/P. Ramesseum B (Ramesseum Dramatic Papyrus), Yale Egyptological Studies 11 (New Haven, CT 2018).

- Gnirs 2009: A. M. Gnirs, Nilpferdstoßzähne und Schlangenstäbe. Zu den magischen Geräten des so genannten Ramesseumsfundes, in: D. Kessler, et al. (Hrsg.), Texte – Theben – Tonfragmente. Festschrift für Günter Burkard, Ägypten und Altes Testament 76 (Wiesbaden 2009), 128–156.

- Hermann 1957: A. Hermann, Buchillustrationen auf ägyptischen Bücherkästen, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 15, 1957, 112–119.

- Kemp – Merrillees 1980: B. J. Kemp – R. S. Merrillees, Minoan Pottery in Second Millennium Egypt, Sonderschrift, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 7 (Mainz 1980).

- Leach 2006: B. Leach, A Conservation History of the Ramesseum Papyri, in: Journal of Egyptian Archaeology 92, 2006, 225–240.

- Leblanc 2005: C. Leblanc, Recherches et travaux réalisés au Ramesseum durant la mission d’octobre 2004 à janvier 2005, in: Memnonia 16, 2005, 19–45.

- Morenz 1996: L. D. Morenz, Beiträge zur Schriftlichkeitskultur im Mittleren Reich und in der 2. Zwischenzeit, Ägypten und Altes Testament 29 (Wiesbaden 1996).

- Nelson 2006: M. Nelson, La tombe d’une nourrice royale du début de la XVIIIème dynastie découverte au Ramesseum. Concession funéraire STI.Sa05/pu01, in: Memnonia 17, 2006, 115–129.

- Parkinson 1991: R. B. Parkinson, The Tale of the Eloquent Peasant (Oxford 1991).

- Parkinson 2009: R. B. Parkinson, Reading Ancient Egyptian Poetry. Among Other Histories (Chichester, Malden, MA 2009).

- Porter – Moss 1964: B. Porter – R. L. B. Moss, Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings. Vol. I. The Theban Necropolis. Part 2: Royal Tombs and Smaller Cemeteries (Oxford 1964).

- Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898: J. E. Quibell – R. F. E. Paget – A. A. Pirie [Quibell], The Ramesseum / The Tomb of Ptah-Hetep, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2] (London 1898).

- Smith 1981: H. S. Smith, The Reverend Dr Anthony J. Arkell, in: Journal of Egyptian Archaeology 67, 1981, 143–148.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Recto: Magische Sprüche für den Jahreswechsel

Erster erhaltener Spruch

[1AB, 1] [---] [die Tage über dem] Jahr (?); denn1 was diejenigen betrifft, die [ihre Namen (?)] kennen, [---] Aufschrei/Wehe (???) [---].
[1AB, 2] Sie können [nicht hungern (?)].2
[Sie] können nicht dürsten.
Sie [können nicht fallen]3 aufgrund des Schlags [1AB, 3] [des Königs] (?)4.
S〈ie〉 ⸢können nicht⸣ sterben (?)5 ... (?) die Luft / den Hauch (?)6 [---].
Ich kenne sie.
[1AB, 4] Ich [werde nicht hungern].
Ich werde nicht dürsten.
[Ich (?)] werde nicht [---] mich [---].7
[1AB, 5] Ich [werde nicht fallen] 〈wegen〉 des Schlages des Königs.
[Ich] werde nicht sterben (?)8 [---] Balsamierungsstätte9.
[1AB, Kol. x] (1. Epagomenentag:) „[---].“10
[1AB, Kol. x+1] (2. Epagomenentag:) „... (?) [---]“.11
[1AB, Kol. x+2] (3. Epagomenentag:) Gefährlich! „Die beiden Brüder [---].“ (oder: „Kampf der beiden Brüder.“)12
[1AB, Kol. x+3] (4. Epagomenentag:) „[---].“
[1AB, Kol. x+4] (5. Epagomenentag:) [Gefährlich!] (?)13 „Jüngling, der in [seinem Nest] ist“ [---] zum Himmlischen.14
[1C, 1-2] [---]
[1C, x+1]15 [---]
[1C, x+2] Ihr(e) Genosse(n)16 sind alt (???)17 wegen/durch/für [---]
[1C, x+3] [---] der Regsame vor den Räubern18 [---]
[1C, x+4] [---] der Regsame vor den Räubern18 [---]
[1C, x+5] [---] zufriedengestellt mit Nahrung [---]
[1C, x+6] [---] der/die/das schöne [---] zur vollen Zufriedenheit.
[1C, x+7] [---] der (betroffene?) Mann am Neujahrstag [---].19

