Papyrus Berlin P 3027

Metadaten

Alternative Namen
Trismegistos TM 755039 Zaubersprüche für Mutter und Kind
Aufbewahrungsort
Europa » Deutschland » (Städte A-G) » Berlin » Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Inventarnummer: P 3027

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde 1843 von Karl Richard Lepsius aus der Sammlung von Giovanni d’Athanasi für das Berliner Museum erworben (Nummer 961 im Auktionskatalog von Sotheby’s 1837, die vermutlich bei dieser Auktion vom 13.–20.03.1837 keinen Käufer gefunden hat) (Erman 1901, 4; Yamazaki 2003, 1).

Herkunft
(unbekannt)

Im Auktionskatalog der Sammlung d’Athanasi ist der Papyrus unter „Manuscript rolls of Papyrus, found in the tombs at Thebes and Memphis“ aufgelistet (d’Athanasi 1837, 83; Erman 1901, 4, Anm. 1). In der Datenbank von Trismegistos ist als Fundort „Memnoneia – Djeme (Thebes west)“ angegeben, aber das lässt sich nicht nachweisen (der Verweis auf Yamazaki 2003, 1 bestätigt diese Herkunftsangabe nicht). Es gibt bislang keine Möglichkeit zu entscheiden, ob der Papyrus aus Theben, Saqqara oder womöglich anderswo stammt. Die Paläographie erlaubt keine solche Differenzierung. Eine zukünftige naturwissenschaftliche Untersuchung der Papyrusherstellungstechnik und -qualität könnte eventuell weiterhelfen, zumindest was die Bestimmung des Anfertigungsorts der Rolle angeht (vgl. für den Zusammenhang zwischen Anfertigungsort und Papyrusqualität Krutzsch 2015, 17; Krutzsch 2020). Myriam Krutzsch, Restauratorin der Berliner Papyrussammlung, hat nach einer Autopsie des Papyrus P 3027 den Eindruck, dass Papyri aus thebanischer Manufaktur etwas anders aussehen (E-Mail an P. Dils, 21.07.2020), d.h. der Papyrus könnte von anderswo her stammen. Sofern die Angabe im Auktionskatalog der Sammlung d’Athanasi zuverlässig sein sollte, wäre das dann vielleicht eine Nekropole von Memphis (d.h. Saqqara).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 18. Dynastie

Die Datierung der Niederschrift des Textes beruht einerseits auf der Paläographie, andererseits auf dem Papyrusformat. Erman 1901, 6 erkennt Ähnlichkeiten mit dem Schrifttypus des „Mathematischen Handbuch[s]“ (= mathematischer Papyrus Rhind, Jahr 33 des Hyksos-Königs Apophis), des Papyrus Ebers (enthält einen Kalender aus dem Jahr 9 Amenhoteps I.) und des Papyrus Westcar (keine genaue Datierung) und datiert den Text daher ans Ende der Hyksoszeit bzw. den Beginn des Neuen Reiches. Auch das Papyrusformat passt nach Erman 1901, 5 mit 16 cm Höhe, d.h. die halbe Höhe der vorgenannten Papyri, in dieselbe Zeit (16 bzw. 32 cm sind belegt vom Mittleren Reich bis zum Anfang der 18. Dynastie) (zum Format siehe Černý 1952, 15). Möller 1911 (Vorwort) möchte P. 3027 aus paläographischen Gründen etwas jünger als Erman einstufen und weist ihn der ersten Hälfte der 18. Dynastie zu wegen Ähnlichkeiten mit einer Holztafel aus der Zeit Amenhoteps II., ehemals in der Sammlung Moir Bryce in Edinburgh (Griffith 1908, 272–275; der Königsname lautet mit Möller ꜥꜣ-ḫpr.w-Rꜥw = Amenhotep II. und nicht Nfr-ḫpr.w-Rꜥw = Amenhotep IV.), heute im Durham Oriental Museum Inv. EG1037 (E-Mail Gillian Ramsay an P. Dils vom 15.01.2018; Eyre 2013, 31, Anm. 77). Auch Yamazaki 2003, 2 (mit Tabelle II auf 57–58) identifiziert Zeichenformen auf pBerlin P 3027 mit ähnlichen aus der Zeit Thutmosis' III., Amenhoteps II. und sogar noch später und sie hält deshalb eine etwas jüngere Datierung als die von Erman vorgeschlagene für möglich. Bezüglich des Papyrusformats als Datierungskriterium ist es nicht eindeutig nachweisbar, wann sich die Höhe der Papyrusrollen in literarischen und religiösen Handschriften von 16 bzw. 32 cm auf 18 bzw. 36 cm veränderte (der Verwaltungspapyrus pLouvre E 3226 aus der Zeit Thutmosis' III. hat eine modern beschnittene Blatthöhe von 17 cm, was vielleicht zu einer originalen Blatthöhe von 18 cm passt: Megally 1977, 4). Die Sprachstufe (Yamazaki 2003, 3) erlaubt keine genauere chronologische Einordnung der Textverfassung. Lexa 1925, 27 folgt Möller (erste Hälfte der 18. Dynastie, Mitte des 15. Jh. v. Chr.), Westendorf 1999, 72 übernimmt die Datierung von Erman und präzisiert: „Ende Hyksoszeit – Anfang Neues Reich (um 1550 v. Chr.)“.

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

„Der Papyrus enthält eine Sammlung von magischen Sprüchen und dazu drei medizinische Rezepte“ (Yamazaki 2003, 3) zu den Themen Schwangerschaft und Geburt, sowie Mutter und Kind. Insgesamt lassen sich noch 21 Texteinheiten durch Überschriften und/oder Anwendungshinweise identifizieren, aber der Anfang fehlt. Die 21 Sprüche wurden vom ersten Herausgeber Erman mit Buchstaben von A bis V durchgezählt und seitdem mit diesen Bezeichnungen beibehalten. Sie können nach dem Adressaten (d.h. dem personifizierten Krankheitserreger) und der angewandten Methode genauer klassifiziert werden (s. Yamazaki 2003, 3–6), außerdem nach den verwendeten Spruchbezeichnungen. Fünf Sprüche (Abschnitte A–E) richten sich gegen die nšw- und die tmj.t-Krankheit, einer gegen die ssmj- (L) und zwei gegen die dḥr-Krankheit (M, N). Daneben enthält der Papyrus zwei Sprüche für eine problemlose Geburt (F und G), einen Spruch für die Muttermilch (O) sowie sieben zum allgemeinen Schutz des Kindes (P–V). Die drei aufeinander folgenden Abschnitte H, I und K sind medizinische Rezepte gegen die bꜥꜥ-Krankheit. Keine der genannten bei Kindern vorkommenden Krankheiten oder Krankheitssymptome ist bislang halbwegs sicher identifiziert. Manche der Sprüche werden als „Spruch“ (ra) bezeichnet, andere als „Amuletttext, Heilmittel“ (udja) oder als „Kunstspruch“ (hemut-ra). Die Sprüche und Rezepte stehen thematisch in Blöcken zusammen, ohne dass eine eindeutige Anordnung erkennbar ist. Erman nimmt an, dass die Sprüche gegen die nšw- und die tmj.t-Krankheit (Abschnitte A–E) eine Einheit bilden (er spricht von einem „Buch“), denn sie wurden von einem ersten Schreiber kopiert, während alle nachfolgenden Blöcke von einem zweiten Schreiber stammen und seiner Meinung nach eine weitere Einheit (ein zweites „Buch“) bilden (Erman 1901, 7 = 459). Abschnitt E, der letzte des ersten Schreibers, ist mit einer Länge von 2 2/3 Kolumnen außergewöhnlich lang, aber es geht dabei um eine Gliedervergottung von 35 Körperteilen, die natürlich nicht kürzer sein konnte. Auch Spruch U zum Schutz des Kindes enthält eine Gliedervergottung.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus maß zum Zeitpunkt des Erwerbs durch Lepsius 217 cm (L) × 15,7 cm (H) und wurde unterdessen in fünf Tafeln zerteilt (Erman 1901, 4), inventarisiert als P. 3027 A–E. Die Rolle war ursprünglich aus (mindestens) sechs Blättern zu je 40 cm zusammengeklebt, so dass von einer Länge von 240 cm auszugehen ist. Nach Erman 1901, 4 fehlt die vordere Hälfte des aktuellen ersten Blattes (ca. 21 cm), sodass die heutige erste wohl ursprünglich die zweite Kolumne gewesen sei. Laut Yamazaki ist „bei der dritten Klebung das rechte Blatt unter das linke geklebt (...), bei den anderen dagegen umgekehrt“ (Yamazaki 2003, 2). Erman 1901, 5 und Yamazaki 2003, 2 stellen fest, dass die Qualität der letzten Klebung erheblich von der der anderen abweiche, weshalb Erman vermutet, dass der Schreiber das sechste (= letzte) Blatt selbst angeklebt habe. Um eine Überschreibung dieser Klebung zu vermeiden, sei die letzte Kolumne davor auf Vorder- und Rückseite (Rto Kol. 8; 16,5 cm; Vso Kol. 1: 17 cm) schmaler geschrieben als die übrigen (20–22 cm). Aktuell sind auf der Vorderseite neun (10 cm unbeschriftet am Ende) und auf der Rückseite sechs Kolumnen Text (38 cm unbeschriftet am Ende) vorhanden. Um die Rückseite zu beschreiben, wurde der Papyrus um die kurze Seite gewendet (Ende Vorderseite = Anfang Rückseite; oberer Rand Vorderseite = oberer Rand Rückseite). Laut Möller (1911, Vorwort) ist der Erhaltungszustand „recht unbefriedigend“ (Anfang weggebrochen und zusätzliche Beschädigungen durch veraltete Konservierungsmethode, Schrift teilweise stark verblasst). Der Papyrus ist von guter Qualität, aber sehr dünn und zum Teil ausgefasert (E-Mail von M. Krutzsch an P. Dils, 21.07.2020).

