Ostrakon Deir el-Medineh 1603

Inventarnummer: oIFAO 2234 oIFAO Sequestre 241, 422, 833, 6313 und 9173

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2234

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) in Deir el-Medineh durch B. Bruyère aus den Jahren 1949–1951, wie aus der Fundbeschriftung hervorgeht. Die Ostraka wurden zu Studiumszwecken nach Kairo ins IFAO transportiert, wo sie sich heute noch befinden. Infolge der Suezkrise von 1956 wurde das IFAO unter Sequester gestellt. Die Räume mit den Ostraka wurden von den ägyptischen Behörden versiegelt und in den Jahren 1968–1970 durch die ägyptische Altertümerbehörde inventarisiert (Sauneron, in: Černý 1970, vi; Gasse 1990, ix mit Anm. 9). Jedes Fragment unseres Ostrakons bekam eine eigene Sequester-Nummer. Nachdem die Sammlung im Jahr 1970 wieder zugänglich geworden war, fing Georges Posener zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einer neuen Inventarisierung der ihn interessierenden literarischen Ostraka an, die er bis Nr. 2780 durchführte (Gasse 1990, x).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Die einzelnen Scherben des Ostrakons tragen teilweise Markierungen, die sowohl den Fundort als auch das jeweilige Funddatum angeben: 14.3.49 (GP), GP 15.3.50, GP 16.3.50, GP 3.1.51; GP 7.1.51. Die Zahlen stehen für das Datum, d.h. die fünf markierten Scherben wurden in einem Zeitraum vom 14.03.1949 bis zum 07.01.1951 entdeckt. GP steht für den „Grand Puits“ in Deir el-Medineh. Dieser wurde neben anderem in den Jahren 1949–1951 von B. Bruyère im Auftrage des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) untersucht (Posener 1978, 80 und Gasse 1990, ix).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

G. Posener datiert alle von ihm im ersten Band publizierten Ostraka in die Zeit von der Mitte der 19. bis zur Mitte der 20. Dynastie (Posener 1938, VI), was vielleicht zu eng gesehen ist. Aus der Identifizierung der erwähnten Personen auf den nicht-literarischen Ostraka aus Deir el-Medineh geht hervor, dass sie vom Ende der 18. (nur wenige) bis zum Ende der 20. Dynastie stammen. Gasse (1990, X) datiert alle von ihr edierten literarischen Stücke insgesamt in die 19. und 20. Dynastie. Vielleicht erlaubt eine zukünftige eingehendere Untersuchung der Paläographie eine Eingrenzung innerhalb der Ramessidenzeit. Der „Grand Puits“ wurde möglicherweise erst unter Ramses III. gegraben (Driaux 2011, 130–133 und 137) und in der Nachfolgezeit wieder verschüttet, aber das hilft nicht, um die dort später hineingeworfenen Ostraka genauer zu datieren (vgl. Gasse 2000, 7–8). Laut Bruyère stammt die Mehrheit der Ostraka aus dem großen Brunnen von Deir el-Medineh aus inhaltlichen und paläographischen Gründen aus dem Ende der 19. und der 20. Dynastie (Bruyère 1953, 61).

Textsorte
Inhalt

Auf dem Ostrakon befindet sich ein magischer Spruch, der zur Heilung von Gift dient. Wie dieses in den Körper des Patienten gelangte, wird daraus allerdings nicht ersichtlich. Für die erfolgreiche Anwendung wird sich einer Historiolae bedient und vielleicht nur am Textende der menschliche Patient angerufen (der Text ist ab Zeile 9 an der entscheidenden Stelle zerstört). Der Text fängt mit einem Aufruf des Horus an seine Mutter Isis um Hilfe zur Bekämpfung eines Leids, das durch Gift verursacht wird, an. Nach einem unklaren Übergang beschwört Isis das Gift und fordert es auf, den Körper zu verlassen und an der Eintrittsstelle zu sterben. In der vorletzten Zeile könnte ein typischer Vermerk solcher Sprüche stehen, in dem der realweltliche Beschwörer sich mit der Göttin Isis gleichsetzt, und anschließend wird vermutlich der menschliche Patient begrüßt.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Auf dem Ostrakon befindet sich ein Spruch zur Heilung von Gift. Als solches könnte es von einem altägyptischen Heiler als Gedächtnisstütze aufbewahrt worden sein. Das Wort „der Gebissene“ in der allerletzten Zeile spricht dafür, dass der Spruch allgemeingültig gedacht war und nicht auf einen namentlich genannten, spezifischen Patienten zugeschnitten wurde.

Material
Künstliche Materialien » Keramik
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Dieses gelblich-graue Keramikostrakon wurde aus sechs Fragmenten wieder zusammengesetzt und hat eine Höhe von 19,5 cm und eine Breite von 18,8 cm. Auf der äußeren/konvexen Seite stehen elf Zeilen Text, die sich fast über das gesamte Ostrakon erstrecken und quer zur Achse des ursprünglichen Gefäßes geschrieben sind. Nach dem textlichen Inhalt sind alle Ränder original erhalten. Nur am rechten Rand, ab der Höhe der siebten Zeile, fehlt die ganze untere Ecke, was bis zum Ende des Ostrakons immer mehr Textverlust bedingt. Ca. in der Mitte der ersten fünf Zeilen fehlt zudem eine größere Scherbe. Auch sind verschiedentlich Textstellen von Abrieb betroffen (Posener 1978, 80 und Taf. 51).