1 ḥr-n.t(j)t jr: Das n.t(j)t ist rot nachgetragen und wurde dafür interessanterweise in die untere Zeilenhälfte bzw. leicht darunter zwischen ḥr und jr geschrieben, während Nachträge sonst viel häufiger über der Zeile eingefügt wurden, wo der Schreiber des pRamesseum XVII auch genügend Platz gehabt hätte. Jedoch lässt sich der Nachtrag nur an dieser Stelle zuordnen; eine Hinzufügung zur folgenden Zeile ist nicht möglich, wie der Vergleich mit ähnlichen Texten zeigt.
Das Wort nach ḥr transliteriert P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 377 als jw, was jedoch insofern syntaktisch problematisch wäre, als jw weder nach ḥr-n.tt noch nach einem unkorrigierten ḥr stehen kann; zu ersterem s. explizit W. Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift (Tübingen 2012), 337. Aus diesem Grund wird hier vorgeschlagen, jr statt jw zu lesen. Ähnliche schmale Formen des r kommen bspw. im pRamesseum XVI vor. Außerdem wird vorgeschlagen, die Wortreste danach nicht zum Wort rḫy.t zu ergänzen, sondern zu einer Pluralform des Partizips von rḫ: „wissen, kennen“, vgl. ebenfalls pRamesseum XVI zu Partizipien mit dieser Endung. Das eröffnet die Möglichkeit, diese Passage noch viel besser mit dem neureichzeitlichen magischen pLeiden I 346 zu vergleichen, auf den schon Meyrat, a.a.O., 170 hinwies. Dort steht in Zeile 2,5–7: hrw.w ḥr.j.w rnp.t rn.w jr.j | ḏd.wt r jri̯ jm=sn jr rḫ rn n(.j) hrw.w ḥr.j.w rnp.t n 〈ḥ〉qr.n=f n jbi̯.n=f n ḫr.n=f n jꜣ[d.t] rnp.t n sḫm.n Sḫm.t | jm=f jw〈=j〉 rḫ.kwj st nn ḥqr=j nn jbi̯=j nn ḫr=j n jꜣd.t-rnp.t nn sḫm Sḫm.t jm=j: „Die Tage über dem Jahr (d.h. die Epagomenen), deren Namen und was über das gesagt wird, was darin (d.h. dem Jahr) getan wird: Wer die Namen der Zusatztage des Jahres kennt, kann weder hungern noch dürsten, weder fällt er der Jahresseuche anheim, noch hat Sachmet Gewalt über ihn. Ich aber kenne sie! Ich werde nicht dürsten oder hungern, weder werde ich der Jahresseuche anheimfallen, noch wird Sachmet Gewalt über mich haben!“ Und ähnlich in Zeile 3,5–6: nḥm=tn wj ḫw=tn ṯz-pẖr m-ꜥ ꜥwꜣ.yw n.w ḥr.j.w-rnp.t ḥr-n.tt jr rḫ rn=sn n ḫr.n=f n jm.j.w-ḫt Sḫm.t n šmm.t n.t ꜥ rnp.t „Ihr sollt mich retten, ihr sollt mich schützen – und umgekehrt – vor den Räubern der Epagomenen; denn wer ihre Namen kennt, der kann dem Gefolge der Sachmet nicht anheimfallen oder der Hitze des Einflusses des Jahres.“
Aufgrund dieser ähnlichen Passage liegt es nahe, in der Lücke vor rnp.t noch ḥr.j.w oder sogar hrw.w ḥr.j.w zu ergänzen. Hinter rḫ.y[w] wiederum könnte man analog zu dem Leidener Text rn(.w)=sn ergänzen.
Nur wie ging die Lücke dann weiter, sofern überhaupt noch Platz für eine weitere Ergänzung wäre? Die Wortreste hinter der Lücke ergänzt Meyrat, a.a.O. zu jꜥn.w. Dass das fragliche Wort auf nw bzw. n.w endete, ist sicher; zur Form des nw-Topfes vgl. dwn.w in Zeile 3CD, 2 (Meyrat, a.a.O., 386). Die Zeichenreste an der Abbruchkante ergänzt Meyrat zu Arm und n; stattdessen wäre bspw. auch wn über n denkbar, s. ebenfalls die Schreibung von dwn.w. Die Zahl der Wörter, die mit diesen Zeichenkombinationen geschrieben werden können und zudem mit dem sitzenden Mann mit Hand am Mund klassifiziert sind, ist tatsächlich beschränkt. Neben dem von Meyrat ergänzten jꜥn.w käme noch das seltene Verb ꜥwn: „jammern, klagen“ (Wb 1, 172.21–22) infrage, bei dem Dévaud, nebenbei bemerkt, eine mögliche Verbindung mit jꜥn.w vermutet hat (s. DZA 21.674.090). Außerdem sind noch die Wörter ꜥnꜥn: „sich beschweren“ (Wb 1, 191.12), wnwn: „drohen“ (Wb 1, 318.10) oder swnwn: „schmeicheln“ bzw. das davon abgeleitete Substantiv „Schmeichelei“ (Wb 4, 69.6–9) denkbar, die aber alle selten bis nur einmal belegt sind und sich ebenso wenig sinnvoll in den Kontext einbinden lassen.
Angesichts des Umstandes, dass der Schreiber hier nahezu das Ende der Zeile erreicht hat – zumindest im Vergleich mit den Zeilen darunter –, wäre ferner zu überlegen, ob das Hieratische nach dem sitzenden Mann mit Hand am Mund zu einem einzelnen Zeichen und damit zu einem weiteren Klassifikator gehört, statt es, wie Meyrat, als n und j zu lesen. Allerdings sieht das einzige Zeichen, das einem so geschriebenen vermeintlichen Klassifikator nahe kommt, nämlich das sitzende Kind (s. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 1. Bis zum Beginn der achtzehnten Dynastie, 2 (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. 30, Anm. 4), in pRamesseum XVII anders aus, vgl. die Form auf demselben Fragment in Kolumne x+4. Nichtsdestotrotz kann eigentlich kaum noch etwas hinter jꜥn.w(?) gestanden haben, denn wenn der Anfang der folgenden Zeile so zu rekonstruieren ist wie hier vorgeschlagen, müsste der Satz von Zeile 1 auch mit dieser enden.
