kꜣkꜣ

Das ägyptische kꜣkꜣ ist seit L. Stern, Glossarium, in: G. Ebers (Hrsg.), Papyros Ebers. Das hermetische Buch über die Arzeneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift. Vol. 2 (Leipzig 1875), 1-63, hier 34a oft für Rizinus gehalten worden – seit der Identifizierung von dgm mit Rizinus wäre das die zweite Bezeichnung dafür. Das basiert vor allem auf Herodot II, 94 und anderen griechischen Autoren, die schreiben, dass die Ägypter diese Pflanze als κίκι bezeichnet hätten (eine Zusammenstellung der Belege findet sich bei W.R. Dawson, Studies in Medical History. (a) The Origin of the Herbal. (b) Castor-Oil in Antiquity, in: Aegyptus 10, 1929, 49-72, hier 57-61). H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der Heiligen-und der Volks-Sprache und-Schrift der alten Ägypter. Nebst Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des koptischen und der semitischen Idiome. Bd. VII (Leipzig 1882), 1237 bringt es mit hebräisch קיקיון: „Rizinus“ zusammen und kommt so, ohne Verweis auf das Griechische, ebenfalls zu dieser Bedeutung. Es gibt auch im Koptischen ein Wort ⲕⲓⲕⲓ, das laut W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 74 ebenfalls den Rizinus bezeichnet, genauer: die Pflanze, während ihm zufolge dgm die Bezeichnung der Rizinussamen sei. Das kann zumindest für die ältere Zeit nicht zutreffen, weil im pEbers mehrfach pr.t dgm: „Samen vom dgm“ und in Eb 251 auch mn.wt=f: „seine (nämlich des zuvor genannten dgm) Wurzeln“ genannt werden. Dgm kann also keine Bezeichnung von Samen sein, weil dann pr.t dgm tautologisch wäre, sondern muss eine Pflanzenbezeichnung sein. Auch fürs Koptische ist diese Unterscheidung problematisch, wenn die Scala Magna koptisches ⲕⲓⲕⲓ mit arabisch ﺣﺐ الخروع: „Samen vom Rizinus“ übersetzt (V. Loret, Les livres III et IV (animaux et végétaux) de la Scala Magna de Schams-ar-Riâsah, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 1, 1900, 48-63, hier 58, Nr. 192, auch erwähnt von Vycichl).

Die Übersetzung von kꜣkꜣ mit Rizinus ist auch schon früh angezweifelt worden: Bereits Gardiner zweifelte an der Identifizierung mit irgendeiner spezifischen Pflanze; mit Verweis auf pTurin Pleyte/Rossi 121 = pTurin CGT 54050, wo Tod durch kꜣkꜣ als Todesart zwischen Tod durch nh(.wt): „Bäume“ und Tod durch nbj.t: „Schilfrohr“ genannt wird, vermutet er, dass kꜣkꜣ eine allgemeine Bezeichnung für Pflanzen sei, und vermutet „a weed“ (DZA 30.562.270). Unter anderem mit Verweis darauf zweifelt auch Dawson, ebd., 66-67 an der Gleichsetzung kꜣkꜣ = κίκι. Als Ausschlussargumente führt R. Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Philippika 21 (Wiesbaden 2008), 144 zudem an, dass nie Öl oder Samen von kꜣkꜣ genannt würden und das Wort auch nie mit dem Baum klassifiziert sei, was sie für Rizinus erwarten würde (und was bspw. für dgm auch belegt ist). Neben dem bereits von Gardiner angeführten Text gibt es weitere Textstellen, die eher dafür sprechen, dass dieses kꜣkꜣ zunächst eine allgemeine Pflanzenbezeichnung ist. D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 125 (Le Caire 2006), 83-84, Anm. 203 geht davon aus, dass es vielleicht eher „Buschwerk“ meinen könnte (so auch schon Dawson, ebd., 67: „scrub or brushwood“), da in diesem Papyrus, Zeile x+7,2 davon die Rede ist, dass unter dem Gott Schu das Wasser hervorquillt und die kꜣkꜣ-Pflanzen wachsen lässt – warum sollte es dort nur um Rizinus gehen? Auch wenn Ramses II. in den Beischriften zu den Kadeschschlacht-Reliefs, § 18 unter den Feinden wütet „wie Feuer in den kꜣkꜣ-Pflanzen”, würde eine Bedeutung wie „Buschwerk“ besser passen als „Rizinus“. T. Pommerening, Wege zur Identifikation altägyptischer Drogennamen. Eine kritische Betrachtung, in: P. Dils – L. Popko (Hrsg.), Zwischen Philologie und Lexikographie des Ägyptisch-Koptischen. Akten der Leipziger Abschlusstagung des Akademienprojekts „Altägyptisches Wörterbuch“, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 84 (3) (Leipzig, Stuttgart 2016), 82-111, hier 100-101, Anm. 115 hält diese Identifikation für „überzeugend“.