Schrift
Hieratisch

Es lassen sich zwei Schreiberhände differenzieren: Von der ersten stammen Rto 1.1 bis 5.7, von der zweiten alle folgenden Passagen. „Der erste Schreiber […] hat kleine und etwas ungelenke Schriftzüge, der zweite einen größeren und flüssigeren Duktus“ (Yamazaki 2003, 2). Erman 1901, 7 weist zudem auf die „gleichmäßigere Tinte“ des ersten Schreibers hin. Für die einzelnen Überschriften und/oder die Anwendungshinweise werden Rubren verwendet. Der zweite Schreiber fing auf einer neuen Zeile an (Rto 5.8), er fügte einen weiteren Zeilenumbruch am Anfang von Abschnitt R ein (Vso 3.8), aber auch einen überflüssigen gegen Ende von Abschnitt U (von Vso 5.9 zu 6.1).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Gutes klassisches Mittelägyptisch für alle Sprüche (siehe z.B. das Pseudopartizip ḥri̯.tjw [Spruch M], die Infinitive mit t in sḫr.t [Spruch V], geminiertes šdd.t [Spruch Q], ausgeschriebenes t bei Partizipien feminin [u.a. Spruch B] usw.). Yamazaki 2003, 3 verweist auf einige wenige Neuägyptizismen im Text, namentlich das zwischen die Alternativen gestellte disjunktive rʾ-pw (Rto 8.2, s. dazu Kroeber 1970, 54–56) und eine gruppenschriftliche Schreibung von hbu̯ (Rto 3.3). Interessant ist auch eine einmalige ausführliche hieratische Graphie des Konsonanten m (Rto 3.2), die möglicherweise aus einer älteren Vorlage stammt (vgl. ausführliche Versionen des Wachtelkükens Rto 4.3 und öfter).

Bearbeitungsgeschichte

Auf die teilweise medizinische Natur des Textes hat zuerst Stern hingewiesen (Ebers 1875, Bd. 2, VIII). Lange und Erman nahmen 1898 im Rahmen der Vorarbeiten zum Wörterbuch der ägyptischen Sprache erste Entzifferungsarbeiten vor; eine von Sethe Korrektur gelesene Erstedition mit hieroglyphischer Umschrift, Übersetzung, Kommentar und zwei Fotos der Kolumnen 4 und 7 erfolgte 1901 durch Erman (vgl. Erman 1901, 3). Ein Faksimile wurde im Jahr 1911 von Möller publiziert. Vier eher medizinisch geartete Ausschnitte (die drei Rezepte H–K sowie B) werden im Grundriß der Medizin der alten Ägypter behandelt. Eine Zusammenstellung der seitdem publizierten Übersetzungen bietet Yamazaki 2003, 1 in der Neuedition des Papyrus. Diese enthält neben Übersetzung und Kommentar auch eine Paläographie, verschiedene Indices sowie eine vollständige Wiedergabe des Papyrus durch schwarz-weiß Fotos inklusive hieroglyphischer Umschrift. Ein Farbfoto von Kol. 1–2 findet sich im Ausstellungskatalog Nofret 1985.

Editionen

- Erman 1901: A. Erman, Zaubersprüche für Mutter und Kind. Aus dem Papyrus 3027 des Berliner Museums, Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1901 (Berlin 1901) = Nachdruck in: A. Erman, Akademieschriften (1880–1928). Teil 1: 1880–1910 (Leipzig 1986), 455–504, Taf. 1–2.

- Möller 1911: G. Möller, Hieratische Papyrus aus den Königlichen Museen zu Berlin. 3. Band: Schriftstücke der VI. Dynastie aus Elephantine. Zaubersprüche für Mutter und Kind. Ostraka (Leipzig 1911), Vorwort und 26–34, Taf. 17–25.

- Nofret 1985: B. Schmitz (Hrsg.), Nofret – Die Schöne. Die Frau im Alten Ägypten. Band 2: „Wahrheit“ und Wirklichkeit (Ausstellung Hildesheim 15.7.–4.11.1985) (Mainz 1985), 50–52 (Nr. 116).

- Yamazaki 2003: N. Yamazaki, Zaubersprüche für Mutter und Kind: Papyrus Berlin 3027, ACHET – Schriften zur Ägyptologie B2 (Berlin 2003).

Literatur zu den Metadaten

- Athanasi 1837: G. d’Athanasi, Catalogue of the very magnificent and extraordinary collection of Egyptian antiquities the property of Giovanni d’Athanasi (London 1837).

- Černý 1952: J. Černý, Paper & Books in Ancient Egypt (London 1952).

- Ebers 1875: G. Ebers, Papyros Ebers. Das hermetische Buch über die Arzeneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift. Mit hieroglyphisch-lateinischem Glossar von Ludwig Stern. Band 2 (Leipzig 1875).

- Eyre 2013: C. Eyre, The Use of Documents in Pharaonic Egypt, Oxford Studies in Ancient Documents (Oxford 2013).

- Griffith 1908: F. Ll. Griffith, A Contract of the Fifth Year of Amenhotp IV, in: Proceedings of the Society for Biblical Archaeology 30, 1908, 272–275 mit Taf. zwischen 272 und 273.

- Kroeber 1970: B. Kroeber, Die Neuägyptizismen vor der Amarnazeit (Tübingen 1970), 55.

- Krutzsch 2015: M. Krutzsch, Materialtechnische Beobachtungen während der Restaurierung, in: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin/München/Boston 2015), 1–74.

- Krutzsch 2020: M. Krutzsch, Papyrusmaterial aus Elephantine und seine signifikanten Merkmale, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 147, 2020, 47–56.

- Lexa 1925: F. Lexa, La magie dans l’Égypte antique de l’Ancien Empire jusqu’à l’époque copte. 2, Les textes magiques (Paris 1925).

- Megally 1977: M. Megally, Notions de comptabilité. À propos du papyrus E. 3226 du Musée du Louvre, Bibliothèque d’Étude 72 (Le Caire 1977).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Mitwirkende
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Spruch A: Gegen die nš.w-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 8–10.
- Möller 1911, 26, Taf. 17.
- Yamazaki 2003, 10–11 und Taf. 2.
-  S. Donnat, Lumière, couleurs et peaux dans l’Égypte ancienne (Autour de la formule A du P. Berlin 3027), in: M. Carastro (Hrsg.), L’antiquité en couleurs. Catégories, Pratiques, Représentations, Collection «Horos» (Grenoble 2009), 189–206 und Taf. 9–10.

