Papyrus Chester Beatty VII

Metadaten

Schlagwörter
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10687

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus Chester Beatty VII gehörte zuerst zur Papyrussammlung des amerikanischen Großindustriellen Alfred Chester Beatty (1875–1968), der die Papyri II–XIX im Jahre 1930 dem British Museum in London schenkte (Hall 1930, 46–47), während er den Papyrus Chester Beatty I in der Chester Beatty Library in Dublin unterbrachte.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Die genauen Erwerbsumstände sowie der originale Fundzusammenhang des Papyrus sind ungewiss. G. Posener gibt an, dass die 19 Chester-Beatty-Papyri mit dem Fund von 17 (?) Papyri aus Deir el-Medineh zu vergesellschaften sind, die im Jahre 1928 von B. Bruyère in einem schmalen, trapezförmigen Bereich mit gestampftem Boden zwischen dem Gewölbe einer Grabkapelle und dem Fundament einer Grabpyramide in Deir el-Medineh entdeckt wurden: „Il est permis de dire à présent que la découverte dépassa en importance les papyrus recueillis par le fouilleur le 20 février 1928. (...) On saura plus tard que les papyrus Chester Beatty proviennent de la même trouvaille.“ (Posener, in: Černý 1978, VIII; Plan des Fundorts: Bruyère 1929, Plan 1: unten rechts, zwischen den Schächten P.1165 und P.1169). Darüber hinaus verweist er auf den Eintrag in B. Bruyères Grabungstagebuch vom 21. Februar 1928, in dem es heißt, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass er von drei Arbeitern bestohlen wurde. Der Papyrus Chester Beatty VII ging demnach möglicherweise als Diebesgut in den Antikenhandel, wo er von A. Chester Beatty erworben wurde (Černý 1978, VIII). Zu dem Papyrusfund scheinen, abgesehen von den 19 Chester-Beatty-Papyri und den 17 von J. Černý gemeinsam veröffentlichten Deir-el-Medineh-Papyri (für die wenigsten der 17 Papyri liegen genaue Fundbeschreibungen vor), auch zwei Naunachte-Papyri in Kairo zu gehören, eventuell noch zwei Naunachte-Papyri in Oxford sowie ein Genfer Papyrus (P. Geneva MAH 15274), also insgesamt mindestens 40 Papyri (Pestman 1982, 155–172). Falls dies stimmt, wurden also alle Papyri im oberirdischen Bereich einer Grabanlage gefunden, dessen oder deren Besitzer bei der Grabung nicht bestimmt werden konnte(n). P. W. Pestman ermittelte die aufeinanderfolgenden Eigentümer der Papyri als Ken-her-chepesch-ef den Älteren, seine Frau Naunachte und ihre Söhne aus zweiter Ehe, Amun-nacht und Pa-maa-nacht-ef. Möglicherweise ist einer der Papyri (Papyrus Chester Beatty IX) irgendwann nass geworden, entrollt und nach der Trocknung wieder aufgerollt worden (Gardiner 1935 I, 78). Y. Koenig verweist auf den Brief Papyrus BM EA 10326 (= LRL, Nr. 9), in dem nassgeregnete Papyri inspiziert und später in einem Grab mit oberirdischen Räumen deponiert wurden, und er erkennt Analogien zwischen den dort geschilderten Vorgängen und dem Fundzusammenhang des Fundes von B. Bruyère von 1928 (Koenig 1981, 41–43).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Die Datierung beruht auf paläographischen Kriterien. Das gesamte Recto und die ersten sechs Seiten des Verso stammen von demselben Schreiber, der ein „elegant book“ geschrieben habe, „doubtless (...) in the reign of Ramses II“ (ca. 1279–1213 v. Chr.) (Gardiner 1935 I, 55). Aus unbekannten Gründen unterbrach der Schreiber seinen Text am Ende der 6. Versokolumne mitten im Satz. In der 20. Dynastie habe ein „clumsy scribe“ den verbliebenen freien Raum auf dem Verso für weitere magische Sprüche verwendet.

Textsorte
magischer Spruch
Inhalt

Papyrus Chester Beatty VII ist eine Sammelhandschrift, die auf der Vorderseite und den ersten sechs Kolumnen der Rückseite verschiedene magische Sprüche zur Abwehr von Skorpionstichen enthält.

