Veterinär-Papyrus

Metadaten

Schlagwörter
Alternative Namen
Papyrus Kahun LV.2 Papyrus London UC 32036 Veterinärmedizinischer Papyrus Kahun
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » Petrie Museum of Egyptian Archaeology
Erwerbsgeschichte

Aus den eigenen Grabungen von W.M.F. Petrie und deshalb seit 1890 in dem nach ihm benannten Museum in London untergebracht.

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » zwischen Fajjum und Beni Hassan » westliches Ufer » el-Lahun (Illahun)

Der Papyrus wurde im November 1889 durch W. M. F. Petrie in der Arbeitersiedlung von El-Lahun (auch: Illahun) bei der Pyramide von Sesostris II. gefunden (Griffith 1897–1898 I), gemeinsam mit weiteren Papyri, die als Papyruskonvolut LV bekannt sind. Petrie hat den Ortsnamen El-Lahun irgendwie falsch als Kahun verstanden, weshalb der Veterinär-Papyrus Kahun eigentlich Veterinär-Papyrus (El)-Lahun oder Illahun heißen müsste (von den Driesch 2001). Falls die wöchentlichen Grabungsbriefe von Petrie richtig gedeutet worden sind, stammt der Fund aus der 2. Novemberwoche (8.–14. Nov.) und aus einem Wohnhaus in der Häuserreihe N, beim oder nördlich vom Wohnhaus mit dem späteren Grab der Maket (Gallorini 1998, 48 und 51 mit Anm. 52 [sic für Anm. 56]; Collier – Quirke 2002, vi und viii). Quirke (1996, 390), mit Verweis auf die Untersuchung von Gallorini, beschreibt den Fundort als "an outer chamber in the same large townhouse as the later tomb of Maket". Dieses Grab aus der Mitte der 18. Dynastie befand sich im wiederverwendeten und in den Felsen gehauenen Keller eines großen Wohnhauses (Quirke 2005, 113–114). In einer späteren Publikation sind Collier & Quirke vorsichtiger, was den Fundort von Papyruskonvolut LV angeht: "There is no direct evidence for the precise area under excavation at that time, though clearance was evidently concentrated on the palatial houses occupying the northern part of the main town" (Collier – Quirke 2006, 4); vgl. Collier – Quirke 2002, ix). Die übrigen identifizierten Papyri des Konvoluts sind die Papyri LV.1 (= pUC 32157), ein literarischer Papyrus mit Hymnen auf Sesostris III. und der Erzählung von Hay; LV.3 (= pUC 32134A), ein mathematischer Papyrus; LV.4 (= pUC 32162) ein Papyrus mit Rechenproblemen aus dem Verwaltungsbereich und einem Text zur Geflügelverwaltung; LV.8 (= pUC 32194), ein buchhalterischer Papyrus mit kalendarischen Eintragungen von angelieferten Produkten und mit Getreidemengen aus dem 2. Regierungsjahr eines nicht genannten Königs. Es sei noch vermerkt, dass der Tiermedizinische Papyrus an einer anderen Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt gefunden wurde als der gynäkologische Papyrus Kahun und eine ganz andere Rollenhöhe hat, deshalb keinesfalls ein Teil von letzterem ist (contra Ghalioungui 1983, 49).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Mittleres Reich » 12. Dynastie

Die Datierung des Papyrus und damit der Textkopie (nicht der Textkomposition) basiert auf dem archäologischen Kontext seines Fundortes. Dieser wurde in der Arbeitersiedlung Sesostris' II. (von Beckerath 1997, 189: 1882–1872 v. Chr.; Hornung – Krauss – Warburton 2006, 492: 1845–1837 v. Chr.) in El-Lahun entdeckt. Der Papyrus aus demselben Konvolut mit den Hymnen auf Sesostris III. (von Beckerath 1997, 189: 1872–1852 v. Chr.; Hornung – Krauss – Warburton 2006, 492: 1837–1819 v. Chr.) kann nicht älter als dieser König sind. Die meisten datierbaren Verwaltungstexte aus Illahun stammen aus der späteren 12. (ab Sesostris III. und vor allem Amenemhet III.) und der 13. Dynastie. Die Verwendung der hieroglyphischen Schrift für unseren Papyrustext spricht vielleicht eher für ein etwas älteres Manuskript, also sicherlich aus der (frühen? oder mittleren?) 12. Dynastie. W. Westendorf datiert die Niederschrift des Papyrus ohne nähere Angaben in die Zeit um 1900 v. Chr. (Westendorf 1999, 76). C. Lord beschränkt sich auf "A Middle Kingdom text" und "Middle Kingdom (2055–1650 BC)" (Lord 2011, 99). Gordon und Schwabe geben "about 1850 BCE" (Gordon – Schwabe 2004, 162) bzw. "about 1875 BCE" (Gordon 2007, 133) als Datierungsangabe. Der Hinweis auf grammatische Konstruktionen, die nach der Pyramidenzeit bzw. nach dem Alten Reich nicht mehr verwendet wurden (von den Driesch – Peters 2003, 16 mit Anm. 57; Gordon 2007, 129) trifft für den tiermedizinischen Papyrus nicht zu. Allerdings meint Grapow (1935, 22), dass das Schema der Krankheitsfälle (noch) nicht so fest ist wie im Papyrus Edwin Smith (Ende 17. Dynastie) und er möchte darin "ein Anzeichen hohen Alters sehen", nichtsdestotrotz noch aus dem Mittleren Reich (vgl. Grapow 1935, 1 und 16).

Textsorte
medizinische Fallbeschreibung
Inhalt

Die Papyrusfragmente enthalten aktuell noch sieben (Griffith 1897–1898 I + II, Wreszinski 1926) oder acht (von Deines – Grapow – Westendorf 1958) Fallbeschreibungen von Krankheiten bei unterschiedlichen Tieren; ursprünglich war der Text viel länger. Laut den Überschriften betrifft ein Fall einen Vogel (Fragm. A), sicherlich einen Nutzvogel wie eine Ente oder Gans, ein weiterer Fall einen Fisch (Fragm. B) und zwei relativ gut erhaltene Fälle ein Rind (Kol. 34–56 und 57–69). Auch der erste weitestgehend erhaltene Fall wird wohl ein Rind betreffen (Kol. 17–33). In einem weiteren Fall (Fragm. D) wird ein Hund genannt, aber möglicherweise ist es eine Textpassage, in der mit einem Hund verglichen wird; dann wäre die Tierart unbekannt. Im letzten sicher nachweisbaren Fall (Fragm. H+C) ist die Identität des kranken Tiers unbekannt; sein Geruch wird mit dem einer Spitzmaus verglichen. Sofern die Fragmente einigermaßen zuverlässig angeordnet sind, könnte der Text mit kleinen Tieren angefangen (in unbekannter Reihenfolge: Fische, Vögel, kleine Säugetiere [?] – vgl. Hund, Spitzmaus) und mit Rindern aufgehört haben. Die Auffassung, dass es sich bei den Fallbeschreibungen um Augenkrankheiten oder um Krankheiten mit Augenleiden als prominentes Symptom handelt (z.B. Gordon – Schwabe 2004, 163; Gordon 2007, 133), ist veraltet: Die Hieroglyphen der beiden Pupillen stehen nicht für das Wort "Augen", sondern für das Verb "sehen" bzw. "visuell betrachten" (also: "Erfahrungswissen/Information der/zur visuellen Betrachtung eines XY-Tieres" und nicht "Information der/zu den Augen eines XY-Tieres"). Obwohl mehrere unterschiedliche Tiere behandelt werden, darf man nicht von "comparative medical practice" (contra Gordon – Schwabe 2004, 162) oder "comparative medicine" (Gordon 2007, 134) sprechen. Der Text gliedert sich in mehrere Abschnitte, die nicht in allen Fällen systematisch aufgeführt werden. In einer Art Überschrift werden das zu behandelnde Tier und die Krankheit genannt, darauf folgen die Untersuchung mit der Beschreibung der wesentlichen Symptome, eine Diagnose, eine Therapieanweisung und die Genesungsprognose, eventuell eine erneute Untersuchung und weitere Therapieanweisungen (Wreszinski 1926, 731; Walker 1964, 198). Der Text weist also eine logische Struktur auf, die wissenschaftliches Denken spiegelt, und ist viel mehr als eine bloße Sammlung von Rezepten (Boessneck 1988, 71). Formal wechselt der Text ständig zwischen erster und dritter Person: Teilweise spricht der Arzt selbst, teilweise wird sein Handeln beschrieben. Es ist möglich, dass der Text ursprünglich auf Beobachtungen und reale Fallbeispiele zurückgeht (Walker 1964, 198: "model case-histories"), später überarbeitet und in eine systematische Reihenfolge gebracht wurde. Laut Grapow (1955, 88, Anm. 1) liegt dieselbe Form und Sprache wie in den humanmedizinischen Papyri vor und hat ein solches humanmedizinisches Werk als Vorbild für den Autor des veterinärmedizinischen Papyrus gedient. Er hält es für unwahrscheinlich, dass umgekehrt die Sprache der Tierheilkunde die der Humanmedizin beeinflusst haben könnte: es ist "nicht wahrscheinlich, dass die Formen der Arztsprache in der Tierheilkunde ausgebildet und von ihr erst auf Menschliches übertragen sind" (Grapow 1935, 22).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der ursprüngliche Verwendungskontext ist unbekannt. Kosack vergleicht den Aufbau und den Wechsel in der Syntax des tiermedizinischen Papyrus mit einem spätmittelalterlichen Rezeptbuch zu Pferdekrankheiten, das von einem Hufschmied zu privaten Zwecken zusammengestellt wurde, und er schließt daraus, dass der Papyrus von Kahun "eine Rezeptsammlung für den Hausgebrauch, also ein 'Hausbuch', dessen Quellen aus dem Volke stammen", ist (Kosack 1969, 183). Für von den Driesch & Peters war der Text "nicht für die breite Masse derjenigen, die sich um die Aufzucht, Haltung, Versorgung und Krankheitsbehandlung der Tiere auf dem Land kümmerten", gedacht, aber ebensowenig für einen "tierärztlichen Berufsstand", deren Existenz nicht nachweisbar ist; sie vermuten, dass "der Text für einen Priesterarzt bestimmt" war, "vielleicht für denjenigen, der die Opfertiere zu begutachten hatte" (von den Driesch – Peters 2003, 18).

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Die Papyrusrolle hat eine Höhe von 14,7 cm. Ihre ursprüngliche Länge ist unbekannt. Das längste durchgehende Fragment misst 58,5 cm und so, wie die Fragmente jetzt angeordnet sind, hat der Papyrus eine Gesamtlänge von mindestens 81 cm (Griffith 1898, I, 12; Collier & Quirke, 55). Die Rolle ist an vielen Stellen beschädigt und liegt in mehreren Fragmenten vor. Griffith benennt die Fragmente von A bis L und ordnet sie provisorisch links vom großen Fragment ein, ist sich der Unsicherheit dieser Positionierung jedoch bewusst. Laut Griffith spricht eine Inspizierung der Textur der Fragmente A–L für die Zugehörigkeit zu mehreren Papyrusblättern, so dass die ursprüngliche Rolle ziemlich lang gewesen sein muss. Er nummeriert alle Zeilen und Kolumnen mit Textspuren auf den Fragmenten fortlaufend von 1 bis 69, ungeachtet der vorhandenen Lücken. Leider hat er Kolumnenreste mit nicht identifizierbaren Zeichenspuren und solche ohne Textspuren nicht nummeriert. Kosack (1969) kommt in seiner Rekonstruktion auf mindestens 96 Kolumnen, zählt aber die Zeilen nicht separat. Der links befindliche Anfang der Rolle ist zerstört. Der zusammenhängende Text beginnt erst ab Kolumne x+19, wobei eine Zeile ca. 1–1,2 cm breit ist (Westendorf 1999, 77). Eine Blattklebung (ca. 50,5 cm vom rechten Rand entfernt, d.h. in Höhe von Kol. 25) konnte identifiziert werden (Griffith 1898 I, 12). Der gesamte Text wird durch Zeilentrenner und eine Rahmung in schwarzer Tinte gegliedert (Westendorf 1999, 77). Das Verso ist unbeschriftet und weist keine (!) Reparaturklebung auf (contra Gordon 2007, 133: Verwechselung mit dem gynäkologischen Papyrus Kahun).

Schrift
Hieroglyphen » Kursivhieroglyphisch

Der Text ist in niedrigen Kolumnen von links nach rechts geschrieben, aber die Orientierung der kursiven Hieroglyphen ist nach rechts gerichtet (retrograd). Über den Kolumnen befindet sich eine Zeile mit Überschriften, ebenfalls von links nach rechts zu lesen und mit nach rechts orientierten Hieroglyphen. An den Stellen, an denen eine Überschrift anfängt, reicht die Kolumnentrennlinie bis an den oberen Rand der Zeile. Innerhalb der einzelnen Abschnitte werden Rubra zur Gliederung des Textes eingesetzt. Ein weiterer medizinischer Papyrus, der in kursiven Hieroglyphen geschrieben ist, ist Papyrus Ramesseum V. Ansonsten ist dieser Schreibstil mehr typisch für funeräre Texte.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Es gibt keinen Grund, Vorlagen aus dem Alten Reich bzw. nach der Pyramidenzeit nicht mehr verwendete grammatische Formen anzusetzen (contra Gordon – Schwabe 2004, 162; von den Driesch – Peters 2003, 16 mit Anm. 57). Das mitunter schwer zu übersetzende Sondervokabular erschwert die Übersetzungsarbeit und somit das Verständnis des gesamten Textes: "The specialist vocabulary, like that of much of the medical papyri, is extremely difficult to translate and so the exact nature of the illnesses described, and the following treatments, remain uncertain." (Lord 2011, 102). Laut W. Westendorf ist "Die Fachsprache (...) die der Human-Medizin, lediglich wird neben der dort konstant gebrauchten Anredeform "Du" hier vornehmlich das "Ich" angetroffen ("Wenn ich untersuche...")." (Westendorf 1999, 77).

Bearbeitungsgeschichte

Die von Petrie gefundenen Papyri wurden 1890 restauriert und 1893 photographiert. F. Ll. Griffith fertigte hieroglyphische Transkriptionen an, die im September 1893 von Adolf Erman mit den Photos überprüft wurden, darunter auch Taf. 7 mit dem veterinärmedizinischen Papyrus (Griffith 1897–1898 I, v–vi). Aus diesem Grund unterscheidet sich die Zeilenzählung der Phototafel von der der hieroglyphischen Abschrift bei Griffith. Im März 1897 publizierte F. Ll. Griffith seine hieroglyphische Abschrift mit englischer Übersetzung und Kommentierung, im Januar 1898 folgte die zweite Hälfte der Publikation, in der brieflich oder in Rezensionen mitgeteilte Korrekturen (vor allem Maspero) zur ersten Hälfte aufgelistet wurden. Eine inhaltliche Beschäftigung mit dem Veterinär-Papyrus auf der Grundlage der Übersetzung von Griffith erfolgte sowohl durch den Humanmediziner Felix von Oefele (1899) als auch durch die Tierärzte H. Neffgen (1904) und Adolf Jaeger (1922). Allen dreien gemeinsam ist der Mangel an ägyptologischem Fachwissen, wodurch sie "die für die einzelnen Ausdrücke notwendigerweise unbestimmten Übersetzungen der sehr zerstörten und mit unbekannten Wörtern durchsetzten Texte" (Wreszinski 1926, 727) zu ihren Gunsten interpretierten. Eine neue und erheblich verbesserte ägyptologische Bearbeitung legte W. Wreszinski im Jahr 1926 vor, mit einer deutschen Übersetzung und einem Textkommentar. Die Übersetzungen von Griffith, von Oefele, Jaeger und Wreszinski sind durch den Veterinärhistoriker Reinhard Froehner (1934) hintereinander zusammengestellt worden. Der Text wurde im Rahmen des "Grundrisses der Medizin der alten Ägypter" erneut philologisch bearbeitet und in Hieroglyphen, deutscher Übersetzung und Kommentar vorgelegt (von Deines – Grapow – Westendorf 1958 IV/1, 317–318 und IV/2, 237–240; Grapow 1958, 546–549). Eine darauf basierende französische Übersetzung stammt von Bardinet (Bardinet 1995, 480–481: nach von Deines – Grapow – Westendorf 1958), zwei neuere deutsche Übersetzungen stammen aus der Hand von Kosack (1969) und von Westendorf (1999, 450–453).
Robin E. Walker (1937–2017), der sich während seiner Ausbildungszeit zum Tierarzt und bis in die 70er Jahre auch mit Tiermedizin in der Antike beschäftigte, widmete sich dem Veterinär-Papyrus ausgiebiger und publizierte seine englische Übersetzung im Jahre 1964. Er kannte die Arbeit von Wreszinski, aber nicht die vom Grundriß, und wurde für philologische Fragen von dem Ägyptologen R. O. Faulkner beraten. M. Collier und S. Quirke veröffentlichten im Rahmen ihrer Publikation zu den UCL Lahun Papyri eine Hieroglyphentranskription sowie eine Übersetzung des Veterinär-Papyrus ins Englische (Collier – Quirke 2004), die jedoch leider nicht die von Wreszinski 1926 und Grundriß (von Deines – Grapow – Westendorf 1958; Grapow 1958,)hinzugewonnenen Lese- und Übersetzungsergebnisse berücksichtigt und deshalb nicht den aktuellen Wissensstand spiegelt. C. Lord unterzog den Papyrus im Jahre 2005, in Form einer Masterarbeit, einer Neubearbeitung, welche bislang unpubliziert ist. Drei von ihr publizierte Artikel zu Rinderzucht, Rinderkrankheiten und Tiermedizin im alten Ägypten (Lord 2010, 2011, 2016) benutzen allerdings die teilweise veraltete Übersetzung von Collier und Quirke als Ausgangspunkt. Sie versucht eine tiermedizinische Interpretation von Kol. 34–56 (Lord 2011, 2016).

Editionen

- Collier – Quirke 2004: M. A. Collier – S. G. C. Quirke, The UCL Lahun Papyri. Religious, literary, legal, mathematical, and medical, British Archaeological Reports – International Series 1209 (Oxford 2004), 54–57 und Farbphoto auf CD-ROM.

