Oracular Amuletic Decree L1 (Papyrus London BM EA 10083)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
OAD L1 TM 381257
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10083

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus befand sich zunächst im Besitz von Luigi Vassalli und wurde im Jahr 1856 mit weiteren Objekten unterschiedlicher Herkunft und Datierung für das British Museum angekauft (Edwards 1960a, 1; Website British Museum). Der italienische Ägyptologe Vassalli (1812–1887) reiste ca. 1841 nach Ägypten und war zunächst Antikenhändler, bevor er im Jahr 1859 Assistent von Auguste Mariette und später Kurator des Museums in Bulaq wurde (Bierbrier 2012, 553).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960a, xiii) geht von einer Herkunft aus Theben aus, die er an den im Text genannten Göttern festmacht. Die Götter, die das Orakel geben, sind Month-Re-Harachte, der Herr von Theben, sowie Iunit. Für beide wird als Kultort das „Südliche Heliopolis“, in diesem Fall, also Karnak genannt. Der Name der Besitzerin des Amuletts, Buiruharchons „Sie haben Chons nicht geplündert“ (Thirion 1981, 83–84), ist vor allem im thebanischen Raum belegt, s. Thirion 1981, 84.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960a, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen. Auch der Name der Besitzerin, Buiruharchons „Sie haben Chons nicht geplündert“ (Thirion 1981, 83–84) liefert einen Hinweis zur zeitlichen Einordnung. Namen von diesem Typ sind inhaltlich und sprachlich ab der 21. Dynastie belegt (Jansen-Winkeln 2007, 277; Guentch-Ogloueff 1940, 124 und 133; Jansen-Winkeln 1985, 192; Thirion 1981, 83–84), was als Terminus post quem zur paläographischen Datierung passt.

Textsorte
Orakeldekret
Inhalt

Die orakelgebenden Götter Month-Re-Harachte, Herr von Theben, und Iunit versprechen der Besitzerin des Amuletts, Buiruharchons („Sie haben Chons nicht geplündert“, Thirion 1981, 83–84), Tochter von Djedchons, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standartisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau – Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960a, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß 2019, 26–36). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.
Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet werden. Im hier vorliegenden Papyrus ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960a, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der hier vorliegende Text niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Papyrusstreifen
Technische Daten

Der Text ist nicht vollständig erhalten. Vom oberen Ende des Papyrus ist ein Teil von unbekannter Länge verloren. Der erhaltene Papyrusstreifen ist 63,8 cm lang und 6 cm breit. Durch den verlorenen Beginn ist schwer zu entscheiden auf welcher Seite sich der Anfang des Textes befunden hat. Edwards (1960a, 1) führt zwei Gründe an, die ihn veranlasst haben, den Beginn des Textes auf der Seite des Papyrus zu vermuten, auf der die vertikalen Fasern oben liegen (Recto, transversa carta): Erstens beginnen die meisten anderen Papyri ebenfalls auf dieser Seite, und zweitens befindet sich auf der anderen Seite in den Zeilen 52–59 eine Formel, die in vollständig erhaltenen Texten eine Art Epilog darstellt. Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt  bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um ein „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem gut lesbaren leicht kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a+b), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus BM EA 10083. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle L1 aufgenommen (Edwards 1960a, 1–13; Edwards 1960b, Taf. 1–3). Im Jahr 2018 erschien eine neue deutsche Übersetzung des Textes von Hans-Werner Fischer-Elfert (Fischer-Elfert 2018, 108–112). Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 1–13.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 1–3.

- Fischer-Elfert 2018: H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche (Stuttgart 2018), 108–112.

Literatur zu den Metadaten

- Adderly 2015: N. J. Adderly, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014).

- Bierbrier 2012: M. L. Bierbrier, Who was Who in Egyptology, 4. Auflage (London 2012), 553.

- Bourriau – Ray 1975: J. D. Bourriau – J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61 (1975), 257–258.

Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939).

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46 (2017), 55–100.

- Guentch-Ogloueff 1940: M. Guentch-Ogloueff, Noms propres imprécatoires, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 40 (1940), 117–133.

- Jansen-Winkeln 1985: K. Jansen-Winkeln, Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie, 2 Bände, Ägypten und Altes Testament 8 (Wiesbaden 1985), 192.

- Jansen-Winkeln 2007: K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit. Teil I: Die 21. Dynastie (Wiesbaden 2007), 277.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20 (1963), 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étude 81 (Caire 1979), 167–183, Taf. 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9 (1987), 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118 (2018), 233–239.

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman – R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58 (1972), 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Thirion 1981: M. Thirion. Notes d’onomastique. Contribution à une révision du Ranke PN (deuxième série), in: Revue d’Égyptologie 33 (1981), 79–87.

Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99 (2013), 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree L1 (Papyrus London BM EA 10083)

Recto

[… … …] [Wir werden sie retten aus der Hand von Chons]1, [Rto. x+1] dem jugendlich Existierenden, (und von) Chons, dem Pläneschmieder: diesen 2 großen, lebendigen Pavianen, die zur Rechten (und) Linken von Chons in Theben, dem vollkommen Gnädigen, ruhen, (und) die [Rto. x+5] diejenigen sind, die eine Schrift von Tod und Leben2 herausgebracht haben.
Wir werden sie retten aus der Hand Sachmets und ihres Sohns.

1 [jw=n (r) šdi̯=st m-ḏr,t]: Ergänzung nach den Parallelen in T1, Rto (= OAD, rt.) 53; T2, Vso. 85; P3, Rto. 87; B, Rto. 53.
2 Zur religionsgeschichtlichen Einordnung von schicksalsbestimmenden Büchern im Alten Ägypten, s. H. Brunner, Buchführung über Leben und Tod, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 115, 1988, 14–19.

Wir werden sie bewahren vor dem Herabstürzen einer Mauer (und) vor der Verwüstung (wörtl. zerstampfen, zerstören) eines Gewittersturms.
[Rto. x+10] Wir werden sie bewahren vor Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Blindheit (und) vor dem Wirken des Udjat-(Auges)3, während der (= ihrer) gesamten Lebensdauer.

3 jri̯(.t) wḏꜣ.t: Der Begriff ist uneindeutig. Edwards (1960a, 2, n. 9) emendiert hier jri̯ zu jr.t „Auge“ und liest „Udjat-eye (?)“ mit Hinweis auf Belege, die an der Stelle jr.t mw.t „Auge eines Toten“ schreiben (L 2, OAD, Vso. 50, 76–77; P 4, 23; s. auch pBerlin P 3059, 31–32: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 90), wobei 10 weitere Belege ähnliche Schreibungen aufweisen, wie diese in unserem Papyrus, s. eine Zusammenstellung der Belege bei Grams 2017, 82–83. Edwards vermutet, dass zwei Versionen sich vermischt haben könnten, da ihm der Infinitiv jri̯ in Verbindung mit dem Udjat-Auge keinen Sinn zu geben scheint. Fischer-Elfert (2018, 108) nimmt den Infinitiv ernst und liest wörtlich „Wirken des Udjatauges“, dem hier gefolgt wird. Er setzt dies in Verbindung mit dem „Bösen Blick“. Auch sieht er in der Bezeichnung des Auges jr.t ein Derivat der Wurzel jri̯ „machen, tun, handeln“, s. H.-W. Fischer-Elfert, Lesefunde im literarischen Steinbruch von Deir el-Medineh, Kleine ägyptische Texte 12 (Wiesbaden 1997), 138, Anm. 70. Dass es sich um ein schädliches Wirken handelt, ist erkennbar an der Klassifikation des Begriffs mit dem Sterbenden in Abkürzung (Z6). Ähnlich interpretiert Grams (ebd.) diese Stelle, wobei sie das „Wirken des Udjatauges“ auf die göttliche Sphäre beschränkt im Vergleich zu anderen Ausdrücken, die das Phänomen beim Menschen bezeichnen (jr.t bjn.t). Eine vergleichbare Verwendung liegt in einem magischen Spruch gegen Schlangen vor (pTurin Cat 1993, Vso. 4.12), s. J. F. Borghouts, The ram as a protector and prophesier, in: Revue d’égyptologie 32, 1980, 33–46, hier: 35, mit n. 15. Allgemein zur Bedrohung durch und zum Schutz vor dem „Bösen Blick“ von Menschen oder Göttern, s. J. F. Borghouts, The Evil Eye of Apopis, in: Journal of Egyptian Archaeology 59, 1973, 114–150, bes. 142–148; N. Grässler, Konzepte des Auges im alten Ägypten, Studien zur Altägyptischen Kultur. Beihefte 20 (Hamburg 2017), 317–325.