2 Zur Ergänzung vgl. die im vorigen Satz erwähnte Beinahe-Parallele. An der Abbruchkante sind noch zwei Zeichenreste erhalten. Von denen könnte der obere zum „schlechten Vogel“, Gardiner Sign-list G37, passen, mit dem ḥqr oft geschrieben wird und den Meyrat auch zwei Zeilen weiter unten rekonstruiert hat. Der Zeichenrest darunter kann jedoch nicht der einfache sitzende Mann sein, den Meyrat ebenfalls zwei Zeilen weiter unten rekonstruiert. Aber es könnte sich gut um das Infix .n handeln, das auch bei den Verben in der Parallele pLeiden I 346 steht und das für den negativen Generalis auch zu erwarten wäre.
3 Die Ergänzung des Verbs folgt Meyrat und basiert auf pLeiden I 346, wo die Sequenz „nicht hungern“, „nicht dürsten“ und „nicht durch die Jahresseuche fallen“ erscheint. Der „Schlag des Königs“ in pKairo JdÉ 86637 ist dagegen mit dem Verb mwt: „sterben“ (bzw. negiert: „nicht sterben“) verbunden.
4 ꜣ.t [nsw]: Ergänzung aufgrund derselben Wortverbindung in Zeile 5. Der „Schlag (o.ä.) des Königs“ (zu ꜣ.t vgl. A.H. Gardiner, The First Two Pages of the Wörterbuch, in: Journal of Egyptian Archaeology 34, 1948, 12–18, hier 13–15) kommt noch ein weiteres Mal in Tb 135 neben der šmm.t n(.t) Bꜣs.tt, der „Fieberhitze der Bastet“ und als jꜣd.t nsw im Kairener Tagewählkalender, pKairo JdÉ 86637 vso 10,2 (C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), Bd. 1, 416–417, Bd. 2, Taf. 40) neben der jꜣd.t-rnp.t, der „Jahresseuche“, vor, die oft zur Zeit der Epagomenen und des Jahresanfangs auftritt und bei der es sich um die Beulenpest handeln könnte (s. Leitz, a.a.O., 206–208). Bei dem „Schlag des Königs“ scheint es sich also um ein vergleichbares Phänomen zu handeln, das wohl ebenfalls in dieser Zeit auftritt. Angesichts der Schreibung von nsw mit Götterklassifikator in Zeile 5 könnte es sich bei dem „König“ auch um die Bezeichnung einer Gottheit handeln. Details zu diesem Phänomen des „Schlags des Königs“ sind unbekannt.
5 n mwt.n=s〈n〉: Spekulativer Lesungsvorschlag, inspiriert von den Verben in der vergleichbaren Aufzählung des Kairener Tagewählkalenders pKairo JdÉ 86637. Sollte die Ergänzung des vorigen Satzendes korrekt sein, ist jedenfalls die noch zur Verfügung stehende Lücke für diesen Satzanfang nicht sehr lang. Der an der Abbruchkante noch erhaltene waagerechte Strich würde gut zu der Negationspartikel passen, das nachfolgende mwt wäre dann eher ein Verb als ein Substantiv. Der Zeichenrest, der Meyrats zweites t (für mwt.t: „die Untote“) bildet, könnte ebenso der letzte Rest des n sein, der für den negativen Generalis notwendig wäre.
6 ṯꜣw: Lesung unsicher; nur der Mast mit dem Segel ist erhalten. Dieses Zeichen könnte selbstverständlich sowohl Logogramm wie auch Klassifikator sein. Ob man an den im pEbers erwähnten „Hauch des Todes“ denken kann?
7 Ergänzung nicht möglich. Die vergleichbaren Passagen in pLeiden I 346 (s. im TLA, https://aaew.bbaw.de/tla/servlet/GetTextDetails?u=guest&f=0&l=0&tc=22853&db=0) und in pKairo JdÉ 86637 (C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), Bd. 2, Taf. 40) fahren nach „(...) nicht hungern (...) nicht dürsten.“ fort mit: nn sḫm Bꜣs.tt/Sḫm.t jm=f/=j: „Bastet (Var.: Sachmet) wird keine Macht über ihn/mich erlangen.“ Im pRamesseum XVII würden zwar die senkrechten Zeichenreste nach der Negationspartikel u.U. zu einigen späten Zwischenzeitformen des sḫm-Szepters passen, aber das Szepter im Namen der Göttin Sachmet in Zeile 3B, x+4 (P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 384) ist anders geschrieben. Außerdem ist die Lücke nicht lang genug, um neben dem Ende des Verbs auch noch einen Göttinnennamen, eine adverbiale Erweiterung und den Beginn des nächsten Satzes aufzunehmen.
Am Zeilenende sind wiederum Zeichen erhalten, die Meyrat als =s mri̯ wj: „m’aimer“ versteht. In dem Fall würde mri̯ ohne den dafür typischen Klassifikator des Mannes mit Hand am Mund geschrieben sein. Statt der Hacke ist daher vielleicht eher ein – wenn auch etwas rundlich geratenes – Messer zu lesen, das nicht Phonogramm oder Logogramm, sondern Klassifikator eines Wortes wie „töten“, „schlachten“ o.ä. ist; das noch erhaltene s davor dürfte der letzte Radikal dieses Wortes sein.
8 mwt: Vielleicht besser so zu lesen als Meyrats ḏi̯.t, das aufgrund seiner infinitivischen Form syntaktisch aus dem Kontext fallen würde. Mit dieser Neulesung läge im Zeilenwechsel von 4 zu 5 dieselbe Satzfolge vor wie über den Zeilenwechsel 2 zu 3: erst Fallen wegen des Schlages des Königs und dann Sterben.
