Papyrus Ramesseum X

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Papyrus London BM EA 10763 Papyrus Ramesseum 10 TM 380654
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10763

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde 1896 bei den von der British School of Archaeology in Egypt finanzierten und von W. M. Flinders Petrie und J. E. Quibell durchgeführten Grabungen im Ramesseum gefunden. 1956 wurde er zusammen mit einem größeren Konvolut der Ramesseumspapyri von der British School of Archaeology in Egypt und von A. H. Gardiner, dem die Bearbeitung übertragen worden war, an das British Museum in London gestiftet (ausführlich zur Erwerbungs- und Bearbeitungsgeschichte siehe u.a. Leach 2006, 225–227; Gardiner 1955, 1–6).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Ramesseum

Der Papyrus wurde von J. E. Quibell im Jahre 1896 innerhalb des Ramesseums am Fuße eines bereits geplünderten Grabschachts gefunden (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3–4, Taf. 1–3; Parkinson 1991, XI–XIII, XXVI–XXVIII; Parkinson 2009, 139–140). Dieser Grabschacht gehört zu einer Nekropole aus der Zeit des Mittleren Reiches bis zum Anfang der 18. Dynastie (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–117, 127; Parkinson 2009, 139–140), die in der 19. Dynastie durch den Totentempel („Millionenjahrhaus“) Ramses’ II. überbaut wurde. Der Schacht, in dem die Papyri gefunden wurden, liegt laut Quibell unter einem der Ziegelmagazine an der Nordwest-Ecke des Ramesseums (Parkinson 2009, 139–140), unter Magazin 5 auf dem Plan von Quibell (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, Taf. 1), nach heutiger Zählung STI.SA.08. Eine exakte Lokalisierung innerhalb dieses Magazins ist bislang nicht gelungen, da der Fundort auf dem Plan von Quibell nicht eindeutig verzeichnet ist und mehrere Schächte in Betracht kommen (eine vergebliche Suche bei Nelson 2006). Laut einer neu entdeckten Notiz von Newberry aus dem Jahr 1938 (Downing – Parkinson 2016), der bei der Auffindung der Papyri zugegen war, befand sich der Schacht im beschrifteten Korridor des Grabes des Sehetepibre (Porter – Moss 1964, 679), der unter den Magazinräumen 5–7 des Ramesseums nach dem Plan von Quibell läuft, nach heutiger Zählung unter STI.TR bis STI.SA.08. Sollte dies zutreffen (Newberry widerspricht dezidiert Quibell [Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3], der den Papyrus-Schacht nicht mit diesem Grab verbindet), kann der Schacht oder sein Inhalt schwer zum ursprünglichen Grab des Sehetepibre gehört haben, denn Letzteres wird früher datiert als das Papyruskonvolut, d.h. der Priester (ḥm-nṯr) Sehetepibre kann nicht der ursprüngliche Eigentümer der Ramesseumspapyri gewesen sein (Downing – Parkinson 2016, 40–41). Eine neue archäologische Untersuchung des Grabes des Sehetepibre wäre erforderlich, um Klarheit zu bekommen.
Der Papyrus befand sich zusammen mit 23 weiteren Papyri und einem Bündel Schilfrohr in einer Holzkiste (Auflistung der Papyri bei Parkinson 2009, 151–153, Tab. 6.1) auf dem Boden des Schachtes. Die Papyri enthalten medizinische, medico-magische und magische Texte, aber auch literarische Texte (z.B. Beredter Bauer und Sinuhe), liturgische Texte (z.B. Dramatischer Ramesseumspapyrus und Sobek-Hymnus) sowie administrative Texte wie die Semna-Dispatches. Heute ist dieses Papyruskonvolut auf das British Museum in London und das Ägyptische Museum und Papyrussammlung in Berlin verteilt. Das Schilfrohrbündel, bei dem es sich um Rohmaterial für Schreiberbinsen handelt, wird im Manchester Museum aufbewahrt (Inv.-Nr. 1882). Der Verbleib des Holzkastens, der mit weißem Stuck überzogen und mit der Zeichnung eines Schakals dekoriert war (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3), ist unbekannt (z.B. Leach 2006, 225, Anm. 2). Hermann 1957, 113, Anm. 1 erwähnt eine Nachricht von Anthony J. Arkell, dem damaligen „honorary curator“ der Petrie Collection, dass dieser Kasten vermutlich mit den anderen Objekten von Flinders Petrie in die Sammlung des University College London liegen könnte: Flinders Petrie hatte im Jahr 1913 seine Sammlung dem University College London verkauft (https://www.ucl.ac.uk/culture/node/21/about, letzter Zugriff: 03.07.2020), und nachdem sie im 2. Weltkrieg ausgelagert worden war, widmete sich Arkell Anfang der 1950er Jahre dem Auspacken, Katalogisieren und Ausstellen der Objekte (s. Smith 1981, 146). Die Sammlung war daher Hermann noch nicht zugänglich (s. Hermann, a.a.O.) und die Verifizierung dieser Vermutung steht noch aus.
Weiterhin wurden verschiedene magische Gegenstände im Schacht gefunden. Ein Überblick der Fundsituation findet sich bei Geisen 2018, 2–7; eine Auflistung der von Quibell genannten Objekte mit ihren modernen Inventarnummern findet sich ferner auch schon bei Parkinson 1991, XII–XIII und Kemp – Merrillees 1980, 166.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Mittleres Reich » 11. Dynastie (nach der Reichseinigung) bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Zweite Zwischenzeit » 13. Dynastie