- von Deines – Grapow – Westendorf 1958: H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter IV.1+2. Übersetzung der medizinischen Texte, (Berlin 1958). IV/1, 317–318 und IV/2, 237–240.

- Grapow 1958: H. Grapow, Grundriss der Medizin der alten Ägypter V. Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert (Berlin 1958), 546–549.

- Griffith 1897–1898 I: F. L. Griffith, The Petrie Papyri. Hieratic Papyri from Kahun and Gurob (principally of the Middle Kingdom). I. Text (London 1897–1898), 12–14, 101 (Addenda) und 107 (Addenda Tafeln).

- Griffith 1897–1898 II: F. L. Griffith, The Petrie Papyri. Hieratic Papyri from Kahun and Gurob (principally of the Middle Kingdom). II. Plates (London 1897–1898), Taf. 7.

- Lord 2005: C. Lord, How Now Sick Cow? (Master’s Dissertation, University of Manchester) (Manchester 2005) (unpubliziert).

- Wreszinski 1926: W. Wreszinski, Zur altägyptischen Tierheilkunde, in: Orientalistische Literaturzeitung 29, 1926, 727–732.

Literatur zu den Metadaten

- Bardinet 1995: T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique. Traduction intégrale et commentaire (Paris 1995), 231–232, 480–481.

- Boessneck 1988: J. Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten (München 1988), 71–72.

- Collier – Quirke 2002: M. Collier – S. Quirke, The UCL Lahun Papyri: Letters, British Archaeological Reports – International Series 1083 (Oxford 2002).

- Collier – Quirke 2006: M. Collier – S. Quirke, The UCL Lahun Papyri: Accounts, British Archaeological Reports – International Series 1471 (Oxford 2006).

- von den Driesch 1989: A. von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde (München 1989), 16–17 und Abb. 76 (auf S. 84) [diese Abb. ist Griffith 1898 II, Taf. 7, Photo].

- von den Driesch 2001: A. von den Driesch, Is there a Veterinary Papyrus of Kahun?, in: Historia Medicine Veterinariae 26, 2001, 105–106.

- von den Driesch – Peters 2003: A. von den Driesch – J. Peters, Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage (München 2003), 16–18 und Abb. 1–27 [diese Abb. ist Griffith 1898 II, Taf. 7, hieroglyphische Umschrift].

- Froehner 1934: R. Froehner, Der Veterinärpapyrus von Kahun, in: Deutsche tierärztliche Wochenschrift, 42. Jahrgang, Nr. 44, 1934, 704–709.

- Gallorini 1998: C. Gallorini, A reconstruction of Petrie's excavation at the Middle Kingdom settlement of Kahun, in: Stephen Quirke (Hrsg.), Lahun Studies (Reigate 1998), 42–59.

- Ghalioungui 1983: P. Ghalioungui, La médecine des pharaons. Magie et science médicale dans l’Égypte ancienne (Les énigmes de l’univers) (Paris 1983) (übersetzt aus dem Englischen: P. Ghalioungui, Magic and medical science in ancient Egypt (London 1963); 2. Aufl. von 1973: P. Ghalioungui, The House of Life, per ankh: magic and medical science in ancient Egypt (Amsterdam 1973)).

- Gordon – Schwabe 2004: A. H. Gordon – C. W. Schwabe, The Quick and the Dead. Biomedical Theory in Ancient Egypt, Egyptological Memoirs 4 (Leiden/Boston 2004).

- Gordon 2007: A. H. Gordon, The Observation and Use of Animals in the Development of Scientific Thought in the Ancient World with Especial Reference to Egypt, in: L. Kalof (Hrsg.), A Cultural History of Animals in Antiquity, A Cultural History of Animals 1 (Oxford/New York 2007), 127–150.

- Grapow 1935: H. Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri (Mitteilungen der vorderasiatisch-aegyptischen Gesellschaft 40/1), Leipzig 1935, 18–22.

- Grapow 1955: H. Grapow, Von den medizinischen Texten, Grundriss der Medizin der alten Ägypter II, Berlin 1955, 88, Anm. 1.

- Jäger 1923: A. Jäger, Der Veterinärpapyrus von Kahun in seiner Bedeutung für die Tiermedizin (München 1923) (unpublizierte Dissertation).

- Kosack 1969: W. Kosack, Ein altaegyptisches Hausbuch der Tiermedizin, in: Armant 3, 1969, 172–186.

- Lord 2011: C. Lord, The Veterinary Papyrus of Kahun, in: J. A. Corbelli – D. Boatright – C. Malleson (Hrsg.), Current Research in Egyptology 2009. Proceedings of the Tenth Annual Symposium, University of Liverpool 2009 (Oxford 2011), 99–105.

- Neffgen 1904: H. Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun. Ein Beitrag zur Geschichte der Tierheilkunde der alten Aegypter (Berlin 1904).

- Oefele 1899: F. von Oefele, Tierarzneikunde vor viertausend Jahren, in: Prager Medizinische Wochenschrift 24, 1899, 323–324, 371–372, 384–385.

- Quirke 1996: S. G. Quirke, Archive, in: A. Loprieno (Hrsg.), Ancient Egyptian Literature, Probleme der Ägyptologie 10 (Leiden/New York/Köln 1996), 379–401.

- Quirke 2005: S. Quirke, Egyptian Sites. Lahun, London 2005.

- Walker 1964: R. E. Walker, The Veterinary Papyrus of Kahun, in: The Veterinary Record 76, 1964, 198–200.

- Westendorf 1999: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 76–78 und 449–453.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Zeilenzählung nach der hieroglyphischen Textkopie und der Übersetzung von Griffith, pKahun and Gurob, Taf. 7.rechts (Auf dem Photo bei Griffith, Taf. 7.links liegt eine andere, ältere Zeilenzählung vor!). Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54–57 fangen, anders als Griffith, ihre Zeilenzählung mit dem gut erhaltenen Teil an (Kol. 1 = Griffith, Kol. 17) und hängen die Fragmente am Ende an; aber da sie ihre Zeilenzählung weder in der Transkription noch in der hieroglyphischen Umschrift einfügen, ist sie nicht zitierbar. Kosack, in: Armant 3, 1969, 185–187 (Taf. 1–3) hat noch eine andere Zeilenzählung (96 Kolumnen), die jede einzelne erhaltene Kolumnenspur berücksichtigt und darüber hinaus hypothetisch/willkürlich weitere hinzufügt, aber die horizontalen Zeilen auslässt; sie ist deshalb ebenfalls unbrauchbar.

Krankheitsfall eines Vogels

[B/1] (Überschrift:) Erfahrungswissen zur (visuellen) Betrachtung (wörtl.: des Betrachtens)1 eines Vogels (oder: einer Gans)2 in/als/mit [... ... [A/1] versch]lossen (?)3.
[F/3] ...] versiegeln/verschließen [...4

1 šsꜣw mꜣꜣ: Das Verb mꜣꜣ ist in den erhaltenen Überschriften (Kol. B/1, A/2, 34 und 57) jedes Mal mit zwei Pupillen abgekürzt geschrieben, im Haupttext ist es phonetisch ausgeschrieben (Kol. 35 und 58). Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt zwar überall "treatment for the eyes (?)", aber er schreibt (Anm. zu Zl. 17), dass er nicht weiß, ob die beiden Pupillen für das Substantiv jr.tj: "die beiden Augen" oder für das Verb mꜣ: "sehen" stehen. Im zweiten Falle würde er mꜣ "sehen" als Partizip übersetzen "rule for one who sees a ...". Mit dem Substantiv jr.tj operieren Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 und 731 ("Diagnostik der Augen") sowie Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 198 ("Instructions concerning the eyes of a ...") und noch bei Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 findet sich die Transkription šsꜣw jrty und die Übersetzung "Eye examination of a ...". Zuerst Maspero, in: Journal des Savants 1897, 216 (Paraphrasierung) und dann vor allem die Berliner Schule gehen vom Verb mꜣꜣ: "sehen" aus. Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri, I, 1935, 19–20 und Anm. 1 auf S. 20 Anm. 1 begründet dies mit den Argumenten, dass (1) jr.tj mit zwei übereinander und nicht nebeneinander stehenden Pupillen geschrieben sein müsste (vgl. jr.tj in pEdwin Smith, pLondon med. und pBerlin med.: MedWb I, 68), sowie, dass (2) die ausreichend erhaltenen Fallüberschriften, in denen die beiden Pupillen geschrieben sind, von einem nft-Leiden (Kol. 34) bzw. einem wšꜥ-Leiden (Kol. 57) und nicht einem Augenleiden handeln. Anders als Griffith (Partizip) erkennt Grapow in mꜣꜣ einen Infinitiv in einer Genitiv-Konstruktion. Die übliche Formulierung in anderen Papyri ist šsꜣw + Genitiv der Krankheit oder des Kranken (MedWb II, 867), nur im Tiermedizinischen Papyrus folgt der Infinitiv. Das Verb mꜣꜣ im Infinitiv wird von Grundriß (u.a. MedWb I, 344), Kosack, Bardinet und Westendorf gelesen. Statt als Infinitiv kann mꜣꜣ eventuell auch als Substantiv "Anblick" > "(medizinische) Betrachtung/Untersuchung" aufgefasst werden (aber dann hätte man zwei direkte Genitive hintereinander). Auf der hieroglyphischen Stele CG 20249 aus dem Mittleren Reich sind zwei neben einander geschriebene Pupillen als mꜣ zu lesen: wn (oder wn.n(=j)) n=k jr.tj=k mꜣn=k jm=sn: "Geöffnet sind (oder: ich habe geöffnet) für dich deine beiden Augen, damit du mit ihnen sehen kannst".
2 ꜣpd: Das Wort ist logographisch geschrieben, weshalb die Transkription unsicher ist. MedWb II, 1022 verzichtet auf eine Transkription und gibt als Übersetzung nur die Kategorie "[Gans/Ente]" und kein konkretes Übersetzungswort an. Griffith und Wreszinski übersetzen mit "bird" bzw. "Vogel"; Grundriß IV/1, Kosack, Bardinet und Westendorf haben "Gans" bzw. "oie". Collier/Quirke, 57 fragen sich, ob die Hieroglyphe des Vogels nicht eher eine Krankheitsbezeichnung als eine Tierspezies ist, aber diese Interpretation ist in Kol. 34 und 57 unmöglich (šsꜣ mꜣꜣ jḥ/kꜣ ẖr ...).
3 ⸮[ḫt]m?: Die unsichere Gruppe steht am Ende einer Überschrift auf Fragment A, aber es ist unbekannt, ob sie wirklich ans Ende von Fragment B (= Zl. 1) gehört (Griffith stellt die Fragmente A und B hintereinander auf Photo- und Hieroglyphentafel, aber er invertiert die Benennung der Fragmente von der einen zur anderen Tafel). Deshalb ist unbekannt, ob "versiegeln, verschließen" in einem Zusammenhang mit der Krankheit des Vogels steht oder nicht. Von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 323 sowie in: ZÄS 37, 1899, 56 nimmt dies an und mutmaßt die Diagnose: "Legenoth der Gans" (engl. "egg binding"). Grundriß IV/2, 237 fragt sich, ob mit ḫtm "krampfartiges Zusammenschließen" gemeint sein könnte; die Belegstelle wurde nicht in MedWb II, 672–673 s.v. ḫtm aufgenommen. Man könnte mutmaßen, dass ⸮[ḫt]m? auf Fragment A und ḫtm auf Fragment F/3 zum gleichen Fall gehören.
4 Das Fragment steht auf dem Photo bei Griffith, Taf. 7.links. Es ist seit der Neuverglasung nach dem Zweiten Weltkrieg laut Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 zerstört. Man könnte mutmaßen, dass ⸮[ḫt]m? auf Fragment A und ḫtm auf Fragment F/3 zum gleichen Fall gehören.

Krankheitsfall eines Fisches

[A/2] (Überschrift:) Erfahrungswissen zur (visuellen) Betrachtung (wörtl.: des Betrachtens) eines Fisches1.
[E] [Lücke und unleserliche Zeichen]2
[G] [Lücke und nicht identifizierbare Zeichenspuren]
[I/4] [Lücke und unleserliche Zeichen]

1 rm: MedWb I, 527 trägt das logographisch geschriebene Wort unter dem Lemma rm: "Fisch" ein. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 vermuten, dass nicht "ein Fisch" untersucht wird, sondern eine Krankheit, weshalb sie die Lesung šp: "blind(ness)" erwägen. Allerdings liefern sie keine entsprechende Krankheitsbezeichnung für den Vogel (Kol. B/1) in der betreffenden Überschrift und die Fälle mit dem Rind in der Überschrift (Kol. 34 und 57) übersetzen sie mit der Tierbezeichnung: "Eye examination of a bull".
2 Griffith, Text, 12 möchte Fragment E unterhalb von Fragment A (= Überschrift Zl. 2) stellen, weil er die Hieroglyphe eines Fisches auf Fragment E erkennt. Die zwei horizontalen Hieroglyphen über dem Fisch (ein Strich und ein rechteckiges Zeichen) und das horizontale Zeichen unter dem Fisch sind nicht identifizierbar. Eine Fischbezeichnung [_]nš (so Kosack, in: Armant 3, 1969, 175) oder [_]nṯ oder [_]nr ist nicht bekannt. Sollte man [ḫ]nš: "stinken" ergänzen (vgl. die abweichende Schreibung von š mit senkrechtem Strichlein entlang des oberen horizontalen Striches in Kol. 42, 43, 44 und 63 aber nicht in Kol. 17)? Das Papyrusfragment steht auf dem Photo bei Griffith, aber es ist nicht in der hieroglyphischen Tafel von Griffith aufgenommen und fehlt ebenfalls auf aktuellen Photos.

Krankheitsfall eines unbekannten Tieres

[(Überschrift:) zerstört]1
[(Fallbeschreibung:) ... ... ...].
[H+C/5] Seine beiden Augen sind geöffnet.
[H+C/6] [... ... ...] in (?) seinem [...] (oder: wenn er [...]).
Sein (eines?) Bein [... ... ...] [H+C/7] in/an (?) seinem (anderen?) Bein;2
es gibt keine schmerzenden Stellen3 in/an [H+C/8] ihnen4.
Der Geruch seiner Ausdünstung5 ist wie (der Geruch) [H+C/9] einer Spitzmaus6.
(Behandlungsangaben:) [...] sehen7 [... [H+C/10] ... ...] ein [...]-Tier (ein vierbeiniges Tier auf hohen Beinen)8.