Wir werden sie retten aus der Hand der 7 Sterne des Großen Wagens (wörtl. des Vorderschenkels).4
Wir werden sie retten aus der Hand des Sterns, der vom Himmel [Rto. x+15] fällt (= Meteorit) und einen Menschen niederstreckt.

4 pꜣ 7 sbꜣ n(.j) pꜣ msḫ.tjw: Nach Leitz (Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 244–246) sind die sieben Sterne des Großen Wagens mit den ḫꜣtyw-Dämonen zu verbinden, die als Helfer des Sonnengottes gegen Apophis die Macht zu strafen und zu töten haben. Hieraus entwickelt sich wohl eine Ambivalenz ihres Wesens, das sowohl als positiv aber auch als gefährlich eingestuft werden kann. So werden die ḫꜣtyw u.a. als Bringer von Krankheiten angesehen und auch in den OAD sind sie als Bedrohung genannt (z.B. in: L1 Rto. x+48 u. L3, A x+2–4). Das Sternbild des Großen Wagens wird von Leitz (Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 246) so erklärt, dass sich die sieben Sterne (oder die ḫꜣtyw) als Schutzgötter um den dunkel gedachten Rinderschenkel, der mit Seth verbunden wird, aufgestellt haben, um ihn zu bewachen. Diese Vorstellung ist im spätptolemäischen Papyrus Jumilhac (XVII, 10–2) formuliert, s. Leitz (Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 251).

Wir werden sie retten aus der Hand der Neunheit des Südlichen Heliopolis.
Wir werden sie bewahren vor deren (der Neunheit) Frevel.
Wir werden sie (die Neunheit) ruhig sein lassen für sie.
Wir werden [Rto. x+20] sie (die Neunheit) auf ihre Gebete reagieren (wörtl. sprechen) lassen.

Wir werden sie retten aus dem Einfluss der Bücher vom Anfang des Jahres (und) aus dem Einfluss der Bücher vom Ende des Jahres.
Wir werden sie bewahren vor jeder Tod(esart), vor jeder Krankheit, vor jeder Beschwerde, vor jedem Verbrechen, vor jeglicher [Rto. x+25] Unordnung, vor jeder Frustration/Ungeduld5, vor jeder üblen (Nach)rede, vor jeder bitteren Rede, vor jeder zweit(rangig)en Rede6 (und) vor spottender Rede7.
Wir werden sie bewahren vor jeglichem schlimmen Schicksal, vor jedem bösen Blick (wörtl. Auge), vor jedem bösen Sicht(omen), [Rto. x+30] vor jeder bösen Zerstörung/Narbe (?), vor jeder bösen Farbe.