Die Datierung des Papyrus basiert zum einen auf der Einordnung des archäologischen Fundkontextes, zum anderen auf text- bzw. konvolutinteren Überlegungen. Die Nekropole, in der das Konvolut gefunden wurde, kann in das Mittlere Reich und die frühe Zweite Zwischenzeit datiert werden (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–116; Parkinson 2009, 71). Über die im Grabschacht gefundenen Objekte ist keine chronologische Eingrenzung möglich, da viele dieser Gegenstände in Bestattungen des späten Mittleren Reiches gut belegt sind, teils sogar bis in die frühe 18. Dynastie fortlaufen (Parkinson 2009, 143–145). Laut Geisen 2018, 7, 10–15 würden Streufunde in der Umgebung sowie die Grabfunde selbst in Kombination mit Informationen aus den Papyri für eine Datierung der Bestattung in die mittlere 13. Dynastie sprechen.
Die Papyri selbst sind unterschiedlichen Alters und erstrecken sich paläographisch (hieratisch) über einen Zeitraum von etwa einem Jahrhundert (Gardiner 1955, 1–2; Parkinson 2009, 149). Einen Terminus post quem für die Zusammenstellung des Konvoluts gibt der Papyrus Ramesseum VI (Sobek-Hymnus) mit der Nennung Amenemhets III. (12. Dynastie, ca. 1818–1773 v. Chr.) sowie das Onomastikon Papyrus Ramesseum D, das ein mit dem Namen Sesostris’ III. (ca. 1837–1818 v. Chr.) gebildetes Toponym aufweist. Die älteste Gruppe bilden mit R. B. Parkinson die kursiv-hieroglyphischen Texte aus der späten 12. Dynastie, zu denen bspw. Papyrus Ramesseum V gehört (Parkinson 2009, 149). Die jüngsten Texte gehören in die späte 13. Dynastie (bis ca. 1630 v. Chr.), da sie dem mathematischen Papyrus Rhind und dem Papyrus Boulaq 18 paläographisch aufgrund der runden Formen und stärkeren Verwendung von Ligaturen nahestehen (Parkinson 2009, 150). Papyrus Ramesseum X gehört anhand der Paläographie und der vertikalen Kolumnenschreibung einer dazwischen einzuordnenden mittleren Gruppe an (Parkinson 2009, 149–150 und 152). Eine Niederschrift des Papyrus Ramesseum III in der späten 12. (bis ca. 1759 v. Chr.) oder frühen 13. Dynastie (ab ca. 1759 v. Chr.) ist daher wahrscheinlich. Laut Parkinson ähnelt die Handschrift von Papyrus Ramesseum X derjenigen von Papyrus Ramesseum A mit der Erzählung des Sinuhe und dem Beredten Bauern.