1 Es ist unbekannt, von welchem Tier ein Leiden beschrieben wird. Griffith denkt an ein vierfüßiges Tier, vielleicht wegen der Erwähnung von Spitzmaus (Kol. 9) und einem weiteren Vierfüßler/Säugetier in Kol. 10. Ohne Grund spricht von Oefele von einem Rind (von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 323 und in: ZÄS 37, 1899, 56). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 732 und Westendorf, Handbuch Medizin, 451, Anm. 820 vermuten, dass die zweimalige Erwähnung von einem Bein in Kol. 6–7 auf ein zweibeiniges Tier, genauer gesagt einen Nutzvogel, hinweist. Am Ende des Falles ist in Kol. 10 in einem zerstörten Zusammenhang noch gerade ein vierbeiniges Tier erkennbar (Kosack und Collier/Quirke lesen "Hund (?)" bzw. "dog (?)").
2 rd=f ... rd=f: Übersetzung "sein (eines) Bein ... sein (anderes) Bein" nach Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 und Westendorf, Handbuch Medizin, 450–451 (so schon vermutet von Griffith). Voraussetzung ist, dass Fragment C tatsächlich über Kol. 8 und 9 von Fragment H einzupassen ist, wie es Griffith, Taf. 7.rechts tut. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 732 und Westendorf, Handbuch Medizin, 451, Anm. 820 vermuten, dass die zweimalige Erwähnung des Beines auf ein zweibeiniges Tier hinweist, genauer gesagt einen Nutzvogel.
3 mn.t: Das Determinativ der gekreuzten Stöcke (Z4) ist sehr ungewöhnlich für das Substantiv "Leiden; schmerzende Stelle" und vielleicht durch das Lemma mn.t: "Art und Weise" beeinflusst. Das gleiche Determinativ ist in der Wortverbindung zni̯ mn.t (Neferti: pPetersburg 1116 B, Vso, 38 und Duplikat Schreibtafel Kairo CG 25224, 3; Stele des Tutanchamun, CG 34183, Zl. 8) einige Male in der 18. Dynastie belegt. Die Übersetzung "Leiden" bzw. "Schmerzen" findet sich zuerst bei Jaeger (1922; non vidi; siehe die Übersetzung von Jaeger bei Froehner, in: Deutsche tierärztliche Wochenschrift 42, 1934, 707) und Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 732 (beide Male mit Fragezeichen), später auch bei Grundriß, Kosack, Bardinet, Westendorf, Collier/Quirke. Die ältere Übersetzung von Griffith, 13: "there is no standing upon (?) them" setzt eine Ableitung der Wurzel mn: "bleiben; Bestand haben" voraus (vgl. mn rd: "standhaft, festen Schrittes").
4 jm=sn: Gemeint sind sicherlich die beiden Beine.
5 ḫnmw: MedWb II, 660 übersetzt ohne weitere Begründung "Ausdünstung" (so schon Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728). Gemeint ist der (angenehme oder unangenehme) Geruch, den jemand ausstrahlt; an dieser Stelle ist zweifellos ein krankheits- oder verletzungsbedingter Geruch gemeint. Laut Wb 3, 293.5 wird ḫnmw selten mit der Bezeichnung des unangenehmen Geruchs verwendet. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 übersetzen (frei) "its odour smells", aber dabei ist zu beachten, dass sṯj ein Substantiv und kein Verb ist. Laut Brehms Tierleben verbreiten die Spitzmausarten bei Gefahr "einen stärkeren oder schwächeren Moschus- oder Zibetgeruch", der zwar nicht verhindert, dass sie totgebissen werden, aber sie werden anschließend nicht aufgefressen (zitiert bei Brunner-Traut, Spitzmaus und Ichneumon, 128).
6 ꜥmꜥm: Wb 1, 186.10 beschränkt sich auf "ein vierfüßiges Tier". Griffith, pKahun and Gurob, 13, Anm. zu Zl. 9 beschreibt das Determinativ im Tiermedizinischen Papyrus von Kahun als "an animal with short legs, tail slanting outwards and downwards (...). It may be the ichneumon, or a rat." DrogWb 95 hat "Art Ratte oder Maus". Griffith, Demotic Magical Papyrus, 84 identifiziert ꜥmꜥm, das in dem Papyrus auch in "Cipher script" geschrieben ist (von Griffith mit den koptischen Buchstaben als ⲉⲙⲓⲙ wiedergegeben) als "shrew-mouse", weil das heilige Tier im pMag London & Leiden mit Letopolis verbunden wird, wo die Spitzmaus laut le Page Renouf, in: PSBA 8, 1886, 155–156 zu Horus (Me)chenti(en)irtj gehört. Der Identifikation als "Spitzmaus" wird gefolgt von Spiegelberg, Demotica I, 1925, 11, Anm. 2; Dévaud, in: Le Muséon 36, 1923, 95, Nr. 82; Crum, CD, 55b: "shrew mouse" (der Beleg ist die Cipher script von pMag London & Leiden); Erichsen, Glossar, 61. Sie wird bestätigt durch Bronzen von Spitzmäusen, die inschriftlich mit Horus von Letopolis verbunden werden (Brunner-Traut, Spitzmaus und Ichneumon, 134–136). Das Substantiv ꜥmꜥm ist sicherlich eine Reduplikation von ꜥm: "verschlucken" und somit verweist die Tierbezeichnung auf die Fressgier der Spitzmaus (Brunner-Traut, Spitzmaus und Ichneumon, 127 und 145–147: "Vielfresser"). Brunner-Traut, Spitzmaus und Ichneumon, 145–150 bringt alle Indizien für die Identifikation von ꜥmꜥm mit "Spitzmaus" (und gegen "Ichneumon") zusammen. Noch unklar ist, ob und wie altägyptisch und demotisch ꜥmꜥm mit kopt. ⲁⲗⲓⲗ (Crum, CD, 6a: "field mouse"; Westendorf, KHWB, 4: "Spitzmaus"; Vycichl, DELC, 8: "musaraigne") verwandt ist. Kopt. ⲁⲗⲓⲗ ist identifiziert durch die Entsprechungen griech. μυγαλῆ: "shrewmouse, field-mouse" (LSJ) und arab. ḫuld: "Maulwurf" (Crum, CD, 6a).
7 jw mꜣꜣ: Westendorf, Handbuch Medizin, 451 ergänzt "[Ich habe] gesehen [...]", aber er glaubt nicht an die Ergänzung "Ich habe (den Erfolg) gesehen" (jw mꜣ.n=j in pEbers Kol. 69.17 (= Eb 509) und pHearst Kol. 2.10 (= H25)), die noch von Grundriß IV/2, 238 gemutmaßt wurde. Die Oberseite des Kopfes des zweiten ist gerade noch erkennbar (nicht angegeben bei Griffith, Taf. 7.rechts, auch nicht im Grundriß V, 546 und bei Collier/Quirke), was gegen eine Ergänzung jw mꜣ[.n=j] spricht. MedWb I, 346, Anm. 1 fragt sich, ob jw mꜣꜣ=[f] als substantivierter Infinitiv ergänzt werden könnte: "[Sein] Aussehen ist [...]", aber dann würde dieser Satz die Beschreibung der Symptome fortsetzen und wäre kein Wechsel zur roten Tinte erforderlich.
8 Vierbeiniges Tier: Nur die Beine des Tieres sind erhalten, laut Griffith, pKahun and Gurob, 13 auch der nach unten hängende Schwanz, so dass eine Identifikation nicht möglich ist. Aber es ist ein Tier mit langen Beinen wie eine Ziege, ein Canide oder ein Rind, kein kurzbeiniges Tier wie die Spitzmaus (vgl. die kurzbeinige Spitzmaus ꜥmꜥmw in Kol. H+C/9). Die Position des hinteren Beines ist verschieden vom Hundedeterminativ in Fragm. D/15 und vom Stierdeterminativ in Kol. 39 (die Rinderhieroglyphen in Kol. 34 und 57 sind zu zerstört zum Vergleich). Kosack, in: Armant 3, 1969, 175 und Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 übersetzen trotzdem mit Fragezeichen "Hund (?)" bzw. "dog (?)".

Krankheitsfall mit Fresskrankheit(?)

(Neuer Fall:) [(Überschrift:) zerstört]
[H+C/11] [... ...] bevor/bis (?) er [...] die Fress-/Jucken-Krankheit (?)1 [... ... ...2

1 ⸮wšꜥ?: Erhalten sind der Elephantenzahn und das Wachtelküken. Diese Gruppe erscheint in Kol. 57 und 62 als Krankheitsbezeichnung bei einem Rind und zwar als abgekürzte Schreibung von wšꜥ. Dieser Transkriptionsvorschlag findet sich schon bei Griffith, pKahun and Gurob, 13 (wegen einer solchen Graphie in pEbers, die schon von Stern für das Ebers-Glossar erkannt worden war) und wird von den meisten Forschern übernommen (Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728; Grundriß IV/2, 238 und MedWb I, 223: KV 11; Kosack, in: Armant 3, 1969, 175; Bardinet, Papyrus médicaux, 480; Westendorf, Handbuch Medizin, 451). Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri, I, 1935, 19 und 20 verzichtet auf eine Transkription oder Übersetzung. Die Transkription und Übersetzung jbḥ: "tooth" von Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 ist abzulehnen, ebenso bḥw von Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199 und 200. Als Bedeutung gibt Stern (Papyros Ebers, II, 57) "Prurigo, mordacitas" an. Prurigo ist "das Jucken, der juckende Grind am Körper" (Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, II, 2052), heute "eine Gruppe von Hautkrankheiten mit juckenden, quaddelbildenden Papeln" (wikipedia.de (29.09.2017)); mordacitas ist ein lateinisches Wort mit der Bedeutung "Bissigkeit, die Eigenschaft zu stechen oder zu brennen". Diese Bedeutung geht sicherlich auf die Etymologie des Verbs wšꜥ zurück, laut Stern "mandere, manducare, arrodere", d.h. "kauen, nagen", daher "cruciare": "quälen, foltern". Wb 1, 370.6–13 gibt für das Verb die Bedeutungen "etw. kauen, etw. zerbeissen; etw. verzehren". Stern gibt spezifisch für pEbers 89.6 = Eb 742 (k.t n.t srwḫ jbḥ wšꜥ.w r rʾ ḥꜥ.w) die umschreibende Erklärung "de curando dente, qui summam cutem prurit", d.h. "(Bezeichnung) von dem zu behandelnden Zahn, der die oberste Haut / Hautoberfläche reizt (oder: jucken lässt)". Griffith, pKahun and Gurob, 14 denkt an "pricking, or possibly throbbing ache"; Wreszinski, Medizinischer Papyrus Berlin, 53: "ist ein Leiden, das einen 'kauenden' Schmerz hervorruft, also Jucken oder Stechen." Wb 1, 370.14: "das Beissen, das Jucken (als Krankheitserscheinung)"; es kommt teils allein vor, teils als Begleiterscheinung von šfw.t-Schwellungen und von der Krankheit wnm snf (Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730, Anm. 3). Jonckheere, Papyrus Médical, 17 hat: „le prurit“ (ohne Kommentar). Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne, 159: „démangeaisons“ (d.h. Hautjucken, Juckreiz). MedWb, 223–224: „Fressen“ als Krankheitserscheinung; eine äußere Erscheinung an verschiedenen Körperstellen, wohl in engem Zusammenhang mit šfw.t „Schwellung o.ä.“, weil oft damit zusammen genannt; evtl. ist es die Folgeerscheinung nach der Beseitigung der šfw.t-Schwellung, da die Aktion sgr.t wšꜥ.w „das Fressen zum Schweigen bringen“ immer als Folge von dr šfw.t „die Schwellung beseitigen“ genannt ist; übliche Behandlung durch einen Verband (wt). Bardinet, Papyrus médicaux, 481, 565: "les substances qui rongent" (ohne weitere Erklärung). Westendorf, Handbuch Medizin, 295–296: „Fressen, Nagen“ und „vielleicht eine Schwellung (…), die in ein fressendes Geschwür übergeht“.
2 Falls hier ein neuer Fall anfangen sollte (in der vorherigen Kolumne ist die untere Hälfte unbeschriftet geblieben und es gibt einen Wechsel von roter zu schwarzer Tinte), dann kann dieser keinesfalls mit jr mꜣꜣ=j + Tier XY + ẖr + Krankheitsbezeichnung anfangen, wie in Kol. 35 und 58.

Krankheitsfall eines Hundes(??)

[(Überschrift:) zerstört]1
[(Fallbeschreibung:) ... die Wurzeln (?)]2 [D/12] seiner Zähne sind umgeben (??) [mit (?) ... ...
...] [D/13] ...?...3 in Schwäche/Erschöpfung (?)4 [...
(Abschnittswechsel innerhalb des Falles:) [D/14] Er pflegt (?)5 zu ermüden / müde zu sein [... ... ...
(Abschnittswechsel innerhalb des Falles:) ...] [D/15] Hund6, weil/nicht (?) [...] ist [... ...7
[K/16] ...] gekocht. [...8
[L/16bis] [Behandlungsangaben (?)]9

1 Bei diesem auf Fragment D erhaltenen Fall ist die Identifikation des kranken Tieres sehr unsicher. Griffith, pKahun and Gurob, 13 verknüpft Zeile D/15 mit Zeile L/18: "dog having [the nest] of a worm (?)", aber die Wortgruppe n wn nach dem Wort "Hund" kann grammatisch nicht als "having" interpretiert werden.
2 wꜣb.w: Wird von Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 und von Grundriß IV/2, 238 ergänzt nach der Parallele in Kol. 37–38: wꜣb.w n.w jbḥ.pl=f dšr: "Die Wurzeln seiner Zähne sind gerötet." (ebenso Westendorf, Handbuch Medizin, 451). Es betrifft in Kol. 37–38 die Zähne eines Rindes.
3 gsn: Lesung nach MedWb II, 931, aber sehr unsicher (gs ist sicher, vgl. dasselbe Zeichen in Kol. 25 in r-gs, aber die Kombination mit n ist unerwartet). MedWb gibt keine Übersetzung. Westendorf, Handbuch Medizin, 451, Anm. 824 fragt sich, ob nur gs: "überquellen" zu lesen und das anschließende n ein (einzelnes) Wasserdeterminativ ist; er verweist auf qb in Kol. 62, das aber mit drei Wasserlinien determiniert ist. Außerdem bleibt dann das Determinativ des schlagenden (?) Arms unerklärt. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 transkribieren mn. Ob man gs: "salben" lesen könnte (kein Beleg mit dieser Schreibung in MedWb II, 923)?
4 gb⸮b?: Griffith liest gb mit einer anschließenden Zerstörung. Grundriß IV/2, 238 und MedWb II, 1026 fragen sich, ob das Verb gbi̯: "schwach sein" vorliegen könnte. Auch Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 hat mit "in Schwäche(?)" schon in dieselbe Richtung gedacht. Die Spuren hinter gb würden zu einer reduplizierten Form gbb passen. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 56–57 erkennen ebenfalls gbb mit Reduplizierung und übersetzen "in pain (?)". Ein Substantiv gbb: "Ermüdung (?)" oder "Schwäche (?)" oder "Schädigung (?)" (Determinativ: schlagender Mann A24) ist im Alten Reich belegt (Klemm/Eichler, in: MDAIK 1998, 263 und 265–266: "Ermüdung"). Kloth, Die (auto-)biographischen Inschriften des ägyptischen Alten Reiches, SAK Beihefte 8, 96 übersetzt gbb in diesem Text mit "Elend". Setzt man die transitive Bedeutung von gbi̯: "schwach sein, elend; schädigen" an, dann kommt auch "Schädigung" in Betracht.
5 [jw]: Westendorf, Handbuch Medizin, 451 mit Anm. 825 liest psi̯: "gekocht" vor jw=f wrd=f, weil er sich fragt, ob Fragment K/16 (erhalten ist nur [...] psi̯ jw am Kolumnenende) hierher gehört. Aber Fragment K vom Kolumnenende ist in schwarzer Tinte, während spätestens mit =f als erstes Zeichen der Kolumne ein Rubrum einsetzt, so dass die Kombination eines schwarzen jw mit einem roten =f unwahrscheinlich ist.
6 jw: "Hund". Der Kontext ist völlig unklar, aber der Hund wird nicht am Anfang eines (neuen) Krankheitsfalles genannt (keine nach oben fortgeführte Kolumnentrennlinie, die auf eine neue Überschrift hinweisen könnte). Deshalb ist unbekannt, ob hier eine Hundekrankheit oder z.B. ein Vergleich mit einem Hund vorliegt.
7 Griffith, pKahun and Gurob, 107 schließt nicht aus, dass Fragment L/18 das untere Ende von Kol. D/15 ist, aber das ist sehr unwahrscheinlich, falls L/18 zu der Überschrift Kol. 17 gehört (beides n + Schlange).
8 Fragment K ist ein isoliertes Fragment. Westendorf, Handbuch Medizin, 451 mit Anm. 825 liest psi̯: "gekocht" vor jw=f wrd=f, weil er sich fragt, ob Fragment K/16 (erhalten ist nur [...] psi̯ jw am Kolumnenende) das Ende von Kol. D/13 ist und unmittelbar vor D/14 gehört. Er wurde wohl von der Positionierung der Fragmente auf der hieroglyphischen Tafel von Griffith, Taf. 7.rechts beeinflusst. Aber Fragment K von einem Kolumnenende ist in schwarzer Tinte, während spätestens mit =f als erstes Zeichen der Kolumne D/14 ein Rubrum einsetzt, so dass die Kombination eines schwarzen jw mit einem roten =f sehr unwahrscheinlich ist. Für die Lesung psi̯ siehe Barns, Five Ramesseum Papyri, 17 und MedWb I, 296.
9 Links von Fragment L (= Kol. 18) ist noch eine Kolumne mit einem Rubrum vorhanden (keine eigene Kolumnennummer bei Griffith; hier L/16bis genannt), aber die erhaltenen Zeichenspuren sind nicht identifizierbar. Wenn man annimmt, dass das Zeichen des Wurmes in Fragment L (= Kol. 18) zum Fall mit der Überschrift von Kol. 17 gehört, dann wäre L/18 die erste Kolumne dieses Falles und wäre L/16bis das Ende der Handlungsanweisungen des vorangehenden Falles. Anders Griffith, pKahun and Gurob, 107, der nicht ausschließt, dass Fragment L/18 das untere Ende von Kol. D/15 ist.

Krankheitsfall eines Tieres (Rind?, Hund?) mit der Wurmnest-Krankheit

(Überschrift:)1 [Erfahrungswissen zur (visuellen) Betrachtung (wörtl.: des Betrachtens) eines (männlichen) Rindes (??)2 mit] (der Krankheit namens) Nest-eines-Wurmes (oder: Nest von wurmähnlich Geronnenem (?)3).
(Fallbeschreibung:) [L/18]4 [Wenn ich ein (männliches) Rind (??) mit einem Nest]-eines-Wurmes (oder: Nest von wurmähnlich Geronnenem (?)) [betrachte, dann ist ... ... ...
[er ist (?)] benommen [20] mit/in (?) [... ...] er ...?... das Herz5, ⟨in dem⟩ es ist (?).
Wenn er sich danach schnaubend (?)6 auf den Boden werfen will (oder: Wenn er danach widerstrebend (?) zu Boden gezwungen wird (?)7),
dann fällt er folglich/zwangsläufig dahin.