[rt. 1,1] [Blaue Perlen aus Lapislazuli sind daran;]1 grüne Perlen aus Türkis sind daran; rote Perlen aus Jaspis sind daran.
Die Perlen sind aufs Hinterteil2 ins Wasser gefallen, mehr als Fischschuppen auf dem Fluss, mehr als Vogelfedern vom Himmel.
Fließe aus (?)3, Nš.w-Krankheit, falle zu Boden!
Man soll diesen Spruch sprechen über 3 [Schmucksteinen]: einer aus Lapislazuli, ein anderer aus Jaspis, ein weiterer aus Türkis.
Werde auf einen feinen Faden vom nḏ-Gewebe aufgezogen (und) an den Hals des Kindes gegeben.

1 Yamazaki 2003, 10, Anm. (a): ergänzt versuchsweise wšby.t ⸮ḫsbḏ/jrtjw? jm n.t ḫsbḏ.
2 ḥr ḫpd.w: Yamazaki 2003, 1, Anm. (e) versteht „auf die Hinterteile“ im Sinne von „nach unten“.
3 kff: Ist in den Parallelstellen in pBerlin P 3027, Kol. 3.4, 3.6 und 5.1 (kfꜣ nš.w hꜣi̯ r ẖr.w) sowie in Kol. 5.7 (kfꜣ nš.w hꜣi̯ r tꜣ) jeweils kfꜣ geschrieben. Es erinnert an die Aufforderung šp mtw.t hꜣi̯/pri̯ r tꜣ: „Fließe aus, oh Gift, gehe hinunter auf den Boden!“.

Spruch B: Gegen die tmy.t-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 10–11.
- Möller 1911, 26, Taf. 17.
- Yamazaki 2003, 12–13 und Taf. 2.
- Lexa 1925, 27.
- H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV. Übersetzung der medizinischen Texte (Berlin 1958), 295.
- H. Grapow, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. V. Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert (Berlin 1958), 508–509.
- W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 385.

Weiter:
„Mögest du ausspeien, tmy.t-Krankheit, die den Knochen bricht, die Steine aushöhlt, die [rt. 1,5] in die Gefäße eintrat! Auf, geh fort zur Wiese –zweimal–, zum Feld –zweimal–, zum Ende der ꜥꜣb-Blumen!“, spricht Re auf das Klagen der Nephthys1 hin wegen der Magen(?)schmerzen dieses Kindes, das Isis gebar.
Womit soll es beschworen werden?
Es soll mit dem „Widerstand der Wochenlaube“ (?) beschworen werden.
Möge sie herausgehen!
Seht, Feuer ist ausgebrochen.
Womit soll es gelöscht werden?
Es soll mit dem „Widerstand der Wochenlaube“ gelöscht werden.
Der „Widerstand der Wochenlaube“, er wird sie/es vertreiben, um dich zu vertreiben2 aus dem Kopf, aus dem Scheitel und allen Gliedern, die Chnum diesem Kind, das seine Mutter geboren hat, geschaffen hat!

1 Nb.t-ḥw.t: Lesung Nephthys gemäß Yamazaki 2003, 12 und Taf. 2. Erman 1901 hat wp.t transliteriert.
2 r dr tw: Yamazaki 2003, 12 übersetzt „bis (sie) entfernt ist (aus dem Kopf)“, aber sie erklärt die Grammatik nicht.

Spruch C: Gegen die tmy.t-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 11–14.
- Möller 1911, 26, Taf. 17.
- Yamazaki 2003, 14–15 und Taf. 2–3.
- K. Sethe, Ägyptische Lesestücke zum Gebrauch im akademischen Unterricht. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1924), 51–52 (Nr. 7.k).
- K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 76–77.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 116.
- Lexa 1925, 28.
- S. Schott, Altägyptische Liebeslieder, mit Märchen und Liebesgeschichten, Die Bibliothek der Alten Welt (Zürich 1950), 87 (Nr. 28).
- G. Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne de l’époque pharaonique (Paris 1956), 113–114.
- J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 41–42 (Nr. 65).
- Nofret 1985, 51–52 (Nr. 116)
- A. Grimm – S. Schoske (Hrsg.), Stimmen vom Nil. Altägypten im Spiegel seiner Texte (München 2002), 67 (Nr. 46) mit Text 17.
- H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 72 und 147 (Nr. 48).

Weiter:
Mögest du (Mask.) ausspeien, der aus dem Dunkeln kommt,1 der ruckartig (?) kriechend eintritt, dessen Nase hinter ihm ist, [rt. 1,10] dessen Gesicht umgedreht ist, der mit dem, weshalb er gekommen ist, erfolglos blieb!
Mögest du (Fem.) ausspeien, die aus dem Dunkeln kommt,1 die ruckartig (?) kriechend eintritt, deren Nase hinter [rt. 2,1] ihr ist, deren Gesicht umgewandt ist, die erfolglos blieb mit dem, weshalb sie gekommen ist!
Bist du gekommen, um dieses Kind zu küssen?
Ich werde nicht zulassen, dass du es küsst!
Bist du gekommen, um (es) schweigen zu machen?2
Ich werde nicht zulassen, dass du ein Schweigen an ihn (oder: in ihm) gibst!
Bist du gekommen, um ihm zu schaden?
Ich werde nicht zulassen, dass du ihm schadest!
Bist du gekommen, um es zu packen?
Ich werde nicht zulassen, dass du es mir wegnimmst; denn ich habe seinen Schutz gegen dich bereitet aus ꜥfꜣy.t-Pflanzen – das ist die Anfertigung eines Hindernisses3 – aus Zwiebeln, die dir schaden, aus Honig, der süß für Menschen ist, aber bitter für [rt. 2,5] die Dort-Weilenden, aus dem Fischschwanz (?)4 des ꜣbḏ.w-Fisches, aus dem Unterkiefer des mr.t-Tieres, aus dem Rücken des Nilbarsches!

1 jy m kk.w: Erman 1901, 12; H. Grapow, Zum Dualis a potiori, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 75, 1939, 134–135, hier: 135, sowie Yamazaki 2003, 14 übersetzen „der du im Dunkeln kommst“ (Erman, Grapow) bzw. „der in der Dunkelheit kommt“, d.h. sie verstehen die Präposition m als „in“, sicherlich im temporalen Sinne (ähnlich J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 41; H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 72). Die Übersetzung „aus“ versteht „Dunkelheit“ als einen lokalen Begriff.
Laut H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 147, Nr. 48 sind die Wesen, die aus der Dunkelheit kommen, hier Wochenbettgeister, ähnlich Lamaštu in Babylonien und Lilith bei Jes. 34, 14.
2 r sgr.j: K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 77, Anm. zu Z. 52, 1 nimmt an, dass zu r 〈ḏj.t〉 sgr.j 〈jm=f〉 zu emendieren sei. Ein Kind „zum Schweigen bringen“ wäre, es zu „beruhigen“, nicht, es zu töten. Die Aktionen des Dämons steigern sich von „küssen“, über „beruhigen“ zu „schädigen“ und „wegnehmen, entführen“.
3 ḏr.{t}〈w〉: Ein weiteres, unklares ḏr.yt in Spruch N (Kol. 9.4: mit unklarem Determinativ – nicht der schlechte Vogel). Yamazaki 2003, 35, Anm. (h) möchte in beiden Schreibungen das Substantiv „Hindernis“ erkennen.
4 mr.t: Erman 1901, 12–13 äußert sich nicht zum Wort, das er nicht übersetzt. Es wird in Wb 2, 105,17 als „ein Tier (zwischen Fischen genannt)“ bezeichnet (auch hier wird das Determinativ S28 mit Fragezeichen versehen). Yamazaki 2003, 15, Anm. (n): Eine Tierbezeichnung, möglicherweise ein Fisch, weil zuvor und im Anschluss Körperteile von Fischen genannt werden.

Spruch D

Literatur:
- Erman 1901, 14–15.
- Möller 1911, 26, Taf. 17.
- Yamazaki 2003, 16–17 und Taf. 3.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 117.
- Lexa 1925, 28.
- S. Schott, Altägyptische Liebeslieder, mit Märchen und Liebesgeschichten, Die Bibliothek der Alten Welt (Zürich 1950), 87 (Nr. 29).
- J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 42 (Nr. 66).
- A. Grimm – S. Schoske (Hrsg.), Stimmen vom Nil. Altägypten im Spiegel seiner Texte (München 2002), 67 (Nr. 46) mit Text 17.