Etwas später ist der verbliebene Raum der Rückseite mit zwei weiteren magischen Sprüchen beschrieben worden. Der erste ist ein magischer Spruch gegen srf(.t), eine Hautentzündung. (Teil-)Parallelen dazu finden sich auf den Amulettpapyri DeM 36 und DeM 42. Als Hilfsmittel gegen dieses Leiden werden die „Herren der Ewigkeit“, womit eine Göttergruppe gemeint ist, sowie die „Vögel im Himmel“ angerufen, dem „Todkranken“ beizustehen. Diese Bezeichnung zeigt, dass die entsprechende Entzündung ernster Natur ist, zumindest in diesem speziellen Fall. Es schließt direkt eine Götterbedrohung an; genau genommen werden darin aber nicht die angeredeten Untoten/Wiedergänger bedroht, bei denen es sich um die angedachten Verursacher des Leidens handeln wird, sondern indirekt die zuvor angeredeten Götter, um sie zum Handeln gegen die Krankheitsverursacher zu bewegen. Dazu wird ihnen aufgezeigt, dass eine ausbleibende Hilfe auch ausbleibende Kulthandlungen zur Folge haben kann oder sogar schon hat, was wiederum zu kosmischen Katastrophen, wie bspw. einem ausbleibenden Sonnenaufgang, zur Folge haben kann. S. dazu Raffel 2019, 948–950 mit älterer Literatur. Abschließend findet sich eine Rezitationsanweisung inklusive der Anweisung, ein Amulett mit Zeichnungen verschiedener Gottheiten anzufertigen, bei denen es sich u.a. wohl um die angesprochenen Herren der Ewigkeit (Thot, Osiris, der vergöttlichte Amenhotep I.) und die Vögel im Himmel (der Rechyt-Vogel) handelt. Der falkenköpfige Gott und das Nilpferd sind Horus und Seth, auf dessen mythischen Kampf gegeneinander in der Zeichnung hingewiesen wird.

Der magische Spruch gegen das rmn.t-Leiden ist ungleich zerstörter, vom Aufbau her aber vergleichbar: Angerufen ist dieses Mal eine Gruppe von 77 Schutzgottheiten. Als Verursacher treten keine Wiedergänger auf, sondern der Nesy-Dämon und dessen weibliches Pendant, die Nesyt-Dämonin. Diese manifestieren sich aber, wie das srf(.t)-Leiden, offenbar im Gesicht des Kranken. Eine Götterbedrohung findet sich nicht. Auch dieser Spruch enthält eine Rezitationsanweisung; die Vignette zeigt allerdings nicht die in der Rezitationsanweisung genannte Frauenfigur, sondern eine hockende, gefesselte Figur zwischen zwei Krokodilen – es dürfte sich hier um den oder einen Krankheitsdämon zwischen zwei göttlichen Helfern handeln.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Das Papyruskonvolut, zu welchem auch der Papyrus Chester Beatty VII zählt, gehörte zum Familienbesitz einer thebanischen Familie. Während der ursprüngliche Besitzer unidentifiziert bleibt, ist bekannt, dass es zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt an den Schreiber Ken-her-chepesch-ef übergegangen ist. Durch seine Frau Naunachte wurde das Korpus schließlich an die Kinder aus zweiter Ehe weitervererbt. Zunächst ging der Papyrus in den Besitz des Amun-nacht und dann über weitere unbekannte Hände, bis er schließlich zusammen mit den anderen Stücken im oberirdischen Bereich einer Grabanlage deponiert wurde (Pestman 1982, 160–172; siehe auch Koenig 1981, 41–43).
Das Papyrusarchiv hat mindestens 40 Papyri umfasst, die heute in verschiedenen europäischen Sammlungen untergebracht sind (Pestman 1982, 155), und die folgende Textarten enthalten: private Urkunden und Verwaltungstexte (u.a. Briefe, Memoranda), (Schul-)Übungen, „semi-literarische“ Texte (medizinische, magisch-medizinische, mantische) und „rein“ literarische Texte. P. W. Pestman nennt die semi-literarischen Texte, zu denen Papyrus Chester Beatty VII gehört, „something like practical handbooks for daily use“ (Pestman 1982, 165). Der Haupttext, Recto 1 – Verso 6, enthält ein Konvolut von Sprüchen gegen Skorpionstiche. Laut dem Buch vom Tempel gehört auch die Behandlung der srf.t-Hautentzündung zum Aufgabenbereich des Skorpionbeschwörers, und diese wird wiederum in den Oracular Amulettic Decrees und im Amulettpapyrus des Anynacht neben der rmn.t-Krankheitserscheinung genannt (vgl. Quack 2005, 68 und 78). Insofern gibt es durchaus einen thematischen Link zwischen dem früheren und dem späteren Text. Irgendwann, nachdem die letzten beiden Verso-Kolumnen aufgeschrieben wurden, hat einer der Besitzer des Papyrus ein Stück vom inneren Ende der Rolle abgeschnitten („[a]s with other manuscripts of the collection“, Gardiner 1935 I, 55) – sicherlich, um es anderweitig wiederzuverwenden –, so dass heute mindestens eineinhalb Kolumnen vom Ende des Rectos und entsprechend ein Teil vom Anfang des Versos fehlen (zur Länge s. Gardiner 1935 I, 61).