1 Die Identität des kranken Tieres in diesem Fall ist unbekannt. Griffith, pKahun and Gurob, 13 denkt an einen Hund, weil ein solches Tier in Fragment D/15 genannt wird und er dieses Fragment mit Fragment L/18 verknüpft, in dem vermutlich "[Nest] eines Wurmes" genannt wird, das ebenfalls in der Überschrift Kol. 17 steht. Löst man die Beziehung zwischen den Fragmenten D/15 und L/18 auf, dann gibt es keinen Grund mehr, in Kol. 17 an einen Hund zu denken. In Kol. 23–24 wird das nicht identifizierte Körperteil ḥmw des betreffenden Tieres genannt, in das der Tierarzt seine Hand steckt, weshalb von einem größeren Tier wie einem Rind auszugehen ist (so zuerst Grundriß IV/2, 239; gefolgt von Walker, Westendorf, Lord).
Tiermedizinische Diagnosen, die man in der Literatur findet, sind einerseits "Gehirnentzündung oder nervöse Staupe eines Hundes" (Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 14) und andererseits unterschiedliche Krankheiten beim Rind. Für das "Nest-eines-Wurmes" wurde zum Einen eine Hautkrankheit wie Dasselbeulen (Hypodermose) des Rindes (von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 323, 324, 371–372; Idem, in: ZÄS 37, 1899, 56–58) oder "Old World screw-worm" (P. Windsor bei Lord, in: C. Price u.a. (Hgg), Mummies, Magic and Medicine in Ancient Egypt (Fs Rosalie David), 2016, 150) bzw. "screwworm" (Lord, in: Cockitt & David [Hgg.], Pharmacy and Medicine, BAR 2141, 96) vorgeschlagen, andererseits Eingeweidewürmer wie "tapeworms or sizable roundworms in the animal's bowel" (Gordon & Schwabe, The Quick and the Dead, 2004, 163; "Eingeweidewürmer" werden in MedWb II, 799, Anm. 2 genannt aber abgelehnt). Für Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 200 wurden Würmer "blamed for many conditions where the cause was unseen" und weisen die übrigen Symptome verdächtig auf Rinderpest hin ("This is a difficult case to diagnose but the symptoms are ominously like those of rinderpest").
2 [kꜣ/jḥ]: Griffith, pKahun and Gurob, 13 hat "[Treatment for the eyes (?) of a dog with(?)] the nest of a worm" ergänzt, weil er vermutet, dass Fragment D/15 (mit dem Wort jw: "Hund") mit Kol. L/18 und der Überschrift in Kol. 17 zusammenpassen könnte. Deshalb hat Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 215: "une maladie des chiens" und spricht Hannig, HWB, 959 s.v. ksw-jmnw von einer Krankheit der Hunde. Auch Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri, I, 1935, 18–21 bezieht Kol. 23ff. auf einen kranken Hund. Der Hund wird auf Fragment D/15 erwähnt, aber nicht am Anfang einer Fallbeschreibung; der Kontext ist völlig unklar, so dass auch ein Vergleich mit einem Hund statt der Behandlung eines Hundes möglich ist. Für Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 732 ist das Tier unbekannt, aber er findet (728, Anm. 8) keinen Grund, um an einen Hund zu denken. Die Rekonstruktion von Griffith ist sehr fraglich, weil jw: "Hund" in D/15 in schwarzer Tinte geschrieben ist und kein Satzanfang sein kann, während in der Kolumne vor L/18 ein Rubrum steht (ein plötzlicher Übergang von rot zu schwarz innerhalb des Satzes ist unwahrscheinlich). Außerdem wird in Kol. 23–24 gesagt, dass der Tierarzt seine Hand in das Innere der ḥmw-Körperteile des Tieres hineinstreckt, was eher zu einem größeren Tier passt (so zuerst Grundriß IV/2, 239). Deshalb die Ergänzung "[Stier]" gemäß Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 200 und Westendorf, Handbuch Medizin, 451.
Sollte diese Ergänzung richtig sein, dann stellt sich noch die Frage der Lesung der Tierbezeichnung als kꜣ oder jḥ: MedWb I, 99–100 liest die später im Tiermedizinischen Papyrus verwendete (Kol. 34, 57 und 58) abgekürzte Schreibung jḥ: "(männliches) Rind" und verweist auf Sethe, Dramatische Texte zu altaegyptischen Mysterienspielen (UGÄA 10), Leipzig 1928, 137, Kommentar zu 32a. In Wb 5, 97–98 ist die Graphie Phallus + Rind unter kꜣ abgelegt, aber mit dem Hinweis, dass in alten Texten jḥ zu lesen sei; vgl. auch Lapp, Opferformel (SDAIK 21), 127–129, § 223–225 für die Lesung jḥ.
3 ⸮ꜥnꜥr.t/fnṯ/sꜣ/sp?: Das Wort ist logographisch mit der Schlange oder dem Wurm geschrieben. Grundriß IV/2, 238 schlägt die Lesungen fnṯ und ꜥnꜥr.t vor. MedWb II, 799, Anm. 2 (s.v. ) erwägt 4 Lesarten: ꜥnꜥr.t, fnṯ, sꜣ und sp, aber MedWb II, 1022 entscheidet sich nicht. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 haben ḏdf.t. Weitere Schlangen- oder Wurmbezeichnungen, die in den medizinischen Texten eine Rolle spielen, sind ḫfꜣ.t, pnd und ḥrr.t. Eine Entscheidung zugunsten einer Lesung ist nicht möglich, nicht mal, ob ein Maskulinum oder ein Femininum vorliegt (vgl. die Anmerkung zu Zl. 20, wo vielleicht ein Femininum steht). MedWb nimmt außerdem an, dass keine echten Würmer sondern wurmähnlich geronnenes Blut gemeint ist. In Kol. 29 steht nämlich snf qfn: "gebackenes Blut", das in pEdwin Smith Kol. 6.2 (Fall 12) als Erklärung für ꜥnꜥr.t n.t snf: "Wurm aus/von Blut" im Sinne von "Blutgerinnsel" dient.
4 Falls die Ergänzung der Überschrift (Kol. 17) richtig ist, ist eine Kolumne links vom großen Textfragment zu rekonstruieren; das könnte Fragm L/18 sein. Die Ergänzung der Übersetzung nach Westendorf, Handbuch Medizin, 451 geht davon aus, dass der Fall ähnlich anfing wie Kol. 35 und 58: jr mꜣꜣ=j kꜣ/jḥ ẖr .... Allerdings müsste die hieroglyphische Schreibung in Kol. L/18 dann sehr viel kürzer als in Kol. 35 und 58 sein, was kaum möglich sein dürfte.
5 jb: Westendorf, Handbuch Medizin, 451 fragt sich, ob "Herz" hier im Sinne von "Magen" verwendet wird (vgl. rʾ-jb), weil er vermutet, dass das nachfolgende st sich auf den Wurm bzw. das Gerinnsel bezieht.
6 jṯn: Das Wort ist im Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Zl. 21) mit dem Mann mit der Hand am Mund (Gardiner A2) determiniert und kommt in dieser Graphie nochmals in CT VII, 197d vor in der Kombination ḫrw jṯn n.j mw.t=j: "klagende (?) Stimme meiner Mutter" (Faulkner, Ancient Egyptian Coffin Texts, III, 98: "sound of the cry of my mother"; Barguet, Textes des sarcophages, 449: "cri plaintif de ma mère"; Carrier, Textes des sarcophages, III, 2105: "la voix récriminante (?) de ma mère") und univerbiert in jtn.w-sw: "über den man sich beklagt" (Hannig, Ägyptisches Wörterbuch, II, 451, {4356}: in CT VI, 297n und CT V, 249g). Wb 1, 151.3 liefert keine Übersetzung, sondern umschreibt mit: "Ausdruck beim Niederstrecken eines Rindes zur Erde". Auch MedWb I, 111 verzichtet auf eine Übersetzung und umschreibt "vom Verhalten eines kranken Rindes". MedWb denkt wegen der Determinierung des Mannes mit der Hand am Mund, dass sie "auf eine Tätigkeit des Mundes oder der Stimme" hinweisen könnte, und fragt an, "ob an 'schnauben' zu denken ist?" Grundriß IV/1, 317 übersetzt entsprechend "schnaubend (?)". MedWb verweist außerdem auf das mit der Nase determinierte Verb jtn in Wb 1, 145.16: "sich jemandem/etwas widersetzen" und auf das Substantiv jtnw Wb 1, 146.1: "Widerstrebendes, Schwieriges". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 denkt ebenfalls an das Verb jtn und hat "widerstrebend (?)". Westendorf, Handbuch Medizin, 451 bietet sowohl den Wb 1, 145/146-Ansatz als auch den Vorschlag von MedWb an: "Wenn er danach sich schnaubend/widerspenstig zu Boden wirft". Hannig, HWB, 128: "*schnauben; *widerspenstig" (mit * für unsichere Bedeutung). Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 haben "overcome", d.h. "überwältigt, bezwungen". Kosach, in: Armant 3, 1969, 176 hat "widerstrebend (taumelig)". Die Belege in den Sargtexten sind vielleicht nicht als "klagen", sondern als "sich empören" ⟩ "sich verbal widersetzen" zu verstehen. Abzulehnen sind die Übersetzungen "schnüffeln" (Griffith, pKahun and Gurob, 13) sowie "hurler" (Maspero 1897, 215) oder "winseln" (Übersetzung von "hurler" durch Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728, Anm. 8) oder "whining" (Griffith, pKahun and Gurob, 101), die zwar semantisch mit dem Mund zusammenhängen, aber von der Hypothese ausgehen, dass der Fall sich auf eine Hundekrankheit bezieht.
7 ptḫ: Das Verb wird sowohl transitiv "(jem./etwas) werfen, niederwerfen" als auch intransitiv/reflexiv "sich niederwerfen; ausgestreckt liegen" verwendet. In Wb 1, 565.16 ist die Textstelle des Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Zl. 21) als transitiv eingestuft worden (d.h. jṯn ist Objekt) und auf dem entsprechenden Belegzettel DZA 23.542.270 wird angefragt, ob ptḫ r tꜣ möglicherweise ein Ausdruck für "koten" sein könnte. Später wurde diese Textstelle intransitiv verstanden (MedWb I, 301: "sich niederwerfen"), weil für jṯn eine andere Interpretation angesetzt wurde. Die adverbielle Erweiterung r tꜣ gehört zu ptḫ und nicht zu jṯn (siehe Westendorf, Grammatik, 316, § 458).
Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt ptḫ zuerst "when it courses (?) scenting (?) the ground", d.h. "wenn er jagt, dabei den Boden beschnüffelt, ...", wobei er davon ausgeht, dass der Patient in diesem Fall ein Hund ist (vgl. Jaeger 1922: "umherlaufen"). Diese Übersetzung ist veraltet. Griffith, pKahun and Gurob, 101 revidiert seine Übersetzung von ptḫ von "(to) course" zu "(to) fall" (intrans.) und "(to) let fall" (trans.) und gibt für beides Beispiele mit r tꜣ als Erweiterung: "if afterwards he sinks whining (?) to the ground, ..." (sicherlich wegen der Übersetzung von Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 215: "Si, après s'être allongé en hurlant à terre, ..."). Dieser intransitiven Übersetzung "niedersinken, sich niederwerfen" wird von Wreszinski, Kosack, Grundriß und Westendorf, Handbuch Medizin, 451 gefolgt. Bardinet, Papyrus médicaux, 480 übersetzt ptḫ transitiv und passiv: "Quand il est poussé fermement (?), il doit tomber à terre" (in dieser Übersetzung ist die Position von "à terre" problematisch). Auch Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 übersetzen transitiv und passiv: "When it is cast, overcome, to the ground, then it should be felled." Diese letzte Übersetzung ist sehr fraglich, denn ḫr: "fallen; fällen" wird nur selten transitiv ("fällen") verwendet und man würde das Töten des Rindes kaum mit dem Verb ḫr wiedergeben.

(Diagnose:) Man sagt "geheimnisvolle8 Verbeugung9" dazu.
(Behandlungsangaben:) Man rezitiere für ihn.
Dann muss ich folglich/notwendigerweise meine Hand ausstrecken11 zum Innern seiner ḥmw-Körperteile12 (oder: Dann muss ich folglich/notwendigerweise meine Hand in seine ḥmw-Körperteile hineinstrecken (wörtl.: hineinschießen));
(wobei) ein(e) Hin-Schale/Topf [25] mit Wasser neben mir steht.
Die (andere?) Hand des Mannes
13 kommt und streicht14 dabei (wörtl.: beim Streichen) den Grat seines (d.h. des Tieres) hinteren/unteren Rückens.
Dann muss der Mann folglich/notwendigerweise jedes Mal seine Hand in die mit Wasser (gefüllte) Hin-Schale (ab)streichen.
(Es) klebt (?) (oder: Es gibt Klebriges (?))
15 an der Hand, so dass/bis du gebackenes (d.h. geronnenes)16 Blut daraus ziehst (oder) eine (andere) Sache (d.h. etwas Festes) [30] von dort oder Schleim (d.h. etwas Zähflüssiges)17.

8 jmn: Die Wurzel bedeutet "verstecken, verbergen; sich verbergen; ohne Erklärung lassen", das zugehörige Adjektiv/Partizip "verborgen, versteckt; geheim". Deshalb wird ks.w jmn.w übersetzt mit "Rätselhaftes Niederbeugen" (Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728) "seltsames Niederbeugen" (MedWb I, 51); "rätselhafter Niederfall" (MedWb II, 909; Hannig, HWB, 959); "unerklärliches Niederfallen" (Westendorf, Handbuch Medizin, 451). Walker, in: Toynbee, Animals in Roman Life and Art, 409, Anm. 20 schreibt über "Hidden bendings", dass es "refers to the contortions of the animal suffering from colic of unknown cause". Die Übersetzung "Verbeugungen, das Gebeugtsein" im Sinne von "Verrenkungen, Verdrehungen" ist jedoch nicht nachgewiesen.
9 ks.w: Ist eine substantivische Ableitung des Verbs ksi̯: "sich bücken, sich verneigen; gebeugt sein", daher ksj.w (Orthographie Altes Reich): "Verbeugung, Verneigung". Die Übersetzung "Niederbeugen" findet sich bei Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 und MedWb I, 51. MedWb II, 909 übersetzt kontextuell mit "Niederfall" wegen ḫr: "fallen" im vorherigen Satz; Hannig, HWB, 959 {35464} nimmt ein extra Lemma ksw-jmnw auf mit der Übersetzung "rätselhafter Niederfall". Westendorf, Handbuch Medizin, 451 übersetzt ksw jmn.w als "unerklärliches Niederfallen".
10 šdi̯: Das Verb bedeutet "(für sich) lesen; vorlesen, rezitieren" und mit Dativ-n auch "lesen für = besprechen, bezaubern" (Wb 4, 563–564). Derselbe Satz, erneut ohne direktes Objekt, steht in Kol. 39. Wb 4, 564.14 trägt die Stellen im Tiermedizinischen Papyrus Kahun unter "besprechen, bezaubern" ein. MedWb II, 875–876 übersetzt mit "lesen; rezitieren" und fragt sich, ob "das Rezitieren eines Zauberspruches (...) dessen Wortlaut nicht angegeben ist " gemeint ist (so auch Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri, I, 1935, 21, oder, ob es "um das Nachlesen der jeweils vorzunehmenden Behandlung" geht ("vorlesen/rezitieren" vs. "nachlesen"). Grundriß IV/1, 318 übersetzt zwar "Es werde für ihn ⟨ein Zauberspruch⟩ rezitiert", aber Grundriß IV/2, 239 zieht ebenfalls "was man für ihn liest", d.h. was man für den betreffenden Krankheitsfall nachlesen sollte, in Betracht. Im zweiten Fall könnte sowohl eine Relativform (šdi̯=t(w)) als auch ein Partizip Passiv (šdi̯.t) vorliegen (Partizip Passiv in der Übersetzung von Bardinet, Papyrus médicaux, 481). In dieser zweiten Hypothese ist das nachfolgende Rubrum der zu rezitierende bzw. nachzulesende Text (so Kosack, Bardinet, Collier/Quirke). Westendorf, Handbuch Medizin, 451 mit Anm. 830 entscheidet sich für die erste Hypothese: "Man rezitiere für ihn (einen Zauberspruch)". Die Übersetzung von Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 zu Kol. 39: "it should be read (as follows)" berücksichtigt n=f nicht. Semantisch falsch ist die Übersetzung "verkünden, mitteilen" durch Bardinet, 480–481: "Ce qui doit être annoncé (par le practicien, aux personnes présentes)".
11 sti̯: Wb 4, 328.4–5 legt die Belege von sti̯ in den medizinischen Texten mit der Bedeutung "werfen; legen" separat von sti̯: "schießen" ab. MedWb II, 816 nennt statt "werfen; legen" die Bedeutung "ausstrecken (von Körperteilen)". Hannig, HWB, 843 trägt unter sti̯: "schießen" auch die Bedeutung "ausstrecken (Körperteil)" ein. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 übersetzt sti̯ ḏr.t r-ẖnw mit "die Hand versenken in".
12 ḥmw: Ist im Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Zl. 24) der Körperteil eines Tieres, in das man seine Hand hineinstecken kann. Das Wort ist mit zwei Determinativen geschrieben, dem Steuerruder und dem Fleischstück. Unklar ist, ob das Steuerruder nur phonetisches Determinativ ist, oder ob der Körperteil metaphorisch "Steuerruder" o.ä. genannt wurde (vgl. "Schwalbenschwanz" als Körperteil und als Steinverbindung). MedWb II, 601: "Körperteil eines Tieres", wahrscheinlich ein innerer Körperteil eines Rindes, möglicherweise der After oder der Mastdarm (so schon Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 19 oder Erman bei Neffgen; später Grundriß IV/2, 239: "Darm o.ä. (?)"; Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 200: "rectum"; Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "rectum (?)"; vgl. Kosack, in: Armant 3, 1969, 276: "Schamteile"). Zusätzlich zu der möglichen Bedeutung "Därme/Eingeweide" erwägt Westendorf auch die Bedeutung "Halspartie/Kehle", weil weitere Begriffe für Steuerruder/Ruderstange ebenfalls (metaphorisch?) als Begriffe für Kehle belegt sind: wsr.t, ḫrw und nfr.t; durch Analogie gäbe es dann neben dem ḥmw-Ruder auch einen ḥmw-Hals (siehe Grundriß IX, 125; Westendorf, in: Fs Edel, ÄAT 1, 1979, 438; Westendorf, Handbuch Medizin, 452, Anm. 831; Westendorf, in: Festgabe für Dr. Walter Will, Köln 1966, 214 nennt für den ḥmw-Körperteil sogar nur die Bedeutung "Hals"). Grundriß IV/2, 239 und Westendorf denken in Bezug auf das in der Fallüberschrift des Tiermedizinischen Papyrus Kahun nicht erhaltene Tier an ein Rind, weil der Körperteil groß sein muss, wenn man seine Hand hineinstecken kann (anders noch Wb 3, 81.19: "Körperteil des Hundes"). Hannig, HWB, 568 beschränkt sich auf "ein Körperteil (*d. Rindes)". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 übersetzen ḥmw als "back", d.h. "Rücken". Abzulehnen ist ein Zusammenhang von ḥmw mit kopt. (S) ϩⲓⲱⲙⲉ: "Handfläche; Unterarm" (Crum, CD, 676a; Westendorf, KHWB, 358) (Vorschlag Maspero in: Journal des Savants, 1897, 215, Anm. 3 mit der Bedeutung "cubitus, brachium", d.h. Unterarm: "je passe ma main entre ses pattes de devant"; gefolgt von Griffith, pKahun and Gurob, 101: "forefeet"), weil ϩⲓⲱⲙⲉ auf äg. ḥn.t: "Hand-Breite" zurückgeht (Černý, CED, 282; Westendorf, KHWB, 358).
13 ḏr.t n.j zj: Nach Meinung von Grundriß IV/2, 239 und Westendorf, Handbuch Medizin, 452, Anm. 832 ist die zweite Hand des Tierarztes gemeint (ebenso Kosack, in: Armant 3, 1969, 178–179 durch Vergleich mit einer mittelalterlichen Rezeptsammlung für Pferde). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729, Anm. 6 denkt hingegen an die Hand eines Hirten oder eines Gehilfen des Tierarztes, was von Bardinet, Papyrus médicaux, 481 übernommen wird. Die Hand des Tierarztes, die im ḥmw-Körperteil war, wird im Wasser abgestrichen (Griffith, Wreszinski, Grundriß, Westendorf); die Hand des Gehilfen wird in das Gefäß eingetunkt (Bardinet: "tremper"; aber sẖr bedeutet nicht "eintunken").
14 sẖr: Griffith hat dieses Verb noch als "waschen" übersetzt; die richtige Bedeutung ist "streichen". Ist ein beruhigendes Streicheln gemeint (Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "caresser"; Westendorf, Handbuch Medizin, 452: "(beruhigend?) streichen"), oder wird der Rücken massiert (Collier/Quirke, 55: "massage")? Gordon & Schwabe, The Quick and the Dead, 163: "the healer strokes the length of the spine (clearly from the inside) and, on repeated tries with a washed hand, may encounter something sticky and withdraw blood, things in it or mucus."
15 qmjꜣ: Ist mit dem schlagenden (?) Arm determiniert (gleiches Determinativ bei sẖr in Kol. 26). Die Lesung qmjw (mit Wachtelküken am Ende) von Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54 ist abzulehnen. MedWb II, 886 vermutet, dass qmjꜣ ein Verb in unklarem Zusammenhang ist. Faulkner, CDME, 279 kennt ein Verb qmj, das er mit "gummed(?)" übersetzt, in der Verbindung qmj sp.t: "g. of lip = reticent" in Urk. IV, 63.14 (= Biographie des Ineni = Dziobek, Das Grab des Ineni Theben Nr. 81, AV 68, Mainz am Rhein 1992, 56–58). Der Vorschlag von Faulkner geht sicherlich auf einen von ihm vermuteten Zusammenhang mit qmy: "Gummiharz" zurück. Dieselbe Redewendung qmj sp.t ist allerdings auch in der Graphie qmꜣ sp.tj auf einer Kalksteingruppe des Jmn-m-jn.t in Kairo aus dem Ende der 18. Dynastie überliefert (DZA 30.366.320 = Kairo TR 8/6/24/10: Ockinga, Amenemone the Chief Goldsmith, ACER 22, 2004, 91, Text 43, Kol. 10 und Taf. 29) und in Wb 5, 37.9 unter qmꜣ als "eine gute Eigenschaft" eingetragen (vgl. DZA 30.366.310 "mit trefflichen(?) Lippen"). Ockinga übersetzt mit "creative of lips". Westendorf, Handbuch Medizin, 452 übersetzt qmjꜣ mit "kleben" und denkt sicherlich in dieselbe Richtung wie Faulkner. Hannig, HWB, 926 kennt ein Lemma qmj: "*gummiert; zugeklebt" {34279} sowie das Verb "kleben" {50371}, auch in der Verbindung qmj sp.tj: "*verschwiegen, schweigsam" {34280}. Vermutlich sind die Belege {34279} und {34280} Urk. IV, 63.14 bzw. die Statue des Amenemone, bei denen die Wortverbindung qmj/qmꜣ sp.t/sp.tj also mehrdeutig ist ("zugeklebt" oder "schöpferisch"). Der Beleg {50371} ist der Tiermedizinische Papyrus Kahun (Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II, Bd. 2, 2521), d.h. unsere Textstelle. Wb 5 kennt (noch) kein Verb qmj: "kleben". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 übersetzen mit "while feeling (?) by the hand". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 versteht qmjꜣ als Substantiv: "wenn Klebriges (?) an der Hand ist, ..." und denkt an eine Verschreibung für qmj.t: "Gummi, Harz" (ähnlich Kosack, in: Armant 3, 1969, 176). Griffith, pKahun and Gurob, 13 erkennt schon qmjꜣ im Zusammenhang mit dem Verb "to gum"; Maspero, in: Journal des Savants, 1899, 215 sucht hingegen einen Zusammenhang mit (S) ϭⲟⲙϭⲙ: "berühren, betasten" und übersetzt "lorsque tu palpes".
16 qfn: Westendorf, Grammatik, 120, § 165.2: ist ein Pseudopartizip. Das Verb beschreibt bei der Brotherstellung die "Umwandlung von flüssigem/breiigem Teig zu einer festeren, trockeneren Masse bestimmter Form" (Verhoeven, Grillen, Kochen, Backen, 159–160) mithilfe von Hitze. Die Übersetzung "backen" beschreibt diese semantische Konnotation nur teilweise, aber snf qfn als "hot blood" zu übersetzen (Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55), ist irreführend.
17 ḥzꜣy: Wird als "Pflanzenschleim" übersetzt (DrogWb 364–369), dürfte sich hier jedoch in übertragenem Sinne eher auf die Konsistenz des Herausgezogenen beziehen, nicht konkret auf pflanzlichen Schleim (vgl. (j)ḫ.t ... ḥzꜣ.y bei Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 "matter solid or semi-solid").