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

Papyrus Ramesseum X enthält, soweit erhalten, Reste von zwei magischen Sprüchen zum Schutz des Körpers gegen Schlangen.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Fundzusammenhang und die Herkunft aus einem gesicherten archäologischen Kontext erlauben eine detailliertere Betrachtung. Der Papyrus war Bestandteil eines Konvoluts von 24 Papyri und befand sich zusammen mit einem Bündel von 118 Schilfrohren (Schreibbinsen) von je ca. 40 cm Länge in einem Holzkasten. Auf diesem Kasten war das Zeichen eines Schakales zu erkennen, das als Schreibung für den Priestertitel $r.j-sštꜣ$ „Hüter des Geheimnisses“ gelesen werden kann. Es ist daher anzunehmen, dass der Besitzer ein Priester war (Parkinson 2009, 141; Parkinson 1991). Unter den weiteren im Grabschacht gefundenen Objekten befanden sich ein aus einem Kupfergemisch gefertigter Schlangenstab, der mit menschlichen Haaren umwickelt ist (Fitzwilliam Museum, Cambridge, E.63.1896), die Elfenbeinfigur eines Zwerges, der ein Kalb trägt (University of Pennsylvania, Museum of Archaeology and Anthropology, E.13405), sowie diverse magische Objekte im Manchester-Museum (Fayencefigur eines nackten Mädchens (Inv.-Nr. 1787), eine aus Elfenbein gefertigte Klapper (Inv.-Nr. 1796), eine Fayencefigur in Gestalt eines Pavians (Inv.-Nr. 1835) sowie ein Djed-Pfeiler-Amulett (Inv.-Nr. 1838) (Parkinson 2009, 141–145)). Diese Utensilien stellen nach A. H. Gardiner „the professional outfit of a magician and medical practitioner“ (Gardiner 1955, 1) dar. Dazu passt, dass die Mehrheit der Papyri (15 der 24 Papyri) medizinische, medico-magische oder magische Inhalte aufweisen. Der Inhaber war demnach vermutlich ein Arzt und Magier, der auch Priesterfunktionen innehatte, oder umgekehrt ein Priester, der auch als Magier und Arzt agierte (Gnirs 2009, 128–156; Morenz 1996, 144–146; Geisen 2018, 15–29, Meyrat 2019, 196–199).
Das differierende Alter der Papyri und die verschiedenen Arten von Texten (medizinisch/magisch, literarisch, liturgisch, administrativ) lassen vermuten, dass die Papyri über mehrere Generationen gesammelt und vererbt wurden, bis der letzte Eigentümer sie als Grabbeigabe erhielt (Parkinson 2009, 149). Die administrativen Angaben auf dem Verso von Papyrus Ramesseum III und Papyrus Ramesseum IV zeigen, dass eine sekundäre wirtschaftliche Nutzung dieser medizinischen Papyri vorliegt, was wiederum nahelegt, dass die Papyri – zumindest in Teilen – aus verschiedenen Quellen zusammengetragen wurden und die Identifizierung des letzten Inhabers als Arzt daher nicht zwingend notwendig ist.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus ist, wie auch die anderen Ramesseumspapyri, aufgrund der Lagerung in der feuchten Umgebung des Grabschachts in einem schlechten und fragmentarischen Zustand (Leach 2006, 227). Erhalten sind zwei größere Fragmente, die auf der Vorderseite Reste von je einer Kolumne tragen, sowie 91 kleinere Fragmente, verteilt über vier Glasrahmen. Das Fragment mit der zweiten Kolumne sowie einige der kleineren Fragmente tragen auch Zeichenreste bzw. Wortreste auf der Rückseite (vgl. Parkinson 2019, 153; fragend als „continuation oft text (?)“ deklariert; s. dazu Frame 4, Frame 5 und Frame 6). Zur Beschriftung der Rückseite wurde der Papyrus um die vertikale Achse gedreht: Die Oberkante des Rectos ist auch die Oberkante des Versos.
Die Positionierung der beiden großen Fragmente zueinander ist unsicher: Üblicherweise wird seit H. Ibschers Montage der Fragmente Anfang des 20. Jh. angenommen, dass es sich um zwei aufeinanderfolgende Kolumnen handelt, wobei der Spruch der ersten Kolumne auf der zweiten zum Abschluss kommt. Es ist aber immerhin darauf hinzuweisen, dass in dem Fall zwischen beiden Kolumnen ein sehr großer Kolumnenzwischenraum von 4,5 cm liegt – gegenüber der Breite der ersten Kolumne von ca. 17 cm und derjenigen der zweiten Kolumne von ca. 19 + x cm entspricht dieser Zwischenraum immerhin etwa einem Fünftel bis einem Viertel Kolumnenbreite. Hinzu kommt, dass im Rahmen mit Kolumne 1, etwa auf Höhe von Zeile 1,3, in diesem großen Zwischenraum zwei winzige schwarze Tintenspuren an der Abbruchkante erhalten sind, die aufgrund ihrer Position nicht zu Kolumne 2 gehören können, aber auch nicht den Rest einer ansonsten komplett verlorenen Kolumne zwischen Kolumne „1“ und „2“ bilden können. Eine genaue Überprüfung dieser winzigen Spuren, des Faserverlaufs und des Verhältnisses der beiden Kolumnen zueinander müsste am Original vorgenommen werden.
Die ursprünglichen Abmessungen des Papyrus lassen sich aufgrund des fragmentierten Zustandes nicht bestimmen. Meyrat 2019, 80 gibt die Breite (scil.: der erhaltenen Fragmente) mit 38 cm an; hinzu kommen noch die zahlreichen kleinen Fragmente, die zu weiteren, verlorenen Kolumnen gehören. Die Höhe der Fragmente beträgt etwa 10,5 cm (Meyrat 2019, 80) bis 11 cm (Parkinson 2009, 153); Parkinson schätzt die ursprüngliche Höhe auf 13 cm, also Halbformat. Damit dürfte der Papyrus in der Höhe nahezu vollständig sein. Der obere Papyrusrand ist erhalten, und der obere Seitenrand ist durch eine horizontale, durchgezogene schwarze Linie markiert. Erhalten sind auf beiden großen Fragmenten jeweils acht Zeilen, und die Übersetzungen von Gardiner 1955, 13, Stegbauer 2015 [= 2. Auflage 2019], 215 und Meyrat 2019, 81, suggerieren, dass Zeile 1,8 tatsächlich die letzte der Seite war. Allerdings schreibt Gardiner, a.a.O.: „There is no means of telling whether any lines are lost at the bottom.“ Die Parallelen, die Altenmüller 1979, 8–9 synoptisch zusammenstellt, helfen bei der Entscheidung nicht weiter, da sie nicht soweit erhalten sind oder am Ende voneinander abweichen.

