Papyrus Wien KM 3873 + Papyrus Zagreb 597-2

Metadaten

Alternative Namen
Papyrus Vindob 3873
Aufbewahrungsort
Europa » Österreich » Wien » Kunsthistorisches Museum, Europa » Kroatien » Zagreb » Arheološki muzej u Zagrebu
Erwerbsgeschichte

Der Wiener Papyrus gelangte im Dezember 1821 zusammen mit einer großen Anzahl weiterer ägyptischer Antiken (darunter 3 Mumien, 27 Papyri und ca. 60 Stelen) in das Kunsthistorische Museum in Wien (Meyrat 2014, 264; Vos 1993, 1). Die Stücke gehörten vormals zur Sammlung Antonio Lebolos (zur Person siehe Porter, Antonio Lebolo), der sie Kaiser Franz I. von Österreich-Ungarn verkaufte. Der Handel wurde von E. Burghart in Alexandria abgewickelt (Meyrat 2014, 264; Vos 1993, 1). Nach Angaben im Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien wurde der Papyrus aber ursprünglich in Kairo erworben (Vos 1993, 1, Anm. 5). Bei der Reinventarisierung des Bestands des Wiener Museums in den Jahren 1870–1875 erhielt der Papyrus die Inv.-Nr. 3873 (Satzinger 1984, 31).
Der Papyrus Zagreb 597-2, welcher ein Anschlussstück zum Wiener Papyrus 3873 darstellt, stammt aus der Sammlung des Feldmarschallleutnant Baron Franz von Koller. Die einzelnen Stücke dieser Sammlung wurden nach seinem Tod im Jahre 1826 sukzessive weiter verkauft. Der größte Teil ging dabei – wahrscheinlich im Jahr 1868 – an das Archäologische Museum in Zagreb.
Die ursprünglich zu einer Papyrusrolle gehörigen Fragmente wurden wahrscheinlich im Zuge ihres Verkaufs intentionell geteilt, da auf diese Weise höhere Gewinne erzielt werden konnten (Meyrat 2014, 264).

Herkunft
(unbekannt)

Der Fundkontext des Papyrus ist nicht bekannt, aber die Erwähnung der Apis-Balsamierung im Text suggeriert eine Verortung in Memphis (Sakkara), da sich dort im Serapeum die Begräbnisse der Apis-Stiere finden (Mariette 1857; Vos 1993, 1).

Datierung
(Absolute Datierung: Jahrhunderte) » (Jahrhunderte v.Chr.) » 3. Jhdt. v.Chr., (Absolute Datierung: Jahrhunderte) » (Jahrhunderte v.Chr.) » 4. Jhdt. v.Chr.

W. Spiegelberg (200–100 v. Chr.) und G. Möller (2. Jh. v. Chr.) datieren den Papyrus in das zweite vorchristliche Jahrhundert, also die Ptolemäerzeit. R. L. Vos bestätigt diese Annahme indem er schreibt: "(...) the Demotic of both recto and verso must date from Ptolemaic period. The ductus and the forms of the Hieratic writing are characteristic of that same period: ligatures are lacking and it is often not difficult to recognize the original hieroglyphic sign in the finely outlined characters." Durch die Nennung des Königs Nektanebos und dessen Sohn Tjahepimu auf dem Zagreber Fragment ist ein neuer chronologischer Anhaltspunkt für den Text überliefert. Der im Text erwähnte Tod des Apis-Stieres ereignete sich demnach "during the reign of Nectanebo II. and apparently at the same time as a Persian operation against Egypt, led by the Great King." (Meyrat 2014, 300–301). P. Meyrat rekonstruiert den exakten Todeszeitpunkt in das Jahr 351 v. Chr. Dieses Datum stellt einen terminus ante quem für den Textinhalt dar, seine Niederschrift kann dabei natürlich auch jünger sein.
Der Text auf dem Verso wurde erst nach dem des Recto verfasst. Wieviel Zeit dazwischen liegt kann nicht ausgemacht werden. R. L. Vos gibt an, dass das Verso in die spätere Ptolemäerzeit, vielleicht um 125–75 v. Chr. datieren könnte (Vos 1993, 7).