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus ist im gegenwärtigen Zustand etwa 1,90 m lang und 14 cm hoch (etwas höher als Viertelformat, vgl. Parkinson – Quirke 1995, 17) und wird in vier Glasrahmen aufbewahrt. Die äußere Seite der Rolle, d.h. der Anfang des Rectos und das Ende des Versos, ist stark zerstört. Vom inneren Rand, d.h. dem Ende des Rectos und Anfang des Versos, ist schon von einem der ursprünglichen Besitzer ein Stück abgeschnitten worden (s. oben beim Verwendungskontext). Auch der erhaltene Teil weist mehrere Lücken auf.

Schrift
Hieratisch

Die Leserichtung verläuft von rechts nach links. Die Verwendung von Rubra ist zu beobachten. Das gesamte Recto und die ersten sechs Kolumnen des Versos stammen von einem Schreiber, wobei er auf dem Verso etwas kleiner schrieb als auf dem Recto. Die siebte und achte Versokolumne stammen von einem späteren Schreiber; seine Handschrift erscheint weniger elegant als die des ersten Schreibers. Unter der siebten und achten Versokolumne finden sich Vignetten, die die magische Wirkung der Sprüche unterstützen sollen, u.a. Horus, der ein Nilpferd (= den Gott Seth) bindet, und einen gefesselten Krankheitsdämon, der von zwei Krokodilen als magische Helfer angegriffen wird.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Im Rahmen seiner Untersuchung zu den hieratischen Papyri des British Museum legte A. H. Gardiner im Jahre 1935 eine Erstbearbeitung des Textes vor. Die Publikation widmet sich dabei jedoch vorrangig der hieroglyphischen Edition des Textes und nur wenige Kolumnen sind auch als Foto abgedruckt. Für den früheren Text wird auch eine Übersetzung geliefert; vom späteren Text liefert er nur eine Übersetzung einer kurzen Sequenz des ersten Spruches (Gardiner 1935). Einige Sprüche des früheren Textes sind von Borghouts 1978 und Fischer-Elfert 2005 übersetzt worden. Westendorf (1999), 69–70 listet Schlagwörter zum Skorpionzauber von Rto. 1,1–6,7 auf und übersetzt die Überschrift und die Rezitationsanweisung des Spruches gegen Fieber auf Rto. 7,1–7.

Editionen

- Gardiner 1935 I: A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. I. Text (London 1935), 55–65.

- Gardiner 1935 II: A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. II. Plates (London 1935), Taf. 33–38.

Literatur zu den Metadaten

- Borghouts 1978: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, Religious Texts Translation Series NISABA 9 (Leiden 1978).

- Bruyère 1929: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el-Médineh (1928), Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 6,2 (Le Caire 1929), Plan 1.

- Černý 1978: J. Černý, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh. I. Nos I–XVII, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 8 (Le Caire 1978), VIII.

- Eschweiler 1994: P. Eschweiler, Bildzauber im alten Ägypten. Die Verwendung von Bildern und Gegenständen in magischen Handlungen nach den Texten des Mittleren und Neuen Reiches, Orbis Biblicus et Orientalis 137 (Freiburg/Göttingen 1994), 199 (3,8), 208–209 (5,5–6,2; 6,4–6,7), 37 (vso. 7–8).

- Fischer-Elfert 2005: H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclam Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005).

- Koenig 1981: Y. Koenig, Notes sur la découverte des papyrus Chester Beatty, in: Bulletin de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale 81, 1981, 41–43.