9 Am Ende der Zeile ist die wꜥb.t erhalten, die P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 162 mit gebotener Zurückhaltung nur als „place pure“ übersetzt. Wenn die Ergänzung vor der Lücke zu mwt korrekt ist, könnte man konkreter an die Balsamierungshalle denken. Vor diesem Hintergrund sei erwähnt, dass der Kairener Tagewählkalender im vergleichbaren Abschnitt – wenn auch vor statt wie hier nach dem Sterben – den Satz nn ꜥq=f r ḥw.t-wr.yt: „Er wird nicht in das große Haus eintreten“ einfügt. C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 417, Anm. f hatte überlegt, ob ḥw.t-wr.yt „(...) im vorliegenden Kontext (...) eine ausführlichere Bezeichnung der wryt: ‚Balsamierungshalle‘ (...)“ sein könnte; diese Überlegung könnte den Tagewählkalender mit der vorliegenden Passage des pRamesseum XVII verbinden.
10 Auf Fragment A sind unter den fünf waagerecht geschriebenen Zeilen noch Reste von vier senkrecht geschriebenen Zeilen resp. Kolumnen erhalten, die mit großem Zeilenzwischenraum die untere Hälfte des Fragments einnehmen. Eine weitere senkrechte Zeile ist noch tlw. auf Fragment B erhalten; sie ist noch bis auf Höhe der waagerechten Zeile 2 erhalten und dürfte ursprünglich wohl am oberen Seitenrand begonnen haben.
Kolumne x ist bei P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 377 nicht separat vermerkt, aber das Foto zeigt noch rechts neben Meyrats Kolumne x+1 Reste eines längeren Abstriches, der kaum zu etwas anderem als einem hieratischen Zeichen einer Kolumne rechts davon gehört haben kann. Eine solche erste Kolumne ist auch zu erwarten, da vermutlich eine Kolumne pro Epagomenentag zu rekonstruieren ist.
11 P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 162 vermutet mnf[ꜣ.t]: „les trou[pes d’assaut“. Die Auswahl an möglichen Wörtern mit dem Beginn mnf ist in der Tat ziemlich beschränkt.
Kolumne x+4 spricht dafür, dass die einzelnen Kolumnen mit den Namen der Epagomenentage beginnen (s. den Kommentar dort). Der thutmosidenzeitliche pLeiden I 346, der ramessidenzeitliche Tagewählkalender pKairo JdÉ 86637 sowie der späte pLouvre 3129 kennen für den hier zu erwartenden 2. Epagomenentag verschiedene Namen („Der, der trennt ohne sein Steuerruder“, „Fahrt in der Sumpflandschaft des heliopolitanischen Sees“, „Sohn des Stieres, der seinen Vater nicht kennt“, „Er ist einer mit machtvollem Herzen“, „Der Nilbarsch, der in seinem Teich ist“ und „Der reine Stier in seinen Feldern“), vgl. M. Bommas, Die Mythisierung der Zeit. Die beiden Bücher über die altägyptischen Schalttage des magischen pLeiden I 346, Göttinger Orientforschungen IV.37 (Wiesbaden 1999), 19, 80, 116 und 142, C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 420–421, S. Schott, Urkunden mythologischen Inhalts [VI,1–144], Urkunden des Ägyptischen Altertums VI (Leipzig 1939), 140–141. Aber zu keinem von denen passt der Textanfang mit mnf[_].
Sowohl pLeiden I 346 (https://aaew.bbaw.de/tla/servlet/GetCtxt?u=guest&f=0&l=0&tc=22853&db=0&ws=170&mv=4) als pKairo JdÉ 86637 (C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 420–421) erwähnen ein šꜥ.t n rnp.t tn, ein „Gemetzel dieses Jahres“, und in einem solchen Zusammenhang ist natürlich der Einsatz von „Truppen“ denkbar, aber abgesehen von diesem vagen Bezug lässt sich kein Zusammenhang mit dem Eintrag von pRamesseum XVII herstellen.
12 Der dritte Epagomenentag ist der Geburtstag des Seth. Aus diesem Grund klassifiziert ihn pLeiden I 346, 2,11 auch als „Gefährlich!“ Dasselbe könnte auch hier gemeint sein. Andererseits zeigen die übrigen Fragmente und v.a. der Vergleich mit Fragment 1C, dass der Schreiber mit sn.wj nahezu am unteren Rand der Seite angekommen ist. Darunter kann also nicht mehr sehr viel verloren sein. Daher ist es ebenso denkbar, dass die Passage komplett ist und vielleicht nur den „Kampf der beiden Brüder“ nennt.
„Die beiden Brüder“ referiert in beiden Fällen natürlich auf das „Brüderpaar“ (eigentlich Neffe und Onkel) Horus und Seth. Dennoch findet sich erneut weder auf pLeiden I 346 noch in den Texten zur Tagewählerei eine vergleichbare Phrase, weder in der entsprechenden Passage im Allgemeinen noch im Namen des Tages im Besonderen. Als Namen des dritten Epagomenentages sind stattdessen bislang belegt: „Der Trauernde ist rein“, „Der Reine auf seinem Felde“, „Er ist einer mit machtvollem Herzen.“, „Sohn des Schu, der in seinem Nest ist“, „der Falke, der das Ruder sieht“ und „Falke von immerwährender Schönheit“ (s. M. Bommas, Die Mythisierung der Zeit. Die beiden Bücher über die altägyptischen Schalttage des magischen pLeiden I 346, Göttinger Orientforschungen IV.37 (Wiesbaden 1999), 142).
13 Der fünfte Epagomenentag ist der Geburtstag der Göttin Nephthys; pLeiden I 346, 3,1 klassifiziert ihn daher erneut als „Gefährlich!“. Möglicherweise hat hier dasselbe gestanden, das ꜥḥꜣ von Kol. x+2 würde den Platz zwischen dem oberen Seitenrand und dem noch erhaltenen nḫn genau ausfüllen.