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in waagerechten Zeilen geschrieben; wie im Hieratischen üblich, von rechts nach links. Zeile 1,1 mit der Überschrift des ersten erhaltenen Spruches sowie Zeile 2,1–2 mit der Nachschrift dieses Spruches (?) sind rot geschrieben. Reste zweier weiterer Rubra sind in der ersten erhaltenen Kolumne vorhanden; diese könnten vielleicht zu Verwendungsanweisungen gehören, die in magischen Texten ebenfalls rot geschrieben sein können.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Die erhaltenen Satzkonstruktionen sprechen, sofern sie überhaupt aussagekräftig sind, für Mittelägyptisch.

Bearbeitungsgeschichte

Die Bearbeitung der Papyri sollte zunächst durch F. Ll. Griffith erfolgen, wurde dann aber an P. Newberry übergeben, der erste konservatorische Maßnahmen durchführte und erste Abschriften anfertigte (Gardiner 1955, 2; Leach 2006, 226). Auf Vermittlung A. H. Gardiners wurde die Restaurierung dann an H. Ibscher (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin) übertragen, der sie restaurierte, ordnete und rahmte. Da P. Newberry kein weiteres Interesse an der philologischen Bearbeitung hatte, gingen die Papyri schließlich in den Privatbesitz von A. H. Gardiner über, den W. M. Flinders Petrie als geeignet für die Veröffentlichung ansah. A. H. Gardiner schreibt dazu: „realizing, that the cost of conservation and publication would be considerable, Petrie himself suggested that if I acquitted myself of both obligations, I could regard the papyri as my own and dispose of them as I thought best“ (Gardiner 1955, 2). Um die aufwendigen Konservierungsmaßnahmen bezahlen zu können, verkaufte A. H. Gardiner 1910 Papyrus Ramesseum D mit dem Onomastikon an das Berliner Ägyptische Museum. Den Papyrus Ramesseum A, der die Geschichte des Beredten Bauern und den Sinuhe enthält, hatte A. H. Gardiner bereits 1906 dem Berliner Ägyptischen Museum überlassen – unter der Bedingung, dass das Museum die Kosten für die Publikation tragen würde (Leach 2006, 226).
Zwischen 1907 und 1937 wurden mehrere der Ramesseumspapyri, darunter auch Papyrus Ramesseum X, verglast und dazu auf Gelatine und Zellulosenitrat fixiert; im Jahr 1992 wurde festgestellt, dass sich die Gelatine im unteren Bereich des Rahmens verfärbt hatte; und 2003 wurde festgestellt, dass der Papyrus ausgebleicht war (Leach 2006, 233 und 239).
Während die medizinischen Papyri Ramesseum III–V mehrfach übersetzt wurden, blieben die „magischen“ Papyri, darunter auch Papyrus Ramesseum X, relativ unbeachtet. Eine erste Übersetzung der beiden besser erhaltenen Kolumnen legte Gardiner selbst vor (Gardiner 1955, 13); eine weitere Übersetzung erfolgte von Stegbauer 2015 [= 2. Auflage 2019], 203–204 und 214–215. Eine Gesamtbearbeitung der magischen Papyri, auch von Ramesseum X, legte Meyrat 2019, spez. 80–83, 330–331, vor. Altenmüller 1979, liefert eine synoptische Übersetzung und Besprechung des Spruches der ersten Kolumne.
Die kleineren Fragmente sind aufgrund ihres wenig aussagekräftigen Zustandes aus diesen Studien außenvorgeblieben (vgl. Meyrat 2019, 83; von Gardiner nicht einmal erwähnt), die wenigen Wortreste des Versos sind bislang einzig von Parkinson 2019 [bzw. schon 2017 auf der inzwischen nicht mehr zugänglichen Seite https://research.britishmuseum.org/research/publications/online_research_catalogues/rp/the_ramesseum_papyri.aspx (zuletzt geprüft am 06.04.2020)] erwähnt worden.

Editionen

- Altenmüller 1979: H. Altenmüller, Ein Zauberspruch zum „Schutz des Leibes“, in: Göttinger Miszellen 33, 1979, 7–12.

- Gardiner 1955: A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri (Oxford 1955), 13, Taf. 43–43A.

- Meyrat, 2019: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 80–83, 330–331.

- Stegbauer 2015: K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 203–204 und 214–215.

Literatur zu den Metadaten

- Barns 1956: J. W. B. Barns, Five Ramesseum Papyri (Oxford 1956).

- Downing – Parkinson 2016: M. Downing – R. B. Parkinson, The Tomb of the Ramesseum Papyri in the Newberry Papers, The Griffith Institute Oxford, in: British Museum Studies in Ancient Egypt and Sudan 23, 2016, 35–45.

- Geisen 2018: C. Geisen, A Commemoration Ritual for Senwosret I. P. BM EA 10610.1-5/P. Ramesseum B (Ramesseum Dramatic Papyrus), Yale Egyptological Studies 11 (New Haven, CT 2018).