- Parkinson – Quirke 1995: R. B. Parkinson – St. Quirke, Papyrus (London 1995).

- Pestman 1982: P. W. Pestman, Who Were the Owners, in the „Community of Workmen“, of the Chester Beatty Papyri, in: R. J. Demarée – J. J. Janssen (Hrsg.), Gleanings from Deir el-Medîna, Egyptologische Uitgaven 1 (Leiden 1982), 155–172.

- Raffel 2019: J. Raffel, „Egal was, ich war’s nicht!“. Zur Nicht-Identifikationsformel in Zusammenhang mit der Götterbedrohung, in: M. Brose, et al. (Hrsg.), En détail – Philologie und Archäologie im Diskurs. Festschrift für Hans-Werner Fischer-Elfert, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde, Beihefte 7 (Berlin 2019), 947–964.

- Quack 2005: J. F. Quack, Tabuisierte und ausgegrenzte Kranke nach dem „Buch vom Tempel“, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.), Papyrus Ebers und die antike Heilkunde: Akten der Tagung vom 15.-16.3.2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 63–80.

- Westendorf 1999: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 69–70.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Sprüche gegen Skorpionstiche

[Übersetzung folgt]

Spruch gegen srf-Entzündung

[Vso. 7,1] Schriftstück gegen jede (Art) schlimmer srf-Entzündung1:
Sei(d) gegrüßt, (o) ihr Herren der Ewigkeit, hoch an ... (?)2! Steig(t) hinab (?)3; r[ichtet auf] (oder: b[elebt]) (?) den, der todkrank ist4! Lasst euch nieder (?)5, (ihr) Vögel im Himmel,6 um den ⟨auf⟩zustellen (?)7, der im Westen ist! Veranlasst, dass der, der im Westen ist,8 herauskommt! Geben [---] das, was ich öffne (?) für (?) (oder: denn der Türhüter von) [---]. Komm heraus zu mir, (Un-)Toter, (Un-)Tote, um ⟨meine⟩ Worte zu hören! Wenn er (d.h. du?) [meine Worte]9 nicht beachtet, werde ich [nicht] zulassen, dass die Sonne aufgeht, [werde ich nicht] zulassen, dass die Nilflut {es} fließt, werde ich nicht zulassen, dass für die großen Götter, [Vso. 7,5] die in [Hut-Benb]en10 (in Heliopolis) (???) sind, Kulthandlungen vollzogen werden, werde ich nicht zulassen, dass der Götterneunheit, die {die} eine ist, (deren) Mund dazu (d.h. zu den Libationen) geöffnet ist (?)11, libiert wird. (O) (Un-)Toter, (o) (Un-)Tote, die [---] im Gesicht der NN, geboren von NN, ist.
Dieser Spruch werde rezitiert ⟨über⟩ diesen Zeichnungen auf einem [neuen]12 Papyrusblatt.13 [Werde an] den Hals des (betroffenen) Mannes [gegeben]. (Vignetten, von rechts nach links: drei Messer, ein Rechyt-Vogel, der Königsname) Djeserkare14 (= Amenhotep I.), (ihm gegenüber) Thot15 und Osiris16.
(Dahinter ein falkenköpfiger Gott im Kampf mit einem Nilpferd,17 eine Götterbarke18 und eine Schlange).