Du wirst erkennen, dass er gesund wird, weil/daran, dass der Schleim (d.h. Zähflüssiges) kommt.
Und du wirst/sollst auf deine Finger achten (oder: vorsichtig sein mit deinen Fingern), beim [...]18 auf seinem [...-Körperteil]19.
Er/es ist in [... ... ...].

18 ḏbꜥ.w=k ḥr [...]: Am Ende der Lücke ist das Determinativ des schlagenden Mannes erhalten. Die vorangehenden Spuren sind nicht zu identifizieren, aber ein Verb in der Konstruktion ḥr + Infinitiv erscheint wahrscheinlich. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 ergänzen [ḥwt?] (mit Fragezeichen), d.h. das Verb ḥwi̯: "schlagen" und übersetzen "be careful with your fingers not to hurt its [...]" ("schlagen" ~ "verletzen"?). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729, Anm. 7 und 732 spricht von der Gefahr der Infektion der Hände des Arztes, aber es geht mit Grundriß IV/2, 239 eher darum, mit den Fingern keinen Schaden beim Patienten anzurichten (ähnlich Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "de ne pas blesser").
19 ḥr [...]=f: Vom Wort nach der Präposition sind nicht identifizierbare Spuren erhalten. Am Wortende ergänzen Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54 Pluralstriche (der Rand eines Punktes oder eines horizontalen Strichs ist erhalten, aber nicht sicher als Pluralmarkierung identifizierbar). Die Spuren passen nicht für eine verkürzte Graphie von ẖnw ḥmw (Zl. 24) (vgl. Bardinet, Papyrus médicaux, 1995, 481: "mais prends garde de [ne pas blesser] avec tes doigts [l'intérieur de son rectum]").

Krankheitsfall eines Rindes mit Luft/Wind-Krankheit

(Überschrift:)1 Erfahrungswissen zur (visuellen) Betrachtung (wörtl.: des Betrachtens)2 eines (männlichen) Rindes3 mit der nf.t-Hauch/Luft/Wind-Krankheit4.

1 Tiermedizinische Erklärungsversuche für die beschriebenen Symptome sind u.a. (1) Meteorismus des Rindes (Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 323, 372 = von Oefele, in: ZÄS 37, 1899, 58–59); (2) bösartiges Katarrhalfieber des Rindes bzw. "the viral infection bovine malignant catarrh fever (MCF)" (Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 15–17; Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199, 200; R.H. Dunlop & D.J. Williams, Veterinary Medicine: an illustrated history, St. Louis 1996, 68 (non vidi); Lord, in: Cockitt & David (Hgg.), Pharmacy and medicine in Ancient Egypt, Oxford 2010, 96; P. Windsor bei Lord, in: Fs Rosalie David, 2016, 150–151) (3) "une variété de peste bovine" (Maspero, in: Journal des Savants 1897, 216); (4) Dämpfigkeit (z.B. bei Pferden: Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "dyspnée": Kurzatmigkeit); (5) Erkältung und Schnupfen (Kosack, in: Armant 3, 1969, 178); (6) eine ansteckende Krankheit mit Störungen des Allgemeinbefindens mit Fieber als Symptome (J. Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71).
2 šsꜣw mꜣꜣ: Das Verb mꜣꜣ ist in den erhaltenen Überschriften (Kol. B/1, A/2, 34 und 57) jedes Mal mit zwei Pupillen abgekürzt geschrieben, im Haupttext ist es phonetisch ausgeschrieben (Kol. 35 und 58). Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt zwar überall "treatment for the eyes (?)", aber er schreibt (Anm. zu Zl. 17), dass er nicht weiß, ob die beiden Pupillen für das Substantiv jr.tj: "die beiden Augen" oder für das Verb mꜣ: "sehen" stehen. Im zweiten Falle würde er mꜣ "sehen" als Partizip übersetzen "rule for one who sees a ...". Mit dem Substantiv jr.tj operieren Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 728 und 731 ("Diagnostik der Augen") sowie Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 198 ("Instructions concerning the eyes of a ...") und noch bei Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 findet sich die Transkription šsꜣw jrty und die Übersetzung "Eye examination of a ...". Zuerst Maspero, in: Journal des Savants 1897, 216 (Paraphrasierung) und dann vor allem die Berliner Schule gehen vom Verb mꜣꜣ: "sehen" aus. Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri, I, 1935, 19–20 und Anm. 1 auf S. 20 Anm. 1 begründet dies mit den Argumenten, dass (1) jr.tj mit zwei übereinander und nicht nebeneinander stehenden Pupillen geschrieben sein müsste (vgl. jr.tj in pEdwin Smith, pLondon med. und pBerlin med.: MedWb I, 68), sowie, dass (2) die ausreichend erhaltenen Fallüberschriften, in denen die beiden Pupillen geschrieben sind, von einem nft-Leiden (Kol. 34) bzw. einem wšꜥ-Leiden (Kol. 57) und nicht einem Augenleiden handeln. Anders als Griffith (Partizip) erkennt Grapow in mꜣꜣ einen Infinitiv in einer Genitiv-Konstruktion. Die übliche Formulierung in anderen Papyri ist šsꜣw + Genitiv der Krankheit oder des Kranken (MedWb II, 867), nur im Tiermedizinischen Papyrus folgt der Infinitiv. Das Verb mꜣꜣ im Infinitiv wird von Grundriß (u.a. MedWb I, 344), Kosack, Bardinet und Westendorf gelesen. Statt als Infinitiv kann mꜣꜣ eventuell auch als Substantiv "Anblick" > "(medizinische) Betrachtung/Untersuchung" aufgefasst werden (aber dann hätte man zwei direkte Genitive hintereinander). Auf der hieroglyphischen Stele CG 20249 aus dem Mittleren Reich sind zwei neben einander geschriebene Pupillen als mꜣ zu lesen: wn (oder wn.n(=j)) n=k jr.tj=k mꜣn=k jm=sn: "Geöffnet sind (oder: ich habe geöffnet) für dich deine beiden Augen, damit du mit ihnen sehen kannst".
3 kꜣ/jḥ: Griffith, pKahun and Gurob, 13 hat "[Treatment for the eyes (?) of a dog with(?)] the nest of a worm" ergänzt, weil er vermutet, dass Fragment D/15 (mit dem Wort jw: "Hund") mit Kol. L/18 und der Überschrift in Kol. 17 zusammenpassen könnte. Deshalb hat Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 215: "une maladie des chiens" und spricht Hannig, HWB, 959 s.v. ksw-jmnw von einer Krankheit der Hunde. Auch Grapow, Untersuchungen über die altägyptischen medizinischen Papyri, I, 1935, 18–21 bezieht Kol. 23ff. auf einen kranken Hund. Der Hund wird auf Fragment D/15 erwähnt, aber nicht am Anfang einer Fallbeschreibung; der Kontext ist völlig unklar, so dass auch ein Vergleich mit einem Hund statt der Behandlung eines Hundes möglich ist. Für Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 732 ist das Tier unbekannt, aber er findet (728, Anm. 8) keinen Grund, um an einen Hund zu denken. Die Rekonstruktion von Griffith ist sehr fraglich, weil jw: "Hund" in D/15 in schwarzer Tinte geschrieben ist und kein Satzanfang sein kann, während in der Kolumne vor L/18 ein Rubrum steht (ein plötzlicher Übergang von rot zu schwarz innerhalb des Satzes ist unwahrscheinlich). Außerdem wird in Kol. 23–24 gesagt, dass der Tierarzt seine Hand in das Innere der ḥmw-Körperteile des Tieres hineinstreckt, was eher zu einem größeren Tier passt (so zuerst Grundriß IV/2, 239). Deshalb die Ergänzung "[Stier]" gemäß Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 200 und Westendorf, Handbuch Medizin, 451.
Sollte diese Ergänzung richtig sein, dann stellt sich noch die Frage der Lesung der Tierbezeichnung als kꜣ oder jḥ: MedWb I, 99–100 liest die später im Tiermedizinischen Papyrus verwendete (Kol. 34, 57 und 58) abgekürzte Schreibung jḥ: "(männliches) Rind" und verweist auf Sethe, Dramatische Texte zu altaegyptischen Mysterienspielen (UGÄA 10), Leipzig 1928, 137, Kommentar zu 32a. In Wb 5, 97–98 ist die Graphie Phallus + Rind unter kꜣ abgelegt, aber mit dem Hinweis, dass in alten Texten jḥ zu lesen sei; vgl. auch Lapp, Opferformel (SDAIK 21), 127–129, § 223–225 für die Lesung jḥ.
4 nf.t: In der Überschrift des Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Kol. 34) steht das feminine Substantiv nf.t, in der anschließenden Untersuchung (Kol. 35–36) ist sicherlich das maskuline Substantiv [nf].w zu lesen/ergänzen (allerdings mit einem unterschiedlich gezeichneten Segel und mit Pluralendung determiniert). Anzunehmen ist, dass beide Wörter mit der Wurzel nfj: "ausatmen, hauchen; pusten; anfächeln" und den Substantiven nf.t/nfy.t: "Wedel, Fächer" sowie nf: "Atem; Wind" zusammenhängen; vgl. auch nfꜣ: "ausniesen, ausschnauben". Das Determinativ des Segels spricht ebenfalls für eine Krankheit in Zusammenhang mit Luft, Wind oder Atem. Die Krankheit nf.t ist in Wb 2, 250.14 als separates Lemma abgelegt: "eine Krankheit des Rindviehs". Wb 2, 250 kennt noch kein Femininum nfw.t/nfy.t: "Atem; Wind", das aber in den Sargtexten belegt ist (Van der Molen, Hieroglyphic Dictionary, 221–222; Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II/1, 1271 {15486}). Hannig, HWB, 431 und Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II/1, 1271 {15486} gibt die Krankheitsbezeichnung nf.t als Sonderbedeutung von nf.t/nfw.t: "(1) Atem, Hauch; (2) Wind; (3) e. Krankheit des Rindes (*Blähungen)". Sowohl nf als auch nfw.t sind in pEdwin Smith als krankheitserregender Hauch belegt (pEdwin Smith 18.13 bzw. 20.1). Es gibt mehrere medizinische Erklärungsversuche: (1) eine durch die Luft übertragene, d.h. ansteckende Erkrankung (Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71; Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55: "airborne (?) disease" mit Fragezeichen; gefolgt von Lord, in: Fs Rosalie David, 150 ohne Fragezeichen); (2) "Schnaufen (Schupfen?)" (Griffith, pKahun and Gurob, 13: "(a) cold?"; Kosack, in: Armant 3, 1969, 176 "Schnaufen (Schnupfen?)"; gefolgt durch von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 17: "Schnaufen"); (3) "Meteorismus" bzw. "Blähungen" (von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 372 und in: ZÄS 37, 1899, 58; Hannig, HWB, 431 {15488}: "eine Krankheit des Rindes (*Blähungen)"); (4) "Glotzauge" oder "Meteorismus" (Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 15); (5) Kurzatmigkeit oder Dämpfigkeit (z.B. bei Pferden) (Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199: "a respiratory symptom"; 200: "panting"; Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "dyspnée").

(Fallbeschreibung:) [35] Wenn ich ein [(männliches) Rind5 mit (der Krankheit / dem Krankheitssymptom)] [nf].w-Winden (?)6 betrachte,
dann ist er so, dass seine beiden Augen in triefendem Zustand (?)7,
seine beiden Schläfen8 belastet9
(und) die Wurzel seiner Zähne (d.h. das Zahnfleisch) gerötet sind,
während sein Nacken ständig am Stoßen ist,10
(Behandlungsangaben:) dann rezitiere man für ihn. (oder: Man rezitiere für ihn.)