- Gnirs 2009: A. M. Gnirs, Nilpferdstoßzähne und Schlangenstäbe. Zu den magischen Geräten des so genannten Ramesseumsfundes, in: D. Kessler, et al. (Hrsg.), Texte – Theben – Tonfragmente. Festschrift für Günter Burkard, Ägypten und Altes Testament 76 (Wiesbaden 2009), 128–156.

- Hermann 1957: A. Hermann, Buchillustrationen auf ägyptischen Bücherkästen, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 15, 1957, 112–119.

- Kemp – Merrillees 1980: B. J. Kemp – R. S. Merrillees, Minoan Pottery in Second Millennium Egypt, Sonderschrift, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 7 (Mainz 1980).

- Leach 2006: B. Leach, A Conservation History of the Ramesseum Papyri, in: Journal of Egyptian Archaeology 92, 2006, 225–240.

- Leblanc 2005: C. Leblanc, Recherches et travaux réalisés au Ramesseum durant la mission d’octobre 2004 à janvier 2005, in: Memnonia 16, 2005, 19–45.

- Morenz 1996: L. D. Morenz, Beiträge zur Schriftlichkeitskultur im Mittleren Reich und in der 2. Zwischenzeit, Ägypten und Altes Testament 29 (Wiesbaden 1996).

- Nelson 2006: M. Nelson, La tombe d’une nourrice royale du début de la XVIIIème dynastie découverte au Ramesseum. Concession funéraire STI.Sa05/pu01, in: Memnonia 17, 2006, 115–129.

- Parkinson 1991: R. B. Parkinson, The Tale of the Eloquent Peasant (Oxford 1991).

- Parkinson 2009: R. B. Parkinson, Reading Ancient Egyptian Poetry. Among Other Histories (Chichester, Malden, MA 2009).

- Porter – Moss 1964: B. Porter – R. L. B. Moss, Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings. Vol. I. The Theban Necropolis. Part 2: Royal Tombs and Smaller Cemeteries (Oxford 1964).

- Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898: J. E. Quibell – R. F. E. Paget – A. A. Pirie [Quibell], The Ramesseum / The Tomb of Ptah-Hetep, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2] (London 1898).

- Smith 1981: H. S. Smith, The Reverend Dr Anthony J. Arkell, in: Journal of Egyptian Archaeology 67, 1981, 143–148.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Mitwirkende
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Spruch x+1

Übersetzung: K. Stegbauer, Kommentare: L. Popko

[1,1] [Spruch vor?] dem (Amulett?)1 "Schutz des Leibes" vor jedem Schlangenmännchen und vor jedem Schlangenweibchen:
[Mein Schutz] ist der Schutz des Himmels. Mein Schutz ist der Schutz der Erde. [Mein Schutz] ist der Schutz [des Ra] im Himmel.
Wahrlich, ich habe die Feste der Uto verkündet. Wahrlich, ich habe den Schenkel gegessen. Wahrlich, ich habe das Fleischstück ausgelöst(?)2, [1,5] [bevor] die Menschen geboren waren, bevor die Götter gezeugt waren, bevor das Knotenamulett des Gebärens3 hinabgestiegen war, um die Bas von On aufzurichten.
Als Horus bin ich gelaufen. Als Seth bin ich gerannt. Als Upuaut habe ich mein(e) Bein(e) ausgestreckt. Als dieser bin [ich eingetreten]. Als jener bin [ich] herausgekommen.
Ich bin Horus-Biti.
[2,1] Worte zu sprechen über einem [Streifen(?)] vom rʾ-jꜣꜣ.t-Gewebe,4 werde zu zwei Knoten gemacht, werde an die rechte Hand des Patienten gegeben. Ein Schutz des Leibes ist das vor jedem Schlangenmännchen und vor jedem Schlangenweibchen.

1 (L. Popko) rʾ n-ḥr mk.t-ḥꜥ.w: Die Parallele in pRamesseum XVI scheint nicht mit rʾ n zu beginnen, sondern mit rʾ n-ḥr (vgl. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 351), was Meyrat, a.a.O., 330 und 80-81 auch für den zerstörten Beginn von pRamesseum X übernimmt. Tatsächlich scheint die Lücke etwas zu lang für bloßes rʾ n. Die magische Statue Ramses’ III. beginnt dagegen mit rʾ n, was H. Altenmüller, Ein Zauberspruch zum „Schutz des Leibes“, in: Göttinger Miszellen 33, 1979, 7-12, hier 8 dann auch für pRamesseum X (und auch pRamesseum XVI) annimmt. Direkt anschließend geht Meyrat, a.a.O., 81-82 davon aus, dass mit mk.t-ḥꜥ.w konkret das Amulett gemeint ist und nicht ein abstrakter „Schutz des Leibes“ (Letzteres die Annahme von K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 214).