1 srf: Papyrus Chester Beatty VII und die Amulettpapyri gegen dieses Leiden, wie pDeM 42 oder pStrasbourg BNU hiérat. 69, schreiben ein maskulines srf, und im Amulettpapyrus pDeM 36 steht zudem der maskuline Artikel davor: pꜣ srf. Auch die Adjektive zeigen keine Femininendung. Im pChester Beatty VII folgt dem Spruch gegen srf ein solcher gegen rmn.t. Das erinnert an die Oracular Amuletic Decrees der 3. Zwischenzeit, in denen einem srf(.t) ebenfalls oft rmn.t folgt (vgl. dazu die Zusammenstellung bei Quack 2005, 63–80, hier: 78), so dass wohl in beiden Fällen dieselbe Gruppe von Krankheiten/Krankheitsphänomenen vorliegt; J. F. Quack, Beiträge zu einigen religiösen und magischen Texte, in: M. Collier – S. Snape (Hrsg.), Ramesside studies in honour of K. A. Kitchen (Bolton 2011), 413–416, hier: 415, geht davon aus, dass srf und rmn.t Hautkrankheiten bezeichnen. Anmerkenswert ist, dass in den Oracular Amuletic Decrees mitunter eine t-Endung steht: srf.t, s. dazu U. Luft, Ein Amulett gegen Ausschlag (srf.t), in: Anonymous (Hrsg.), Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Berliner Ägyptischen Museums, Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung 8 (Berlin 1974), 173–179, hier: 175–176, Kommentar b. Diese strukturelle Parallele ist interessant für die Frage, ob maskulines srf und feminines srf.t dasselbe Krankheitsphänomen bezeichnen oder nicht. So unterscheidet B. Ebbell, Alt-ägyptische Bezeichnungen für Krankheiten und Symptome, Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo 2. Hist.-Filos. Klasse 1938 (3) (Oslo 1938), 15 beide nicht, auch J. P. Allen, The Art of Medicine in Ancient Egypt (New York/New Haven/London 2005), 115 hat „fever“ für feminines srf.t, und umgekehrt geht Quack in den genannten Aufsätzen davon aus, dass das srf(.t) der Oracular Amuletic Decrees mit dem srf der Amulettpapyri und dem srf(.t) im Buch vom Tempel identisch ist und eine Hautkrankheit bezeichnet, wohingegen meist zwischen beiden Termini unterschieden wird.

2 qꜣi̯.y ḫnw: Das letzte Wort ist nicht sicher zu identifizieren, da die Klassifikatoren weder hier noch auf pDeM 42 klar zu lesen sind. pBM EA 10732 schreibt ḫꜣj=tn (= ḫyi̯=tn) ḏ.t (?): „erhaben seid ihr an Gestalt“. Ob es das Wort ḫn.w: „Kapelle“ ist, auch wenn der Klassifikator definitiv kein Hausgrundriss ist? Jedenfalls ist qꜣi̯ als Angabe zu Gebäuden gut belegt. Eschweiler 1994, 38 vermutet „Aussprüche“, also ḫn.w, Wb 3, 289.1–14. In dem Fall müsste aber qꜣi̯ als „laut“ zu verstehen sein.

3 hꜣi̯.y: Übersetzung und syntaktischer Anschluss völlig unsicher. Gardiner 1935 gibt keine Übersetzung.

4 mḥr: Syntaktischer Anschluss unklar, da die Lesung des Vorherigen nicht sicher ist. Für die Verbindung „einen Kranken beleben“ s. immerhin Wb 4, 46.12. Die Parallele auf pDeM 42 schreibt mḥr.tw, was zugegebenermaßen nicht zu einem Partizip passt. Das Wort ist hier mit dem Ersatzzeichen für den gebundenen Feind, Gardiner Z6, klassifiziert. Derselbe Klassifikator kommt auf der Abwesenheitsliste auf oAshmolean HO 563 aus Deir el-Medinah vor, s. S. E. Hudson. Three New Deir el-Medina Absence Lists in the Ashmolean Museum, Oxford, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 142, 2015, 4554, hier: 46–47 (Hinweis Fischer-Elfert). Hudson transliteriert die Ligatur nach dem mḥr-Meißel als m und t und liest auf Vorschlag von Fischer-Elfert (s. S. 46, Anm. 8) mḥr m(w)t: „ill (then) dead“; d.h. sie erwägt, dass die dort als abwesend genannte Person so schwer krank ist, dass sie später gestorben sei. Diese Notiz findet sich zweimal auf dem Ostrakon; im ersten Fall ist das Zeichen unter dem m so schmal, dass man tatsächlich eher an ein t als ein r denkt. Im zweiten Fall ist die Ligatur ambig, und man könnte sie sowohl mt als auch mr lesen. Im Fall von pChester Beatty VII und pDeM 42 ist die Frage nicht zu entscheiden: Im ersten Fall stehen unter dem m zwei Punkte, im zweiten sogar nur einer. Da mḥr aber üblicherweise mit m und r komplementiert wird, fragt sich, ob diese Zeichengruppe nicht eher mr zu lesen ist, was nach sich zieht, dass Gardiner Z6 hier der Klassifikator von mḥr und nicht von m(w)t ist. Dasselbe müsste dann auch für oAshmolean HO 563 erwogen werden. Während dort eine Kurzschreibung von mḥr m(w)t nicht abwegig ist, da eine Abwesenheitsliste rein administrativen Charakters vorliegt, würde sie in diesem magischen Papyrus vielleicht verwundern – man denke aber auch an die Kurzschreibung von sꜥḥꜥ/sꜥnḫ unmittelbar zuvor.