Textsorte
Inhalt

Der Papyrus umfasst ein technisches Handbuch mit der Anleitung zur Balsamierung eines Apisstieres. Der verloren geglaubte Textanfang konnte von P. Meyrat im Archäologischen Museum Zagreb (Inv.-Nr. 597-2) wiederentdeckt und dem Wiener Fragment eindeutig zugeordnet werden. W. Spiegelberg und R. L. Vos vertreten die Meinung, dass die in Recto 4 geschilderten Zeremonien den Abschluss der Beisetzung des Stieres bilden, da der Stier mumifiziert worden ist. Damit wären lediglich die sich anschließenden Gefäßlisten nicht erhalten. Tatsächlich kann diese Grundannahme nicht zutreffen, wenn man sich die Struktur des Recto genau anschaut. In Recto 1,3 meldet der Vorlesepriester, welche Objekte in dem ššt-Gebäude gebraucht werden. Sie werden aufgezählt (Recto 1,3–2,2). Anschließend folgt eine lange Beschreibung der Handlungen, die mit diesen Objekten tatsächlich im ššt-Gebäude durchgeführt werden (Recto 2,3–4,8). Entsprechend nennt der Ritualleiter in Recto 4,22 die Objekte, die im Sezierraum gebraucht werden. Ihre Aufzählung nimmt den gesamten erhaltenen Rest des Recto ein. In Analogie zum ššt-Gebäude muss man dann aber annehmen, dass die Beschreibung des eigentlichen Gebrauchs dieser Objekte noch folgt, d.h. sämtliche Handlungen im Sezierraum noch durchzuführen sind. Detailbeobachtungen am Text sprechen ebenfalls dafür: die im ššt-Gebäude verwendeten Objekte sind keine endgültigen, sondern nur die des "ersten Tages", so der Sarg des ersten Tages (Recto 1,8), das Brett des ersten Tages (Recto 2,1-2; 3,13), auch das Reinigungszelt am Seeufer ist ebenfalls eines des ersten Tages (Recto 4,12–13) (Quack 1997–1998, 50–51). J. F. Quack schlägt deshalb vor, dass vom Anfang des Textes vermutlich nur eine Seite verloren ist. Sie enthielt wohl die Überschrift des Textes sowie dessen Einleitung, die eine kurze Erwähnung des Todes des Apisstieres umfasste.
Laut W. Spiegelberg und R. L. Vos stellt das Verso des Papyrus ein inhaltliches Duplikat dar. So werden beide Texte als zwei Versionen desselben Inhalts verstanden, wobei die Verso-Version nach R. L. Vos jünger sei, da sie eine fortgeschrittene Balsamierungstechnik nennt. J. F. Quack hingegen meint, dass die Texte auf der Rückseite des Papyrus in keinem Fall parallele Bereiche zu dem Recto aufweisen (Quack 1997–1998, 53).

Ursprünglicher Verwendungskontext

R. L. Vos kommt zu dem Schluss, dass es sich bei dem vorgestellten Papyrus um einen Amulettpapyrus, der auf dem Stier oder in dessen Augenhöhle platziert wurde, handelt (Vos 1993, 223). Seine Annahme basiert auf der Tatsache, dass es sich bei den Wörtern tmmy.t und ṯꜢy-wyt um Amulettpapyri handle. Er knüpft hierbei an eine von D. Meeks durchgeführte Untersuchung zu tmmy.t an (Meeks 1976, 85–96, bes. 95–96). J. F. Quack hingegen führt an, dass Amulettpapyri in Amuelettbehältern getragen wurden. Für die Platzierung von Amulettpapyri in den Augenhöhlen hingegen fände sich keine Parallele. Er klassifiziert den Text als ein Handbuch, mit der Anleitung zum Apis-Balsamierungsritual (Quack 1995, 123, 127–128).