2 (L. Popko) ḏsr: Ergänzungsvorschlag mit A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 13 mit Anm. 8 und Taf. 43A; übernommen von P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 330 und 82-83 (als unsicher vermerkt S. 126, Anm. 588). Die Parallele in pRamesseum XVI hat das Verb ḫti̯: „zurücktreiben; zurückweichen“, das H. Altenmüller, Ein Zauberspruch zum „Schutz des Leibes“, in: Göttinger Miszellen 33, 1979, 7-12, hier 8 und K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 214 auch für pRamesseum X übernehmen. Die Zeichenverteilung spricht jedoch eher gegen ḫti̯, denn bei der hieratischen Gruppe ḫt steht das t gewöhnlich neben der Plazenta und unter dem Ast, nicht, wie es hier der Fall wäre, dahinter.

3 (L. Popko) ṯ(ꜣ)z n(.j) msi̯.t: Unsicher, was damit gemeint ist. Gardiner, Ramesseum Papyri, 13 übersetzt kommentarlos mit „mandate of birth“; ähnlich P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 81: „l’ordre de la naissance“. H. Altenmüller, Ein Zauberspruch zum „Schutz des Leibes“, in: Göttinger Miszellen 33, 1979, 7-12, hier 1979, 10, Anm. d weist darauf hin, dass in dieser Passage eine urzeitliche Situation geschildert sei (so auch Meyrat, a.a.O., 128 zur Parallele pRamesseum XVI) und übersetzt (S. 7) mit „Befehl der Geburt“ (d.h.: „bevor der Befehl der Geburt herabgekommen ist“). Zu dieser Interpretation passt, dass die späteren Parallelen auf der Statue Kairo JE 69771 (Zeit Ramses’ III.) und der Stele Kairo JE 37508 (19. Dynastie oder Spätzeit) die Passage n hꜣi̯.t ṯ(ꜣ)z n(.j) msi̯.t r sṯsi̯.t bꜣ.w-Jwn.w ersetzen durch nn ḫpr ms.w m tꜣ (pn) n(n) ṯs n bꜣ.w-Jwn.w: „ohne dass es ein Entstehen von Kindern in d(ies)em Lande gäbe, (und) ohne dass für (?) die Ba-Seelen von Heliopolis ‚zusammengesetzt‘ (d.h. geschaffen) würde“. (Etwas anders É. Drioton, Une statue prophylactique de Ramsès III, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 39, 1939, 57-89, hier 75 in seiner Übersetzung der Statue Ramses’ III., der aber die Parallelelen noch nicht kannte und nur einen kaputten Kontext vorliegen hatte: „Il ne se produisait plus d’enfants dans le pays, parce que les Esprits d’Héliopolis ne créaient plus.“) K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 214 denkt bei ṯ(ꜣ)z n(.j) msi̯.t konkret an „das Knotenamulett des Gebärens“. Das geht allerdings nur, wenn man das Wort ṯꜣz: „Knoten“ (R. van der Molen, A Hieroglyphic Dictionary of Egyptian Coffin Texts, Probleme der Ägyptologie 15 (Leiden 2000), 770-771) ansetzt, denn das üblichere Wort für „Amulett“ ist feminin (Wb 5, 399.4-11), so dass in diesem mittelägyptischen Text die Schreibung ṯ(ꜣ)z.t n.t msi̯.t zu erwarten wäre. Noch etwas anders J. Kyffin, „A True Secret of the House of Life“. Prosody, Intertext and Performance in Magical Texts, in: F. Hagen, et al. (Hrsg.), Narratives of Egypt and the Ancient Near East. Literary and Linguistic Approaches, Orientalia Lovaniensia Analecta 189 (Leuven 2011), 225-255, hier 239 und 242, die an „the creative word“ denkt.