5 ꜣ~rʾ~rʾ: Das Wort ꜣrr ist bisher nur in den Oracular Amuletic Decrees belegt (L1, Rto. 25). Edwards (1960a, 3, n. 16) schlägt als Übersetzung „frustration“ vor, mit Verweis auf kopt. ⲁⲗⲱⲗ „be impatient, desire eagerly“ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 6a) bzw. „ungeduldig, unwillig sein, erstreben“ (W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 1965–1977), 4).
6 md.t nb 2nw: Vgl. Edwards 1960a, 3: „every (kind of) mean word“, was inhaltlich problematisch ist, weil die Bösartigkeit der Rede nicht explizit ausgedrückt ist. Fischer-Elfert (2018, 109) hingegen schlägt „jegliche zweitrangige Rede“ vor, was thematisch eben so viel Sinn ergibt und inhaltlich nah am Original bleibt.
7 md,t pwjꜣṯ(.t): „spottende Rede“, vgl. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 91.

Wir werden sie bewahren vor dem bꜣw-Machterweis von Amun, Mut und Chons, Amenemope, Month und Maat.
Wir werden sie bewahren vor [Rto. x+35] einem bitteren Orakelentscheid (und) vor bitterer Rede.

Wir werden sie retten aus der Hand der Götter, die einen Menschen beim Rückzug/auf der Flucht schnappen (wörtl. nehmen), aus der Hand der Götter, die einen Menschen als Beute schnappen (wörtl. nehmen), (und) aus der Hand der Götter, die [Rto. x+40] einen Menschen auf den Feldern finden und die ihn (= den Menschen) in der Stadt töten und umgekehrt.
Wir werden sie retten aus der Hand von jedem Gott (und) jeder Göttin, die (furchtbare) bꜣw-Macht (auf)nehmen, wenn sie nicht zufrieden sind.
Wir werden sie retten aus der Hand der [Rto. x+45] Götter, die (irgendwelche) Menschen schnappen anstelle eines (anderen) Menschen.
Wir werden sie retten aus der Hand des großen Fürsten in Heliopolis.
Wir werden sie bewahren vor jeglicher Einwirkung eines Krankheitsdämons (und) vor jeglicher Einwirkung eines Wanderdämons.

Wir werden sie bewahren vor jeglichem Krankheitsleid (wörtl. Bitterkeit) [Rto. x+50] (und) vor jeglicher Hitze.
Wir werden veranlassen, dass Kraft dauert in jedem ihrer Glieder.
Wir werden sie retten aus der Hand jedes Gottes (und) jeder Göttin des gesamten Landes, (sei es) im Himmel, auf der Erde, im Süden, im Norden, im Westen [Rto. x+55] (oder) im Osten.

Wir werden ⸢sie⸣ bewahren [vor] dem Überfluten des Herzens (und) vor dem Versinken des Herzens.8
Wir werden ihren Mund öffnen, um zu sprechen.
Wir werden ⟨veranlassen⟩, dass sie verschont bleibt vor jeder Einwirkung bei [jeder] ⸢Reise⸣, [Rto. x+60] die sie unternehmen sollte, in jedem Sanktuar, in das sie eintreten sollte, an jedem Ort, an den sie gehen sollte.

8 hrp n(.j) ḥꜣ.t(j): Das Versinken des Herzens könnte eventuell mit einer Stelle im Papyrus Ebers (Eb 855o) in Verbindung gebracht werden, wo allerdings das jb-Herz aufgrund von Bitterkeit (dḥr.t) einsinkt (hrp), vgl. Fischer-Elfert 2018, 164.

Wir werden sie behüten am Mittag.
Wir werden sie bewachen bei Nacht.
Wir werden sie halten9 [Rto. x+65] bei Nacht, bei Tag (und) zu ⟨jeder⟩ Zeit.

9 mḥ.ṱ n-jm =st: Trotz der Klassifikation mit dem schlagenden Mann (A24) bei mḥ ist an dieser Stelle sicherlich nicht von einem gewaltvollen „Packen“ auszugehen, sondern ein mindestens neutrales (Fest)halten vorzuziehen.