14 „Jüngling, der in seinem Nest ist“ ist neben „Ich kam aus Pe, geboren in Dep“ bzw. „Der in Pe empfangen wurde, [der in Dep geboren wurde]“ ein Name des fünften Epagomenentages, wobei für den Jüngling bzw. das Kind statt nḫn auch ḥwn.w stehen kann. Zu den Namen s. erneut die Zusammenstellung bei M. Bommas, Die Mythisierung der Zeit. Die beiden Bücher über die altägyptischen Schalttage des magischen pLeiden I 346, Göttinger Orientforschungen IV.37 (Wiesbaden 1999), 142. Der späte pLouvre 3129 hat diesen Namen versehentlich auf den vierten Epagomenentag übertragen (s. auch C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 424, Anm. a).
Die übrigen Fragmente und v.a. der Vergleich mit Fragment 1C zeigen, dass der Schreiber mit p.t(j) nahezu am unteren Rand der Seite angekommen war.
15 [1C, x+1]: Sowohl im alten wie im neuen Rahmen ist Fragment C im Verhältnis zu Fragment A+B so angeordnet, dass die erste erhaltene Zeile von C auf Höhe der dritten Zeile von A+B liegt. Demzufolge kann man davon ausgehen, dass über dem Fragment C zwei Zeilen komplett zerstört sind. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 379 entschied sich trotzdem, diese Zeile nicht als [1C, 3], sondern als [1C, x+1] zu zählen. Im Interesse einer einfacheren Referenzierbarkeit wird ihm hier und im Folgenden gefolgt.
Von Zeile x+1 sind nur wenige rote Zeichenreste am unteren Zeilenrand erhalten. Der Zeichenrest am Anfang der Zeile könnte ein r oder ein in einer Ligatur stehendes n sein.
Da die Zeile im hinteren Teil des Fragments komplett zerstört ist, ist unbekannt, ob das Rubrum bis zum Ende der Zeile lief oder schon vorher endete.
16 sn=sn: Die Schreibung des Substantivs ohne Logogrammstrich ist auffällig; aber eine andere Lesung kommt nicht infrage. Könnte mit dem „Bruder; Genosse“ das alte Jahr gemeint sein? Das Suffixpronomen benötigt jedoch ein pluralisches Bezugswort. Sofern in den beiden verlorenen Zeilen keines gestanden hat, könnte man dieses alternativ auch in den einzelnen Epagomenentagen suchen, die in der vorherigen Kolumne genannt sind. Dann wären die „Brüder, Genossen“ eher die vergangenen Tage als das vergangene Jahr; das singularische sn müsste dann wie eine Art Kollektivsingular gebraucht worden sein, wie es für Köperteile von Personengruppen bekannt ist (dazu A.H. Gardiner, Egyptian Grammar. Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, 3rd, rev. edition (Oxford 1957 (Repr. 2001)), § 510.3).
17 st[__].w: Die beiden Fragmente B und C sind (schon von Ibscher?) so nahe nebeneinandergelegt worden, dass die Wortreste an der linken Abbruchkante von Fragment B und diejenigen an der rechten Abbruchkante von Fragment C zu einem einzigen Wort gehört haben müssen. Dessen Lesung ist jedoch unklar. Fischer-Elfert hatte gegenüber Meyrat ein Kompositum mit dem Verb tnj: „alt werden, alt sein“ als hinterem Bestandteil vorgeschlagen, das sich vielleicht auf das alte Jahr bezieht (P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 171 mit einem Verweis auf D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 2. 1978 (Paris 1981), 78.4586  in der Verbindung rnp.t tnj in Dendara). Alternativ erwägt Meyrat, a.a.O. ein bislang nicht belegtes Kausativum *stnj: „faire vieillir?“. In seiner Übersetzung auf S. 163 lässt er die Stelle jedoch offen. Tatsächlich spricht die w-Schleife hinter dem auf den Stock gestützten Mann für eine verbale Deutung des damit klassifizierten Wortes. Ein Kausativum *stnj, vielleicht als Partizip, das prädikativ in einem Adjektivalsatz gebraucht wird, ist daher nicht auszuschließen. Da tnj ein Zustandsverb ist, dürfte ein davon abgeleitetes Kausativum nach W. Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift (Tübingen 2012), 184 eher eine faktitive Bedeutung als eine kausative haben, nämlich „einen Zustand des Alt-Seins herstellen“. Aktivisch entspräche das etwa einem „etw. altern lassen“, passivisch vielleicht einem „etw. alt wirken/aussehen lassen“, auch wenn Schenkel, a.a.O., zur Umschreibung der faktitiven Bedeutung eher Hilfsübersetzungen mit „etw. ... machen“ nutzt.
18 Wer der „Regsame vor den Räubern“ ist, ist unklar. In den „Räubern“ vermutet P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 171 eine Umschreibung für die Krokodile. Bezüglich des nwd.y verweist er auf die ebenso genannten bösartigen Schlangen im neureichszeitlichen Pfortenbuch, C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 556a. Daneben gibt es nwd.y aber auch in einem Sargtext- und einem Totenbuchspruch zur Bezeichnung derjenigen, mit denen sich der Verstorbene bewegt, also vielleicht als Bezeichnung der anderen Verstorbenen. Weder die eine noch die andere Möglichkeit lässt aktuell einen kalendarischen Bezug erkennen.
19 Zeile x+7 ist die letzte der Kolumne: Darunter ist ein unbeschriebener Freiraum, wohl der untere Kolumnenrand, erhalten. Diesen Schluss legen auch die Fragmente nahe, auf denen sowohl der obere wie auch der untere Rand erhalten ist. Der vereinzelte schwarze Fleck unterhalb von Zeile x+7 ist daher genau das: ein einzelner schwarzer Tintenfleck.