4 (L. Popko) ꜥꜣ.t n.t rʾ-jꜣꜣ.t: Das erste Wort ist partiell zerstört. A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 43A ergänzt zu einem Wort s.t, das er a.a.O., 13 mit „a strip(?)“ (of cloth) übersetzt. An welches Wort er dachte, ist unklar; möglicherweise hat er aufgrund zahlreicher ähnlich formulierter Anweisungen in anderen magischen Texten geschlossen, dass hier ein Wort für Stoffstreifen vorliegen müsse. H. Altenmüller, Ein Zauberspruch zum „Schutz des Leibes“, in: Göttinger Miszellen 33, 1979, 7-12, hier 9-10 hat die fragliche Lesung des ersten Zeichens als Türriegel (z) übernommen, vermutet darin aber eine Bezeichnung für ein „(Amulett (?))“ (die Klammersetzung scheint vielleicht eher die Unsicherheit der Übersetzung anzuzeigen als den Fakt, dass es partiell zerstört ist). Auch K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 215 übernimmt Gardiners Lesung (als s[…]), übersetzt aber als „Faden“ und nicht als „Streifen“ o.ä. Dagegen hat J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348 (Leiden 1971), 59, Anm. 66 (vgl. ferner 57, Anm. 56) vorgeschlagen, die Wortreste zu dem Wort ꜥꜣ.t: „Leinen, Leinengewebe“ (Wb 1, 166.6) zu ergänzen. Diesem Vorschlag folgt explizit P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 81 und 83 mit dem Kommentar zur Stelle; vgl. auch seine Transliteration S. 330. Den Klassifikator des Wortes, zu dem Gardiner noch schreibt: „The sign below to left is a puzzle, not 𓍢 nor yet 𓏤“, transliteriert er als Gardiner Sign-list V1.
Auch die Worte und jꜣ werden unterschiedlich interpretiert: Die genaue Deutung Gardiners ist unklar; die beiden Wörter verbergen sich in seiner Übersetzung als „cloth“. Altenmüller scheint bezüglich jꜣ eine Verlesung als jtjw-Stoff im Sinn gehabt zu haben; er verweist hierfür auf E. Edel, Beiträge zum ägyptischen Lexikon VI. Die Stoffbezeichnungen in den Kleiderlisten des Alten Reiches, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 102, 1975, 13-30, hier 24f., der diesen jtjw-Stoff inklusive seine Schreibvarianten bespricht (ohne dass Altenmüller explizit darauf hinweist, scheint es tatsächlich Verschreibungen als jꜣ zu geben, vgl. Edel, a.a.O., 21, Beleg Nr. 2). Was Altenmüller aus dem in pRamesseum X macht, ist unklar – es findet jedenfalls kein Äquivalent in seiner Übersetzung. Stegbauer, die in ihrer grammatischen Interpretation des Spruches im Wesentlichen Altenmüller folgt (vgl. 213, Anm. 112), denkt bei an das Wort „Rand (eines Gewässers)“ (Wb 2, 392.10) und übersetzt (S. 215): „Saum eines jtjw-Stoffes“. Auch Borghouts, a.a.O. denkt bei an das Wort für „Rand“, vermutet aber in rʾ jꜣ eine Schreibvariante des rʾ-jꜣꜣ.t-Gewebes (Wb 2, 393.13, H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 515). Diese Anweisung wäre damit eine direkte Parallele zu einem Spruch in pmed. London (pBM EA 10059, Spruch 30 = alt 42), um Blutungen bei einer Frau zu stoppen: Darin soll dieser Spruch über ṯꜣz.t 2 m ꜥꜣ.t n.t rʾ-jꜣꜣ.t gesprochen werden; und dieser Spruch soll dann in die Vulva der Frau eingeführt weden. Borghouts’ Deutung folgt erneut Meyrat, der die gesamte Phrase ꜥꜣ.t n.t rʾ-jꜣ(ꜣ.t) mit „bandelette de filet“ übersetzt. C. Leitz, Magical and Medical Papyri of the New Kingdom, Hieratic Papyri in the British Museum 7 (London 1999), 69-70 äußert sich nicht weiter zur Identität dieses Materials, sondern nennt es nur „rꜣ-jꜣꜣ.t-weave“. In Anm. 177 verweist er auf Borghouts, wird sich in der lexikographischen Interpretation also wohl ebenfalls ihm anschließen. Weitere Belege v.a. aus ptolemäischen Texten nennt D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 125 (Le Caire 2006), 95, Anm. 254. Er entscheidet sich für eine Lesung als rʾ-jꜣd.t, die in ptolemäischen Texten belegt ist; vgl. auch P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 571. Damit bezieht er sich nicht zuletzt auf J. Vandier, Le Papyrus Jumilhac (Paris 1961), 164, Anm. 215, der dieses rʾ-jꜣꜣ.t mit jꜣd.t: „Netz“ (Wb 1, 35.6) verbindet.

Spruch x+2

Übersetzung: K. Stegbauer, Kommentare: L. Popko

Böses, Böses ist nach oben (gerichtet)! Man (?) [...] aus mir! [---] geben beim Suchen(???)1 [---] ???2 [---] (Göttin) [NN] zu/für(?) [---] [2,5] Re ist im3 [...] für dein Gesicht. Hüte dich, Djudju4! Sohn der Uto, bewache die Flammeninsel! Handelst du, um zu veranlassen, daß ich kenne [...]? Seth ist am Leben!5
Beiße mich nicht! Ich bin Re!
Schädige mich nicht! Ich bin Geb! Spritz dein Gift nicht in mich!
Ich bin Horus, der Vorderste von Letopolis!