5 kꜣ/jḥ: Die Spuren des Kopfes der Rinderhieroglyphe (Schnauze und vorderes Horn) sind noch gerade erkennbar auf dem Papyrus (Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54 beschränken sich auf "tr(aces)").
6 [nf].w: Das Wort ist sicherlich mit der nf.t-Krankheit verwandt, aber möglicherweise unterschiedlich konnotiert. Grundriß IV/2, 239 hat "nf.w-Krankheitserscheinung" versus Grundriß IV/1, 318 "nf.t-Krankheit". Kosack, in: Armant 3, 1969, 176 übersetzt "Schnupfenanfälle" versus "Schnaufen (Schnupfen ?)" für nf.t. MedWb I, 459 erkennt keinen Unterschied zwischen nf.t und nf.w und übersetzt beide mit "Hauch".
7 sṯp: Dasselbe Verb steht zweimal im Tiermedizinischen Papyrus Kahun, in Kol. 36 und erneut in Kol. 64, beide Male im Zusammenhang mit den Augen. Wb 1, 357.15 kennt nur diese beiden Belegstellen und übersetzt: "triefen o.ä. (von den Augen eines kranken Rindes)", zweifellos wegen des Determinativs "schlechtes Paket mit Ausfluss" (Signlist Aa3). In den Sargtexten findet sich ein Substantiv stp mit demselben Determinativ (van der Molen, Hieroglyphic Dictionary, 573: "fluid"; Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II/2, 2385 {31299}: "Speichel"; Osing, Nominalbildung, 821, Anm. 1093: "Sperma"). MedWb II, 822 gibt keine Übersetzung für das Verb, meint aber, dass das Determinativ auf "triefen" o.ä. schließen lässt. Grundriß IV/1, 318 hat entsprechend "Es sind seine beiden Augen triefend (?)". Hannig, HWB, 851 übernimmt diese Übersetzung "*triefen (Auge e. kranken Rindes)". Faulkner, CDME, 256 übersetzt mit "(to) discharge" und verweist ebenso nur auf diese Textstelle. Westendorf, Handbuch Medizin, 452 hat "indem seine beiden Augen tränen". Osing, Nominalbildung, 821–822, Anm. 1093 erkennt in sṯp eine Hyperkorrektur / pseudohistorische Schreibung der Wurzel stp: "Flüssigkeit absondern", die offenbar selbst eine Bedeutungsentwicklung der Wurzel stp: "(Fleischstücke) auslösen; auswählen" ist. Von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 17 übersetzt mit "seine Augen sind tiefliegend" trotz des Verweises auf Kosack (in: Armant 3, 1969, 176: "seine Augen sind triefend").
8 mꜣꜥ.wj=f wdn: Griffith, pKahun and Gurob, Taf. 7.rechts zeichnet das tränende Auge (mit Fragezeichen!), aber (S. 13) er erwägt schon zweimal den Reiherkopf H2 als Alternative und übersetzt entsprechend "his forehead ? uden (wrinkled ?)". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54–55 übernehmen ebenfalls das tränende Auge (allerdings mit rm.f (?) als Transkription und "tears (?)" als Übersetzung). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 und Grundriß V, 548 haben hingegen das Substantiv "Schläfen" bzw. zweimal das Zeichen H2 (Reiherkopf mit 2 Federn). Tatsächlich passen die Spuren gut zu mindestens einem Vogelkopf. Außerdem steht derselbe Satz in Kol. 64, diesmal sogar zusätzlich mit phonetischen Zeichen versehen, so dass die Lesung mꜣꜥ.wj: "die beiden Schläfen" sicher ist (für die Verwendung von H1 statt H2 für die hieroglyphische Umschrift aus dem Hieratischen – hier kursiven Hieroglyphen – siehe Gardiner, Egyptian Grammar, 473, Nr. H1). Deshalb sind Übersetzungen mit "Tränen" abzulehnen (z.B. Walker: "his tears are thick"; Collier/Quirke: "its tears (?) heavy"), ebenso die darauf aufbauenden Erklärungen wie "the bull is suffering from eyes running probably with thick mucal discharge" (Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 103).
9 wdn: Das Verb bedeutet "schwer sein, lasten" (Wb 1, 390.1–15). Wb 1, 390.19 hat das Verb im Tiermedizinischen Papyrus jedoch separat eingetragen: "intrans. Verbum: Krankhafte Erscheinung bei Tieren". Es ist unklar, was gemeint ist, wenn die Schläfen "schwer sind, lasten". Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt zuerst "uden (wrinkled?)", später ändert er die Übersetzung zu "heavy, inert" (Griffith, pKahun and Gurob, 101), wobei er der Übersetzung von Maspero, in: Journal des Savants 1899, 216: "dont les bajoues sont lourdes" folgt. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 übersetzt mit "geschwollen". Grundriß IV/1, 318 hat "belastet" und MedWb I, 235 versteht "schwer sein; lasten" im Sinne von "benommen sein", weil im nächsten Fall, in dem auch das Lasten der Schläfe belegt ist (in Kol. 64), das Verb dgm: "benommen sein" verwendet wird (in Kol. 59). Westendorf, Grammatik, 277, § 395.dd spricht von Druck auf den Schläfen, den er als Ausdruck von Benommenheit verstehen möchte. Ähnliches findet sich bei Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "ses tempes sont lourdes (= hébétude)". Westendorf, Handbuch Medizin, 452 übersetzt Kol. 37 "seine beiden Schläfen sind belastet/benommen". Allerdings ist dgm.y: "benommen" ein Symptom bei der ersten Untersuchung von einem Rind, das an der wšꜥ-Fresskrankheit leidet (Kol. 59), während die lastenden Schläfen als Symptom erst in der zweiten Untersuchung stehen (Kol. 64).
10 jw nḥb.t=f ḥr twn: Griffith, pKahun and Gurob, 13: "his neck swollen (or raised?)". Maspero, in: Journal des Savants 1899, 216: "lui tenant le cou dressé". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 und Anm. 10 übersetzt "sein Nacken (ist) erhoben", was er versuchsweise erklärt als "geschwollen?" (mit Fragezeichen!). Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 übersetzen "its neck taut (?)" (deshalb spricht Lord, in: Fs Rosalie David, 151 von "swollen neck"). Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 103 erklärt "it's neck taut" mit dem Symptom von "swollen lymph nodes" (vgl. Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199: "his neck having on it lumps"). Alle diese Übersetzungen lassen aber die von den vorherigen Sätzen abweichende grammatische Konstruktion mit ḥr + Infinitiv unberücksichtigt. Grundriß IV/1, 318 hat "sein Nacken ist beim Stoßen"; Bardinet, Papyrus médicaux, 481 hat "son cou tape (= oscille?)"; Kosack, in: Armant 3, 1969, 176: "Sein Nacken aber stösst dauernd nach vorn"; Westendorf, Handbuch Medizin, 452: "Sein Nacken ist ständig beim Stoßen."

Dann muss er folglich auf seine eine Seite gelegt [40] werden;
dann muss man ihn folglich ständig mit kühlem Wasser besprengen11;
dann muss man seine beiden Augen und seine Flanken12 und jedes seiner Glieder folglich mit ḫnš-Pflanzen (Ranken?)13 [od]er šww-Pflanzen (Gräser?)14 abreiben15. (oder: dann müssen seine beiden Augen und seine Flanken und jedes seiner Glieder folglich mit ḫnš-Pflanzen (Ranken?) [od]er šww-Pflanzen (Gräser?) abgerieben werden.)

11 ntš m mw qb: Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71 erkennt eine Kaltwassertherapie.
12 ḏrw: Griffith, pKahun and Gurob, 13 und Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 übersetzen mit "hoofs (?)" bzw. "Hufe". Vielleicht hat das unklare, vertikale, bart- oder trinkhornförmige Determinativ (vgl. in etwa Signlist D156, U30B, X13), das nicht wie ein Fleischstück aussieht (ob eine Seitenlocke?), sie dazu geführt; beim Wort für "Flanke" erwartet man einen Dual und keinen Plural. Wb 5, 602.2 (DZA 31.686.070) und MedWb II, 1009–1010 erkennen das Wort "Seite, Flanke" (vorher schon Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 216: "les hypocondres").
13 ḫnš: Bislang nur einmal im Papyrus Ebers sowie ein- oder zweimal im Tiermedizinischen Papyrus Kahun belegt. Wb 3, 301.4–6: "eine Pflanze, deren Früchte offizinell verwendet werden." (Vgl. schon Stern, in: Papyros Ebers II, 60: "herbae cuiusdam frugiferae medicinalis", d.h. "(Bezeichnung) von irgendeiner Heilpflanze, die Früchte trägt".) In pEbers Kol. 97.9 (Eb 835) werden getrocknete Früchte oder Samen (pr.t) der ḫnš-Pflanze genannt, die zerrieben und ohne weitere Zusätze äußerlich als Einzeldroge bei einem Frauenleiden verabreicht werden. Die Pflanze ist nicht identifiziert: Germer, Arzneimittelpflanzen, 293–294: "eine unbekannte Pflanze, die in der Medizin keine Rolle spielt" (ähnlich Germer, Handbuch, 101; Charpentier, Recueil, 518, Nr. 843: "une plante utilisée en gynécologie et medecine vétérinaire"). DrogWb 399–400 (ebenso Charpentier, Recueil, 518–521, Nr. 843–844) trennt ḫnš als Pflanzenbezeichnung (Tiermedizinischer Papyrus Kahun Kol. 42) von ḫnš als Pflanzenteil der qꜣd.t-Pflanze (ibid., Kol. 48–49), obwohl beide Graphien identisch sind und in beiden Fällen das ḫnš zum Abreiben (sjn) eines Rindes verwendet wird. In Wb 3, 301 stehen die Belege unter demselben Lemma. DZA 27.882.540 fragt sich, ob ḫnš in Kol. 48–49 mit ḫrš: "Bund, Bündel" identisch sein könnte (daher die Übersetzung "Bündel" auf DZA 27.882.550 für ḫnš n qꜣd.t aber nicht für m ḫnš šww rʾ-pw). Für diese Interpretation ist eine Emendation des Textes erforderlich; sie findet sich sonst nicht in der Literatur. Eine Zeit lang wurde vermutet, dass ḫnš ein Kürbisgewächs ist, möglicherweise weil es gemeinsam mit der šww-Pflanze genannt wird, für die am Ende des 19. Jh. fälschlicherweise die Bedeutung "Melone o.ä." angesetzt worden war. Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt die Pflanzen ḫnš šww rʾ-pw in Kol. 42 mit "gourds (?) or melons", d.h. "Kürbisse (?) oder Melone". Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 216 hat ähnlich: "des concombres ou des souchets" (mit einer anderen Interpretation von šww). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729, Anm. 11 nennt beide ḫnš- und šww-Pflanzen "nicht sicher feststellbare Gurken- oder Melonenarten". Dieser Übersetzungsvorschlag wird nirgendwo begründet. Vielleicht suchte Griffith nach einer saftigen Pflanze, mit der das Rind ein- oder abgerieben werden konnte (siehe unten bei šww). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730, Anm. 1 erkennt in ḫnš n qꜣd.t einen saftigen Teil der qꜣd.t-Pflanze. Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 104 und Lord, in: Fs Rosalie David, 151 und 152 glaubt, dass die nicht identifizierten ḫnš- und šww-Pflanzen wegen kühlender Eigenschaften (wie z.B. Aloe vera) eingesetzt wurden. Ein ganz anderer Interpretationsversuch ist von Kosack (in: Armant 3, 1969, 176): Er verbindet die Pflanzenbezeichnung mit dem Verb ḫnš: "stinken" und bekommt so "Stink-Kraut". Identifiziert wird die Pflanze dadurch nicht und ein etymologischer Zusammenhang zwischen beiden Wörtern ist bislang nicht nachweisbar. Westendorf, Handbuch Medizin, 452 fragt sich, ob ḫnš "Ranken (?)" bezeichnen könnte. Diese Hypothese begründet sich dadurch, dass ḫnš ein Bestandteil der qꜣd.t-Pflanze ist, die selbst eine Kriechpflanze ist, und dass "Ranken" ähnlich wie die šww-Pflanze (in der Nachkriegsforschung als "Heu" oder "trockenes Gras" gedeutet) zum Abreiben (sjn, statt "einreiben") des Rindes verwendet werden könnte.
14 šww: Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt die Pflanzen ḫnš šww rʾ-pw im Tiermedizinischen Papyrus Kahun, Kol. 42 mit "gourds (?) or melons", d.h. "Kürbisse (?) oder Melone". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729, Anm. 11 nennt beide ḫnš- und šww-Pflanzen "nicht sicher feststellbare Gurken- oder Melonenarten". Scharff, in: ZÄS 59, 1924, 43 nennt die šww-Pflanze in einem Brief aus Illahun (pBerlin P 10038B): "Melonen (?)" mit Verweis auf Griffith im Tiermedizinischen Papyrus von Kahun. (Es handelt sich dort trotz der Graphie um eine Personen- oder Berufsbezeichnung šw.t [Wb 4, 426.5]: Luft, Das Archiv von Illahun. Briefe 1, 1992 s.v. P 10038 B.) Die Interpretation "Melone" geht sicherlich auf die Lehre des Kagemni (pPrisse, Kol. 1.5) zurück, in der in zwei Parallelsätzen das Thema Mäßigung bei Tisch angesprochen wird: "Ein Becher Wasser löscht den Durst, eine Handvoll šww-Pflanzen festigt/stärkt das Herz." Möglicherweise hat Dümichen, in: Louis Leblois (Hg.), Les Bibles et les initiateurs religieux de l'humanité, Paris 1884, Livre II, Vol. 2, 1re partie, Taf. 5 und 82 die šww-Pflanze als saftiges Äquivalent von einem Becher Wasser verstanden (vgl. Wassermelone), denn er übersetzt diese Zeilen als "car une tasse d'eau suffit pour apaiser la soif et une bouchée de melon pour rafraîchir le coeur." Auch Griffith, in: Charles Dudley Warner (Hg.), Library of the World's Best Literature. Ancient and Modern, Bd. IX, New York 1897, 1897, 5327 hat "A cup of water, it quencheth the thirst; a mouthful of melon, it stayeth the appetite." (anders noch Griffith, in: PSBA 13, 1890, 70: "a cup of water quenches the thirst, a mouthful of herbs strengthens the heart"). Gunn, The Instruction of Ptah-hotep and the Instruction of Ke'gemni: The Oldest Books in the World (The Wisdom of the East Series), New York 1906, 62 hat ebenfalls "melon". Siehe noch Charpentier, Recueil, 657, Nr. 1074: "une plante comestible peut-être melon". Heute wird angenommen, dass in der Lehre für Kagemni ein ärmliches Gemüse und nicht eine saftige Melone vom Sinn her gemeint sein muss, parallel zum Becher Wasser statt Wein oder Bier (so schon Wb 4, 434.9: "Art Kraut. I. als eine geringe Speise"). Schon Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 216 übersetzt šww abweichend von Griffith als "des souchets", d.h. Zyperngras (o.ä.). Tatsächlich gibt es die Wortverbindung wꜣ.t-šww: "Läufer; Matte" (wörtl.: "Weg von šww-Pflanzen") und die Berufsbezeichnung jri̯ wꜣ.t-šww: "Hersteller von Läufern/Matten" und deshalb fragt sich Gardiner, AEO I, 63*, ob šww für "rushes", d.h. "Binsen" stehen kann. Laut Caminos, LEM, 135 werden šww-Pflanzen in einigen Ostraka von Deir el-Medina als Brennstoff genannt. Janssen, Commodity Prices, 154 denkt an "dried grass" als Material für eine Matte (Helck, Materialien V, 807 hat "Heu"); šww kann nicht "Stroh" sein, weil dafür dḥꜣ und rwy verwendet werden (Janssen, Commodity Prices, 154, Anm. 95). Charpentier, Recueil, 656–657, Nr. 1074 und 1075 möchte zwischen der essbaren Pflanze šww und dem getrockneten Gras oder Heu trennen (2 Lemmata); Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II, 2, 2435 {32459} belässt sie zusammen: "Heu, trockenes Gras (a. zum Abreiben eines kranken Rindes)". Ein weiterer Beleg für die essbare Pflanze (oder für Flechtwerksmaterial?) bei Edwards, in: JEA 51, 1965, 25 mit Anm. "o" und Taf. 11.2.
15 sjn: Laut MedWb II, 717 bedeutet sjn sowohl Körperteile "einreiben" mit einer Droge als auch Körperteile "abwischen". Welche Bedeutung zutrifft, hängt mit der Identikation der beiden Pflanzen ḫnš und šww zusammen. Für Wreszinski werden die Pflanzen eingerieben, weil er sie als saftige Pflanzen (Gurken oder Melonenarten) oder saftige Pflanzenteile betrachtet (Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729, Anm. 11 und 730, Anm. 1). Die Interpretation "einreiben" findet sich auch bei Griffith, Maspero; vgl. von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 1989, 17 ("Einreibungen mit Kräutern und Säften von Pflanzen, deren Artzugehörigkeit zu ermitteln nicht gelingt"); vgl. Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 104 und Lord, in: Fs Rosalie David, 151 und 152: sie glaubt, dass die nicht identifizierten ḫnš- und šww-Pflanzen wegen kühlender Eigenschaften (wie z.B. Aloe vera) eingesetzt wurden. In den neueren Bearbeitungen wird das Rind "abgerieben" (Grundriß, Kosack, Bardinet, Westendorf). Grundriß (MedWb II, 717) versteht die beiden Textstellen im Tiermedizinischen Papyrus (Kol. 41 und 48) als "Körperteile abwischen mit Pflanzen-Büscheln(?)".

(Es/er) werde bis zur ḫnš-Schweißabsonderung (?; oder: um zu schwitzen)16 durch [seinen (?) Hirten (?)17] beräuchert18.
[45] Der Hirte macht halt (?) [... ...] Tierschwemme/Feuchte/befeuchtet (?)19.
Wenn (?) [... ...] Wasser (?), dann wird er aus der Tierschwemme (?) herausgeholt.
[We]nn er fern vom Wasser ist, dann wird er mit ḫnš-Pflanzenteilen (Ranken?)13 der qꜣd.t-Kriechpflanze20 abgerieben.