Ein Zauberspruch:
Jescheschi, Tochter1 Jetitis!
O (du), die den Tag zubringt beim Ziegelstreichen für ihren Vater Osiris, die gelästert hat gegen ihren Vater Osiris, 〈dass er von ... lebe,〉 dabei lebt er von Steppenraute (?) und Honig!2
Mögest du ausfließen, o du Asiatin, die aus dem Bergland kommt, o [du] Nubierin, die aus der Wüste [kommt]!
Bist du denn eine Dienerin?
Dann komm als Erbrochenes!3
Bist du denn eine vornehme Dame?
Dann komm in seinem Urin!
Komm im Schleim seiner Nase!
Komm im Schweiß [rt. 2,10] seiner Glieder!
Meine beiden Arme sind auf diesem Kind, (d.h.) die beiden Arme der Isis sind auf ihm, wie sie ihre beiden Arme auf ihren Sohn Horus legt.

1 j~šš.yw zꜣ.t: Lesung nach Yamazaki 2003, Taf. 3, Anm. (e-e) und (f), wobei sie sich auf das anschließende j~tjtj.yw für ihre Lesung des ersten Namens beruft. Erman 1901, 14 (= Akademieschriften I, 466) liest am Anfang [__]š⸮n?w und anschließend ⸮n?.t.
2 Ergänzung gemäß J. F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot (pBrooklyn 47.218.48+85 3,1-6), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 1996, 305333, hier: 331; ebenso gefolgt von Yamazaki 2003, 16, Anm. (c).
3 m bš.w: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 42 (Nr. 66) übersetzt „come as 〈his〉 vomit.“ Borghouts übersetzt hier und in den nächsten Sätzen m jedes Mal als „als (etwas sein)“. Erman 1901, 14–15 hat jedes Mal „in (etwas kommen)“; ebenso S. Schott, Altägyptische Liebeslieder, mit Märchen und Liebesgeschichten, Die Bibliothek der Alten Welt (Zürich 1950), 87 (Nr. 29). Yamazaki 2003, 16 hat jedes Mal „mit (etwas herauskommen)“.

Spruch E: Gegen die nš.w-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 15–24 und Taf. 1 (Kol. 4).
- Möller 1911, 26–28, Taf. 17–19.
- Yamazaki 2003, 18–23 und Taf. 3–6.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 117–118.
- Lexa 1925, 29.
- S. Schott, Altägyptische Liebeslieder, mit Märchen und Liebesgeschichten, Die Bibliothek der Alten Welt (Zürich 1950), 88 (Nr. 30).
- W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 443.

Vertreiben [rt. 3,1] der nš.w-Krankheit aus allen Gliedern eines Kindes:
Du bist Horus!
Erwache als Horus!
Du bist der lebendige Horus!
Ich will die Krankheit, die in deinem Körper ist, entfernen, die Leiden, die in deinen Gliedern sind!
Heilmittel: (Oh) Krokodil, schnell inmitten des Flusses, Schlange, schnell an Gift, dnḥs.t-Messer in den Händen des Schlächters, das stark beim Fressen seines Viehs ist.
Befalle nicht seinen tbn-Kopf!
Meidet das (Zer)treten, das Zerbrechen ihrer rhd.t-Kessel, das Zersplittern (?) ihrer zf.t-Messer!1
Spei aus, nš.w-Krankheit, falle zu Boden!
Geschwür, Bruder des Blutes, Freund [rt. 3,5] des Eiters, Vater der ḥnḥn.t-Geschwulst!
Oberägyptischer Schakal, komm und leg dich nieder, wenn du an den Ort gekommen bist, an dem deine schönen Frauen2 sind, als solche, denen Myrrhen auf ihr Haar und frischer Weihrauch an die Achseln gegeben ist.
Spei aus, nš.w-Krankheit, falle nach unten!
Befalle nicht seinen Kopf, meide seine stechenden Schmerzen (?)3.
Befalle nicht seinen Scheitel, meide Glatzköpfigkeit4!
Befalle nicht seine Stirn, meide das Faltigwerden!
Befalle nicht seine Augenbrauen, meide die Kahlheit (der Augenbrauen)!
Befalle nicht seine Augen, meide das qjw-Augenleiden5, meide Schwachsichtigkeit!
Befalle nicht seine Nase, meide ꜥrš!
Befalle nicht seine Wangen; sie sind [rt. 3,10] Hathors Mandragoren!
Befalle nicht seinen Mund, meide das Stummsein (wörtl.: im Verborgenen lassen)!
Befalle nicht seine Zähne, meide das Löchrigwerden (Karies?)!
Befalle nicht seinen Schlund, meide das Verfaulen/den Mundgeruch (?)!
Befalle nicht seine Zunge, (denn) sie ist eine wr-Schlange am Eingang ihrer Höhle!
Befalle nicht [rt. 4,1] seine Lippen, meide Herpes (?)!
Befalle nicht sein Kinn; es ist der Bürzel der Spießente!
Befalle nicht seine Schläfe, meide das Taubsein!
Befalle nicht seine Ohren, meide Gehörlosigkeit!
Befalle nicht seinen Nacken, meide Genickstarre (?)!
Befalle nicht seine Schultern; das sind lebende Falken!
Befalle nicht seine Oberarme, meide das Einschließen / eingeschlossen werden!
Befalle nicht seine Finger, meide ꜥnẖ!
Befalle nicht seinen Brustkorb, meide die Trichterbrust(?)!
Befalle nicht [rt. 4,5] seine Brust; das ist die Brust der Hathor!
Befalle nicht sein Zwerchfell, meide die Widersetzlichkeit / den Schluckauf (?)!
Befalle nicht seinen Bauch; das ist Nut, die die Götter [gebar]!
Befalle nicht sein [...]-Körperteil, meide das Vereinigen / die Summe!
Befalle nicht seinen Nabel; das ist der Einzelstern!
Befalle nicht seinen Damm, meide den Abscheu der Götterkinder!
Befalle nicht seinen Penis, meide seine Flamme!
Befalle nicht seine Leistengegend, meide den Gestank!
Befalle nicht seinen Rücken, meide ḏꜣ[...]!
Befalle nicht seine Lenden; das ist der Ba des Sohns der Sachmet!
Befalle nicht seinen After, meide njd!
Befalle nicht [rt. 4,10] seine Pobacken; das ist ein Straußenei!
Befalle nicht seine Oberschenkel, meide Behinderung!
Befalle nicht [rt. 5,1] sein Knie, meide Lahmheit!
Befalle nicht seine Wade (?), meide ihren Krampf (?)!
Spei aus, Nš.w, falle nach unten!
Erbrochenes, zu den „Bäuchen“ seiner beiden Füße (d.h. Fußsohlen), dem [Kinder]paar des Geb, den kleinen Götterkindern!
Ins Haus der nš.w-Krankheit ist der Nil eingetreten, mit einem Laken über seinen Schultern wegen der Angelegenheit seiner [Vertreibung (?)]!
O du Asiatin, bist du gekommen?
O du Asiatin, bist du hervorgequollen?
O du Asiatin, ich bin gekommen, um (dich) zu befragen / zu examinieren.
Spei aus, denn ich habe [dich] (fest)sitzend gefunden!
Die Freude deines Weges (?) sei in deiner Hand [rt. 5,5] ... ... [... ...], die Brotform wird zu [...] Brotteig.
Das ḫrw der Speisen der nš.w-Krankheit wird zum ḫꜣs.yt-Busch, zur Wurzel der sꜣr-Pflanze, zu Sykomorenzweigen, zur Ursprungsquelle des Nordwindes.
Fließe aus, nš.w-Krankheit, falle zur Erde!