[---] [---] [---]6

1 (L. Popko) Satzgrenzen unklar. In den beiden Dochten im hinteren Teil der Zeile vermutet P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 81 das Verb ḥjḥj: „suchen“ und in dem m davor den negierten Imperativ: „ne cherche pas …“. Die danach noch erhaltenen Zeichenreste ergänzt er zu dem sitzenden Seth-Tier; und obwohl er a.a.O., 331 danach noch weitere Zerstörungen angibt, schließt er in seiner Übersetzung das n, mit dem die folgende Zeile beginnt, direkt daran an: „ne cherche pas […] Seth pour […]“ (NB: Meyrats Seth-Tier folgt aber so nahe auf die beiden Dochte, dass man sich fragt, ob dazwischen wirklich etwas gefehlt haben kann, oder ob man nicht besser „ne cherche pas Seth pour“ übersetzen könnte). Meyrats Interpretation wird allerdings durch das mögliche ḏi̯.t vor m verkompliziert: Vor diesem ḏi̯.t ist eine kurze Lücke von maximal drei Schreibgruppen Länge, also so klein, dass sie kaum mehr als ein oder maximal zwei Wörter enthalten haben kann. Wiederum vor der Lücke ist ein jm=j deutlich erkennbar. Als Adverbiale wird diese am Ende eines Satzes oder Teilsatzes gestanden haben, so dass man annehmen muss, dass mit der Lücke eine neue syntaktische Einheit begann. Doch was kann hier gestanden haben, das kurz genug ist und sinnvoll auf ein ḏi̯.t enden kann?

2 (L. Popko) Etwa in der Mitte der Zeile ist noch ein hieratischer Geier erhalten. Die Zeichenspuren davor ergänzt A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), Taf. 43A zu nr.t. Ob er allerdings an das Wort für „Geier“ dachte oder bspw. an eine Schreibung für nr.w: „Schrecken“, ist unklar. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 331 scheint Gardiners Ergänzung anzuzweifeln, gibt jedenfalls nur den Geier selbst wieder; in seiner Transkription auf S. 81 setzt er an dieser Stelle nur ein Fragezeichen.

3 (L. Popko) K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 203 beginnt mit der Zeile einen neuen Satz und deutet m nach dem Gottesnamen als Präposition: „Re ist im […]“. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 81 geht wieder davon aus, dass m hier der negative Imperativ ist, und lässt mit dem Gottesnamen den vorherigen, ansonsten völlig zerstörten, Satz enden: „[…] Rê, ne […]“.

4 (L. Popko) Ḏwḏw: Ergänzung mit P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 331 und 81, basierend auf der Parallele des Spruches in pRamesseum XVI, 10,3.

5 (L. Popko) Stš m ꜥnḫ: Anders als K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015 [= 2. Auflage 2019]), 203 interpretiert P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 81 den Beginn von Zeile 2,7 nicht als einfachen Adverbialsatz, sondern als Satzfragment: „[…] de Seth en vie“.

6 (L. Popko) 91 weitere, kleine Fragmente mit Wortresten auf Vorder- und tlw. Rückseite. Zu diesen Fragmenten s. hier (letzter Zugriff: 29.11.2021). Auf den kleineren Fragmenten sind fast überall Wortreste erhalten, ohne dass sie sinnvoll ergänzt werden können. In Frame 5 ist ein Fragment mit einem senkrechten(?) Rubrum vorhanden (untere Reihe, zweites von links). Ein weiteres Fragment im selben Rahmen (obere Reihe, zweites von rechts) scheint der Rest eines waagerechten Rubrums vorhanden zu sein.

Rückseite von Kolumne 2

[---] [---] [---]1

1 (L. Popko) Wortreste auf der Rückseite von Kolumne 2. Ein Foto (auf dem Kopf stehend) findet sich hier. Auf dem Verso sind Zeichenreste an drei verschiedenen Positionen zu erkennen:
(1) Am rechten Papyrusrand sind die Reste, vielleicht die Enden, von sieben waagerechten Zeilen erhalten. Die Zeichenreste lassen sich nicht deuten, geschweige denn ergänzen. Zu den wenigen klareren Zeichen gehören diejenigen in der 2. Zeile: Dort könnte auf ein angeschnittenes r oder d über einem unklaren Zeichen (ob ein f?) ein t folgen; darauf vielleicht noch ein weitere t über einem anderen Zeichen.
(2) In der Mitte des Fragments sind Reste von acht Zeilen(?) in Gestalt eines schmalen, senkrechten Streifens erhalten. Da rechts und links dieses Streifens keine Reste erhalten sind, wirken sie auf den ersten Moment wie eine vereinzelte senkrechte Textkolumne, doch kann den Wortresten, senkrecht gelesen, kein Sinn abgewonnen werden: In der zweiten Zeile sind n über t erkennbar – aber vielleicht kein n.tj, wozu die Reste des folgenden Zeichens nicht passen; das erste Zeichen in der nächsten Zeile wirkt wie eine sw-Binse; aber das anschließende Zeichen scheint kein komplementierendes w zu sein. Wiederum darunter steht m pꜣ, gefolgt von einem weiteren pꜣ (oder ist es zꜣ?) in der nächsten Zeile. In der anschließenden Zeile steht vermutlich das Wort mj.tt: „Gleiches“ o.ä. In der vorletzten Zeile ist vielleicht der Hausgrundriss (h) erhalten, und in der letzten Zeile u.U., ein s.
(3) In der linken Hälfte des Fragments sind mehrere kleinere Tintenreste hier und da erhalten. Bei ihnen könnte es sich statt Zeichenresten des Versos aber auch um durchgedrückte Tinte von Zeichen der Vorderseite handeln.