Neuer Spruch?

[1D, 1]1 Ich [werde nicht] durch Nubier [sterb]en.2
[1D, 2] Ich [werde nicht] durch Fieberhitze3 [sterb]en.
[1D, 3] Das Schlimme (wörtl.: Rote) [kann] mich nicht [befallen (o.ä.)].
[1D, 4] [---] [1D, 5] herbeigeholter/verursachter Schadenzauber4 die bedrohliche Höhe5, [1D, 6] indem sie [---].
[1D, 7] Ich werde nicht sterben wegen des [---] der „Großen (Göttin)“.
[1D, 8] Ich bin derjenige, der mit (?) dem ihm (wörtl.: mir) Gebührenden (?) herausgekommen ist, denn ich kenne [1D, 9] den Namen dieser fünf (Epagomenen-)Tage.
(Pausezeichen)

1 Das räumliche Verhältnis der Fragmente C und D zueinander ist unklar. Aktuell sind sie im Rahmen 1 so zueinander positioniert, als würden sie direkt aufeinanderfolgende Kolumne enthalten. Falls das der Fall ist, würde entweder das Rubrum in der letzten Zeile von Fragment C die Einleitung dieses Spruches oder Spruchteils enthalten (bspw. in der Form „[Was] der (betroffene) Mann am Neujahrstag [sagen soll:]“), oder aber der Spruch von Fragment D begann ohne Einleitung.
Falls die Fragmente C und D dagegen nicht direkt aufeinanderfolgten, kann der Beginn des Spruches als verloren gelten.
2 Dass hier konkret Nubier als potenzielle Todesursache genannt werden, nimmt zum einen sicherlich Bezug auf das negative Image, dass den Nubiern in ägyptischen Quellen allgemein anhaftet. Zum anderen lässt es der Inhalt des Textes als möglich erscheinen, in ihnen konkreter dämonische Gefolgsleute der Sachmet zu sehen, da diese Göttin, die im Folgenden mehrfach erwähnt wird, zahlreiche Bezüge zu Nubien aufweist und v.a. in ptolemäischen Texten als „Ferne Göttin“ die Sommerzeit in Punt verbringt und um den Wechsel des (ägyptischen) bäuerlichen Jahres mit krankheitsbringenden Dämonen nach Ägypten zurückkehrt. Vgl. zu dieser Option A. de Buck, The Egyptian Coffin Texts II. Texts of Spells 76–163, Oriental Institute Publications 49 (Chicago 1938), 398a, wo der „Südwind“ – in diesem Spruch allerdings positiv u.a. als „Lebenshauch“ konnotiert – als nḥs(.y): „Nubier“ bezeichnet wird (zur CT-Stelle s. P. Jürgens, Grundlinien einer Überlieferungsgeschichte der altägyptischen Sargtexte. Stemmata und Archetypen der Spruchgruppen 30–32 + 33–37, 75(–83), 162 + 164, 225 + 226 und 343 + 345, Göttinger Orientforschungen IV.31 (Wiesbaden 1995), 96–98).
3 Die šmm.t-Hitze wird im pLeiden I 346 als „(schlechter) Einfluss des Jahres“ genannt, als etwas, vor dem der Betroffene ebenso sicher ist wie vor dem Gefolge der Sachmet, wenn er den Namen der Epagomenentage nennt. In Tb 135 wird die „šmm.t-Hitze der Bastet“ neben dem „Schlag des Königs“ genannt, der in pRamesseum XVII in Fragment A erwähnt wird. Es handelt sich in diesem Fall bei šmm.t also wohl um eine Fieberhitze, die am Jahresende auftreten kann (vgl. schon P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 171).
4 [ḥk]ꜣ.yw: Von den teilweise zerstörten Zeichen zwischen diesem Wort und jni̯ dürfte das obere der Ersatzstrich für den fallenden Feind sein. Darunter können dann eigentlich nur die Pluralstriche gestanden haben. Ein mit diesem Ersatzstrich geschriebenes ḥkꜣ.w ist etwa aus pChester Beatty VIII und pDeM 44 – beide aus dem Neuen Reich – bekannt und hat einen „sense néfaste“, ist eine „magie mortelle“ oder „magie hostile“, vor der der Betroffene errettet werden kann, wenn er ihren Namen kennt (rḫ rn=f), und der vor ihm bewahrt (ḫsf m-ꜥ) werden kann. Generell besteht jedoch die Gefahr, dass dieser Schadenzauber in jemanden „eintritt“ (ꜥq) und „gegen“ jemanden „vorgeht“ (jyi̯ r), s. Y. Koenig, Le contre-envoûtement de Ta-i.di-Imen. Pap. Deir el-Médineh 44, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 99, 2000, 259–281, hier 261 (Zeile 7 und 12: „magie mortelle“) und 264–265, Kommentar m; übersetzt als „magie hostile“ in Y. Koenig, Le papyrus de Moutemheb, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 104, 2004, 291–326, hier 292, Kommentar c.
5 ṯpḥ.t ḏw.t: Mit der „schlechten“, d.h. wohl „bedrohlichen“, Höhle ist vielleicht ein Schlangenloch gemeint, s. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 171.