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Das Wiener Fragment hat eine Höhe von 34 cm und eine Länge von 1,92 m. Insgesamt konnten sechs Seiten verifiziert werden, die eine Breite von rund 43 cm aufweisen (Ausnahme erste und letzte Seite, von denen nur noch rund 10 cm erhalten sind). Insgesamt sind 7 Kolumnen auf der Vorderseite des Papyrus erhalten. Durch den relativ breiten Zeilenabstand, die roten Rahmenlinien und Linierungen weist das Textlayout ein hohes Maß an Akkuratesse und Klarheit auf.
Das Fragment aus Zagreb ist 30 cm hoch und zwischen 21 und 22,4 cm breit. Der Papyrus ist grundsätzlich in einem recht guten Erhaltungszustand und bis auf einige Lacunae weitestgehend unbeschädigt. Das erste Drittel der ersten Textkolumne ist nicht überliefert. Insgesamt weist der erhaltene Teil, bestehend aus beiden Fragmenten, x+7 Textkolumnen (Zagreber Fragment und Wiener Fragment sieben Textkolumnen) und 27+x Textzeilen auf. Eine Textkolumne umfasst zwischen 22 und 28 Zeilen und ist um die 19–28,5 cm breit.
Während die Rückseite des Zagreber Fragments unbeschriftet ist, findet sich auf dem Verso des Stücks im Wiener Museum ein in demotisch geschriebener Text. Dieser stammt zwar von einer anderen Schreiberhand als der Vorderseitentext, stellt nach W. Spiegelberg und R. L. Vos aber ein inhaltliches Duplikat dar. So werden beide Texte als zwei Versionen desselben Inhalts verstanden, wobei die Verso-Version nach R. L. Vos jünger sei, da sie eine fortgeschrittene Balsamierungstechnik nennt (Spiegelberg 1920, 5–6; Vos 1993, 13–16, 55, 125, 149; Quack 1997–1998, 50).
Der Papyrus ist von sehr feiner Qualität und besitzt eine mittlere Stärke. Ursprünglich hatte der Papyrus eine hellgelbe Farbe, durch die Patina weist er nun eine hell – bis dunkelbraune Färbung auf.

Schrift
Demotisch, Hieratisch

Der Text ist hauptsächlich in hieratischer Schrift verfasst, weist aber gerade ab der ersten Hälfte des Zagreber Fragments viele Passagen in Demotisch auf. Dabei fällt auf, dass die demotischen Abschnitte gegenüber den hieratischen eine höhere Fehlerquote aufweisen. Dies suggeriert, dass der Schreiber eher im Demotischen trainiert war (Vos 1993, 10–12). R. L. Vos hingegen sieht einen anderen Grund für die Verwendung von sowohl hieratischer als auch demotischer Schrift: "It is namely remarkable that the venerable Hieratic is better represented in those passages of the recto where rituals are described than is Demotic (...). However, in passages of a technical nature Demotic is predominant and has sometimes even completely superseded the Hieratic (...). It was not only a matter of conservatism for the written language that one kept to the tradition of the Hieratic in the ritual parts of the text." (Vos 1993, 13). Neben der für den Haupttext verwendeten schwarzen Tinte, wurden einige Zeichen in rot geschrieben. Die Rubra finden sich ausschließlich auf der Vorderseite des Papyrus.
Schreiber 1 hat den Text des Recto verfasst und weist eine feine und klar lesbare Handschrift auf (Vos 1993, 8–9). Der Verso-Text wurde von einem zweiten Schreiber geschrieben. Dieser legte weniger Wert auf das Layout, verwendete eine schlechtere Binse und machte vor allem bei der Verwendung von Pronomen (Verso I 18,19) zahlreiche Schreibfehler (Vos 1993, 9–10, 13–14). Das die Binse von schlechterer Qualität ist, zeigt sich daran, dass die Schrift kurz nach dem Eintauchen der Binse in die Tinte recht breit und schwarz ist, allerdings sehr rasch verblasst und damit die Schrift schwerer erkennbar macht.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Demotisch
Bearbeitungsgeschichte