Schrift
Hieratisch

Die Schrift ist durchgängig schwarz. Zudem wurden Gliederungspunkte in rot gesetzt (Posener 1978, 80). Es handelt sich um eine Buchschrift mit einer moderaten Verwendung von Ligaturen.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch, Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Hinweise für neuägyptischen Einfluss sind die Präfigierung j:j.n (Z. 2), der Umstandskonverter jw (Z. 3) und der Artikel tꜣ (Z. 4). In der Orthographie erkennt man neuägyptischen Einfluss in der Schreibung des Suffixpronomens =st (Z. 6 und 7), des Suffixpronomens =ṯ mit der Hieroglyphe B2 (Z. 2, 3, 6, 8) und im Imperativ mit Femininendung (Z. 7).

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei G. Posener im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Faksimile sowie hieroglyphischer Transliteration aufgeführt und als magischer Text identifiziert (Posener 1978, 80, Taf. 51–51a). Katharina Stegbauer hat im Rahmen des Projekts DigitalHeka (2006–2008) eine deutsche Übersetzung angefertigt, welche seitdem in den Thesaurus Linguae Aegyptiae integriert wurde.

Editionen

- Posener 1978: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. III,2. Nos 1410–1606, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 20, Fasc. 2 (Le Caire 1978), 80 und Taf. 51–51a.

Literatur zu den Metadaten

- Bruyère 1953: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el Médineh (Années 1948 à 1951), Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 26 (Le Caire 1953).

- Černý 1970: J. Černý, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deir el-Médinéh, Nos 624–705, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 14 (Le Caire 1970).

- Driaux 2011: D. Driaux, Le Grand Puits de Deir al-Medîna et la question de l’eau: nouvelles perspectives, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 111, 2011, 129–141.

- Gasse 1990: A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990).

- Gasse 2000: A. Gasse, L’inventaire des ostraca littéraires de Deir el-Médina conservés à l’IFAO. Premiers résultats, in: Göttinger Miszellen 174, 2000, 5–14.

- Posener 1938: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. I,3. Nos 1001 à 1108, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1 (Le Caire 1938), V–VI.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Mitwirkende
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Ostrakon Deir el-Medineh 1603

[1] Ein weiterer Spruch:
Meine Mutter, wirksam [sind deine Sprüche].
Meine gute Mutter, komm herbei an meine Brust! so sprach Horus zu [seiner Mutter Isis.]
Komm eilends, komm eilends!
Mögest du mir deinen Mund auf meinen Mund legen, deine Hand auf [meine] Hand, [... ... ...], während die (?) andere an seinem Hinterkopf ist (?).
Man wird die 2 Männer nicht vertreiben, die versammeln (?) [... ... ...]
O Gift, ich will deine Bewegungen untersuchen, [5] die in jeglichem Glied des [NN., geboren von NN., (?) sind, mit]1 meinen Zaubersprüchen und mit meinen wirkmächtigen Zauberformeln, die mir mein Vater Geb gab.
Das Giftwasser (?)2, es soll still stehen wie die Erde (d.h. nicht zirkulieren), schwer/unbeweglich sein wie Stein, versiegt sein wie ein Ort, den der Nil überschwemmt in den Tagen der Fruchtbarkeit.
Spei aus, Gift!
Komm [... ... ...]!
Stirb an dem Ort, an dem du eingetreten bist, (denn) die Hitze deiner Flamme ist gelöscht im Körper [des NN., geboren von NN. (?).]
Gift (?) [...] Re bei seinem Erscheinen.
Komm, geh auf die Erde heraus!
Ich bin Isis, [10] [... ...] Zauber!
[... ...] wie die/deine (?) Mutter.
Sei gegrüßt [... ... ...] Gebissener.

1 [mn msi̯.n mn.t]: Die Spuren des Zeichens nach nb n.j passen nicht wirklich zu mn. Eine alternative Ergänzung könnte „in jedem Glied [meines] ⸢Sohnes⸣ [Horus]“ sein.
2 ⸢___⸣: Die Spuren passen am ehesten zur Negation tm, aber dann würde man tm=s ꜥḥꜥ statt tm ꜥḥꜥ=s erwarten. Eine Ergänzung jw passt nicht zu den Spuren. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 118 hat in dem fraglichen Wort eine Wasserbezeichnung vermutet (mit drei Wasserlinien als Klassifikator) und eine andere Satztrennung angesetzt: „Dir (= Isis) hat dein Vater Geb /Wasser/ gegeben, indem es wie Land dasteht, indem es schwer lastet wie ein Stein, indem es (alles) auslöscht wie das Herbeiströmen der Überflutung am vorherbestimmten Tag.“ Diese Satztrennung impliziert, dass der erste Gliederungspunkt eigentlich hinter der Wasserbezeichnung und nicht hinter „Geb“ gehört.