5 ḥtpw.y: Ergänzungsvorschlag unsicher, vgl. dazu den Vorschlag von Y. Koenig, Deux amulettes de Deir el-Médineh, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 82, 1982, 283293, hier: 293 zur Parallele pDeM 42. Auch dort ist die Lesung unsicher. Die Zeichenreste auf pChester Beatty VII passen nicht gut zu hieratischen Standardschreibungen von ḥtp, ließen sich aber zur Schreibung von pDeM 42 ergänzen, so dass zumindest auf beiden Papyri dasselbe Wort gestanden hat. Ob sich der senkrechte, von Koenig nicht transliterierte Strich am Ende von ḥtp.yw als die senkrechten Pluralstriche lesen lässt?

6 ꜣpd.w m p.t: Die Übersetzung als Vokativ ist mehr als tentativ. Man würde dafür vielleicht zusätzliche, vokativisch zu verstehende Artikel erwarten, wie bei den nꜣ nb.w-(n)ḥḥ.

7 r ꜥḥꜥ: Über dem r steht ein Punkt, der vielleicht nur ein zusätzlicher Füllpunkt ist. In der Parallele auf pDeM 42 fehlt diese Gruppe. In der Parallele pBM EA 10732, Zeile 2 steht r ḏi̯.t ꜥḥꜥ: „um aufzustellen“.
Eschweiler 1994, 38 übersetzt pChester Beatty VII (ohne pBM EA 10732 zu kennen): „Lasset aufstehen einen, der im Westen ist!“ Dazu müsste man aber eher jmm ꜥḥꜥ, ergänzen.

8 In pBM EA 10732 soll, abweichend dazu, „der im Osten ist“ (n.tj ḥr jꜣb.j) herauskommen.

9 sḏm [md.wt=j]: Vgl. schon Gardiner 1935 I, 65, partiell bestätigt durch die Parallele auf pBM EA 10732.

10 [Ḥw.t-brb]r: Gardiner 1935 ergänzt die Lücke zu [Mn-nf]r: „Memphis“. Die Parallele pBM EA 10732 hat an dieser Stelle aber scheinbar Ḥw.t-brbr. Ein solcher Ortsname ist allerdings unbekannt, und man wird darin wohl nur eine Variante für Ḥw.t-bnbn sehen dürfen, vgl. auch D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 3. 1979 (Paris 1982), Nr. 78.0892 (sic; ein Schreibfehler für 79.0892). Diese Schreibvariante dürfte aus hieratischen Ligaturen von bn entstanden sein, die wie br aussehen können, wenn der Abstrich des b und der Anstrich des n zu einer Linie verschmelzen (vgl. bspw. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III. bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie, 2 (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. VII, Version pRollin).

11 wn r-r=w: Sinn unklar, von Gardiner 1935 I, 65 und auf DZA 26.646.750 nicht übersetzt. Emendation zu r⟨ʾ⟩(=w) r=w nach Vorschlag Fischer-Elfert (mdl. Mitteilung).

12 ḏmꜥ [n-mꜣw.t]: Zu dieser Lesung und Ergänzung s. H.-W. Fischer-Elfert, Legenda Hieratika – I, in: Göttinger Miszellen 165, 1998, 105–112, hier: 109. Das von Gardiner 1935 II, Taf. 38 als Binse transliterierte Zeichen ist eigentlich die rechte Hälfte der Fesselklammer Gardiner V19.

13 nn-n zẖꜣ.ww ḥr ḏmꜥ [n-mꜣw.t] scheint eine Kombination der üblicheren Anweisungen „werde gesprochen über“ und „werde geschrieben/gemalt auf ein neues Papyrusblatt“ mit weniger üblichen Anweisungen, z.B. ḏd-mdw ḥr nn-n nṯr.w: „Werde rezitiert über diesen Göttern“ (z.B. pBM EA 10732, s. auch H.-W. Fischer-Elfert, Legenda Hieratika – I, in: Göttinger Miszellen 165, 1998, 105–112, hier: 110), zu sein.