1 Bedeutung unklar. Yamazaki 2003, 19 und 21, Anm. (h-j) verbindet hbi̯ mit dem Krokodil, sḏ rhd.t mit dem Zerbrechen der Giftzähne der Schlange (metaphorische Bedeutung von „Kessel“?) und sfsf zf.t mit dem Schlächter.
2 nfr.t: Mit einem überflüssigen Determinativ B2, als ob das Substantiv nfr.t „Mädchen“ vorliegt, etwa „deine Frauen und die (sexuell begehrenswerten) Mädchen“. Alle Übersetzungen gehen jedoch von einem normalen Adjektiv aus: „deine schönen Frauen“.
3 st.t=f: Dieser Beleg der Zaubersprüche für Mutter und Kind wurde im Wb versuchsweise unter „Schleimstoffe“ (Wb 4, 333.4 = DZA 29.690.730) eingetragen. Er wurde nicht im H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 812–814 (s.v. st.t) oder bei W. R. Dawson, Studies in the Egyptian Medical Texts IV, in: Journal of Egyptian Archaeology 20, 1934, 185–188, hier: 185–186 (st.t als „a sharp or acute pain, shooting pain“) berücksichtigt, weil der Text nicht als medizinisch eingestuft wird. In den anschließenden Fällen ist kein Suffixpronomen mehr vorhanden.
4 j(ꜣ)s.t: Lies mit J. J. Clère, Les chauves d’Hathor, Orientalia Lovaniensia Analecta 63 (Leuven 1995), 28–29 und Yamazaki 2003, Taf. 4, Anm. (l) js.j oder j(ꜣ)s.t und nicht ḥz=f: „sein Kot“ (Erman 1901, 16 und 19).
5 q⸢j⸣w: Lesung unsicher, vor allem das Schilfblatt ist unsicher (es ist ein senkrechtes Zeichen, aber der schräge Querstrich fehlt; ob er sehr hoch angebracht war?). Yamazaki 2003, 22, Anm. (t) erwägt auch qn, qn.t „Fett“, das als Augenleiden bekannt ist. Aber das beschädigte Zeichen ist kaum ein nw-Topf. Auch das Augenleiden qnj.t (mit dem Auge als Determinativ) ist nicht mit den Spuren vereinbar, höchstens als Emendation q〈n〉jw. So versteht es E. Dévaud, Étymologies coptes, in: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l’archéologie égyptiennes et assyriennes 39, 1921, 155–177, hier: 158 mit Anm. 6 und 9.

Spruch F: Für eine gute Geburt (?)

Literatur:
- Erman 1901, 24–27.
- Möller 1911, 28, Taf. 19.
- Yamazaki 2003, 24–26 und Taf. 6–7.
- Lexa 1925, 29–30.

[...] dieses [...] der Meschenet:1
Mögest du beseelt sein, mögest du tüchtig sein, Meschenet, die du vollständig bist, Hand des Atum, die Schu und Tefnut gebar!
Der Schöpfer [rt. 5,10] ging, indem er über dich wusste, in deinem Namen Meschenet, dass du den Ka dieses Kindes erschaffst, das im Bauch dieser Frau ist, nachdem ich doch einen [rt. 6,1] Königsbefehl an Geb erlassen habe, damit er einen Ka erschafft.
Mögest du beseelt sein, mögest du tüchtig sein, Nut!
Kinderwindeln sollen dieser NN. gehören, ohne dass etwas Schlechtes gesagt wird.
Es ist gut bei mir, ohne dass es Geschlagene gibt, deren Sprüche richtig/bezeugt sind.
Djuhotep hat das Fleischstück2 und die Opferspeise entfernt.
Nut ist die, die jeden Gott zu sich nimmt; ihre Sterne sind ein Sternenmeer, sie ent[fernen] sich nicht als ihre Sterne!
Ihr Schutz soll kommen, [rt. 6,5] damit diese NN. geschützt wird!
Zu rezitieren über 2 Ziegeln, bei denen [Meschenet] auf der linken Seite und Nut auf der rechten Seite ist.3
[... ... ...] Geflügel und Weihrauch auf das Feuer, wobei der, der diese Beschwörung macht, gegürtet ist mit feinem Gewebe und den „Stab des Sees“ in seiner Hand hält.

1 Die ganze Textzeile wurde abgewaschen und die Spuren sind unsicher. Erman 1901, 24 mit Anm. 1 und 26 rekonstruiert das Rubrum als [...] ⸮pn? [m] ⸮ẖ.t? [s.t] ⸮tn? „dieses [Kind aus?] dem Leibe dieser [Frau?]“ und er zieht Msḫn.t als Vokativ zur nächsten Zeile.
2 jwꜥ{.t}: Erman 1901, 26 und Yamazaki 2003, 24 übersetzen mit „(das) Erbe“, d.h. jwꜥ.t.
3 Abgewaschen, aber jꜣb.j ist sicher und die übrigen Wörter passen zu den Spuren. Die Lesung bzw. Ergänzung teilweise nach Yamazaki 2003, 24 mit Anm. q und Taf. 7. Die Rekonstruktion von [Msḫn.t] ist sehr unsicher und eigentlich ist die Lücke zu klein im Vergleich zu den Schreibungen von Msḫn.t in Kol. 5.8 und 5.9.

Spruch G: Für eine gute Geburt (?)

Literatur:
- Erman 1901, 27–28 und Taf. 2 (Kol. 7).
- Möller 1911, 28–29, Taf. 19–20.
- Yamazaki 2003, 27–28 und Taf. 7–8.

Weiter:
Im Wry.t war ich schwanger, ich gebar dich im Nṯr.j, ich reinigte mich, als du 〈im〉 „See der unterägyptischen Könige“ warst.
Meine Güter gehören mir und dir; meine Güter sind in [rt. 7,1] [...].
Zu rezitieren, damit Meschenet nicht das Kind irgendeiner schlechten Sache übergibt.
Gut.

Spruch H: Gegen die bꜥꜥ-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 28–29 und Taf. 2 (Kol. 7).
- Möller 1911, 29, Taf. 20.
- Yamazaki 2003, 28 und Taf. 8.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 119.
- H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV. Übersetzung der medizinischen Texte (Berlin 1958), 293 und IV/2, 223.
- H. Grapow, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. V. Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert (Berlin 1958), 503.
- W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 442.

Die bꜥꜥ-Krankheit beseitigen:
Maulbeeren (?), frische Datteln, ḥm.w der kꜣkꜣ-Pflanze, šmšm.t-Pflanze, Fasern der db.yt-Pflanze, mstꜣ-Brei: (Es) werde von der Frau getrunken.

Spruch I: Gegen die bꜥꜥ-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 29 und Taf. 2 (Kol. 7).
- Möller 1911, 29, Taf. 20.
- Yamazaki 2003, 29 und Taf. 8.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 119.
- Lexa 1925, 30.
- G. Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne de l’époque pharaonique (Paris 1956), 114.
- H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV. Übersetzung der medizinischen Texte (Berlin 1958), 293 und IV/2, 223.
- H. Grapow, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. V. Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert (Berlin 1958), 503–504.
- W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 442.

Weiter:
Wurzeln (?) des mnḥ-Papyrus, Erdmandeln: werde fein zerrieben und in die Milch einer, die einen Knaben geboren hat, gegeben.
Werde ein Hin (Volumen) davon dem Kind gegeben, damit es einen Tag [rt. 7,5] und eine Nacht verbringt, indem es gesund schläft.

Spruch K: Gegen die bꜥꜥ-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 29–30 und Taf. 2 (Kol. 7).
- Möller 1911, 29, Taf. 20.
- Yamazaki 2003, 29 und Taf. 8.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 119.
- H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV. Übersetzung der medizinischen Texte (Berlin 1958), 293.
- H. Grapow, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. V. Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert (Berlin 1958), 504.
- W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 442.

Weiter:
Blätterzweige der nb.w-Pflanze: werde [zerkleinert (?)]1 in Wasser in einem Topf.
Werde veranlasst, dass er/es (das Baby) es trinkt.

1 [...]n oder [qnq]n: Das Verb der Drogenzubereitung ist beschädigt. Erman 1901, 29 Anm. 2 (= Akademieschriften, I, 481) fragt sich, ob ḳnḳnw gelesen bzw. ergänzt werden kann. Es ist tatsächlich in H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 887 und 888 s.v. qnqn: „zerkleinern“ aufgenommen und als ein pass. sḏm=f erklärt worden. Yamazaki 2003, 29, Anm. (c) meint jedoch, dass die Spuren nicht zu [qnq]n passen und lässt die Stelle unübersetzt. Weil das Verb eindeutig auf -n endet, kommen laut der Beleglage in H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), s.v. mw nur die Kombinationen qnqn ḥr mw (in Rezept Bln 159 = pBerlin P 3038, Kol. 14.5) und smn ḥr mw (in pEdwin Smith 21.15–16 smn.ḫr=tw jri̯ m jḫ.t wꜥ.t ḥr mw und 22.2 smn.ḫr=tw ḥr mw) in Betracht, aber smn passt von der Orthographie her nicht. Deshalb erscheint irgendeine Graphie von qnqn doch am wahrscheinlichsten.

Spruch L: Gegen die ssmj-Krankheit

Literatur:
- Erman 1901, 30–31 und Taf. 2 (Kol. 7).
- Möller 1911, 29, Taf. 20.
- Yamazaki 2003, 30–31 und Taf. 8–9.
- Lexa 1925, 30.

