Ostrakon Deir el-Medineh 1062

Metadaten

Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2095

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale in Deir el-Medineh und wird spätestens seit 1936 in den Räumlichkeiten des IFAO in Kairo aufbewahrt.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon wurde spätestens 1936 in Deir el-Medineh gefunden. G. Posener macht keine weiteren Angaben zum genauen Fundort (Posener 1936, 16).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

G. Posener datiert alle Ostraka in dem von ihm veröffentlichten Band zwischen die Mitte der 19. und die Mitte der 20. Dynastie (Posener, 1938, VI; so übernommen durch Westendorf 1999, 61). Die Paläographie sowie der Fundort dürften hierbei für eine Datierung in die Ramessidenzeit sprechen.

Textsorte
medizinische Rezepte, magisch-medizinischer Text, magischer Spruch
Inhalt

Das Ostrakon gibt den „Anfang eines Buches zur Beseitigung von Schlägen eines Toten oder einer Toten [...]“ wieder, die in die beiden Augen (Spruch 1) eingetreten sind. Außerdem folgt der Anfang eines weiteren Spruchs zu einem Toten, der in den Körper bzw. in den Kopf (Spruch 2) eingetreten ist. Die Behandlung der Augenkrankheit erfolgt wohl, indem eine erwähnte Rezeptur nach Rezitation des Spruches an die Augen gegeben wird. Auf dem Verso befindet sich ein zweizeiliger Text mit einem magischen Spruch gegen eine dämonische Krankheit, bei der vielleicht eine Gliedervergottung zum Einsatz kommt.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Haupttext auf der Vorderseite des Ostrakons ist möglicherweise eine Schreibübung. Dafür spricht die Tatsache, dass ein Spruch/Fall vollständig abgeschrieben ist, anschließend ein Pause- bzw. Paragraphenende-Zeichen (grḥ) vorhanden ist sowie der erste Satz des nächsten Spruchs/Falls folgt. Auf der letzten Zeile ist die Datumsangabe (?) eingerückt. Die Textmenge entspricht einer Tagesübung bei literarischen Ostraka. Auch bei literarischen Ostraka wird der erste Satz des nächsten Abschnittes als mnemotechnisches Mittel mit abgeschrieben und endet mit einer abgesetzten Datumsangabe (vgl. Fischer-Elfert 1993, 32–34).

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die Kalksteinscherbe hat eine Höhe von 17 und eine Breite von 20,5 cm. Die Leserichtung des Textes verläuft von rechts nach links. Auf dem Recto sind acht Zeilen Text geschrieben. Mit Ausnahme der 7. Zeile sind alle Zeilenenden verloren. Die oberste Zeile ist über einer ausradierten Zeile geschrieben. Eine 9. Zeile (in der Publikation die 1. Zeile des Recto genannt) befindet sich auf der oberen, schrägen Bruchkante und ist möglicherweise eine kurze Rezitation. Die unterste Zeile auf dem Recto ist eingerückt und zeigt nur noch die Reste einzelner Zeichen (möglicherweise ein Datum), die laut G. Posener ausradiert wurden. Sie stammen aus der Hand eines anderen Schreibers.
Auf dem Verso befinden sich zwei Zeilen Text, deren Enden nicht erhalten sind.

Schrift
Hieratisch

Der magische Spruch auf dem Verso enthält einen Gliederungspunkt. Es existieren keine Rubra.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei G. Posener im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Faksimile sowie hieroglyphischer Transkription aufgeführt (Posener 1936, 16, Taf. 34–34a). Seit 1958 liegt eine Übersetzung der Zeilen 2–3 und 6–7 des Rectos im „Grundriss der Medizin der alten Ägypter“ vor (von Deines – Grapow – Westendorf 1958 I, 60). Für dieselben Passagen liefert Bardinet 1995, 479 eine französische Übersetzung, Westendorf 1999, 156 eine weitere deutsche. Eine Übersetzung des Versos sowie ein Kommentar zum kompletten Text stehen noch aus.

Editionen

- Posener 1936: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh I,2, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1, Fasc. 2 (Le Caire 1936), 16, Taf. 34–34a.

Literatur zu den Metadaten

- Bardinet 1995: T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique. Traduction intégrale et commentaire (Paris 1995), 479 (Zeile 2–3 und 6–7).

- von Deines – Grapow – Westendorf 1958 I: H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV,1. Übersetzung der medizinischen Texte (Berlin 1958), 60 (Zeile 2–3 und 6–7).

- Fischer-Elfert 1993: H.-W. Fischer-Elfert, "Ein Kapitel täglich" als Pensum der Schreiberschüler, in: Göttinger Miszellen 135, 1993, 32–34.

- Posener 1938: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh I,3, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1, Fasc. 3 (Le Caire 1938), VI.