14 Ḏsr-kꜣ-Rꜥ: Laut H.-W. Fischer-Elfert, Legenda Hieratika – I, in: Göttinger Miszellen 165, 1998, 105–112, hier: 110 mit Anm. 18 könnte der untere, gerade Abschluss des Rahmens dafür sprechen, dass er eher eine Stele als eine aufrechtstehende Kartusche darstellt. Auf dem Foto von Gardiner 1935 II ist allerdings innerhalb des geraden Abschlusses rechts unten, den allein er in seiner hieroglyphischen Transliteration der Seite wiedergibt, auch noch eine geschwungene Linie zu sehen. Vielleicht ist der Rahmen also doch eine etwas misslungene Kartusche. Für eine Interpretation als Kartusche spricht auch der Umstand, dass die Variante pBM EA 10732 statt des Namens Amenhoteps I. den seiner Mutter (Ahmes) Nefertari zeigt, der deutlich in einer Kartusche steht. Außerdem ist auffällig, dass der Königsname nach links ausgerichtet (und etwas kleiner als die Götternamen) ist, so dass diese Vignette quasi die Darstellung des Königs ersetzt, der den Göttern gegenübersteht. Und die Repräsentation des Königs durch seinen Namen (in Kartusche) ist gut belegt.

15 Ḏḥw.tj: Da anschließend kein weiteres Götterbild, sondern ein ausgeschriebener Göttername steht, wird der sitzende Gott mit Ibiskopf vermutlich logographisch aufzufassen sein, wohl als Schreibung für Ḏḥw.tj. Vgl. auch die Ansicht von A. von Lieven, Kleine Beiträge zur Vergöttlichung Amenophis’ I. II. Der Amenophis-Kult nach dem Ende des Neuen Reiches, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 128, 2001, 41–64, hier: 60, die schreibt, dass die in dem Spruch erwähnten „Zeichnungen“ „eigentlich ausgeschriebene Götternamen“ seien.

16 Wsjr: Eschweilers Bemerkung (Eschweiler 1994, 38), dass die Zeichen „wohl den Gottesnamen Osiris bilden sollen“, erscheint etwas zu vorsichtig. Die hier verwendete Schreibung mit Thronsitz, Sonnenscheibe (statt Auge) und Falke auf Standarte ist in der 20. Dynastie belegt, gerade auch in der Bibliothek des Qenherchepeschef, zu der pChester Beatty VII gehört, nämlich in der Erzählung von Horus und Seth auf pChester Beatty I.

17 Die Handlung des falkenköpfigen Gottes mit dem Nilpferd ist nicht eindeutig. Zunächst liegt es nahe, hierin das Harpunieren des Nilpferdes zu sehen (so auch Eschweiler 1994, 38). Allerdings ist die scheinbare Harpune gebogen und scheint am Kopf des Nilfperdes in zwei Teilen auszulaufen, so dass man sich fragt, ob das Nilpferd nicht eher gebunden als harpuniert wird.

18 Auch die Sprüche gegen srf-Entzündung auf pBM EA 10732 und pStrasbourg hiérat. 69 (S. Donnat, Un billet contre la chaleur-séref. Le papyrus hiérat. 69 de la BNU de Strasbourg, in: Revue d’égyptologie 67, 2016, 1–32, hier: 20 und Taf. 1) bieten u.a. eine Barke mit sitzender Gottheit als Vignette. In beiden Fällen ist unter der Barke eine Himmelshieroglyphe dargestellt (auf dem Strasbourger Papyrus auch noch ein Krokodil); zudem hat der Gott auf dem Strasbourger Papyrus eine Sonnenscheibe auf dem Kopf. Daher handelt es sich eindeutig um die Sonnenbarke. Auf pChester Beatty VII scheint dagegen unter der Barke eine Wasserlinie abgebildet zu sein.

Spruch gegen das rmn.t-Phänomen

[Vso. 8,1] Schriftstück gegen das rmn.t-Phänomen1:
O (ihr) 77 Götter, die (ihr) ... öffnet [---] in/mit ihnen (?) [---] werfen [---] leben mit ihren Blumen ... (?) empfangen ... (?) vor Osiris [---] Nesy-Dämon [und Nesyt-Dämonin (?)], die im Gesicht von NN, geboren von NN, sind. O (ihr) 77 Kinder, (ihr) Nachkommen von [---]2 [öff]nen [---] Gesicht, indem er dort hingeworfen ist, indem {indem} sie leben, indem sie ... (?)3 [---] jeder/Herr [---] [Vso. 8,5] Nesy-Dämon und Nesyt-Dämonin.
Dieser Spruch werde rezitiert (über) einer Frauenfigur (???)4 [---] gezeichnet [---] (Vignette: an Füßen und anscheinend auch Armen gefesselte, hockende menschliche Gestalt mit unklarem Kopfschmuck (Federn?), rechts und links von je einem Krokodil bedrängt)