Vertreiben der ssmj-Krankheit:
O, der im Wasser ist, eile und sag doch zu jenem Ratsherrn, der in seiner Kapelle ist, und zu Sachmet, wenn sie hinter die Residenz gekommen ist [wegen] ihrer Angelegenheit, und wenn sie [als] Uto, die Herrin von Buto, erschienen ist, dass man ihr etwas von der Milch geholt hat, (die) dieser großen wachsamen Maus, die in ihrem Loch ist, (gehört), wenn für sie (d.h. Sachmet/Uto) das sn.wt- und das dnj.t-Fest in On gefeiert wird, [rt. 8,1] wenn der Große sein (eines) Auge zu dem anderen Schönen gibt, damit Seth (es) sieht.
Dieser Spruch werde gesprochen, während man veranlasst, dass das Kind eine gekochte Maus isst, oder auch {deine}〈seine〉 Mutter.
Ihre (d.h. der Maus) Knochen werden an seinen Hals gegeben an Binden aus feinem Leinen, wobei 7 Knoten verfertigt werden.

Spruch M: Gegen dḥr-Schmerzen des Kindes

Literatur:
- Erman 1901, 31–33.
- Möller 1911, 29–30, Taf. 20–21.
- Yamazaki 2003, 32–34 und Taf. 9–10.
- W. A. Ward, The hı͗w-ass, the hı͗w-serpent, and the god Seth, in: Journal of Near Eastern Studies 37, 1978, 23–34, hier: 26–27.

Mittel zu geben, wenn das Kind Schmerzen hat, wenn eine laute, klagende Stimme1 bei mir ist.
Spruch für einen, der zusammengezogen ist auf seiner linken Seite [rt. 8,5] und seinem mḥꜥ, wegen des hjw-Monsters, das aus dem Rechten/Westen kommt, nachdem es einen Weg gefunden hat, während die Uräusschlange des Anubis aus Busiris herausgekommen ist:
Bleibt fern vom Verzehr der Meeräsche!
Hütet euch vor dem Einschnüren (?)2 eurer Mumienbinden!
Bleibt fern vom Verzehr der Meeräsche!
Hütet euch vor dem Aufbrechen3 eurer Gräber!
Bleibt fern vom Verzehr der Meeräsche!
Hütet euch vor dem Verfall (?)4 eurer Binden!
Bleibt fern vom Verzehr der Meeräsche!
Hütet euch vor dem Wegnehmen der Opfer, die zu eurer Portion gehören!
[rt. 9,1] Es werde eine Meeräsche gegessen, nachdem du ihren Scheitel geschlürft und du dich am Glied (= Kopf) damit geschmückt hast.
Du kennst das Obere und du kennst das Untere, wenn du eine ganze Meeräsche gegessen hast, den Abscheu der Durchwanderin (?) usw., o (Herr) NN., den (Frau) NN. gebar!
Schutz hinter Schutz, es kommt Schutz!
Es (das Schutzamulett) wird aus dem ḏꜣ (einem Körperteil?) der Meeräsche gemacht.
Werde ein Knoten daran gemacht, werde an seinen Hals gegeben.

1 ḫrw bgꜣ ꜥꜣ: vgl. ḫrw sgb ꜥꜣ m ḥw.t-Nt in der Metternichstele (Z. 44) und auf der Heilstatue des Djedher (E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), Z. 108, 111–112 und 134). C. E. Sander-Hansen, Die Texte der Metternichstele, Analecta Aegyptiaca consilio Instituti Aegyptologici Hafniensis 7 (København 1956), 33 übersetzt „eine schreiende, gewaltige Stimme“, d.h. er erkennt zwei Adjektive oder Partizipien und nicht das Adverb ꜥꜣ(w). H. Jacquet-Gordon, Two Stelae of Horus-on-the-crocodiles, in: The Brooklyn Museum Annual 7, 1968, 53–64, hier: 63: „a great wailing voice”. J. P. Allen, The Art of Medicine in Ancient Egypt (New York/New Haven/London 2005), 60: „a great crying sound“. Als Adverb bei E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-er-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 54: „une voix hurlait grandement“ (Pseudoverbalkonstruktion mit Stativ gemäß der Statue des Djedher). Statt für sgb von einem Partizip auszugehen, könnte es auch ein Substantiv sein „das Geräusch/der Klang eines großen Schreis“. Der Beleg der Metternichstele ist im Wörterbuch tatsächlich als Substantiv eingetragen (Wb 4, 321.4 s.v. sgb), auch wenn Möller (DZA 29.659.620) mit „eine laut tönende Stimme“ übersetzt hat. J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 86: „The sound of loud wailing“; L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), 26 hat „A voice of great lamentation”. C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 302 übersetzt ḫrw sgb mit „the sound of wailing“. Y. Koenig, Le Papyrus Boulaq 6. Transcription, traduction et commentaire, Bibliothèque d’étude 87 (Le Caire 1981), 53: „bruit de voix“.
2 ꜥn: Erman 1901, 32 (= Akademieschriften, I, 484) hat noch ꜥk oder ḏi̯=k gelesen (ohne Übersetzung). Yamazaki 2003, 33, Anm. (j) verweist für die Lesung ꜥn auf J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 3 (Mainz 1976), 594, Anm. 536, der eine Wurzel ꜥn: „befestigen, festhalten“ identifiziert hat (in CT VI, 110c und CT VII, 7i) und auch das Substantiv ꜥn.t: „Nagel, Kralle“ sowie das neuäg. Verb ꜥn: „to repair, to mend“ (L. H. Lesko (Hrsg.), A Dictionary of Late Egyptian I (Berkeley/Providence 1982), 78) hierzurechnet. W. Schenkel, Göttinger und Tübinger Konkordanz zu den altägyptischen Sargtexten, in: Protokoll des 25. Kolloquiums über die Anwendung der Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften an der Universität Tübingen vom 19. Juni 1982 setzt das Verb als ꜥnn an, mit den zwei Lesarten (a) „(sich) umwenden, umwinden, zusammenbinden“ und (b) „(sich) festkrallen/festhalten“, wobei die beiden CT-Stellen zu „(sich) festkrallen/festhalten“ gehören.
3 šdi̯.t jz: Diese Stelle in den Zaubersprüchen für Mutter und Kind ist als DZA 29.952.530 s.v. šꜣd jz: „ein Grab anlegen“ (Wb 4, 415.1) abgelegt worden. Yamazaki 2003, 32 übersetzt mit „aufbrechen“. Ist das Verb šdi̯ „nehmen, fortnehmen; rauben“ gemeint („aufbrechen“ wäre eigentlich sḏ)?
4 nꜥi̯: Yamazaki 2003, 32 und Anm. (j) übersetzt mit „zerfließen(?)“, begründet diese Übersetzung jedoch nicht weiter (vgl. Wb 2, 206.13: „vom ziehen, fliessen der Überschwemmung“). Sie übersetzt „damit eure Mumienbinden 〈nicht〉 zerfließen“ und scheint zu meinen, dass die Mumienbinden nicht aufgelöst werden dürfen. Erman 1901, 33 (= Akademieschriften, I, 485) übersetzt mit dem Bewegungsverb „kommen“. So wurde es auch in Wb 2, 206 eingetragen (DZA 24.680.930, in der Rubrik Wb 2, 206.19 „Verschiedenes“).

Spruch N: Gegen dḥr-Schmerzen des Kindes

Literatur:
- Erman 1901, 33–35.
- Möller 1911, 30, Taf. 21.
- Yamazaki 2003, 34–35 und Taf. 10.
- J. F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot (pBrooklyn 47.218.48+85 3,1-6), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 1996, 305–333, hier: 312.

O Hathor, diese, die inmitten des nördlichen Himmels ist, der gegeben wurden zwei Schmuckstücke in Form der Haare „des zum Fluss Gehörigen“ in Form eines Scheitels!
Mögest du die Hörner abbrechen, mögest du (dein) Haar ausreißen, mögest du ein Hindernis (?)1 machen [rt. 9,5] aus Haar von qꜣqꜣ, wirklich ganz und gar vollständig!
O Bauch der männlichen Kraft, bist du zu Hathor gekommen?
Ach, mögest du es dem Untoten, der Untoten usw. geben, die Schmerzen und Fieber bei diesem Kind verursachen, das unter [meinen] Fingern ist!
Schutz ist hinter Schutz, es kommt der Schutz!
Es werde aus einer Haarlocke verfertigt.
Werde zu 4 Knoten gemacht und an den Hals des Kindes gegeben.