16 ḫnš: Ist ohne Determinativ geschrieben und von Griffith zuerst als ḫnš-Pflanze gedeutet. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 mit Anm. 12 übersetzt "es soll ... gebäht werden bis zum Stinken", weil er sicherlich die vergleichbaren Textstellen kꜣp ... r fd.t=f: "beräuchern ... bis er schwitzt" (mit r + sḏm.t=f) in pBerlin Med 7.4 (Bln 76) und 10.4 (Bln 118) kannte. Wb 3, 301.1–3 listet kein Substantiv mit der Krankheitsbezeichnung bzw. dem Symptom ḫnš auf, sondern nur das Verb ḫnš: "stinken" (der Beleg Wb 3, 301.1 wird gewiß als Infinitiv statt als Subst. "Gestank" gedeutet in dr ḫnš: DZA 27.882.380); siehe aber MedWb II, 661–662 für das Symptom "Schweißabsonderung". MedWb II denkt nicht sosehr an "Gestank" als vielmehr konkret an "Schweiß" bzw. "Schweißabsonderung" wegen eines Falles in pEbers Kol. 86, 8–9 (Eb 708) = pHearst Kol. 2,17–3,1 (H31) = pHearst Kol. 10, 11–12 (H150), bei dem ḫnš im Sommer (šmw) und am Gelenk (Achselhöhle?) vorkommt.
17 mnj.w: Der obere Rand des Zeichens ist erhalten und könnte eventuell zum Kopf einer Person gehören (vgl. zꜣw in Kol. 32 und mnj.w in Kol. 45). Falls anschließend [ḫ]nn zu lesen ist, dann müsste am Ende von mnj.w noch ein Plural oder ein Suffixpronomen ergänzt werden, um die Lücke auszufüllen. Die Ergänzung mnj.w wurde zuerst von Maspero, 216, Anm. 2 (liest zꜣw) vorgeschlagen und von Griffith, pKahun and Gurob, 107 aufgegriffen.
18 kꜣp: Ergänzung nach Griffith, pKahun and Gurob, 13, sowie Grundriß IV/2, 239 und MedWb II, 896 wegen des erhaltenen Determinativs R5. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 folgt sicherlich auch Griffith, aber er übersetzt mit dem Verb "bähen", d.h. "einen Gegenstand längere Zeit hindurch feuchter Wärme aussetzen" (textlog.de). Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71 erkennt als Therapiemaßnahme "das Räuchern bis zum Schwitzen (Bähen)" (gefolgt durch von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 17).
19 jwḥ.w: Kann von der Form her sowohl ein Verb (z.B. Pseudopartizip) als auch ein Substantiv sein. Der Kontext ist zu zerstört, um die grammatische Konstruktion zu erkennen bzw. zu rekonstruieren. Wb 1, 57.9 kennt für das Substantiv nur die Bedeutung "Überschwemmung" (ein einziger und außerdem problematischer Beleg Stele BM EA 1164 des Antef, Sohn der Myt: siehe Spiegelberg, in: ZÄS 53, 1917 mit der Diskussion, ob "Überschwemmung" oder "bewässerter Boden" zu übersetzen ist; etymol. Partizip aktiv "das was feucht macht" = "die Überschemmung" oder Partizip passiv "das was befeuchtet wird" = "bewässerter Boden"?) und hat die zwei Belege aus dem tiermedizinischen Papyrus unter dem Verb jwḥ: "befeuchten" abgelegt, ohne sie weiter auszuwerten (DZA 20.478.350 und DZA 20.478.360). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729, Anm. 13 arbeitet mit dem Verb jwḥ. Er schlägt vor, zu [wn.ḫr.tw=f r] jwḥ j[n mnjw m] mw: "[es werde] untergetaucht vom [Hirten in] Wasser" zu ergänzen, aber das ist nicht mit dem w vor jwḥ.w vereinbar (sicherlich nicht zu ergänzen als [j]w = r und w ist auch nicht phonetisches Komplement beim jw-Tier), es erklärt auch das w am Ende von jwḥ.w nicht und die Konstruktion wäre insgesamt ungewöhnlich (vgl. Kol. 40: wn.ḫr=t(w) ḥr ntš=f). MedWb I, 34 erkennt ein Substantiv mit lokaler Bedeutung "nasse Fläche o.ä.", einerseits als Krankheitserscheinung "nässende Stelle" (mit Fragezeichen!), andererseits als "Schwemme (zum Baden für Rinder)" (ob Bedeutungsentwicklung von einem Infinitiv oder Nomen actionis "das Befeuchten" zu einem Nomen loci "Ort des Befeuchtens" > "Schwemme"?). Hannig, HWB, 35 übernimmt die Substantiv-Bedeutung von Wb 1, 57.9 und die zwei Bedeutungen von MedWb: "Überschwemmung; Schwemme (zum Baden für Rinder); nässende Stelle". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 übersetzen mit dem Substantiv "damp", d.h. "Feuchtigkeit" (ähnlich schon Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "humidité"). In Kol. 47 liegt sicher ein Substantiv nach einer Präposition vor (m jwḥw). In Kol. 46 hat das Wort dieselbe Graphie, aber wie könnte die Konstruktion sein? Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71 erkennt als therapeutische Maßnahme "das den Kreislauf anregende mehrfache Untertauchen in der Schwemme."
20 qꜣd.t: Im pEbers 51.16 = Eb 294 (= pHearst Kol. 3.5 = H 35) wird von der snwt.t-Pflanze gesagt, dass "sie auf ihrem Bauch wächst" (rd=s ḥr ẖ.t=s) wie die qꜣd.t-Pflanze. Deshalb wird angenommen, dass die qꜣd.t-Pflanze eine kriechende Pflanze ist (zuerst Loret, in: RecTrav 7, 1885, 112; Wb 5, 14.10; DrogWb 514). Sie hat Wurzeln (wꜣb), Blattsprossen/Rhizome (?; kfꜣw) und ḫnš-Pflanzenteile. Stern (Papyros Ebers, II, 34 bietet noch keine Interpretation außer "herba quaedam"). Loret, in: RecTrav 7, 1885, 112 erkennt in dem Namen der kriechenden Pflanze qꜣd.t dasselbe Wort wie arabisch qiṯṯāʾ, d.h. Cucumis Chate L. oder Cucumis sativus L. Er erklärt qꜣd.t deshalb zuerst zu Cucumis sativus L. (Loret, in: RecTrav 7, 1885, 112), später eher zu Cucumis Chate L. (Loret, Flore pharaonique, 2. Aufl., 1892, 74–75, Nr. 128). Deshalb lautet die Übersetzung der Textstelle sjn.t(w)=f m ḫnš n qꜣd.t im Tiermedizinischen Papyrus von Kahun bei Griffith, pKahun and Gurob, 13 "let him be rubbed with gourds of cucumbers" und bei Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 216: "lui appliquer des concombres chate". Keimer, Gartenpflanzen, I, 130–131 lehnt die Gleichstellung von äg. qꜣd.t mit arab. qiṯṯāʾ, hebr. qšʾ und anderen semitischen Sprachen aus lautlichen Gründen ab (äg. d entspricht nicht arab. oder hebr. š) und deshalb auch die Identifikation von qꜣd.t als eine Melonenart, aber er bietet keine Alternative. Germer, Arzneimittelpflanzen, 337–339 (und Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, 140–141) liefert keine Identifizierung, aber vermutet, dass die Wurzel der Pflanze möglicherweise eine diuretische (harntreibende) Wirkung hat (wegen der Anwendung in Eb 278 = H 64). Weitere Belege und Literatur bei Charpentier, Recueil, 714–715, Nr. 1181 ("une plante grimpante non déterminée avec certitude"). Aufrère, in: BIFAO 86, 1986, 11–18 bringt weitere Quellen außerhalb der medizinischen Texte hervor und vermutet, dass qꜣd.t irgendein Efeugewächs ist ("une hédéracée"). Westendorf, in: Aspekte spätägyptischer Kultur (Fs Winter), 265–267 nennt die Pflanze "ein schlangenartiges Kraut" oder "Schlangen-Kraut" wegen des kriechenden Wachstums und weil es eine Schlangenbezeichnung qꜣdj gibt, ohne dass er eine konkrete Pflanze meint (Westendorf, Handbuch Medizin, 458 und 508: "Schlangenkraut"). Hannig, HWB, 918 hat "eine Kriechpflanze". Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 104 folgt der Identifikation von qꜣd.t als eine Sorte von Hederacea, eventuell Hedera helix, und sie verweist daraufhin auf das ätherische Öl Glechoma hederacea, das medizinische Eigenschaften hat.

Dann musst du folglich für ihn einen Einschnitt/Einstich (?)21 [50] auf seiner Nase und seinem Schwanz vornehmen (wörtl.: dann musst du folglich einschneiden/einstechen auf ...).
Dann musst du folglich dazu (oder: über ihm) sagen: "Das ist ⟨einer⟩ mit einem Schnitt/Stich22.
(Entweder) er stirbt infolgedessen23, (oder) er lebt infolgedessen23."

21 gꜣp: Das Verb steht in Kol. 49 und 60 des Tiermedizinischen Papyrus Kahun mit derselben Schreibung und wird beide Male absolut (ohne Objekt) verwendet. Wb 5, 155.2 umschreibt die Bedeutung wie folgt: "Handlung an einem kranken Rind (mit dem Messer)". Griffith, pKahun and Gurob, 13 hat "to gash (?)"; MedWb II, 912 hat "schneiden (?)". Diese Übersetzungsvorschläge gehen einerseits aus dem Messerdeterminativ (Kol. 49, 60) und andererseits dem logographisch mit dem Messer geschriebenen Substantiv dm.t/dmw.t: "Schnitt, Stich" in Kol. 51 (als Ergebnis der gꜣp-Handlung) hervor. Bardinet, 481 hat: "fendre" (spalten) mit anschließend "les naseaux" für fnḏ, was sicherlich auf die französische Phrase in Wörterbüchern des 17. und 19. Jh. zurückgeht: "ce cheval a les naseaux bien fendus" = das Pferd hat weit offene Nasenlöcher. Hannig, HWB, 965 übernimmt die Bedeutung "*schneiden" (* = unsichere Bedeutung). Die genaue Art des Ritzens, Schneidens oder Stechens ist unsicher. Die Veterinärmediziner erkennen einen Aderlass, der aber sonst in der ägyptischen Human(!)-Medizin nicht nachweisbar ist (von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 372 und Id., in: ZÄS 37, 1899, 59: "Aderlass"; Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 20: Aderlass), was durch Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 übernommen wird: gꜣp = "einen Aderlaß machen". Vgl. Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199: "you should bleed him"; ähnlich Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71. Laut von den Driesch & Peters, Geschichte der Tiermedizin, 2. Aufl., 2003, 17 handelt "es sich hier nicht um eine Phlebotomie, sondern lediglich um eine Ritzung bestimmter Hautpunkte, aus denen einige Tropfen Blut austreten." Lord, in: Fs Rosalie David, 151 und 152–153 erkennt ebenfalls einen Aderlass, allerdings nicht um das Fieber zu senken (was bei einer Blutung an Nase und Schwanz nicht möglich ist), sondern für rituelle Zwecke. Vgl. Alexander Strubell, Der Aderlass, 1905, 67: "Die alten Rossärzte kannten 60 Teile, an welchen zur Ader gelassen wurde: Gesicht, Nase, Ohren, Gaumen, Zungenkörper, Rücken, Weichen, verschiedene Gelenke, Schweif, Huf u.s.w., zuweilen Teile, wo kein erfassliches Blutgefäss vorhanden ist." Unklar ist, ob zwischen gꜣp im Tiermedizinischen Papyrus und dem/den erst im Neuen Reich überlieferten Verb(en) gꜣ~pw und gꜣ~rʾ~bw/gꜣ~rʾ~pw ein etymologischer Zusammenhang existiert.
22 ẖr(.j) dm.t: Dieselbe Formulierung wird auch mehrfach für einen Patienten mit einem (Skorpion)stich verwendet (MedWb II, 978), d.h. dm.t kann sowohl "Stich" als auch "Schnitt" bedeuten. Im Tiermedizinischen Papyrus Kahun ist die Bezeichnung das Ergebnis einer mit dem Verb gꜣp bezeichneten Operation. Deshalb übersetzt MedWb II, 978 die Kahun-Stelle als "ein (Rind) mit einem Operations-Schnitt"; entsprechend bei Hannig, HWB, 1050: "e. bereits Operierter". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 übersetzt "es ist operiert". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 haben "it (i.e. the bull) is under treatment". Bardinet, Papyrus médicaux, 481 legt eine andere Konnotation in seine Übersetzung: "C'est (maintenant) un blessé".
23 ẖr=s: Das Suffixpronomen kann sich sowohl auf den Stich dm.t als auch auf die Luftkrankheit nf.t beziehen, ersteres ist wahrscheinlicher, weil nf.t nur einmal ganz am Anfang des Textes genannt wird.

Wenn er nicht gesund wird,
indem er unter deinen Fingern schwer ist/wird24 (oder: indem seine ⟨Schläfen⟩ unter deinen Fingern schwer/belastet werden),
indem seine beiden Augen sich verdunkeln (?)25,
dann musst du folglich [55] seine beiden Augen mit einer Tonscherbe26, die im (oder: mittels) Feuer erwärmt/erhitzt27 ist, umkreisen/umschließen28, um die ḥꜣtj-Trübung29 zu beseitigen.

24 wdn: Bezieht sich in Kol. 37 (= dieser Fall) und Kol. 64 auf die beiden Schläfen, die "schwer sind, lasten" (in Kol. 37 und 64 werden die Finger nicht erwähnt). Ob hier eine Emendation zu wdn ⟨mꜣꜥ.wj⟩=f ẖr ḏbꜥ.w=k vorzunehmen ist? Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 übersetzt mit "geschwollen". Grundriß IV/1, 318 hat "belastet" und MedWb I, 235 versteht "schwer sein; lasten" im Sinne von "benommen sein", weil im nächsten Fall, in dem auch das Lasten der Schläfe belegt ist (in Kol. 64), das Verb dgm: "benommen sein" verwendet wird (in Kol. 59). Westendorf, Handbuch Medizin, 452 übersetzt Kol. 53–54 "indem er belastet/benommen ist"). Allerdings ist dgm.y: "benommen" ein Symptom bei der ersten Untersuchung von einem Rind, das an der wšꜥ-Fresskrankheit leidet (Kol. 59), während die lastenden Schläfen als Symptom erst in der zweiten Untersuchung stehen (Kol. 64). Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 104 spricht von den Krankheitssymptomen "lethargy or depression".
25 tmtm: Das Verb wird im Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Kol. 54) ohne Determinativ geschrieben, weshalb die Bedeutung unklar ist. Es muss ein Symptom der Augenkrankheit ḥꜣtj-Trübung beschreiben, die im anschließenden Satz im Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Kol. 56) beseitigt wird. Griffith, pKahun and Gurob, 13 errät eine Bedeutung, die zu den Augen passt und übersetzt: "if he ... blinks (?) his eyes". Vielleicht mutmaßt er dabei die Existenz einer reduplizierten Form des Verbs tmm: "verschließen" (redupliziert/iterativ *tmtm: *(die Augen) immer wieder schließen (?) > *blinzeln (??)). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 hat "wenn ... seine Augen zufallen", wobei er (S. 730, Anm. 2) nicht auf tmm: "schließen", sondern auf koptisch ⲧⲙⲧⲙ "schwer sein, lasten" verweist. Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199 schreibt zu tmtm (vielleicht auf Vorschlag von Faulkner?): "has the literal meaning 'close-close' and thus might be descriptive of blepharospasm". Walker, in: Toynbee, Animals in Roman Life and Art, 1973, 326 übersetzt mit "to blink". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 haben "its eyes are blocked", ohne Fragezeichen und ohne Erklärung. In eine andere Richtung denken die Forscher der Berliner Schule. Wb 5, 309.9 liefert keine Übersetzung, sondern umschreibt den Zusammenhang als: "von den Augen eines kranken Ochsen; vgl. Kopt. (B) ⲑⲟⲙⲧⲉⲙ 'sich verdunkeln'". MedWb II, 956 verzichtet ebenfalls auf eine Übersetzung und verweist neben (B) ⲑⲟⲙⲧⲉⲙ, (S) ⲧϩⲟⲙⲧⲙ "sich verdunkeln" auch auf (B) ⲑⲟⲙⲧⲉⲙ, (S) ⲧⲙⲧⲙ "schwer sein, belastet sein". Hannig, HWB, 1005 hat "e. krankhafter Zustand (d. Augen, *verdunkelt)". Westendorf, Handbuch Medizin, 453 übersetzt mit "verdunkelt sein" (ohne Fragezeichen!). MedWb 1005, Anm. 2 erwägt das m am Ende von tmtm nicht als phonetisches Komplement, sondern als Präposition aufzufassen; dann wäre tmtm vielleicht ein Substantiv. Die Übersetzung von Kosack, in: Armant 3, 1969, 176: "seine beiden Augen verdrehen sich (?)" ist nur geraten.
26 pꜣq.t: Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt mit "linen lighted with fire"; ähnlich Maspero, in: Journal des Savants, 1897, 216; ähnlich erneut Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199 "linen heated with fire"; Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 "fine linen, heated at a fire". Feines pꜣq.t-Leinen wird tatsächlich mehrfach in den medizinischen Papyri verwendet (MedWb I, 259 und DrogWb 193–194), aber das Determinativ des Kreises spricht eher für ein anderes Lemma pꜣq.t: eine dünne Topfscherbe. Die Übersetzung "Topfscherbe" findet sich zuerst bei Erman (bei Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 21–22) anschließend bei Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730; in Wb 1, 500.1 (DZA 23.123.360); im Grundriß, bei Kosack (in: Armant 3, 1969, 176, Bardinet (Papyrus médicaux, 481) und Westendorf (Handbuch der Medizin, 453). Das Wort pꜣq.t: "Scherbe" ist mehrfach als Droge überliefert: DrogWb 194–195. Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71 erkennt "eine in die Schläfen gedrückte, im Feuer erhitzte Tonscherbe" und als Therapiemaßnahme einen "Vorläufer der unspezifischen Reiztherapie", der "den Widerstand des Organismus gegen die Krankheit" verstärken soll (gefolgt durch von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 17), aber das Eindrücken der erhitzten Tonscherbe könnte auch "den gleichen medizinkonzeptionellen Hintergrund haben wie die Feuerakupunktur in der chinesischen Heilkunde" (von den Driesch & Peters, Geschichte der Tiermedizin, 2. Aufl. 2003, 17). Laut Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 104, die mit der Übersetzung "erwärmtes Leinen" von Collier/Quirke operiert, würde die Behandlung die Augen vor Lichteinstrahlung schützen und das Erwärmen könnte die Blutzirkulation im Augenbereich erhöht haben. Dasselbe Ergebnis könnte die Topfscherbe bewirken.
27 stꜣ.t(j): Das Verb stꜣ bedeutet "erwärmen, erhitzen", später auch "anzünden". Eine erhaltene Spur unterhalb des -Geiers würde zum Feuertopf (Q7) passen und dann wäre dazwischen noch gerade ausreichend Platz für ein t vorhanden (so Griffith, pKahun and Gurob, Taf. 7.rechts, hieroglyphische Umschrift; keine Ergänzung bei Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54). Unklar ist der Grad der Erwärmung oder Erhitzung. Anscheinend wird das Verb auch für das Brennen von Keramik verwendet, was eine große Hitze voraussetzt (Hannig, HWB, 845 {48438} = Vachala & Faltings, in: MDAIK 51, 1995, 283: stꜣ qrḥ.t: "Töpferware brennen"), aber im Tiermedizinischen Papyrus wird keine "Tonscherbe, die gebrannt ist", sondern "eine im Feuer / in der Flamme erhitzte Tonscherbe" gemeint sein. Die anschließende Präposition m könnte sowohl (lokal) "in" (so Grundriß, Kosack, Bardinet, Westendorf) und eventuell "an" (damit die Tonscherbe nicht platzt?) als auch (instrumental) "mittels" bedeuten (Wb 4, 333.7: "erwärmen, heiss machen mit Feuer " und Wb 4., 333.9: "eine Kerze, einen Docht anzünden mit Feuer"; ähnlich Hannig, Ägyptisches Wörterbuch, II/2, 2381 {31194}).
28 šni̯: Bedeutet transitiv "umkreisen, umgeben, rungsum einschließen, umfangen". Die genaue Bedeutung in diesem Tiermedizinischen Kontext ist unklar. MedWb II, 855 übersetzt mit "umschließen" und meint, dass die kranken Augen des Rindes mit einer erwärmten Tonscherbe bedeckt werden.
29 ḥꜣtj: Diese Augenkrankheit oder dieses Krankheitssymptom "Verschleierung, Trübung" ist im pEbers mehrfach belegt. Wb 3, 35.13–14 beschränkt sich auf "eine Augenkrankheit (des Menschen und des Rindes)". Der etymologische Zusammenhang mit ḥꜣtj: "Hülle, Umhang", ḥꜣtjw: "Art feines Leinen" (~ "Schleier") und ḥꜣtj: "Bewölkung" führt MedWb II, 584–585 zur Übersetzung "Verschleierung; Trübung". Für Ebbell, Altägyptische Krankheitsbezeichnungen, 32 ist die antike Krankheitsbezeichnung Lippitudo = Triefauge, gemeint, die für ihn modern dem Oberbegriff Blepharitis / Augenliderentzündung entspricht. Ebbell nennt als koptischen Nachfahr von ḥꜣtj das Lemma ϩⲓϯ, das bohairisch überliefert ist (Crum 720a, mit Verweis auf ḥꜣtj in pEbers durch Dévaud) und von der Wurzel (S) ϩⲓⲧⲉ stammt. Ebbell beruft sich auf Ebers, Das Kapitel über die Augenkrankheiten, 218, Anm. 24, der ḥꜣtj als sicher bestimmbar "lippitudo" einstuft, weil es auf koptisch ϩⲓϯ "lippitudo" zurückgehen sollte, das den Griechen als ὀφθαλμία bekannt war. Ebers nennt keine Quellen, aber das koptische Wort geht über Peyron, Lexicon Linguae Copticae, 370a auf Zoega, Catalogus codicum copticorum, 1810, 646 zurück. Das Substantiv ϩⲓϯ wird von Zoega, Catalogus codicum copticorum, 1810, 646, Anm. 26 auf das Verb ϩⲓϯ zurückgeführt, das er als "lippire": "triefäugig sein" versteht, weshalb Peyron, Lexicon Linguae Copticae, 370a für das Substantiv ϩⲓϯ die Übersetzung "Lippitudo" dem Zoega zuschreibt (was Zoega aber nicht expressis verbis ausformuliert hat). Allerdings hat Zoega die Wurzel ϩⲓⲧⲉ "hin und her bewegen, krampfen, reiben, schaben" mit der Wurzel ϩⲁⲧⲉ "fließen, strömen" vermischt, so dass schon Peyron, Lexicon Linguae Copticae, 370a das Augenleiden ϩⲓϯ als "Convulsio oculorum" widergibt. Heute wird das koptische Substantiv als "spasm, pain" (Crum 720a) oder "Schmerz, Krampf" (Westendorf, KHWB, 395) verstanden. Ein in alten Handschriften überlieferter Zusammenhang zwischen ϩⲓϯ und "Lippitudo" existiert also nicht. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 hat die Bedeutung "Triefäugigkeit" von Ebbell übernommen. Für Westendorf, Handbuch Medizin, 152 ist ḥꜣtj eine von mehreren "krankhaften Erscheinungen in den Augen, die aber über die vorliegende Krankheit keine Anhaltspunkte liefern." Hannig, HWB, 543 nennt neben (veraltetem) "*Blepharitis, Lippitudo" auch noch "*Leukom" als mögliche Krankheitsidentifikation.