1 rmn.t: Das r ist eine spätere Korrektur, vgl. Gardiner 1935 II, Taf. 38, Anm. a zur Stelle. Spuren eines älteren Zeichens sind auf Taf. 38A noch zu erkennen, ohne dass es identifiziert werden könnte. Gunn, der Gardiners Übersetzungen der Chester-Beatty-Papyri Korrektur gelesen hat (s. Gardiner 1935 I, IX) hatte „a remedy for the same“ (d.h. ein weiterer Spruch für die vorgenannte srf-Entzündung) vorgeschlagen, wobei er an die Phrase m tꜣy mn.t > ⲛ̄ⲧⲉⲓ̈ⲙⲓⲛⲉ: „in this fashion“ dachte, s. Gardiner 1935 I, 65, Anm. 5. Diesen Vorschlag hat auch P. Eschweiler 1994, 38 übernommen („Buch für Selbiges“), obwohl schon Gardiner in derselben Fußnote darauf hinwies, dass dafür eigentlich ein Demonstrativpronomen „urgently needed“ sei.
Es dürfte sich wohl um die rmn.t-Hautkrankheit handeln, die in Orakeldrekreten und schon im pDeM 36 des Anynacht aus der mittleren 20. Dynastie oft auf die srf-Entzündung folgt, s. dazu die Zusammenstellung bei Quack 2005, 63–80, hier: 78, ders., Beiträge zu einigen religiösen und magischen Texte, in: M. Collier – S. Snape (Hrsg.), Ramesside studies in honour of K. A. Kitchen (Bolton 2011), 413–416, hier: 415 und S. Donnat, Un billet contre la chaleur-séref. Le papyrus hiérat. 69 de la BNU de Strasbourg, in: Revue d’égyptologie 67, 2016, 1–32, hier: 9.

2 ẖ(r)d.w ms(.w) j[___]: J.-C. Goyon, Les dieux-gardiens et la genèse des temples (d’après les textes de l’époque gréco-romaine). Les soixante d’Edfou et les soixante-dix-sept dieux de Pharbaetos, 2 Bd., Bibliothèque d’étude 93 (Le Caire 1985) I, 193, Anm. 3 erwägt eine Ergänzung zu ẖrd.w ms(.w) J[tm.w]: „die 77 Kinder, Nachkommen von A[tum]“, mit Verweis auf die 77 Götter von Horbeit, die auf Spätzeittiersärgen, im Besonderen auf dem Sarg Kairo 96722 + 23 (s. ebd., 211) als ms.w Tm.w: „Nachkommen des Atum“ bezeichnet werden. Der Name des Atum wäre dann im pChester Beatty VII mit Schilfblatt und Mann mit Hand am Mund geschrieben, was generell ungewöhnlich wäre, angesichts der Fehler im Text aber kein zwingendes Gegenargument.

3 jw=w ḥtp.w: Der Klassifikator von ḥtp.w lässt sich trotz der partiellen Zerstörung als der allgemeine Pflanzenklassifikator Gardiner M2 identifizieren. Allerdings erwartet man nach jw=w eher ein Verb. Ob man zu ḥtp: „ruhen, zur Ruhe gehen“ emendieren kann: „indem sie leben und indem sie zur Ruhe gehen (d.h. sterben)“? Allerdings verbietet die anschließende Lücke eine sichere Entscheidung.

4 rp.y(t): Gardiner 1935 transliteriert tpy, DZA 25.297.670 und Gardiner 1935 II, Taf. 38. Das erste Zeichen könnte allerdings auch ein etwas schmaler geratenes r sein. Die Klassifikatoren müssten durch Autopsie überprüft werden. Könnte die menschliche Gestalt in der Vignette eine Dämonin in langem, an den Knöcheln endendem Kleid sein? Und könnte man die Zeichenreste danach statt zu r + Lücke (so Gardiner) vielleicht zu d[p.w]: „(und) Krokodile(n)“ ergänzen?