Papyrus Chester Beatty XVIII
Übersetzung und Kommentar
Vorderseite: Ausschnitte aus verschiedenen Berufecharakteristiken („Miscellanies“)
Fragment A
[Rto. x+1] [Ihre] Gerste [wurde entfernt (o.ä.)].1
[Der Schreiber] aber, [er ist es, der die Arbeit aller leitet (und) der für sich die Arbeit schriftlich berechnet.]2
Er hat [k]eine Steuer(verpflichtung).3
[---]4
Du [wirst] strahlend (weiß) gekleidet [hinausgehen], indem du be[fördert]/ge[achtet] (wörtl.: ver[größert]) bist.
[---].
Es gibt keine [---]5.
1 = pAnastasi V, 17,1–2, pSallier I, 6,8, pLansing, 7,5.
In pAnastasi V steht rwj nꜣy=sn jt: „ihre Gerste wurde entfernt”, in pSallier I: nwy{.t} nꜣy=sn jt: „ihre Gerste wurde entfernt“, und in pLansing: bn nꜣ jt: „Es gibt keine Gerste (mehr).“
2 Ergänzung nach pSallier I. Zu den Varianten in anderen Texten s. den dortigen Kommentar.
3 Ergänzung nach pSallier I und pAnastasi V.
4 Die Parallelen enden mit jḫ rḫ=k sw: „Du sollst das bitte zur Kenntnis nehmen.“ und fahren mit anderen Modellbriefen fort. Auch pChester Beatty XVIII zeigt in Zeile x+4 einen anderen Text, dessen einzig erhaltenes Satzfragment eine Parallele zu pChester Beatty IV zu sein scheint. Doch dort steht der Satz nicht am Anfang, sondern in der Mitte eines Miscellany-Textes (nämlich in Zeile Vso. 4,3–4 eines die Zeilen Vso. 3,11–4,6 umfassenden Textes), und der zerstörte Zeilenanfang von pChester Beatty XVIII kann unmöglich dessen ganzen Beginn enthalten haben. Daher hat pChester Beatty XVIII entweder eine verkürzte Variante von pChester Beatty IV geboten, oder aber die Bauerncharakteristik der vorigen Zeilen ist länger als in den Parallelen und hat in pChester Beatty XVIII auch Sätze wie den vorliegenden enthalten.
5 Für die letzten Zeichenreste der Zeile schlägt Gardiner 1935 II fragend die Ergänzung zu wḥꜥ vor.
Fragment B+C
[Rto. x+1] Siehe [---] Abrechnung [---]
[Rto. y+1]1 [Man sagt, du ha(be)]st den Gottes[worte]n2 deinen Rücken [zugewandt].
[---] du sollst hart geschlagen werden [---]
1 [y+1]: Nach Gardiner gehören die Fragmente B und C zur selben Kolumne. Allerdings deutet er in Gardiner 1935 II, Taf. 72 an, dass sie nicht direkt aneinander anschließen, sondern eine ungenannte Zahl von Zeilen dazwischen fehlt.
2 [mdw]-nṯr: Ergänzung mit Gardiner 1935 II, Taf. 72. Im derzeitigen Glasrahmen ist das kleine Fragment, auf dem sich der hintere Teil des Wortes und der Verspunkt befinden, direkt an das größere Fragment angeschlossen, so dass diese Ergänzung eigentlich nicht möglich wäre. Ob dies auf einer Beobachtung bei der Restaurierung des Papyrus beruht oder ein schlichter Fehler bei der Verglasung ist, ist unklar, mit Tendenz zu Letzterem, weil die Lesung bei der derzeitigen Montage wenig Sinn ergibt: Ein reines ḫꜣꜥ ḥꜣ=k r nṯr wäre zwar rein semantisch denkbar, passt aber nicht ganz zu den Zeichenresten. Auch das Verso spricht dafür, dass zwischen beiden Fragmenten ein wenig zerstört ist, s. den Kommentar bei Fragment B+C, Vso. x+3.
Unpubliziertes Fragment 1
[Rto. x+1] [---] eintreten [---] er [---] sie [---]
Unpubliziertes Fragment 2
[Rto. 1] [---]
Unpubliziertes Fragment 3
[Rto. x+1] [---] Amt (?) [---] reden (?) [---]
Unpubliziertes Fragment 4
[Rto. x+1] [---] ? [---]
Rückseite: Medizinische Rezepte
Fragment A
[Vso. x+1] [---] [Grütze] (?)1 vom sw.t-Emmer [---]
[Werde ___-verarbeitet in einem ___]-Gefäß2 (?).3
Werde vom Mann gegessen, indem es gekühlt ist (?)4 [---]
[---]
Ein anderes (Heilmittel):
Früchte/Samen5 der twn-Pflanze.
Werde zermahlen [---]
Werde in Bier zermahlen.
[---] werde eingerieben [---]
1 So auch der Vorschlag von Westendorf 1999, 71.
2 In Zusammenhang mit dem folgenden Satz liegt hier vielleicht eine Verarbeitungsanweisung vor, so dass der noch erhaltene Gefäßklassifikator zu einem Gefäß gehört, in dem die jetzt zerstörten Drogen verarbeitet wurden. Die Alternative wäre, dass der Gefäßklassifikator zu einer flüssigen Droge gehört und das Rezept ohne Verarbeitungsanweisung endete und direkt die Applikation folgte. Solche Verkürzungen sind auch in anderen medizinischen Rezepten belegt.