1 ḏry.t: unklares Determinativ. In Spruch C (Kol. 2.4) und hier findet sich die Konstruktion jri̯ ḏr.t (ḏr.t mit dem schlechten Vogel determiniert) bzw. jri̯ ḏry.t. Yamazaki 2003, 15 Anm. (k) und 35, Anm. (h) möchte zweimal die Phrase jri̯ ḏr.w/ḏr.t: „ein Hindernis machen, bilden“ erkennen und verweist für diese Phrase auf A. Piankoff – J. J. Clère, A Letter to the Dead on a Bowl in the Louvre, in: Journal of Egyptian Archaeology 20, 1934, 157–169, hier: 160, Anm. (j).

Spruch O: Für Muttermilch

Literatur:
- Erman 1901, 35–38.
- Möller 1911, 30–31, Taf. 21–22.
- Yamazaki 2003, 36–39 und Taf. 10–12.
- W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 442.

Ein Frauenamulett wegen der Milch:
Geschrei ist im Himmel, Gejammer ist in der Unterwelt, Kummer ist in [...] [...] [...] auf ihren Köpfen!
Das Geschrei ... [...], [vs. 1,1] (denn) der ḥn.t-See ist leer; keine Fische existieren; Sobek fraß den Teich(inhalt).
Trocken gefallen ist dieses, was darinnen war!
Re ist auf die Seite gekentert! Re ist auf die Seite gekentert!
Sie sage: „Du erkennst den Herrn der Maat an diesem, was ein jener Feind, ein Untoter, eine Untote usw. anrichtet gegen die Milch, mein bꜥꜥ!“
Meine Arme sind abgewendet, 〈meine〉 Brüste sind in der Hand der Tait.
[vs. 1,5] Falle [zu Boden?], weiche (?), der sein Brot sucht (?)!
Spinne doch danach (Fasern), zwirne sie dir im Umherziehen zusammen, verdrehe sie doch auf dem Oberschenkel, verknote sie doch zu 3 Knoten und zu 4 Knoten!
Werde geknotet und an den Hals des Horus gegeben, wenn er am [Morgen] erwacht, um ihn vor seinen Feinden zu retten.
Er wird aus 4 Flachsfasern gemacht, die (?) ..., [vs. 2,1] er wird mit einer Spindel versponnen, desgleichen verzwirnt, desgleichen verdreht; werde 4 Knoten darin verfertigt; werde an den Hals des Kindes gegeben.
Es ist seine Rettung vor seinem Feind.

Spruch P

Literatur:
- Erman 1901, 38–40.
- Möller 1911, 31, Taf. 22.
- Yamazaki 2003, 40–41 und Taf. 12.
- K. Sethe, Ägyptische Lesestücke zum Gebrauch im akademischen Unterricht. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1924), 52 (Nr. 7.l).
- K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 77–78.
- G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker 4 (Jena 1923), 119.
- Lexa 1925, 30–31.
- J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 42–43 (Nr. 68).
- R. B. Parkinson, Voices from Ancient Egypt. An Anthology of Middle Kingdom Writings (London 1991), 129–130 (Nr. 49a).

Spruch für das Zusammenknoten (eines Amuletts) für ein (kleines) Kind, ein Küken:
Ist dir heiß 〈im〉 Nest?
Ist dir warm im Busch?
Ist deine Mutter nicht bei dir?
Ist keine Schwester/Tante da, 〈um〉 Luft zuzufächeln?
Ist keine Amme da, um einen Schutz zu erstellen?
Lass mir ein Kügelchen aus Gold bringen, eine Perle aus Granat, ein Siegel, ein Krokodil, eine Hand, um niederzuwerfen, um [vs. 2,5] diese „Liebende“1 zu vertreiben, um den Körper zu erwärmen, um niederzuwerfen diesen Feind oder diese Feindin des Westens.
Mögest du ausspeien!
Das ist der Schutzzauber!
Dieser Spruch werde gesprochen über Kügelchen aus Gold, Granatperlen, einem Siegel, einem Krokodil, einer Hand.
Werde auf einen Faden von nḏ-Gewebe gezogen; werde zu einem Amulett gemacht; werde an den Hals des Kindes gegeben.
Gut.

1 tꜣ mr⸢r⸣.t: Die Spuren passen mit Yamazaki 2003, Taf. 12, Anm. (d) besser zu mrr.t als zu mr.wt (eher r als Wachtelküken). Dadurch müssen ältere Übersetzungen wie z.B. „Sehnsucht (des Kindes nach der Mutter)“ (K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 77 zu 52.12) angepasst werden. Siehe für eine Auflistung dieser älteren und neueren Übersetzungen Yamazaki 2003, 41, Anm. (d).

Spruch Q

Literatur:
- Erman 1901, 40–41.
- Möller 1911, 31, Taf. 22.
- Yamazaki 2003, 42–43, 47 und Taf. 12–13.
- Lexa 1925, 31.

Spruch, der über einem Kind am sehr frühen Morgen rezitiert wird:
Du gehst auf, Re, du gehst auf!
Wenn du diesen Untoten erblickt hast, der gegen NN., den NN. geboren hat, kommt, die weibliche Untote, um den Spruch unter sich zu legen, beim Ausführen des Planes, [vs. 3,1] ihr Kind aus ihren Armen zu rauben:
„Rette (mich), Re, mein Herr!
Ich werde dich (fem.) nicht hergeben, ich werde mein Kind nicht hergeben, ihr, die ihr übel verfahrt mit diesem Kind!
Meine Hand ist auf ihr, das Siegel ist dein Schutz!
Siehe, ich schütze dich!“
Dieser Spruch werde gesprochen über einem Siegel und einer Hand.
Werde zu einem Amulett gemacht, werde geknotet zu 7 Knoten, mit einem Knoten am Morgen und dem anderen am Abend, bis zur Vollendung von 7 Knoten.

Spruch R

Literatur:
- Erman 1901, 42–43.
- Möller 1911, 31, Taf. 22.
- Yamazaki 2003, 44, 47 und Taf. 13.

„Du gehst auf, Re, {er}〈du〉 ziehst dahin!
Wenn du gesehen hast den Untoten, der gekommen ist gegen NN., geboren von NN., die weibliche Untote, (gekommen,) um den Spruch unter sich zu legen, beim Ausführen [vs. 3,5] des Planes, es [aus ihren Armen] zu rauben, dann mögest du mich retten, mein Herr, Re!“, sprach NN.
„Ich will dich nicht hergeben, ich will die (süße) Last nicht dem Räuber oder der Räuberin geben!
Meine Hand ist auf dir, das Siegel ist dein Schutz, wenn Re vorüberzieht!
Siehe, ich bin der, der dich schützt!“
Dieser Spruch werde am Abend gesprochen, während Re aus dem Leben scheidet.

Spruch S

Literatur:
- Erman 1901, 43–44.
- Möller 1911, 31–32, Taf. 22–23.
- Yamazaki 2003, 45, 47 und Taf. 13–14.
- J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 42 (Nr. 67).
- R. B. Parkinson, Voices from Ancient Egypt. An Anthology of Middle Kingdom Writings (London 1991), 130 (Nr. 49b).

Segen zum Schutz des Leibes, der rezitiert wird über einem Kind, während die Sonne aufgeht:
„Du gehst auf, Re, du gehst auf!
Hast du diesen Untoten gesehen, der gegen sie, NN., die NN. gebar, kommt, 〈diese Untote〉, die den Spruch gegen sich beseitigt, beim Ausführen des Planes, [vs. 4,1] ihr Kind zu rauben aus ihren Armen?
Mögest du mich erretten, mein Herr, Re!“, sprach NN., die NN. geboren hat.
„Ich werde dich nicht hergeben, ich werde die (süße) Last nicht geben dem Räuber oder der Räuberin aus dem Westen!
Meine Hand ist auf dir, mein Siegel ist dein Schutz!“, sprach Re, als er aufging.
„Mögest du ausfließen, das ist der Schutz!“

Spruch T

Literatur:
- Erman 1901, 44–45.
- Möller 1911, 32, Taf. 23.
- Yamazaki 2003, 46–47 und Taf. 14.
- Lexa 1925, 31–32.