Neuer Spruch oder Spruchteil

[2A] [---]1
[2A, x+1] [---]
[2A, x+2] [---] [2A, x+3] [---] [2A, x+4] [---]2

1 Die Zeilenreste sind bei P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 380 zu erkennen, lassen aber keine Rekonstruktion zu.
2 Das Fragment ist in der oberen Hälfte extrem zerbröselt, so dass bei vielen Minifragmentchen und den darauf erhaltenen Farbresten die genaue Position innerhalb der jeweiligen Zeile unsicher ist.
Das Rubrum wird den vorigen Spruch beenden und/oder den nachfolgenden Spruch einleiten.

Neuer Spruch oder Spruchteil

[2A, x+5] [---] diese (?) [---]
[---] [2A, x+6] du bist kunstfertig (?) für (?) das Gesicht (???) [---]
[2A, x+7] Das [---] ist wie [---].
[---] [2A, x+8] ich rezitiere/verlese (?) die Bittschrift (?) entsprechend (?) [---] [2A, x+9] Reichtum/Zuwachs(?); (Gott) [---] ... [---]
[2B, x+1] [---] als Falke [---]
[2B, x+2] [---] im Tierfell gegen Nacktheit1 [---]
[2B, x+3] [---] [sich niederlassen (?)]2 im Land.
Die ‚Ermatteten‘ [2B, x+4] [---].
[2B, x+5] [---] ich [___]te meine vortrefflichen Knoten(amulette) [---]
[2B, x+6] [---] ich erneuerte meine vortrefflichen Knoten(amulette) [---]
[2B, x+7] [---] Seth die Eichel des Re.
Seine Zehe [2B, x+8] [---] im Osten.
[2C, x+1] [---]
[2C, x+2] [---] jedes [---] gegen mich [---]
[2C, x+3] [---] jede schlimme Sache, die gegen mich kommt [---]
[2C, x+4] [---] der (?) Beliebte.3
[2C, x+5] [---], der/die/das vor mir ist.
So [---] doch Horus [---]
[2C, x+6] [---] ... (?) vollkommen4 als (?) Horus [---]
[2C, x+7] [---] vor mich (?); hochheben [---] euch geben [---]
[2C, x+8] [---], die dich (fem.) / euch [---] machen wird, was (?) er diesbezüglich (?) befohlen hatte [---]
[2C, x+9] [Dieser Spruch (o.ä.) werde gesprochen über ...], aufgeschrieben auf einem leeren Papyrusblatt.
Werde an den Bug dieses Schiffes gelegt.
[2C, x+10] [---]; nicht ergreifen [---] mit ihr.
[2D, x+1] [---]
[2D, x+2] [---]5