Wir werden sie retten aus der Hand der Götter der Dekade, [d]⸢ie⸣ umkehren10 zu ihren Gefährten.
Wir werden sie bewahren vor jedem bösen Wanderdämon.

10 ꜥny.t: Zur Verwendung des Verbs ꜥnn „(sich/etwas) umwenden, zuwenden“ (Wb 1, 188.13–189.7) als Bezeichnung für den Untergang der Dekansterne, s. Edwards 1960a, 7–8 [54].

Wir werden sie bewahren vor [Rto. x+70] jeglichem schlimmen Anhalten des Sprechens.
Wir werden sie beschützen ⟨auf⟩ dem Schiff, am Uferdamm, bei jeder Art von Reise, die sie unternehmen sollte, (und) an jedem Ort ihrer Wahl.
⟨Wir⟩ werden für sie alles Glück [Rto. x+75] bereiten, jedwedes gute Schicksal (und) eine schöne Kindheit.

Verso

[... ... ...] [Vso. x+1] [Wir werden ihre beiden Hände gesund erhalten]1 (und) [de]ren 10 Finger.
Wir werden ihre beiden (Körper)seiten gesund erhalten.
Wir werden ihren Bauch gesund erhalten.
Wir werden ihren Nabel2 gesund erhalten.
[Vso. x+5] Wir werden ihr Rektum gesund erhalten.
Wir werden ihren Rumpf/ihre Bauchhöhle (wörtl. Kasten) bis zu seiner Flanke gesund erhalten.
Wir werden ihre beiden Oberschenkel und ihre beiden Unterschenkel gesund erhalten.
Wir werden die [Vso. x+10] 10 Zehen (wörtl. Finger) ihrer beiden Füße gesund erhalten.
Wir werden ihren Leib, all ihre Glieder von ihrem Kopf bis zu ihrer Fußsohle gesund erhalten.

1 jw=n r snb ḏr,t=s 2: Ergänzung nach Edwards 1960a, 9, n. 1.
2 ẖpw: Edwards (1960a, 9, n. 4) übersetzt mit Verweis auf Ebbell (The Papyrus Ebers. The Greatest Egyptian Medical Document (Copenhagen/London 1937), 109, 117, 123) „pudenda“ (Schamgegend, Vulva), was abzulehnen ist, s. Dils, Wort-Kommentar (WCN 122880).

– 2Q leer –3 Month-Re-Harachte, der Herr von Theben, [Vso. x+15] der inmitten des Südlichen Heliopolis ist.
– 1/2Q leer –3 Junit, die inmitten des Südlichen Heliopolis ist, die erhabenen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind.

3 In der Leerstelle ist ḏd „es spricht“ zu ergänzen. Die Orakelamulette wurden zunächst mit der Leerstelle produziert, ḏd wurde erst bei Ausführung des Orakels nachgetragen. Dies ist in manchen Fällen durch den Tintenfluss zu erkennen. Die Tatsache, dass in diesem Papyrus diese „Validierung“ ausblieb, deutet darauf hin, dass das Amulett niemals als solches verwendet wurde. Dazu passt, dass für die Besitzerin ein zweiter „validierter“ Amulettpapyrus (T2 = P. Turin 1984) erhalten ist, s. Edwards 1960a, xvii.

Wir werden schützen Buiruharchons [Vso. x+20], deren Mutter Djedchons (ist), unsere Dienerin, unser Mündel.
Wir werden sie schützen vor einem wr.t-Geist eines Kanals, vor einem wr.t-Geist eines Brunnens, vor einem wr.t-Geist eines Flusses, vor einem wr.t-Geist eines [Vso. x+25] Teichs, vor einem wr.t-Geist eines Tümpels vor einem wr.t-Männergeist, vor einem wr.t-Frauengeist, vor dem wr.t-Geist ihres Vaters (und dem) ihrer Mutter, vor einem wr.t-Geist ihrer Familie ihres Vaters [Vso. x+30] (und einem) ihrer Familie ihrer Mutter.
Wir werden sie (= die wr.t-Geister) beruhigen für sie.
Wir werden ihr Schutz geben vor ihnen (= den wr.t-Geistern) während ihrer4 gesamten Lebensdauer.