Es fragt sich, ob man dieses kꜣkꜣ mit dem kk.wt des pBremner Rhind, 18,25 (so schon R.O. Faulkner, The Bremner-Rhind Papyrus – II, in: Journal of Egyptian Archaeology 23, 1937, 10-16, hier 15) und dem kk der ptolemäischen Texte zusammenbringen kann (so auch P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 1091; anders offenbar G. Charpentier, Recueil de matériaux épigraphiques relatifs à la botanique de l’Égypte antique (Paris 1981), der unter Nr. 1239 zwar kꜣkꜣ und das kk.wt des pBremner Rhind verweist, aber keine Querverweise zwischen dieser Pflanze und kk, Nr. 1273 einfügt). Letzteres scheint ebenfalls eine allgemeine Pflanzenbezeichnung zu sein, denn Isis fordert in Edfu VI 66,11 Horus auf, auf Seth zu schießen, da er gerade auf einem Hügel ohne kk.w sei, demzufolge freie Sicht habe (s. Wilson). H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Bd. IV (Leipzig 1868), 1502, brachte dieses kk dagegen mit koptisch ⲕⲏⲕ, ⲕⲟⲩⲕⲓ, ⲕⲟⲩⲕⲉ zusammen, das „Rinde, Haut“ heißt. Hierfür brachte er eine geographische Inschrift aus Edfu an, derzufolge kk.w entfernt (? šzp) und durch „neue“ ersetzt werden sollen, woraus er schließt, das kk „eine vertrocknete, gleichsam zu bloßer Rinde gewordene Blume oder Pflanze“ meine. Die von ihm genannten koptischen Wörter gehen aber wohl vielleicht auf ägyptisches qq.t (Wb 5, 71.13), demotisches qwq (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 533) und qq.t (Erichsen, ebd., 551) zurück, vgl. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 59.

Darüber hinaus muss kꜣkꜣ gelegentlich aber doch auch eine spezifischere Pflanze meinen. Dafür spricht nicht zuletzt der Gebrauch in den medizinischen Rezepten, wo man eine spezifische Pflanze erwartet. Ob man auch in dieser Hinsicht mit ptolemäischem kk vergleichen kann? In Dendera gibt es die Pflanzenbezeichnung kk Nḥsj, „nubisches kk“, und laut A. Lüchtrath, Das Kyphirezept, in: D. Kurth (Hrsg.), Edfu: Bericht über drei Surveys. Materialien und Studien, Die Inschriften des Tempels von Edfu: Begleitheft 5 (Wiesbaden 1999), 97-145, hier 115-117 könnte das eine von mehreren Bezeichnungen für Kalmus sein, das getrocknete Rhizom von Acorus calamus L. Laut Lüchtrath oder besser, laut P. Derchain, La recette du kyphi, in: Revue d’égyptologie 28, 1976, 61-65, auf den sie sich hierfür beruft, ist diese Pflanze vielleicht aus verschiedenen Regionen eingeführt worden. Dies würde die verschiedenen Namen erklären. Ob man diese Bedeutung dann auch für den pEbers übernehmen kann, ist aber zu unsicher. Sollte man dies tun, müsste man auch das šw.t-Nmtj in der Diskussion um die Identifikation berücksichtigen, die nach dieser Theorie ebenfalls diese Pflanze, nur eben aus einer anderen Region importiert, bezeichnen würde.

Als Vorläufer des griechischen κίκι und Entsprechung des hebräischen קיקיון vermutet W. Helck, Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr, Ägyptologische Abhandlungen 5, 2. Auflage (Wiesbaden 1971), 522, Nr. 238 nicht kꜣkꜣ, sondern das mit einem Baum klassifizierte qꜣqꜣ im Ortsnamen Pꜣ-qꜣqꜣ des pWilbour B13,8. Ein Beleg für dieses Wort außerhalb des Ortsnamens findet sich auf oDeM 922, Zeile 4, wo pr.t qꜣqꜣ: „Samen von qꜣqꜣ“ mit einer (heute zerstörten) Gewichtsangabe verzeichnet sind, P. Grandet, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deir el-Médinéh. Tome IX. Nos 831–1000, Documents de fouilles de l’Institut français d’archéologie orientale 41 (Le Caire 2003), 99 und 359. Grandet erwähnt mit Verweis auf Helck die mögliche Identifikation dieser Pflanze mit Rizinus, weist aber (mit Verweis auf R. Germer, Flora des pharaonischen Ägypten, Sonderschrift, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 14 (Mainz 1985), 103-104) auf die scheinbare Kritik an dieser Identifikation hin und lässt das Wort daher ohne Übersetzung. Allerdings hat er sich hier von Germers Transkription ḳꜣḳꜣ, d.h. qꜣqꜣ, fehlleiten lassen; den dort angegebenen Referenzen nach ist Germers Kritik an der Identifikation auf kꜣkꜣ zu beziehen. Meeks, a.a.O. greift den Vorschlag, in qꜣqꜣ den Vorläufer des griechischen κίκι zu sehen, wieder auf.

Dr. Lutz Popko