Was man sagt, während Re aus dem Leben scheidet:
„Du ziehst dahin, Re, du ziehst dahin!
Hast du diesen Untoten gesehen, der gekommen ist gegen sie, NN., die NN. geboren hat, 〈diese〉 weibliche Untote, die den Spruch von sich abwehrt, beim Ausführen des Planes, ihre (süße) Last aus ihren Armen zu rauben?
Errette mich, mein Herr, Re!“, sprach NN., die NN. geboren hat.
[vs. 4,5] „Ich werde dich nicht hergeben, ich werde meine (süße) Last nicht geben dem Räuber oder der Räuberin aus dem Westen!
Meine Hand ist auf dir, mein Siegel ist dein Schutz!“, sprach Re, als er vorbeizog.
„Mögest du ausfließen! Das ist der Schutz!“

Spruch U

Literatur:
- Erman 1901, 45–50.
- Möller 1911, 32–34, Taf. 23–25.
- Yamazaki 2003, 48–51 und Taf. 14–16.
- Lexa 1925, 32–33.
- S. Schott, Altägyptische Liebeslieder, mit Märchen und Liebesgeschichten, Die Bibliothek der Alten Welt (Zürich 1950), 86 (Nr. 27).

Segen, die über diesem Kind gemacht werden:
Mein Schutz ist der Schutz des Himmels und der Schutz der Erde; mein Schutz ist der Schutz der Nacht; mein Schutz ist der Schutz des Tages; mein Schutz ist der Schutz des Goldes; mein Schutz ist der Schutz des Porphyrs (?); mein Schutz ist der Schutz des Re; mein Schutz ist der Schutz dieser 7 Götter, die dieses Land schufen, als es wüst war, die die Herzen an ihren (richtigen) Platz setzten.
Dein Scheitel ist Re, o gesundes Kind!
Dein Hinterkopf ist Osiris; deine Stirn ist Satet, die Herrin von Elephantine; deine Schläfe ist Neith; deine Augenbrauen sind der Herr des Ostens; [vs. 5,1] deine Augen sind der Herr der Menschheit; deine Nase ist der Rezitator der Götter; deine Ohren sind zwei Uräen; deine Schulter(n) sind lebendige Falken; dein (einer) Arm ist Horus, der andere ist Seth; deine (eine) Seite ist Sopdu, die andere Nut, die die Götter gebar, (sie ist) der Kasten des Aufnehmens des Reinen in On, in dem jeder Gott ist.
Dein Herz ist Month; dein Verstand ist Atum; deine Lunge ist Min; deine Galle ist wie die Nefertem gehörige; deine Milz ist Sobek; deine Leber ist Herischef, der Herr von Herakleopolis; deine Eingeweide sind „der Gesunde“ (?); dein Nabel ist der Einzelstern; dein einer Unterschenkel ist Isis, der andere ist Nephthys; [vs. 5,5] deine beiden Füße sind [...], der ihre [...] von dir wegnimmt; deine Waden sind zwei ḥz-Vasen, die sich [mit (?)] dem Fluss vereinen (?); deine Zehen sind edle Gifttiere.
Mache [... ... ...], weil man eine Beschwörung in deinem Namen beschwört.
Es gibt kein Glied an dir, das frei von einem großen [Gott] ist.
Ein jeder Gott wird [deinen] Namen schützen, [... ... ...], jede Milch, mit der du gestillt hast, die Umarmung, in die du gegeben wurdest, jeder Schoß, auf dem du dich ausstreckst, die Kleider, mit denen du bekleidet wirst, jede [...], in der du den Tag zubringst.
Jeder Schutz, der für dich gemacht wird, jedes Amulett, auf das du gegeben wirst, 〈jeder Knoten〉, der dir geknotet wird, jeder Segen, der an deinen Hals gegeben wird, er wird dich durch sie beschützen, er wird dich durch sie gesund erhalten, [vs. 6,1] er wird dich durch sie wohlbehalten sein lassen, er wird dir durch sie jeden Gott und jede Göttin besänftigen.

Spruch V

Literatur:
- Erman 1901, 50–52.
- Möller 1911, 34, Taf. 25.
- Yamazaki 2003, 52–55 und Taf. 16.
- K. Sethe, Ägyptische Lesestücke zum Gebrauch im akademischen Unterricht. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1924), 52–53 (Nr. 7.m).
- K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 78–79.
- Lexa 1925, 33.
- G. Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne de l’époque pharaonique (Paris 1956), 115.
- S. Donnat, L’enfant chétif d’une femme séthienne, ou le nouveau-né solaire d’une mère divine?. À propos de ḥm.t dšr.t et ḫprw dans Mutter und Kind (formule V), in: Revue d’égyptologie 63, 2012, 83–101.

[vs. 6,1] Zauberspruch für eine rote Frau, die Mehrlinge (?)1 geboren hat:
Seid gegrüßt, ihr (Fäden), die Isis gedreht hat, die Nephthys gesponnen hat, Knotenamulett aus Gottesgarn mit 7 Knoten darin!
Mögest du damit geschützt werden, du gesundes Kind, NN., geboren von NN., um dich gesund zu erhalten, um dich munter zu erhalten, um jeglichen Gott und jegliche Göttin für dich zu besänftigen, um einen Feind, einen Wanderdämon,2 niederzuwerfen, um eine Feindin, eine Wanderdämonin,2 niederzuwerfen, um den Namen dessen, der um dich Klagen macht, abzublocken (wört.: zu sperren), wie man ein Maul versperrt, wie das Maul dieser 77 Esel verschlossen wird, die im Messersee waren.
[vs. 6,5] Wir (aber) kennen sie (die Esel) und so kennen wir (auch) ihre Namen!
Sie wurden nicht erkannt durch den, der dieses Kind krank machen wird.
Er soll es (selbst) erleiden usw.
Dieser Spruch werde viermal gesprochen über 7 Kügelchen aus Porphyr (?), 7 aus Gold, (und über) 7 Flachsfasern, gedreht/gesponnen von zwei Schwestern der Mutter – die eine ist die, die (sie) dreht/verspinnt, die andere ist die, die (sie) verzwirnt; werde daraus ein Amulett von 7 Knoten gemacht; werde an den Hals des Kindes gegeben.
[Das ist] ein Schutz der Glieder [des] Kindes.

1 ḥm.t dšr.t msi̯.t ḫpr.w: Für die verschiedenen Interpretationen von msi̯.t ḫpr.w als Frühgeburt (so Wb 3, 266.11; K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 78) oder Geburt von Mehrlingen (Yamazaki 2003, 52–53, Anm. (a)) oder Geburt der ḫpr.w-Form des Sonnengottes durch die rot-blutende Gebärende (S. Donnat, L’enfant chétif d’une femme séthienne, ou le nouveau-né solaire d’une mère divine?. À propos de ḥm.t dšr.t et ḫprw dans Mutter und Kind (formule V), in: Revue d’égyptologie 63, 2012, 83–101, hier: 90–100) siehe jetzt die Parallele in pRamesseum XVI, Kol. 9.3 mit dem Sonnengott Ḫprj: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, 2 Bände, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 112 und 129–130. Donnat hat auch klar gestellt, dass ḥm.t dšr.t nicht immer eine verhexte (K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927)) oder unglückliche (G. Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne de l’époque pharaonique (Paris 1956), 115) Frau sein muss, sondern eine Bezeichnung von Isis oder Nephthys oder der gebärenden Frau sein kann.
2 ḫftj nmt.j und ḫftj.t nmt.t: Entweder sind nmt.j und nmt.t aktive Partizipien zu ḫftj bzw. ḫftj.t (so S. Donnat, L’enfant chétif d’une femme séthienne, ou le nouveau-né solaire d’une mère divine?. À propos de ḥm.t dšr.t et ḫprw dans Mutter und Kind (formule V), in: Revue d’égyptologie 63, 2012, 83–101, hier: 86 und sicherlich auch schon K. Sethe, Erläuterungen zu den ägyptischen Lesestücken. Texte des Mittleren Reiches (Leipzig 1927), 78, Anm. zu Z. 52.22) oder es sind weitere Dämonenbezeichnungen. nmt.t findet sich ohne ḫftj.t schon in Spruch M (Kol. 9.2), was für eine Dämonenbezeichnung spricht (so z.B. Yamazaki 2003, 32 und 52 – beide Male mit Fragezeichen).