4 m-ḏr.t=w: Unterhalb der Gruppe ist der Papyrus etwas verschmiert. Eventuell hat der Schreiber dort einen Fehler ausgewischt und überschrieben.

Wir werden sie beschützen vor (Schadens)zauber eines Syrers, [Vso. x+35] vor (Schadens)zauber eines Nubiers, vor (Schadens)zauber eines pw~wꜣ~dj-Libyers5, vor (Schadens)zauber eines Menschen aus Ägypten, vor (Schadens)zauber eines Zauberers (und) einer Zauberin, vor jeglichem (Schadens)zauber [Vso. x+40] aller Art.

5 pwꜣdj: Bezeichnung für einen Libyer bzw. einen libyschen Stamm, der auf einer Statue Osorkons II. (Philadelphia E 16199 u. Cairo JE 37489) als gefährlich beschrieben ist (Ritner 2009, 286 [16]) und der in der späteren ägyptischen Geschichte die Rolle der mšwš übernahm, s. K. Zibelius, Afrikanische Orts- und Völkernamen in hieroglyphischen und hieratischen Texten, Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Reihe B (Geisteswissenschaften) 1 (Wiesbaden 1972), 113–114. Zur Lesung und Identifizierung, s. E. Graefe, Der libysche Stammesname p(j)d(j)/pjt im spätzeitlichen Onomastikon, in: Enchoria 5, 1975, 13–17; vgl. ferner: Edwards 1960a, 10, n. 23; G. Posener, La première domination perse en Égypte. Recueil d’inscriptions hiéroglyphiques, Bibliothèque d’étude 11 (Le Caire 1936), 186–187.

Wir werden sie bewahren vor Kopfekzem, vor Hautflechte, vor tnmm.t-Schorf6, vor der ḥmk.t-Krankheit, vor der ṯrrw-Krankheit (und) vor pšj-Pusteln.
Wir werden sie bewahren ⸢vor (?)⸣ jedem [Vso. x+45] Leid im Inneren der Gedärme (und) vor jeder Krankheit, die entsteht.

6 tnmm.t: Der Begriff ist bisher nur einmal belegt. Er findet in den Oracular Amuletic Decrees (OAD) Erwähnung im Kontext einer Aufzählung von schwerwiegenden Hautkrankheiten (L1, Vso. x+42; Grams 2017, 69–70; J. F. Quack, Tabuisierte und ausgegrenzte Kranke nach dem „Buch vom Tempel“, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.) Papyrus Ebers und die antike Heilkunde. Akten der Tagung vom 15.-16.3.2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 6380, 78). Edwards (1960a, 11 [27]) vermutet, dass es sich bei dieser Bezeichnung um eine Schreibvariante der tmy.t-Krankheit (Wb 5, 306.9; H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 952–953; W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 382–386) handeln könnte, da diese im pHearst (XI, 10) ebenso wie in den OAD im Zusammenhang mit mšš.t und mšpn.t genannt ist. Bardinet (Remarques sur les maladies de la peau, la lèpre, et le châtiment divin dans l’Égypte ancienne, in: Revue d’égyptologie 39, 1988, 3–36, hier: 18, 23) folgt dem, wobei er tmy.t mit nsy.t in Verbindung bringt und daher als schwerwiegende, ansteckende Hautkrankheit interpretiert, was für den Kontext in den OAD gut passt. Fischer-Elfert (Abseits von Ma'at. Fallstudien zu Außenseitern im Alten Ägypten, Wahrnehmungen und Spuren Altägyptens 1 (Würzburg 2005), 47, 50) verweist auf tnm jḥꜥ.t im Buch vom Tempel, das er mit kopt. ⲧⲱⲗⲙ/ⲧⲛⲟⲙ „dirt, impurity“ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 410b) verbindet und mit „fleckig“ übersetzt. Ein Beleg im Edfu-Tempel (II, 672) scheint diese Verbindung zu bestätigen, denn hier wird von einem Stier vor der Schlachtung dnmm abgewaschen, s. P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 1146. Dort ist das Wort ebenso wie in den OAD mit der Pustel (Aa2) klassifiziert. Da es im Rahmen einer Aufzählung von schwerwiegenden, unheilbaren Hautkrankheiten vorkommt, kann man nicht davon ausgehen, dass es sich um abwaschbaren Schmutz handeln dürfte, sondern um eine Form der Hautveränderung, die entweder verschmutzter Haut ähnlich sieht, wie etwa Schorf o.ä., oder dass durch das Wort eine Form der allgemeinen Unreinheit des Erkrankten ausgedrückt ist. Im Buch vom Tempel wird der Hautveränderung „glatte Haut“ entgegengesetzt, was eventuell auf einen schorfigen Ausschlag schließen lässt.