- Westendorf 1999: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 61, 141, 156.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Ines Köhler

Übersetzung und Kommentar

oDeM 1062 Rto 1 (Schmalseite)

[Rto 1] Ich bin Seth, der Stier in [...].1

1 jnk Stẖ kꜣ m [...]: Die Übersetzung im Internet (25.04.2017) "Ich bin der Ka des Seth als/im [...]" ist abzulehnen. In C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band VII. š, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002) ist kein Epitheton des Seth verzeichnet, das die Lücke füllen könnte, aber Seth ist der "Stier" (kꜣ: C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band VII. š, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 246, Beleg 47 [unser Ostrakon]), der "Stier von Ombos" (kꜣ Nb.t: C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band VII. š, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 262) und der "Starke Stier" (kꜣ nḫt: C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band VII. š, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 263, Beleg 3). Das Gottesdeterminativ bei kꜣ macht daraus nicht den Persönlichkeitsbegriff "Ka".

oDeM 1062 Rto 2–9

Beginn des Buches vom Entfernen einer Schlagverletzung durch einen (Un)toten und einer (Un)toten [… ... ...], die in beide Augen eingetreten sind.1
(Du,) der diese beiden Augen betreten hast, geh doch!
Komme nicht [... ...] diese [beiden Augen]!
Die Augen des Horus, Sohn der Isis, sind es!
Was den betrifft, der sie (d.h. die Augen) stechen wird, nicht [kann er] leben [… ... ...]
... mit den] [Rto 5] Worten (?): (Oh du,) der angreifen wird (Herr) NN, geboren von (Frau) NN, du kannst nicht kommen als einer, der kommt, um zu werden (?) [… ... ...].
Der Schutz ist hinter dir, der Schutz, der Schutz ist gekommen!
Worte zu sprechen über die beiden Augen eines Geierweibchens (und über) die beiden Augen eines Krokodils2 [… ... ...]
[... ... ...]; sꜣ-wr-Harz; grüne Augenschminke (Malachit):
(es) werde gekocht; (es) werde an die beiden Augen gegeben als etwas wirklich Vorzügliches.
(Strophenende/Pause) Vertreiben eines (Un)toten im (oder: aus dem) Leib [... ... …] eines Mannes.
Zurück, du (Un)toter, (Un)tote, der/die in den Kopf eingetreten ist!
{{Tag [...].}}3

1 Nach Westendorf 1999, 61, geht es um Schmerzen in Augen, Kopf und Leib (S. 141), verursacht durch Dämonen, die durch eine Rezitation vertrieben werden.
Der Spruch erinnert an pBM EA 10059 13:1, Spr. 57 (alt 22) „Spruch für das Geben eines Heilmittels an die Augen“, in dem es im Verlauf heißt:
„Man hat es gebracht, um den Schlag (Einwirkung) des Gottes und den Schlag der Göttin zu vertreiben (und den) eines Widersachers und einer Widersacherin, eines Untoten und einer Untoten, eines Feindes und einer Feindin – die, die sich diesen Augen eines Mannes entgegenstellen, der unter meinen Fingern ist.
Schutz ist dahinter, Schutz, Schutz ist gekommem!
Dieser Spruch ist zu sprechen viermal, während man das Heilmittel an das Auge gibt.“
Auch in Spr. 22 "Gegen Nachtblindheit" wird die Augenerkrankung Untoten und Dämonen zugeschrieben.
2 Geier und Krokodil werden wegen ihrer Sehfähigkeit in der Behandlung von Augenleiden eingebunden: C. Leitz, Die Rolle von Religion und Naturbeobachtung bei der Auswahl der Drogen im Papyrus Ebers, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.) Papyrus Ebers und die antike Heilkunde. Akten der Tagung vom 15.-16.3.2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 4162, hier: 50–51.
3 hrw: Falls hier ein Datum stehen sollte, müsste es der Name eines Feiertages sein, denn ein Datum würde normalerweise mit dem Monat anfangen und der Tag wäre als sw und nicht als hrw geschrieben. Das Wort/Datum wurde nachträglich ausradiert.

oDeM 1062 Vso

[Vso 1] Zurück du, Feind, Jener (oder: Feindin), Toter/Wiedergänger, Tote/Wiedergängerin [... ...]
[... ...] wegen (?) Gutem in dir (?).1
Seine Finger sind meine Zehen.

1 m-ꜥ bw-nfr: m-ꜥ steht am Anfang der Zeile. Falls es das Ende eines Wortes sein sollte, kommt der Imperativ von rḏi̯ in Betracht: jmi̯: "Gib Gutes!". Diese Zeile fängt weiter links an als die erste Zeile. Eventuell wurde sie nachträglich eingefügt und hat nichts mit dem anschließenden Wort jm=k zu tun.
Der Gliederungspunkt vor jm=k kann nicht richtig sein. Er könnte höchstens hinter jm=k stehen. Wegen der Lücke ist die Übersetzung unsicher.