Erste Erwähnung des Textes findet sich im Hieroglyphisch-Demotischen Wörterbuch von H. Brugsch (1867–1882). Eine erste Publikation mit fotolithographischen Aufnahmen des Papyrus stammt von E. von Bergmann (1886) und machte den Text erstmals zugänglich für die ägyptologische Gemeinschaft. Die Transliteration mit Textkommentar legte W. Spiegelberg im Jahre 1920 vor, diese basiert allerdings einzig auf den von E. von Bergmann veröffentlichten Aufnahmen. Einen Zugang zum Original hatte er nicht. W. Spiegelberg erkannte aber bereits die Natur des Textes und erstellte erstmals eine Skizze zum Ritualablauf des Apis-Rituals sowie Übersetzungen einiger ausgewählter Textpassagen (Quack 1997–1998, 43). Eine Übersetzung ins Englische von W. Spiegelbergs Arbeit veröffentlichten R. Mond und O. H. Myers (1934) sowie M. el-Amir (1948). Eine Neuedition des Textes lieferte R. L. Vos im Jahre 1993. P. Meyrat gelang es ein zugehöriges Fragment, welches den verlorenen Anfang des Apisrituals umfasst (Kolumne 0) im Archäologischen Museum Zagreb ausfindig zu machen. Die Ergebnisse seiner Untersuchung wurden bereits veröffentlicht.

Editionen

- Meyrat 2014 I: P. Meyrat, Topography-Related Problems in the Apis Embalming Ritual, in: J. F. Quack (Hrsg.), Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit, Orientalische Religionen in der Antike 6 (Tübingen 2014), 247–262.

- Meyrat 2014 II: P. Meyrat, The first Column of the Apis Embalming Ritual. Papyrus Zagreb 597-2, in: J. F. Quack (Hrsg.), Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit, Orientalische Religionen in der Antike 6 (Tübingen 2014), 263–337.

- Quack 1995: J. F. Quack, Zwei Handbücher der Mumifizierung im Balsamierungsritual des Apisstieres, in: Enchoria. Zeitschrift für Demotistik und Koptologie 22, 1995, 123–129.

- Quack 1997–1998: J. F. Quack, Beiträge zum Verständnis des Apisrituals, in: Enchoria. Zeitschrift für Demotistik und Koptologie 24, 1997–1998, 43–53.

- Vos 1993: R. L. Vos, The Apis Embalming Ritual. P. Vindob. 3873, Orientalia Lovaniensia Analecta 50 (Leuven 1993).

Literatur zu den Metadaten

- Bergmann 1886: E. von Bergmann, Hieratische und hieratisch-demotische Texte der Sammlung aegyptischer Alterthümer des Allerhöchsten Kaiserhauses (Wien 1886).

- Brugsch 1867–1882: H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. I–VII. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung die gebräuchlichsten Wörter und Gruppen der Heiligen und der Volks-Sprache und Schrift der alten Ägypter, nebst deren Erklärung in französischer, deutscher und arabischer Sprache und Angabe ihrer Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome (Leipzig 1867–1882).

- el-Amir 1948: M. el-Amir, The σηκος of Apis at Memphis. A Season of Excavations at Mīt Rahīnah in 1941, in: Journal of Egyptian Archaeology 34, 1948, 51–56.

- Mariette 1857: A. F. F. Mariette, Le Sérapéum de Memphis (Paris 1857).

- Meeks 1976: D. Meeks, Notes de Lexicographie (§ 2–4), in: Revue d’Égyptologie 28, 1976, 87–96.

- Mond – Myers 1934: R. Mond – O. H. Myers, The Bucheum. I. The History and Archaeology of the Site, Egypt Exploration Society Memoir 41 (London 1934).

- Porter: B. H. Porter, Antonio Lebolo. His Life and Contributions to Egyptology, http://www.bhporter.com/Porter%20PDF%20Files/Antonio%20Lebolo%20His%20life%20and%20Contributions%20to%20Egyptology.pdf (10.02.2016).

- Satzinger 1984: H. Satzinger, Übersicht über die Papyri der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung in Wien, in: Göttinger Miszellen 75, 1984, 31–35.

- Spiegelberg 1920: W. Spiegelberg, Ein Bruchstück des Bestattungsrituals der Apisstiere (Demot. Pap. Wien Nr. 27), in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 56, 1920, 1–33.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
unbestimmt

Übersetzung und Kommentar

Übersetzung folgt - Translation is forthcoming