Wir werden Amun zu ihr bringen zu seiner Zeit.
Wir werden nicht zulassen, dass Menschen ihr entgegenstehen (wörtl. auf ihr stehen).
Wir werden Nechbet zu ihr bringen, wenn sie [Vso. x+50] besänftigt ist.

Es sprachen diejenigen, nämlich die erhabenen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind.
Was jedes gute Versprechen angeht, das man in diesem Orakel aufgeschrieben (wörtl. gemacht) hat, und ferner die, die man vergessen hat [Vso. x+55] zu notieren (wörtl. zu machen): sie entsprechen denjenigen (wörtl. sie sind ebenso wie), die (den Göttern) täglich vorliegen.7
Wir werden sie (die Versprechen) zum Guten der Buiruharchons, deren Mutter Djedchons (ist), unserer Dienerin, ausführen.

7 Die „Vergessensklausel“ ist in diesem Text ausführlicher formuliert als in anderen Orakeldekreten und weist darauf hin, dass vermutlich zusätzlich zu dem Amulett-Dekret des Schützlings, das dieser um den Hals trägt, ein Duplikat existiert hat, das im Tempel aufbewahrt wurde, s. M. Römer, Gottes- und Priesterherrschaft in Ägypten am Ende des Neuen Reiches. Ein religionsgeschichtliches Phänomen und seine Grundlagen, Ägypten und Altes Testament 21 (Wiesbaden 1994), 269 [§ 293].

[Vso. x+60] Wir werden ⟨ihren⟩ Leib mit männlichen Kindern (und) Mädchen füllen.
Wir werden sie ausscheiden (= im Sinne von gebären?)8 lassen.
Wir werden veranlassen, dass sie (= die Kinder) ausgesandt werden und dass sie ihr Bericht erstatten.
Wir werden ihr [Vso. x+65] Haus anfüllen mit Rindvieh, mit Kleinvieh, mit Dienern (und) Dienerinnen, mit Gerste, mit Emmer, mit Kupfer(gerät ?) (und) mit Kleidung.

8 ḫꜣꜥ: Der Textlogik folgend, erwartet man nach Schwangerschaft und vor dem Gehen lassen der erwachsenen Kinder die Geburt der Kinder. Die Verwendung des Verbums ḫꜣꜥ „werfen, legen, verlassen ausscheiden“ (Wb 3, 227.3–228.25) ist daher ungewöhnlich. Klassifiziert mit der sitzenden Frau könnte aber genau das ausgedrückt sein. Edwards (1960a, 12 [43]) interpretiert die Stelle als „Gehen lassen der (erwachsenen) Kinder“, was die Emendation eines Pronomens als direktes Objekt erfordert.