1 ḥꜣ.w[t]: Lesung und Ergänzung mit P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 381. Es ist allerdings unsicher, ob in die schmale Lücke wirklich ein t passt – gegebenenfalls wäre daher auch ḥꜣ.w〈t〉 zu lesen.
2 ḫni̯: Ergänzungsvorschlag auf Basis der erhaltenen Klassifikatoren. Dieses Verb wird zwar häufiger mit r oder ḥr konstruiert, aber Phrasen mit m sind nicht unbekannt. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass m tꜣ gar nicht vom davor stehenden Verb, sondern von einer diesem übergeordneten syntaktischen Einheit abhängt, so dass diese Adverbiale eine Ergänzung des Verbs nicht ausschließt.
3 Mry.tj: Da das Wort davor zerstört ist, bleibt offen, ob der Göttername aus Mry.t_ allein besteht, oder ob es sich um einen zusammengesetzten Götternamen mit mry.t_ als letztem Element (bspw. Bnr-mr.wt o.a.) handelt. Erschwerend kommt ferner hinzu, dass der Klassifikator, der Falke auf Standarte, keine sichere Festlegung auf ein Geschlecht ermöglicht, da im vorliegenden Papyrus auch weibliche Gottheiten so klassifiziert werden können, vgl. die Wr.t oder [___]-wr.t in Zeile 2D,7. Meyrat transkribiert die beiden kleinen Zeichen vor dem Klassifikator als t über Ei und legt sich damit auf eine weibliche Entität fest, die er mit „l’Aimée (?)“ übersetzt. Es bliebe auch in dem Fall noch offen, ob ein sehr früher Beleg für Mr.t (C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 345c, dort Belege ab der Kuschitenzeit) oder, bei einer Lesung von t+t$ statt t+Ei, für Mry.tyt (C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 356a, dort zwei Belege des NR: einmal für Renenutet und einmal für Sachmet) vorliegt. Interpretiert man die beiden fraglichen kleinen Zeichen noch etwas anders, nämlich als t über Gardiner Sign-list Z4 (𓏭), könnte man den sehr häufigen Gottesnamen Mry.tj: „Der Geliebte“ ansetzen (C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 352c–354b), der seit der Zweiten Zwischenzeit sehr oft für Osiris, aber auch für andere Götter belegt ist – darunter einmal, in dem ramessidenzeitlichen magischen Papyrus Budapest 51.1960 rto, B11 (Spruch 3), wohl für Horus in einem „Amuletttext zum Schutz des Leibes als Jahresschutz“ (mḏꜣ.t mk.t-ḥꜥ.w | m zꜣ.w rnp.t) [Beleg 71 des LGG], was auch gut in den Kontext des pRamesseum XVII passen könnte.
4 ꜥpr: H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung die gebräuchlichsten Wörter und Gruppen der heiligen und der Volks-Sprache und Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung in französischer[,] deutscher und arabischer Sprache und Angabe ihrer Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. I (Leipzig 1867), 181–182 verweist auf ein ꜥpr genanntes Objekt, das er als „zusammengelegtes, nach unten herabhängendes Halsband oder Umhang“ beschreibt. Außerdem vergleicht er das Verb mit koptisch ⲫⲟⲣⲡⲉⲣ („öffnen, lösen, ausbreiten“, s. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 152) und verweist auf Texte in Edfu, in denen Horus mit seinen Flügeln eine ꜥpr genannte Handlung durchführt. Aufgrund dieser drei Beobachtungen schlägt er für das Verb ꜥpr die Bedeutung „ausbreiten“ und – für die Verbindung mit der Präposition m – die „viel häufigere Bedeutung“ „anfüllen“ vor. Später, in H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. V (Leipzig 1880), 212, verweist er auf die Beischrift zum bekannten Transport der Kolossalstatue im Grab des Djehutihotep in el-Berscheh, wo u.a. steht: ḥꜥ.w ꜥpr mḥ m špss.w, was er übersetzt mit: „Schiffe ausgerüstet(?) und voll von herrlichen Sachen“. Damit interpretiert er ꜥpr als parallel zu mḥ stehend. Dieser spätere Übersetzungsvorschlag hat sich als Bedeutung für ꜥpr etabliert: Wb 1, 180 gibt als Grundbedeutung „ausstatten u.ä.“, R.O. Faulkner, A Concise Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 2002 (Repr. 1962)), 41 „provide, equip“, R. Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.). Die Sprache der Pharaonen (Marburger Edition), Kulturgeschichte der Antiken Welt 64, 4. Auflage (Mainz am Rhein 2006), 149 „ausstatten, versehen“, die Karnak-Datenbank „pourvoir, équiper“ (http://sith.huma-num.fr/vocable/394). Bislang hat nur K. Jansen-Winkeln, Exozentrische Komposita als Relativphrasen im älteren Ägyptisch. Zum Verständnis der Konstruktion nfr ḥr „mit schönem Gesicht“, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 121, 1994, 51–75, hier: 55 diese Bedeutung angezweifelt; er verweist in diesem Zusammenhang auf ähnliche Phrasen wie Brugsch (nur zeitlich frühere, nämlich KRI II, 319, 5–6), wo ein König als bjk nṯr.j šps.j ꜥpr dmꜣ.tj erscheint: „Eine Übersetzung als ‚erhabener Falke, der mit Flügeln ausgestattet ist‘ wäre doch banal bis zum Unsinn: Ein Falke hat eben Flügel.“ (Hervorhebung i.O.). Dasselbe Argument macht er für das Götterepitheton ꜥpr ḫpr.w geltend, das „wenig aussagekräftig“ wäre, „wenn es wirklich ‚mit Erscheinungsformen ausgestattet‘ bedeutet: Auch das wäre doch so selbstverständlich, daß es kaum der Rede wert wäre“. Daher schlägt er für ꜥpr (und das in ähnlichen Zusammenhängen gebrauchte ḥtm) eine Bedeutung wie „vollkommen“ vor; er verweist dafür zudem auf die gelegentliche Bezeichnung des Verstorbenen als ꜣḫ ꜥpr, in der bereits Wb die erweiterte Bedeutung „mit allem Nötigen versehen“ für ꜥpr angesetzt hatte. Tatsächlich gibt es auch andere Stellen, an denen eine Übersetzung als „vollkommen sein“ einen besseren Sinn ergibt als die bisherige Übersetzung „ausgestattet sein“. Andererseits funktioniert das nicht bei allen Belegstellen; als eine von mehreren sei etwa auf pEdwin Smith 1,24 verwiesen, wo über einen verletzten Mann gesagt wird, dass ꜥpr=f sḏ: „er sich einen Bruch zugezogen (o.ä.) habe“.
5 Je nachdem, in welches räumliche Verhältnis zueinander man die Fragmente 2C und 2D setzt, könnte das Rubrum noch zu dem am Ende von 2C gehören und damit einen Spruch beenden, oder es ist die Einleitung zu einem anderen Spruch – oder sogar beides: Ende des vorherigen und Einleitung des folgenden.