3 Die letzten drei Zeilen von Fragment A Vso. haben einen geringeren Zeilenabstand als den von Zeile x+1 zu x+2 und denjenigen auf den anderen Fragmenten. Außerdem wirkt der Duktus von Fragment A Vso. etwas anders als der der anderen Fragmente (sofern es sich nicht um ein Fehlurteil aufgrund des schlechteren Erhaltungszustandes der Papyrusoberfläche handelt). Ob es sich dabei um Texte verschiedener Schreiber oder desselben Schreibers verschiedener Tage (mit unterschiedlicher Tagesform) handelt?
4 sqbb: Die Position ist ungewöhnlich und die Interpretation als Stativ daher unsicher. Üblicherweise würde man erwarten, dass dieser Prozess vorher als Teil der Verarbeitungsanweisung genannt ist. Aber andere Erklärungen wären ebenso problematisch. Man könnte ein weiteres passives sḏm.w ansetzen: „werde gekühlt“. Aber wenn die Drogen schon gegessen sind, was sollte dann gekühlt werden? Eine zunächst denkbare weitere Alternative wäre, hierin die um die Einleitungsworte verkürzte Überschrift des nächsten Rezeptes zu erkennen: „Werde vom Mann gegessen. (Rezept zum) Kühlen ...“. Solche Verkürzungen sind in anderen medizinischen Texten belegt. Doch die Rezeptanfänge scheinen auch in diesem Papyrus, wie in anderen medizinischen Handschriften, rubriziert zu sein, was an dieser Stelle nicht der Fall ist.
5 prw(.t): Gardiner 1935 II liest, sicher beeinflusst durch die w-Schleife, rw. Es gibt aber keine Droge namens rw, man könnte allenfalls an den ꜥrw-Baum denken, bei dem man dann aber nicht nur ꜥ und r ergänzen müsste, sondern auch noch zusätzlich den Baumklassifikator; zu den Schreibungen s. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 105. Daher liegt eine Lesung als pr.t näher, so auch Westendorf 1999, 71 mit Anm. 103. Das t fehlt gelegentlich in ramessidischen Schreibungen, vgl. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 199. Eine Schreibung mit w-Schleife ist zwar bislang nicht belegt, dürfte aber kein gravierendes Gegenargument sein. Die Droge pr.t twn ist einige Male belegt, s. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 563.
Fragment B+C
[Vso. x+1] [---] zerquetscht [---] [über] 4 [Tage hinweg(?)]1.
Ein anderes [---].
[Vso. y+1] [---] [___]-Droge: 1/8 (Dja), [___]-Droge: 1/64 (Dja).2
Werde ausgepresst.3
[---] [___]-Droge: 1/8 (Dja), Gänsefett: 1/8 (Dja) [---]
[---] ihr (?) Giftsame (?) [---]
1 4: Es sind nur drei Striche erhalten. Da darauf k.t folgt, liegt es sehr nahe, hierin den Rest der Formel „werde über x Tage hinweg eingenommen/gegessen/getrunken/etc.“ zu vermuten, und bei dieser Formel ist die Zahl 4 die mit Abstand häufigste.
2 Die hintere, nur teilweise erhaltene Zahl wird sich kaum zu etwas anderem rekonstruieren lassen als zu dem Bruch 1/64. Der Drogenname davor ist nur noch in geringen Resten erhalten. Die beiden Schilfblätter sind relativ sicher, trotz der Zerstörungen im oberen Teil der Zeile. Ebenfalls sicher sind die Pluralstriche. Für das Zeichen darüber schlägt Gardiner 1935 II, Taf. 72 relativ plausibel das Mineralienkorn, Gardiner N 33, vor. Andere in einer Drogenliste zu erwartende Klassifikatoren, wie der allgemeine Pflanzen- oder spezifischere Baumklassifikator oder das Gefäß passen nicht zu dem Zeichenrest. Allenfalls in Frage käme sonst nur noch das Ei (Gardiner H 8), das bei zähflüssigen Produkten vorkommen kann, oder das „schlechte Paket“, Gardiner Aa 2. Vor den Schilfblättern ist noch ein kurzer supralinearer Abstrich zu erkennen, der vielleicht zu einer w-Schleife gehört haben könnte. Dieser Strich zeigt an, dass das kleinere Fragment rechts davon, anders als es die derzeitige Montage vermuten lässt, nicht direkt anschließen kann, sondern eine Lücke zwischen beiden Fragmenten gewesen sein muss – wenn auch nur eine kleine, sofern Gardiners Rekonstruktion des Recto-Textes korrekt ist (s. Fragment B+C, Rto. y+1). Auf diesem kleinen Fragment ist der Anfang der Drogenbezeichnung erhalten: ein senkrechter Strich, dessen hieroglyphische Entsprechung unklar ist, und ein kleiner Zeichenrest in der oberen Zeilenhälfte (der ebenfalls gegen die Möglichkeit eines direkten Joins beider Fragmente spricht, weil er keine Fortsetzung des hieratischen Schilfblattes vom Wortende sein kann).
3 Sic! Die Verarbeitungsanweisung ist rubriziert.
Unpubliziertes Fragment 1
[Vso. x+1] [---]
Unpubliziertes Fragment 2
[Vso. 1] [---] [___]-Droge: 1/64 (Oipe = 1 Dja) [---]
Unpubliziertes Fragment 3
[Vso. x+1] [---]
Unpubliziertes Fragment 4
[Vso. x+1]1 [---]
1 Über der Zeile ist relativ viel freier Raum. Die Zeichenreste der Vorderseite zeigen jedoch, dass es nicht die oberste Zeile des Papyrus sein kann. Ob der Punkt an der rechten oberen Ecke des Fragments nur eine Verfärbung oder vielleicht die winzige Spur eines Rubrums ist, lässt sich auf dem Foto nicht erkennen.