Krankheitsfall eines Rindes mit der Fress(?)-Krankheit

(Überschrift:)1 Erfahrungswissen (Plural!)2 zur (visuellen) Betrachtung (wörtl.: des Betrachtens) eines (männlichen) Rindes mit der Fress-/Jucken-Krankheit3 in der Aussaat-Jahreszeit (etwa: Winter) (oder: mit der Winterjucken(?)-Krankheit)4.
(Fallbeschreibung 1:) Wenn ich ein (männliches) Rind mit [der Fress-/Jucken-Krankheit] in der Aussaat-Jahreszeit (etwa: Winter) betrachte,
und er ist auch5 benommen6 [60] und seine beiden Augen sind fettig7,
dann musst du folglich einen Einschnitt/Einstich (?) vornehmen wie (in) jenem (Fall) von vorhin (d.h. auf der Nase und auf dem Schwanz).
(Fallbeschreibung 2:) Wenn ich ein (männliches) Rind mit der Fress-/Jucken-Krankheit in der Aussaat-Jahreszeit (etwa: Winter) (oder: mit der Winterjucken(?)-Krankheit) wegen (?) der (feuchten) Kälte8 betrachte,
seit/weil ⟨sie / die Krankheit?⟩ in der (vorangehenden?) Ernte-/Trocken-Jahreszeit (etwa Frühling-Frühsommer) zu ihm gekommen ist,
und seine beiden Schläfen "belastet/lastend" sind,
seine beiden Augen in triefendem Zustand (?) sind
und sein Herz langsam ist, [65] indem [er/es?] nicht geht [... ...,]9
[dann] bleiben (?) [...] wrm.yt-Krankheit (?)10 [... ...].
(Behandlungsangaben:) Wenn (?) er zurückweicht (??), indem [... ...],
dann wirst du daraufhin alle seine Glieder mit [einer ...-Droge] durchziehen (?)11,
wie das, was gemacht wird für/gegen ⟨ein (Rind)⟩, das an der sk.t-Krankheit12 leidet.
[Ende des Krankheitsfalles]

1 Tiermedizinische Erklärungsversuche für die beschriebenen Symptome sind u.a. (1) Perniciöses Katarrhfieber des Rindes (von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 323, 384 = von Oefele, in: ZÄS 37, 1899, 59–60); bösartiges Katarrhalfieber des Rindes (Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 17); "bovine malignant catarrh" und "the condition bhw (an unknown word) seems to resemble the encephalitic type of the same disease and a most poetic description of profound dejection is given" (Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 200) (2) Stich der Tsetsefliege, d.h. Krankheitsname Nagana (von Oefele, in: ZÄS 37, 1899, 60); (3) "possibly a case of bovine photosensitisation causing lethargy and severe eye problems" (P. Windsor bei Lord, in: C. Price u.a. (Hgg), Mummies, Magic and Medicine in Ancient Egypt (Fs Rosalie David), 2016, 150; ähnlich Lord, in: Cockitt & David (Hgg.), Pharmacy and medicine in Ancient Egypt, Oxford 2010, 96, ohne Windsor zu nennen); (4) eine Art nach innen gewachsenes Geschwür (Kosack, in: Armant 3, 1969, 178).
2 šsꜣ.w: Ist, anders als in den drei übrigen erhaltenen Beispielen von šsꜣ auf diesem Papyrus, als Plural formuliert, vielleicht weil zwei verschiedene Vorgehensweisen beschrieben werden.
3 wšꜥ.w: Ist abgekürzt mit dem Elephantenzahn geschrieben. Die abgekürzte Schreibung ist außer auf dem Tiermedizinischen Papyrus einmal im pEbers 78.2 = Eb 615 belegt. Der Elephantenzahn ist sonst (ein) Determinativ von wšꜥ.w, neben dem Mineralkorn. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 56–57 transkribieren fälschlicherweise jbḥw, sie übersetzen aber mit "gnawings (?)", was auf wšꜥ: "kauen" zurückgeht. Auch die Lesung bḥw von Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199 und 200 ist abzulehnen. Die abgekürzte Schreibung ist in Wb 1, 370.14 nicht unter den Belegen für wšꜥ.w vorhanden, ist vermutlich also nicht erkannt worden. Allerdings findet sich die Ebers-Stelle schon im Ebers-Glossar von Stern (1875) unter dem Lemma wšꜥ; ebenso bei Griffith, pKahun and Gurob, 13; bei Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 und MedWb I, 223–224. Als Bedeutung gibt Stern (Papyros Ebers, II, 57) "Prurigo, mordacitas". Prurigo ist "das Jucken, der juckende Grind am Körper" (Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, II, 2052), heute "eine Gruppe von Hautkrankheiten mit juckenden, quaddelbildenden Papeln" (wikipedia.de (29.09.2017)); mordacitas ist ein lateinisches Wort mit der Bedeutung "Bissigkeit, die Eigenschaft zu stechen oder zu brennen". Diese Bedeutung geht sicherlich auf die Etymologie des Verbs wšꜥ zurück, laut Stern "mandere, manducare, arrodere", d.h. "kauen, nagen", daher "cruciare", d.h. "quälen, foltern". Wb 1, 370.6–13 gibt für das Verb die Bedeutungen "etw. kauen, etw. zerbeissen; etw. verzehren". Stern gibt spezifisch für pEbers 89.6 = Eb 742 (k.t n.t srwḫ jbḥ wšꜥ.w r rʾ ḥꜥ.w) die umschreibende Erklärung "de curando dente, qui summam cutem prurit", d.h. "(Bezeichnung) von dem zu behandelnden Zahn, der die oberste Haut / Hautoberfläche reizt (oder: jucken lässt)". Griffith, pKahun and Gurob, 14 denkt an "pricking, or possibly throbbing ache"; Wreszinski, Medizinischer Papyrus Berlin, 53: "ist ein Leiden, das einen 'kauenden' Schmerz hervorruft, also Jucken oder Stechen". Wb 1, 370.14: "das Beissen, das Jucken (als Krankheitserscheinung)". Es kommt teils allein, teils als Begleiterscheinung von šfw.t-Schwellungen und von der Krankheit wnm snf (Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730, Anm. 3) vor. Jonckheere, Papyrus Médical, 17 hat: „le prurit“ (ohne Kommentar). Lefebvre, Essai sur la Médecine égyptienne, 159: „démangeaisons“ (d.h. Hautjucken, Juckreiz). MedWb, 223–224: „Fressen“ als Krankheitserscheinung; eine äußere Erscheinung an verschiedenen Körperstellen, wohl in engem Zusammenhang mit šfw.t „Schwellung o.ä.“, weil oft damit zusammen genannt; evtl. ist es die Folgeerscheinung nach der Beseitigung der šfw.t-Schwellung, da die Aktion sgr.t wšꜥ.w „das Fressen zum Schweigen bringen“ immer als Folge von dr šfw.t „die Schwellung beseitigen“ genannt ist; übliche Behandlung durch einen Verband (wt). Bardinet, Papyrus médicaux, 481, 565: "les substances qui rongent" (ohne weitere Erklärung). Westendorf, Handbuch Medizin, 295–296: „Fressen, Nagen“ und „vielleicht eine Schwellung (…), die in ein fressendes Geschwür übergeht“.
4 m pr.t: Ist hier die Jahreszeit gemeint, wann der Tierarzt die Krankheit feststellt, oder ist wšꜥ.w m pr.t insgesamt die Krankheitsbezeichnung, vgl. etwa "das Winterjucken" (vgl. prurita hiemalis)?
5 gr.t: Die Partikel "auch, ebenfalls" wird vielleicht durch die vorhin geschilderte ähnliche Situation in Kol. 37 bzw. 53 hervorgerufen (vgl. Westendorf, Grammatik, 277, § 395.dd).
6 dgm: Das Verb ist im Tiermedizinischen Papyrus Kahun einmal mit dem Auge mit Lidschatten determiniert (Signlist D6), in dem teilzerstörten Beleg in Kol. 19 mit dem ermüdeten oder geschwächten Mann (Signlist A7). Es wurde wegen des Augenkontextes zuerst von Griffith, pKahun and Gurob, 14 als "blinded (?)" übersetzt (daher von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 384: "Conjunctivitis (?)", später von Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 ähnlich als "to glaze over", d.h. "(die Augen) werden glasig, trüb". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730, Anm. 4 fragt sich, ob eine Bedeutung wie "benommen" vorliegen kann (so auch Grundriß IV/1, 318; Bardinet, Papyrus médicaux, 481; Westendorf, Handbuch Medizin, 453; dagegen Kosack, in: Armant 3, 1969, 177: "bewusstlos"). Als Krankheitssymptom bei Menschen ist das Verb dgm im Papyrus Edwin Smith belegt und ebenfalls teils mit dem Auge (Signlist D4 und D6), teils mit dem ermüdeten oder geschwächten Mann (Signlist A7) determiniert. Das Verb wird im pEdwin Smith in Fall 22, Glosse C (Kol. 8.16–17) erklärt als wnn=f pw gr(.w) m gm.w nn mdwi.t: "das bedeutet, dass er schweigt in Schwäche/Benommenheit/Erstarrung(?), ohne zu reden." Aus dem Grund deutet Breasted, Surgical Papyrus, 296–297 das Verb als "to be voiceless, to be speechless" (ebenso Ebbell, Alt-ägyptische Chirurgie, 35: "ohne Sprachfähigkeit sein"; Faulkner, CDME, 317: "be speechless"). Das entspricht aber zum einen nicht dem Determinativ (man erwartet den Mann mit Hand am Mund), zum anderen passt es nicht zu Fall 20 (Kol. 8.1–4). Dort wird "sitzen" als Behandlung für jemanden, der dgm ist, verordnet und als Symptome wird nicht nur beschrieben, dass er nicht spricht, sondern auch, dass er sehr weint und seine Träne die ganze Zeit wegwischt wie ein Kind, ohne zu wissen, dass er dies tut. Die Nicht-Ansprechbarkeit (Kommunikationsunfähigkeit) des Patienten ist ein Symptom von dgm, aber es wird nicht dessen eigentliche Bedeutung sein. Sowohl in Wb 5, 500.6–7 als auch in MedWb I, 992 werden deshalb die Bedeutungen "bewusstlos; benommen" angesetzt. Grundriß IV/1, 186 übersetzt mit "benommen" aber schreibt in einer Anmerkung (Grundriß IV/2, 147, Anm. 5 zu Sm Fall 22), dass der Arzt feststellt, dass der Patient bewusstlos ist. Die Übersetzung "bewusstlos" wird von Westendorf, Papyrus Edwin Smith, 53 und Westendorf, Handbuch Medizin, 723 sowie von Brawanski, in: SAK 32, 2004, 73–74, Anm. (2) (für Fall 33) übernommen, aber die in Fall 20 aufgelisteten Symptome sprechen eher für "benommen sein", d.h. leicht betäubt oder mit eingeschränkter Reaktionsfähigkeit sein (Allen, Art of Medicine, 83, 85, 87, 93: "to be dazed"; Brawanski, in: SAK 35, 2006, 53 (für Fall 13)). Sanchez/Meltzer, Edwin Smith Papyrus, 123 und vor allem 161 beschreiben den Zustand des Patienten in den verschiedenen Fällen als "an altered state of responsiveness/consciousness in which listlessness or stupor predominate" (dgm mit dem Augendeterminativ) bzw. "an altered level of consciousness/response/sensibility and motor activity" (dgm mit dem Determinativ des geschwächten Mannes) und sie übersetzen mit "to be torpid" (Fall 13, 17) und "to be stuporous" (Fall 20, 22, 33). Hannig, HWB, 1062 listet alle vorgeschlagenen Übersetzungen auf: "(1) [med] bewusstlos, ohnmächtig; benommen sein; (2) [fig] *sprachlos, ohne Erklärung sein".
7 qn.y: Ist das Pseudopartizip des Verbs qn: "fett sein" (Wb 5, 40.8–14; MedWb II, 886–887) oder "fettig sein". Es gibt eine dieser Wurzel zugehörige Augenkrankheit qn.t. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 56–57 übersetzen mit der übertragenen Bedeutung "yellowed", d.h. ursprünglich "fettfarben, fettfarbig". Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "ses yeux graisseux". Eine ältere Übersetzung des Verbs qn bei Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730: "Feuchtigkeit absondern". Von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 384 benutzt das heute im Deutschen in Zusammenhang mit den Augen veraltete "seine beiden Augen buttern".
8 m qb: Grundriß IV/1, 318 und IV/2, 240 fragt sich, ob "in der Kühle" als "infolge der Kühle" zu verstehen ist.
9 šm: Der Satz ist zerstört, so dass unklar ist, ob das Rind irgendwie geht, aber das Verb wird auch vom Herz, d.h. vom Pulsschlag, gesagt (MedWb II, 851). Ob n šm[.n=f ...]: "Sein Herz ist langsam, [es kann] nicht [...] gehen"?
10 wrm.y[t]: Unbekannte Krankheit, die im Papyrus Ebers und Papyrus Ramesseum III im Bauch (ẖ.t) vorkommt: MedWb I, 197–198. Sie hängt vielleicht mit dem Substantiv wrm zusammen, dass im Zusammenhang mit Metall belegt ist und vielleicht "Rillen, Windungen" oder "Schlacke" bedeutet. Deshalb übersetzt Westendorf, Handbuch Medizin, 453 die Stelle im Tiermedizinischen Papyrus Kahun mit "Schlacke", während Kosack, in: Armant 3, 1969, 177 eine Bedeutung "Harnsteine (??)" errät. Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 übersetzen "shelter (?)", d.h. sie denken an das Lemma wrm.t, das eine Art gewölbte Laube oder ein Gewölbe bzw. gewölbtes Dach ist (Wb 1, 333.2–3), jedenfalls eine Architektur mit wellenförmiger Struktur. Das Wort wrm wird auch in einer Beschreibung einer Schädel- oder Gehirnverletzung im Papyrus Edwin Smith genannt.
11 hbhb: Lesung nach Griffith, pKahun and Gurob, 14, die zu den Spuren passt; ebenso Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730 und MedWb II, 564. Das Bewegungsverb hbhb bedeutet "durchziehen, betreten; zertreten". Im Tiermedizinischen Papyrus Kahun wird es mit dem Pflug determiniert, so auch im Papyrus Ebers, und es liegt laut Wb 2, 488.1-2 ein anderes Verb vor. Grundriß IV/1, 319 bietet für die Stelle im Tiermedizinischen Papyrus Kahun keine Übersetzung: "hbhb-behandeln" (vgl. DZA 26.346.750, das unter Wb 2, 488.1-2 hbhb: "(Schmerzen) vertreiben; (Feinde) zurücktreiben" eingeordnet ist). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 730-731, Anm. 1 übersetzt im Haupttext ebenfalls nicht; er gibt in der Anmerkung die Bedeutung "vertreiben" und möchte die Kahun-Stelle kontextuell enger fassen als "einreiben, massieren" (vgl. Bardinet, 481: "tu masseras (?) chaque endroit de son corps avec [...]"). MedWb II, 564 mit Anm. 4 übersetzt hbhb als "durchziehen" und fragt sich, ob das Rind ein- oder abgerieben wird, weil die sk.t-Krankheit mittels "salben" behandelt wird. Westendorf, Handbuch Medizin, 453 hat daher "abreiben (?)". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 57 übernehmen "to rub" ohne Fragezeichen. Westendorf, Grammatik, 208, § 283 versteht hbhb.jn=k als Apodosis von jr mꜣꜣ=j ... (Kol. 61).
12 sk.t: Ist im pHearst bei Menschen eine Krankheit am Kopf (MedWb II, 807). Diese Krankheit wird nirgendwo sonst im erhaltenen Teil des Tiermedizinischen Papyrus Kahun erwähnt, man müsste sie deshalb vielleicht im zerstörten Bereich des Textes (am Anfang) ergänzen.